21
Kein Touristenprogramm jetzt, nur noch
konzentriertes Fahren. Auf der Interstate 27 nordwärts nach
Amarillo, dann auf die 287. Wir würden westwärts in die Zeit
zurückreisen, von Mountain zu Pacific Time. Anfangs hielten wir uns
stur Richtung Norden. Von Lubbock rauf nach Denver waren es über
achthundert Kilometer. Wir umfuhren die Gipfel westlich von Denver
und überquerten direkt südlich von Cheyenne die Grenze nach
Wyoming.
»Erklär’s mir noch mal«, sagte Bel. »Warum
fliegen wir nicht?«
»Flugreisen sind leicht nachzuverfolgen, besonders
wenn eine Bundesbehörde hinter einem her ist. Außerdem ist es für
solche Leute auch leicht, Flughäfen beziehungsweise
Autoverleihfirmen auf Flughäfen zu überwachen. Auf diese Weise
schleichen wir uns gewissermaßen an ihnen vorbei.«
Sie nickte, sah aber nicht überzeugt aus. Ich hätte
hinzufügen können, dass ich Zeit zum Nachdenken brauchte, Zeit zum
Planen - Zeit, die mir die Autofahrt bieten würde. Die Sache war
die, dass ich keine Ahnung hatte, was wir in Seattle tun sollten.
Ich verfügte über keinen klaren Angriffsplan und betete darum, dass
mir ein zündender Gedanke käme.
Am frühen Abend waren wir schon fast tausend
Kilometer gefahren. Ich hatte über eine ganze Menge Dinge
nachgedacht. Unter anderem darüber, dass es verrückt gewesen wäre,
völlig erledigt am Ziel anzukommen. Direkt hinter dem Autobahnkreuz
fanden wir ein Motel. Oder es fand uns. Wir fuhren einfach auf den
ersten der vielen Rastplätze entlang dem Highway und nahmen uns ein
Zimmer.
Es war ein komisches Gefühl, auszusteigen und zu
gehen. Im Kopf saß ich noch immer im Wagen, war noch immer am
Fahren. Die ganze letzte Stunde hatte ich nur noch wie eine
Maschine funktioniert. Mein linker Arm, der ständig auf der
Fensterleiste gelegen hatte, war von der Sonne verbrannt. Bel hatte
mich immer wieder am Steuer abgelöst und schien, zumindest anfangs,
besser mit dem Auto klarzukommen als ich. Wir hatten ein paar
Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Musikauswahl und der
Auswahl von Rastplätzen gehabt, aber abgesehen davon, hatten wir
eigentlich nicht viel gesprochen. Klar, anfangs schwatzten wir wie
zwei Wasserfälle, aber irgendwann gingen uns die Themen aus. Sie
erwarb in einem Tankstellenshop ein Schundromänchen und schmökerte
eine Weile darin, bevor sie es aus dem Fenster schmiss.
»Ich kann mich nicht konzentrieren«, erklärte sie.
»Jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, jetzt würde ich es schaffen,
es zu verdrängen, sehe ich es wieder... sehe ich Max wieder.«
Mehr brauchte sie nicht zu sagen.
Im Motel stiegen wir beide nacheinander in die
Badewanne. Dann ließen wir uns von einem Restaurant Spareribs und
Apfelkuchen bringen. Wir glotzten den Fernseher an. Wir tranken
Cola mit jeder Menge Eis. Und wir legten uns schlafen. Die Betten
waren zu weich, also legte ich mich lieber auf den Fußboden. Als
ich nachts aufwachte, lag Bel neben mir. Ich lauschte ihrem Atem
und dem gedämpften Verkehrslärm von draußen. Unser Zimmer war in
einen schwach orangefarbenen Schimmer getaucht, wie früher, wenn
meine Eltern das Licht im Flur eingeschaltet und meine Zimmertür
angelehnt ließen, damit die Monster draußen blieben.
Wie kommt’s, dass die Monster nur nachts
auftauchten? Waren die blöd oder was?
Am nächsten Morgen frühstückten wir wieder in einem
Diner. »Weiter nach Westen wird der Kaffee besser«, versprach ich.
Aber Bel ließ sich trotzdem nachschenken.
Wir nahmen die I-80 in westlicher Richtung, quer
über die kontinentale Wasserscheide. Es ging durch die Berge, und
es waren etliche Touristen unterwegs, die uns gelegentlich
aufhielten. Sie reisten in hochmodernen Fahrzeugen, die wie
Wohnmobile aussahen, aber so lang wie Busse waren. Und hinten dran
hingen in der Regel ihre Autos. Sie fühlten sich wahrscheinlich als
Nachfahren der Pioniere. Es war schwer, auf Parkplätzen nicht mit
ihnen ins Gespräch zu kommen. Und wenn man’s nicht schaffte, wurde
man mit endlosen Fragen über Europa gelöchert. Eine Frau bestand
sogar darauf, uns auf Video zu bannen. Wir versuchten, verliebt und
flitterwöchnerisch auszusehen. Es war nicht einfach.
»Vielleicht würden Drogen helfen«, schlug Bel
vor.
»Nicht auf Dauer. Die würden uns beim Fahren
helfen, aber die Symptome lediglich überdecken, sie nicht wirklich
beseitigen. Am Ende wären wir krankenhausreif.«
»Sprichst du aus Erfahrung?«
Ich nickte, und sie lächelte. »Ich vergess dauernd,
um wie viel weltgewandter du bist, Michael.«
»Komm, schauen wir mal, ob wir die Kühlbox
aufgefüllt kriegen.«
Wir hielten außerhalb von Ogden auf der I-84. Ein
weiteres Motelzimmer, ein weiteres langes, heißes Bad, ein weiterer
Diner.
Bel legte den Kopf auf die Tischplatte. »In welchem
Staat sind wir noch mal?«, fragte sie.
»In Utah, glaub ich. Aber nicht mehr lang. Bald
kommen wir nach Idaho.« Die Kellnerin nahm unsere Bestellung
entgegen.
»Geht’s Ihnen auch gut?«, fragte sie Bel.
»Ja, danke, ich bin nur müde.«
Die Kellnerin entfernte sich. »Sie glaubt, du
stehst unter Drogen«, sagte ich zu Bel.
»Ist bloß Adrenalin.«
»Das hier ist nicht die beste Art, durch das Land
zu reisen, möglicherweise aber doch die einzige Art, Amerika
zu sehen. Eines Tages machen wir das mal richtig, wenn du
möchtest.«
»Liebend gern, Michael.« Sie legte den Kopf wieder
auf den Tisch. »So in zehn, zwanzig Jahren.«
»Ich war mal eine Woche lang im Auto quer durchs
Land unterwegs. Ich hab auch im Auto geschlafen.«
»Du musst dich völlig beschissen gefühlt
haben.«
Ich lächelte bei der Erinnerung. »Ich habe mich
sehr, sehr lebendig gefühlt.«
»Tja also, ich fühle mich bestenfalls halb
lebendig, aber das ist immer noch besser als gar nichts.« Sie trank
einen langen Schluck Eiswasser. »Weißt du, wenn ich nicht mit dir
mitgefahren wäre, ich meine nach London und Schottland...«
»Ich weiß«, sagte ich.
»O Gott, Michael, ich wäre jetzt tot!« Sie hatte
Tränen in den Augen. Sie sah weg, starrte aus dem Fenster und hielt
sich die Hand vor den Mund. Die Hand zitterte. Als ich sie berühren
wollte, sprang sie vom Tisch auf und rannte nach draußen.
Ich lief ihr hinterher. Unser Diner war eine
Trucker-Raststätte. Er hatte einen riesigen asphaltierten
Parkplatz, auf dem nur ganz hinten ein paar Laster standen. Von
allen vier Ecken des Geländes strahlten Flutlichtlampen auf uns
herab. Unsere Kellnerin spähte aus dem Fenster zu uns hinaus.
Bel lief mehr oder weniger im Kreis und heulte. Sie
machte abwehrende Bewegungen mit den Armen, also trat ich ein paar
Schritte zurück und hockte mich auf den Boden. Der Asphalt fühlte
sich warm an. Ich saß mit ausgestreckten Beinen da und verfolgte
den Exorzismus mit wenig Vergnügen.
Sie redete, schrie auch gelegentlich, alles
Mögliche vor sich hin. Flüche, Schimpfwörter, Verwünschungen.
Schließlich stieß sie den Namen ihres Vaters aus. Es schien, als
wollte sie sich ihn gewaltsam aus dem Leib zerren. Sie wiederholte
ihn immer und immer wieder, bis sie einen Hustenanfall bekam. Aus
dem Husten wurde ein trockenes Würgen, und sie fiel vornüber auf
Hände und Knie. Ein riesiger Laster fuhr gerade mit zischenden
Druckluftbremsen auf den Parkplatz. Seine Scheinwerfer erfassten
die Gestalt einer Verrückten. Der Fahrer parkte wohlweislich in
sicherer Entfernung.
Schließlich, als Bel sich ein wenig beruhigt hatte,
stand ich auf, ging zu ihr und legte einen Arm um sie.
»Wie wär’s mit einem Kaffee?«, fragte ich.
Am nächsten Morgen überquerten wir die Grenze nach
Idaho. Auf den Autokennzeichen stand jetzt »Berühmte
Kartoffeln«.
»Kartoffeln?«, sagte Bel.
»Kartoffeln. Wir haben es hier mit einem stolzen
Volk zu tun.«
Wir waren noch rund dreizehnhundert Kilometer von
Seattle entfernt. Ich dachte, wir sollten so weit wie möglich
kommen und dann noch mal übernachten, so dass wir die Stadt frisch
und ausgeruht erreichen würden. Bel wollte durchfahren. Die Straße
war wirklich zu ihrer Droge geworden. Als wir endlich hielten, war
sie kaum in der Lage, sich zu entspannen. Selbst im Motel, vor dem
Fernseher, zappelte sie noch herum. Sie ernährte sich mittlerweile
nur noch von Hamburgern und Milchshakes. Ihre Haut und ihr Haar
hatten einiges an Spannkraft eingebüßt, und unter ihren Augen lagen
dunkle Schatten. Alles meine Schuld, sagte ich mir immer wieder.
Seit dem letzten Abend schien es ihr jedoch ein bisschen besser zu
gehen, als wäre sie jetzt mehr bei sich. Sie war heiser vom
Schreien und hatte rote Augen. Aber ich glaubte nicht, dass sie
einen solchen Zusammenbruch noch einmal haben würde. Sie wirkte
selbstsicherer, härter - und war zu allem bereit.
»Nein«, sagte ich, »wir halten irgendwo, verwöhnen
uns ein bisschen, nehmen eine kleine Auszeit.«
Die Frage war nur, wo konnte man sich im wüsten
Nirgendwo zwischen Salt Lake City und Seattle verwöhnen? Einen
Umweg über Portland zu machen wäre Unsinn gewesen. Die Antwort
fanden wir gewissermaßen aus einem Jux heraus. Wir beschlossen, in
einem Ort namens Pasco zu übernachten, und zwar lediglich aus zwei
Gründen: dass er eine halbwegs annehmbare Größe zu haben schien und
Bels Mutter mit Mädchennamen Pascoe geheißen hatte. Aber an der
Straße ins Zentrum gab es, neben all den anderen billigen, anonymen
Motels, ein »Love Motel«, mit herzförmigen Wasserbetten,
Champagner, Pralinen, Sexvideos... Unser Zimmer sah aus wie eine
Kaufhaus-Weihnachtsdekoration, ganz in rotem Samt und Satin
gehalten. Die Bettlaken waren schwarz, und auf dem Kopfkissen lag
eine einzelne Plastikrose.
»Man kommt sich vor wie in einer blutenden Nase«,
erklärte Bel und ließ sich aufs Bett plumpsen. Als es unter ihr
wogte, lachte sie kurz auf - zum ersten Mal seit einer ganzen
Weile. Aber nach einer Flasche von einem Gesöff, das die Champagne
nicht mal vom Reiseprospekt her kannte, sah alles schon viel besser
aus. Und wenn man so auf dem Bett lag, meinte Bel, fühlte man sich
ein bisschen so, als wäre man immer noch im Auto. Vom Porno
schauten wir uns nur ein kurzes Stück an, gingen dann allerdings
gemeinsam in die Wanne. Es war ein Jacuzzi, und Bel drehte die
Sprudeldüsen voll auf. Wir fingen an, uns in der Wanne zu lieben,
machten dann aber auf dem Bett weiter. Am Ende waren wir so
nassgeschwitzt, dass ich dachte, das Bett hätte ein Leck bekommen.
Ich hatte Bel noch nie so leidenschaftlich erlebt: Sie klammerte
sich an mich wie eine Ertrinkende. Es war Sex, wie man ihn in der
Nacht vor seiner Hinrichtung hat oder bevor man in den Krieg zieht.
Vielleicht traf auch beides in gewisser Weise auf uns zu.
Wir schliefen ein, ohne irgendwas zu Abend gegessen
zu haben, wachten mitten in der Nacht auf und fuhren zu einem
durchgehend geöffneten Supermarkt, wo wir uns mit Proviant
eindeckten. Dann saßen wir in unserem Zimmer auf dem Fußboden und
aßen mit geräuchertem Schinken belegte Hamburgerbrötchen, die wir
mit Coke runterspülten. Anschließend liebten wir uns wieder und
dösten dann bis zum Morgen. Wir hatten noch immer über dreihundert
Kilometer bis Seattle zu fahren und mussten unterwegs noch einige
Entscheidungen treffen - etwa, ob es sicherer sein würde, uns in
einem Motel außerhalb der Stadt oder in einem großen Hotel im
Zentrum ein Zimmer zu nehmen. Es wäre praktisch gewesen, ein
zentrales Basislager zu haben, ebenso praktisch aber, nicht
erwischt zu werden.
Als wir über die I-90 in Seattle eintrafen,
schimmerte in der Ferne der schneebedeckte Gipfel des Mount
Rainier.
Es gab verschiedene Dinge, die ich Bel hätte sagen
wollen, zum Beispiel, warum ich über Max’ Tod nicht geweint hatte.
Ich wollte ihr erklären, warum ich mich nicht so wie sie auf dem
Parkplatz aufgeführt hatte. Ich wollte ihr erklären, dass man Dinge
wie in einer Flasche in sich einschließen konnte, bis man für sie
bereit war. Wenn ich Kline wiederbegegnete, würde die Flasche mit
einem Knall aufplatzen. Aber irgendwie fand ich nicht die richtigen
Worte. Außerdem hatte ich meine Zweifel, dass sie irgendetwas
genützt hätten.
Es war wieder ein heißer, trockener Tag und der
Verkehr äußerst zähflüssig, was aber keinen der Beteiligten
besonders zu stören schien. Was Lage und Plan angeht, ist Seattle
ziemlich einzigartig. Von Osten kommend, erreichten wir Mercer
Island, durchquerten die Insel und gelangten über die lange Brücke
auf den schmalen Streifen Land, auf dem, zwischen Lake Washington
und Puget Sound gequetscht, die Stadt selbst liegt. Von der
Interstate kamen wir direkt ins Herz des rasterartig angelegten
Zentrums: Avenues, die von Norden nach Süden verlaufen, Streets von
Osten nach Westen. Als ich das letzte Mal hier zu Besuch war, hatte
ich vom Flughafen Sea-Tac aus ein Taxi genommen und war durch ein
scheinbar nicht enden wollendes Hinterland von schäbigen Motels,
Bars und Striplokalen gekommen, die mit dem Spruch »49 schöne
Frauen... und eine hässliche« warben. Unsere jetzige Route schien
eine viel bessere zu sein. Es kamen ein paar ansehnliche Hotels,
durchweg Ableger von namhaften Ketten, in denen vor allem
Geschäftsreisende abstiegen. Im ersten, in dem wir fragten, hatten
sie ein Zimmer frei, also nahmen wir es. Es war eine große
Erleichterung, den Wagen in die Garage zu fahren und mit unserem
Gepäck nach oben zu gehen, im Bewusstsein, dass wir jetzt über
einen Stützpunkt verfügten. Wir hatten nach einiger Überlegung
beschlossen, zentral zu wohnen, da das weniger Fahrerei für uns
bedeutete. Wir hatten uns im Pfandleihhaus Ringe besorgt und
checkten als Mr. und Mrs. West ein. Bel schaute sich die Broschüren
über die Sehenswürdigkeiten der Stadt an, während ich mich ans
Telefon setzte.
Es meldete sich jemand von der
Nachrichtenredaktion.
»Könnte ich bitte mit Sam Clancy sprechen?«
»Er gönnt sich zurzeit einen längeren
Urlaub.«
»Da habe ich aber was anderes gelesen. Hören Sie,
könnten Sie eine Nachricht für ihn entgegennehmen?«
Eine Pause. »Das ließe sich machen.«
»Ich heiße Mike West und bin in einem Hotel in
Downtown abgestiegen. Ich möchte, dass Sam sich mit mir in
Verbindung setzt. Es sieht so aus, als würden wir uns seit einiger
Zeit für ähnliche Themen interessieren, nur dass ich in Schottland
daran gearbeitet habe, in der Nähe von Oban.« Ich wartete, während
er sich Notizen machte. »Es schreibt sich O-b-a-n. Sagen Sie ihm
›Oban‹, dann wird er Bescheid wissen.«
»Sind Sie Journalist?«
»In gewisser Weise, ja.« Ich gab ihm die
Telefonnummer des Hotels und unsere Zimmernummer. »Wann kann ich
damit rechnen, dass er die Nachricht erhält?«
»Er ruft manchmal in der Redaktion an, aber
unregelmäßig. Könnte ein paar Tage dauern.«
»Eher wäre besser. Bis dahin kann ich nur Däumchen
drehen.«
Er sagte, er würde tun, was er könne, und ich legte
auf. Bel war noch immer dabei, die Informationsbroschüren zu
studieren.
»Ich werde dir sagen, was man in Seattle tut«,
erklärte ich. »Man steigt an einem klaren Tag auf die
Aussichtsplattform der Space Needle, besucht an einem beliebigen
Tag den Pike Place Market, und man schlendert über den Pioneer
Square.«
»Michael, als du das letzte Mal hier warst... war
das beruflich?«
»Rein zum Vergnügen«, antwortete ich. »Was für
Vergnügen?« Sie sah mich nicht an, als sie das fragte.
»Whalewatching«, erwiderte ich. Jetzt schaute sie
mich an.
»Whalewatching?«
»Ja. Ich bin mit der Fähre rauf nach Vancouver
Island und habe Wale beobachtet.«
Sie lachte und schüttelte den Kopf.
»Was ist daran auszusetzen?«
»Gar nichts, es ist bloß... ich weiß nicht. Ich
meine, du bist in vielerlei Hinsicht so normal.«
»Du meinst, für einen Killer?«
Jetzt hatte sie aufgehört zu lachen. »Ja,
wahrscheinlich.«
»Ich bin und bleibe aber trotzdem ein Killer, Bel.
Das ist das, was ich am besten kann.«
»Ich weiß. Aber wenn das hier erst mal vorbei
ist...«
»Wir werden sehen.«
Das Telefon klingelte, und ich nahm ab. Es war Sam
Clancy.
»Das ging schnell«, sagte ich.
»Ich muss vorsichtig sein, Mr. West. Die Rezeption
sagte, Sie hätten erst vor zwanzig Minuten eingecheckt.«
»Das stimmt.«
»Sie verlieren keine Zeit.«
»Ich glaube, das können wir uns beide nicht
leisten.«
»Dann lassen Sie hören.«
Er klang überhaupt nicht so, als wäre er weit weg.
Er hatte einen weichen, kultivierten Akzent, der etwas Fordernderes
nicht ganz verbergen konnte. Vielleicht hatte er seine Kindheit in
New York verbracht. Ich erzählte ihm meine Geschichte und ließ nur
ein paar Details wie meinen Beruf und meine tatsächliche Rolle in
der Sache aus. Ich sagte, ich sei Journalist und untersuche den
Mord an einer Kollegin. Ich erzählte ihm von Max’ Tod und dass die
Tochter des Waffenhändlers bei mir in Seattle war. Ich erzählte ihm
von den Amerikanern, mit denen wir, unmittelbar nach einem Besuch
bei den Disciples of Love, kurz hinter Oban zu tun gehabt hatten.
Ich redete wahrscheinlich zwanzig bis dreißig Minuten, und er
unterbrach mich nicht ein einziges Mal.
»Und wie lautet Ihre Geschichte?«
»Ich glaube, das meiste davon wissen Sie schon. Es
sind zwei Mordversuche auf mich verübt worden, die die Polizei
beide nicht sonderlich ernst nahm. Es ließen sich keinerlei
Hinweise darauf finden, dass jemand sich an den Bremsen meines
Wagens zu schaffen gemacht hätte, aber ich habe einen
Automechaniker aufgetrieben, der mir gezeigt hat, wie man so etwas
bewerkstelligen kann, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
Kaufen Sie sich bloß nie ein Oldsmobile, Mike! Wie auch immer, da
unsere Freunde und Helfer nicht beabsichtigten, etwas in der Sache
zu unternehmen, dachte ich mir, das könnte ich selbst machen. Dann
hat die Zeitung meine Story gebracht, und das sah die Polizei als
Beweis dafür an, dass ich lediglich auf Publicity aus gewesen
war.«
»Sie glauben, die Disciples waren für die Anschläge
verantwortlich?«
»Tja, ich hab meine Exfrau gefragt, und sie war’s
nicht. Allzu viele Feinde bleiben da nicht. Herrgott, es ist ja
nicht so, dass ich Die Satanischen Verse geschrieben hätte
oder was in der Art, ich hatte lediglich Fragen gestellt.«
»Über die Finanzierung der Sekte?«
»Genau.«
»Was haben Sie herausgefunden?«
»Ich bin noch am Herausfinden. Es ist nur
nicht so einfach, wenn ich überall mit einer Decke über dem Kopf
herumlaufen muss.«
»Ich könnte Ihnen helfen.«
»Ich habe Leute, die mir helfen.«
»Bei Ihrer Zeitung?«
»Keine Namen, Mike. Ich weiß immer noch nicht, ob
ich Ihnen vertrauen kann.«
»Wären Sie bereit, sich mit mir zu treffen? Ich
möchte mit Ihnen über die Disciples reden.«
»Ich weiß nicht... Können Sie mir irgendwelche
Beweise vorlegen? Ich meine, Beweise dafür, dass Ihre Geschichte
stimmt, dass Sie wirklich der sind, der Sie zu sein
behaupten?«
Ich dachte darüber nach. Die Antwort lautete Nein.
»Ich glaube, die Aussage der Tochter des Ermordeten dürfte Ihnen
Beweis genug sein, Sam.«
Er seufzte. »Ist sie gerade bei Ihnen?«
»Sitzt direkt neben mir.«
»Dann geben Sie sie mir.«
Ich reichte Bel den Hörer. »Er muss davon überzeugt
werden, dass wir koscher sind.«
»Mr. Clancy?«, sagte Bel. »Sie müssen uns helfen.
Wenn Sie gesehen hätten, was die meinem Vater angetan haben - ich
meine, sie haben ihn nicht lediglich getötet, das war Ihnen nicht
genug. Ich will, dass sie gefasst werden... koste es, was es wolle.
Wir werden Jagd auf sie machen - ob mit Ihnen oder ohne Sie.« Sie
gab mir den Hörer zurück.
»In Ordnung«, sagte Clancy, »treffen wir uns zum
Abendessen.«
»Wo?«
»Es gibt so ein kleines mexikanisches Lokal in der
Nähe des Green Lake. Wissen Sie, wo der ist?«
»Ich werd ihn schon finden.« Er gab mir Namen und
Adresse des Restaurants. Wir einigten uns auf acht und beendeten
das Gespräch.
»Klingt vielversprechend«, sagte ich zu Bel und gab
ihr einen Kuss. »Ist in diesem Haufen Zeug auch ein
Stadtplan?«
»Nur vom Zentrum.«
»Dann lass uns shoppen gehen.«
Es ist sehr schwierig, sich in amerikanischen
Städten zu verlaufen, solange man das Rastersystem im Kopf behält.
Früher oder später findet man fast immer die richtige Straße;
anschließend auch das richtige Gebäude zu finden, kann
allerdings problematisch werden, da die Reihenfolge der Hausnummern
nicht immer einer nachvollziehbaren Logik zu gehorchen
scheint.
An dem Abend fuhren wir auf die Aurora Avenue und
folgten ihr kilometerweit. Ich glaube nicht, dass Bel jemals eine
so lange Straße gesehen hatte, und als wir sie am Green Lake
verließen, war die Aurora noch lange nicht zu Ende. Der Uferweg des
Green Lake wimmelte von Joggern und Walkern, Skateboardern und
Inlineskatern sowie Leuten, die ganz einfach die frische Luft
genossen.
Wir hatten einen netten Nachmittag verbracht, waren
spazieren und in verschiedene Cafés gegangen und hatten alle
möglichen Leute kennengelernt. Wie ich Bel versprochen hatte, war
der Kaffee hier eine Klasse besser als die Plörre, die man in
Diners serviert bekam. Sie hatte schon drei Tassen im Starbuck’s
getrunken, und das Koffein zeigte seine Wirkung. In jedem Café, in
das wir uns setzten, brauchten die Leute nur unseren Akzent zu
hören, und schon wollten sie sich mit uns unterhalten. Auf die
Weise erfuhren wir eine ganze Menge über die Stadt. Ballard war das
Viertel, in dem die Nachkommen der Wikinger lebten. Um die Straßen
östlich des Kingdome machte man besser einen großen Bogen. Die
Mariners hatten mal wieder eine beschissene Saison und gehörten
jetzt Nintendo. Wir hatten das jährliche Folklife Festival
verpasst. Es hatte viel zu lange nicht mehr geregnet. Ein paar von
den hiesigen Mikrobrauereien produzierten hervorragende
Dunkelbiere... Einiges davon war mir schon bekannt gewesen, aber
anderes war mir neu, und ich freute mich über jede Information, die
ich bekam. Schließlich war das für Jeremiah Provost ein Heimspiel.
Es war wichtig, über die Stadt wenn irgend möglich so viel zu
wissen, wie er wusste. Auf die Art würden wir weniger riskieren, in
eine Falle zu tappen.
Bislang war mir Seattle ausgesprochen fallenfrei
erschienen. Ich hatte Bel den Pike Place Market gezeigt, sie auf
die Fahrradpolizisten aufmerksam gemacht und sie um die Obdachlosen
und Bettler an der Wasserfront herumgelotst. Die Pfandleihhäuser
machten in Seattle gute Geschäfte. In ihren Schaufenstern lagen
Knarren und Gitarren, aber ich blieb nicht stehen, um sie mir
anzuschauen. Ich trug keine Waffe, aber als wir aufbrachen, um uns
mit Sam Clancy zum Abendessen zu treffen, versteckte ich die
Pistole unter dem Fahrersitz des Trans-Am.
Das Auto hörte sich ziemlich mitgenommen an. Es
hätte eine weitere Inspektion, einen Ölwechsel und vielleicht einen
neuen Auspuff gebraucht. Wahrscheinlich brauchte es auch eine
richtige Ruhepause. Wir hatten es ziemlich gescheucht, aber wir
waren darauf angewiesen, dass es noch eine Weile durchhielt.
Wir hatten den Abendverkehr überschätzt und trafen
ein wenig zu früh am Restaurant ein, also parkten wir und
schlenderten wieder Richtung See. Bel zog ihre Cowboystiefel aus
und ging barfuß über den Rasen. Sie sah okay aus, nicht müde oder
gestresst, und konnte es kaum erwarten, dass etwas passierte. Aber
sie schaffte es, einen nicht allzu ungeduldigen Eindruck zu
machen.
Als wir zum Restaurant zurückkehrten, wollte sie
einen Drink. Es war nach wie vor nichts von Clancy zu sehen, aber
da es einen auf den Namen West reservierten Tisch gab, setzten wir
uns. Er war für drei Personen gedeckt. Der Kellner fragte, ob wir
eine Margarita wollten, während wir warteten. Bel nickte.
»Groß oder klein?«
»Groß«, sagte sie, bevor sie sich die Speisekarte
vornahm. »Was ist der Unterschied zwischen all diesen Sachen?«,
fragte sie mich. »Tacos, Burritos, Fajitas, Tortillas...?«
»Frag den Kellner.«
Stattdessen nahm sie ihm aber ihre sehr große
Margarita ab und fuhr mit dem Finger über den Rand des
Glases.
»Das ist Salz«, erklärte ich.
»Weiß ich«, sagte sie. Nachdem sie den Rand
teilweise abgewischt hatte, nahm sie einen Probeschluck, dachte
nach, trank dann einen weiteren Schluck.
Am Empfangstresen stand ein Mann. Als wir
hereingekommen waren, hatte er die Liste der Gerichte zum Mitnehmen
studiert und war jetzt noch immer damit beschäftigt. Ich stand auf
und ging auf ihn zu.
»Warum setzen Sie sich nicht zu uns?«, fragte
ich.
Er versuchte, ein verdutztes Gesicht zu machen, gab
es dann aber auf und lächelte. »Haben Sie das schon die ganze Zeit
gewusst?«
»Mehr oder weniger.«
Ich führte ihn an den Tisch. Sam Clancy war groß
und mager und hatte ein leichenblasses Gesicht und tief liegende
Augen. Er mochte Ende zwanzig, Anfang dreißig sein und trug sein
schon schütteres braunes Haar in die Stirn gekämmt. Seiner Stimme
nach hatte ich ihn älter geschätzt. Bevor er sich setzte, gab er
Bel die Hand. Der Kellner kam, und Clancy nickte in Richtung ihres
Drinks.
»Sieht gut aus«, sagte er. Der Kellner nickte und
ging. »Als Undercoveragent würde ich also wohl nicht gerade
Karriere machen, hm? Möchten Sie vorab ein bisschen Smalltalk
machen, oder wollen wir uns gleich der Arbeit widmen?«
»Betrachten wir die Formalitäten als
abgeschlossen«, antwortete Bel.
»In Ordnung. Sie wollen also wissen, was ich weiß.
Schön, los geht’s. Jeremiah Provost hält sich in letzter Zeit, was
die organisatorische Leitung der Disciples angeht, eher zurück.
Wissen Sie ein bisschen was über seinen Background?«
»Reiche Familie«, erwiderte ich, »schlechter
Collegedozent.«
»Keine üble Zusammenfassung. Außerdem völlig
verrückt. Er hat schon jede Menge teure Kliniken mit seiner
Anwesenheit beglückt. Keinerlei Anzeichen für harte Drogen oder
Alkohol, also muss das andere Gründe haben, wie zum Beispiel
schlichte psychische Labilität.«
»Wenn er sich, wie Sie sagen, zurückhält«, fragte
Bel, »wer schmeißt dann den Laden?«
»Ums Geschäftliche kümmert sich ein gewisser
Nathan. Ich weiß nicht mal, ob das sein Vor- oder Nachname ist, er
wird einfach Nathan genannt. Sie wissen, dass ein paar Reporter von
den Disciples zusammengeschlagen worden sind? Das war Nathan. Sie
passten ihm nicht, also hat er sie verprügelt.«
»Dann ist er also durchaus auch fürs Praktische zu
gebrauchen?«
»Er ist ein knallharter Hund. Dann gibt’s noch
Alisha, Typ Magna Mater mit einem kleinen Schuss Militärjunta. Sie
kümmert sich um die Humanressourcen, sorgt dafür, dass die tun, was
zu tun ist.«
»Und das alles drüben auf der
Olympic-Halbinsel?«
Clancy nickte. »Das schönste Fleckchen Erde auf dem
ganzen Kontinent. Aber Provost ist nicht oft dort. Er führt
neuerdings ein Howard-Hughes-Dasein in einem brandneuen Haus hoch
oben auf dem Queen Anne Hill. Wahnsinnsaussicht auf die Stadt,
Riesengrundstück und Swimmingpool. Gerüchten zufolge wollte Kiefer
Sutherland das Haus mieten, als er für die Aufnahmen von
Spurlos hier war. Wie auch immer, dort verbringt Provost den
größten Teil seiner Zeit, umgeben von Telefonen, Faxgeräten und
Computern, so dass er mit seinen Gefolgsleuten in Übersee Kontakt
halten kann.«
»In Oban gab es ein Faxgerät«, erinnerte ich mich,
»das wenigstens zwei Nummern aus Washington im Speicher
hatte.«
»Olympic-Halbinsel und Queen Anne«, erklärte Clancy
mit der Autorität des Eingeweihten.
»Haben Sie jemals mit Provost gesprochen?«, fragte
Bel.
»Ich hab’s versucht, aber man kommt einfach nicht
an ihn ran.«
»Aber wer schmeißt denn nun eigentlich wirklich den
Laden, er oder seine Stellvertreter?«
»Das ist die Frage.«
Clancy unterbrach seinen Bericht, damit wir
bestellen konnten. Bel folgte, als sie an der Reihe war, seiner
Empfehlung, und wir ließen zum Essen noch eine zweite Runde Drinks
kommen. Der Kellner hatte Tortillachips und verschiedene Dips auf
den Tisch gestellt, an denen wir uns gütlich taten, während wir
weiterredeten.
»Wenn die Männer, die meinen Vater töteten«, sagte
Bel, »dieselben waren, die uns kurz hinter Oban angehalten haben,
dann waren es Amerikaner.«
»Wie Sektenmitglieder sahen sie allerdings nicht
aus«, erklärte ich Clancy. »Sie wirkten eher wie Beamte, Sie wissen
schon, von der speziellen Sorte.«
»Was mich auf meine Recherchen bringt«, fuhr Clancy
fort, der allmählich Spaß an der Sache zu haben begann. »Sie
wissen, dass die Disciples Ende 1985 plötzlich abhoben? Ich meine,
sie fingen an, im großen Stil Grundstücke und Häuser zu kaufen. Was
bedeutet, dass Provost auf einmal massenhaft Geld besaß. Wo kam es
her? Das weiß der Himmel. Hatte ein Schwung reiche Verwandte
plötzlich und genau im richtigen Augenblick das Zeitliche gesegnet?
Nein. Hatte er im Lotto gewonnen? Nein. Eine Glückssträhne in
Vegas? Ebenfalls Fehlanzeige. Es treibt die Leute zum Wahnsinn,
nicht zu wissen, woher das Geld plötzlich auftauchte.«
»Und Sie haben es herausgefunden?«, fragte
Bel.
»Nicht direkt, noch nicht. Aber ich glaube, ich war
schon ziemlich nah dran.« Dann war Eleanor Ricks also
möglicherweise auch schon ziemlich nah dran gewesen. »Folgendes
weiß ich allerdings.« Clancy legte eine Kunstpause ein, sah sich
theatralisch im Restaurant um und beugte sich dann über den Tisch.
Ich fragte mich, ob er immer zwischen Gerüchten und Fakten
unterscheiden konnte. »Provost fuhr nach Washington, DC. Fragen Sie
mich bitte nicht, woher ich das weiß. Ich muss meine Quellen
schützen, und meine... äh, Vorgehensweise war nicht immer
hundertprozentig legal. In Washington hielt er sich auf, um sich
mit irgendwelchen Anwälten und ähnlichen Typen zu treffen. Aber
während seines Aufenthalts dort hatte er auch ein paar Besuche, von
zwei Männern namens Elyot und Kline. Sie haben ihn mehr als nur
einmal aufgesucht. Das Ganze passierte im Januar 1986, ein paar
Monate nachdem Provost angefangen hatte, ernsthaft Geld
auszugeben.
So, ich glaube jetzt herausgefunden zu haben, wer
Elyot und Kline waren und sind. Es gibt einen Richard Elyot, der
für die CIA arbeitet. Und beim NSC gab es einen Kline.«
»Gab es?«
»1986 hat er offiziell den Dienst quittiert.
Seitdem operiert er zwar weiterhin im Dunstkreis des NSC, aber sein
Name wird nicht mehr in den Büchern geführt. Keiner weiß, warum er
ausgeschieden ist, ob man ihn dazu gezwungen hat oder was. Ich
werde Ihnen jetzt Kline beschreiben.«
Er tat es. Ich fing bald an zu nicken und nickte
weiter, bis er fertig war. »Kommt mir bekannt vor«, räumte ich
ein.
»Der Typ im hinteren Wagen, richtig?«, tippte
Clancy.
»Richtig«, bestätigte ich. »Was ist mit
Elyot?«
»Elyot arbeitet momentan an einer Botschaft in
Übersee, keiner besonders attraktiven. Seit fünf Jahren bekommt er
nur beschissene Posten. Er soll sogar ein paar Monate lang im
US-Konsulat in Schottland beschäftigt gewesen sein.«
»Interessant.«
»Es ist alles interessant«, warf Bel ein und
leerte ihre zweite Margarita. »Aber was bringt uns das?«
»Die Disciples«, sagte Clancy, »hängen irgendwie
mit der CIA und dem NSC zusammen. Wie kommt das? Was für gemeinsame
Interessen könnten sie haben?«
»Und was immer es auch sei«, fügte ich hinzu,
»folgt daraus auch, dass Provost auf deren Gehaltsliste
steht?«
»Mit Sicherheit«, sagte Clancy und lehnte sich
zurück.
»Ich hätte nichts dagegen, ein paar Takte mit
Jeremiah Provost zu reden.«
Clancy lachte. »Hinten anstellen, Kumpel.«
»Michael hat so seine Methoden«, sagte Bel leise,
die Augen starr auf mich gerichtet.
»Ach, wirklich?« Clancys Interesse war
geweckt.
»Aber seine Methoden«, fuhr sie fort, »sind
niemals hundertprozentig legal.«
Clancy sah noch interessierter aus. »Bel«, sagte
ich, »das war heute ein langer Tag.«
»Eines langen Tages Reise«, pflichtete sie mir
bei.
»Sollten wir nicht zahlen?«
Sie sagte nicht Nein. Ich fragte Clancy, wie er die
Sache durchzuziehen beabsichtige. Er zuckte die Achseln, also
machte ich ein paar Vorschläge. Wir einigten uns darauf, dass er
uns am nächsten Morgen im Hotel abholen würde. Ich bezahlte die
Rechnung in bar. Auf der Rückseite der Rechnung wurden die Gäste um
eine Beurteilung gebeten. Wir hatten so was auch in Diners gesehen,
und Bel hatte einmal einen dieser Minifragebögen ausgefüllt und
geschrieben: »Bedienung mehr als freundlich, Essen überreichlich,
aber ohne jeden Geschmack, schönen Tag noch.« Diesmal lieh sie sich
von Clancy einen Stift und schrieb: »Ich liebe Tequila.«
Darunter malte sie ein entzweigebrochenes
Herzchen.