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Iain Corvus stand am Fenster, als er die Sprechanlage auf dem
Schreibtisch leise klingeln hörte und die Stimme seiner Sekretärin
verkündete: »Mr. Warmus vom Bureau of Land Management auf Leitung
eins.«
Corvus trat rasch hinter seinen Schreibtisch, griff nach dem Telefon und bemühte sich um seine freundlichste Stimme. »Mr. Warmus, wie geht es Ihnen? Ich nehme an, Sie haben meinen Antrag auf eine Genehmigung erhalten?«
»Sicher, Professor. Hab ihn hier vor mir liegen.« Der breite Western-Akzent tat Corvus' Ohren weh. Professor. Wo kamen diese Leute nur her?
»Gibt es ein Problem damit?«
»Ja, das kann man sagen. Ist sicher ein Versehen, aber ich finde hier keine genauen Positionsdaten.«
»Das war kein Versehen, Mr. Warmus. Ich habe diese Information nicht eingetragen. Es handelt sich hier um ein ungeheuer wertvolles Exemplar, das durch Raubgräber sehr gefährdet wäre.«
»Schon klar, Professor«, kam die gedehnte Antwort, »aber die Mesas sind riesig. Wir können Ihnen keine Erlaubnis für museale paläontologische Grabungen ausstellen, wenn die Ortsangabe fehlt.«
»Dieses Exemplar ist auf dem Schwarzmarkt Millionen wert. Diese Information herauszugeben, selbst an Ihre Behörde, wäre ein Risiko, das ich äußerst ungern eingehen würde.«
»Das verstehe ich, Sir, aber hier im BLM werden alle Genehmigungsanfragen streng unter Verschluss gehalten. Die Sache ist ganz einfach: keine Ortsangabe, keine Genehmigung.«
Corvus atmete tief durch. »Wir können Ihnen natürlich eine allgemeine Angabe machen –«
»Nein, Sir«, unterbrach ihn der Beamte. »Wir brauchen unbedingt Bezirk, Sektion und GPS-Koordinaten. Sonst können wir den Antrag nicht bearbeiten.«
Corvus holte tief Luft und versuchte, seine Stimmlage unter Kontrolle zu halten. »Ich bin nur deshalb so besorgt, weil im vergangenen Jahr, wie Sie sich vielleicht erinnern, in McCone County, Montana, ein erstklassiger Diplodocus entwendet wurde, unmittelbar, nachdem der Antrag eingereicht war.«
»Entwendet?«
»Gestohlen.«
Die nasale Stimme fuhr verdrießlich fort: »Ich arbeite nicht beim BLM in Montana, also kann ich auch nichts von einem entwendeten Diplodocus wissen. Hier in New Mexico sind genaue Koordinaten erforderlich, damit wir eine Grabungsgenehmigung erteilen können. Wenn wir nicht wissen, wo das Exemplar ist, wie sollen wir Ihnen dann die Genehmigung erteilen? Sollen wir ein Grabungsmoratorium über die gesamten Mesas verhängen, bis Sie Ihr Exemplar eingesammelt haben? Wohl kaum.«
»Ich verstehe. Ich lasse Ihnen die Daten der Fundstelle so bald wie möglich zukommen.«
»Machen Sie das. Und da ist noch was.«
Corvus wartete.
»Ihrem Antrag sind keine Fotos oder Vermessungen beigefügt. Die gehören in Anhang A. Es steht doch eindeutig in den Vorschriften: ›Der Antragsteller hat eine wissenschaftliche Vermessung des Fundortes beizufügen, welche das Fossil in situ ausweist, darüber hinaus Fernerkundungsdaten, soweit vorhanden, sowie Fotografien des betreffenden Exemplars.‹ Wir müssen doch irgendeinen Beweis dafür haben, dass da überhaupt ein Fossil ist.«
»Die Entdeckung wurde erst kürzlich gemacht, und der Fundort ist sehr abgelegen. Wir konnten ihn noch nicht wieder aufsuchen, um eine Vermessung vorzunehmen. Mir geht es darum, mich rückzuversichern und Anspruch auf das Fundstück anzumelden, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein weiterer Antrag für dasselbe Fossil eingereicht werden sollte.«
Ein bürokratisches Stöhnen. »Der Anspruch geht an die erste staatlich anerkannte, nichtkommerzielle Institution, Museum oder Universität, die einen einwandfreien Antrag einreicht. Ich muss Ihnen sagen, Professor, dass der Antrag hier von Ihnen nicht reicht, um Ihnen den Anspruch zu sichern.«
Corvus biss die Zähne zusammen. Der Antrag von Ihnen. »Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, den Anspruch zu sichern, ohne die exakten Koordinaten anzugeben.«
Vom anderen Ende der Leitung war ein langes, überhebliches Schnauben zu hören. Corvus spürte, wie ihm das Blut in den Schläfen pochte. »Wie gesagt, wenn Sie Ihre Unterlagen in Ordnung bringen, stellen wir die Genehmigung aus. Erst dann. Wenn jemand anders einen Antrag für dasselbe Fossil einreicht – tja, das ist dann nicht unser Problem. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«
»Verdammt noch mal, Mann, wie viele vollständige T-Rex könnte es da draußen wohl noch geben?«, explodierte Corvus.
»Immer mit der Ruhe, Professor.«
Corvus fand nur mit großer Mühe die Fassung wieder. Dieser Mann war der Letzte auf der Welt, mit dem er es sich verscherzen durfte. Er war der Bürokrat, der die Macht besaß, ihm die Genehmigung zur Bergung eines Fossils auf staatlichem Grund und Boden zu erteilen. Der Kerl konnte sie aber ebenso gut diesem verdammten Sack Murchison vom Smithsonian geben.
»Ich bitte um Verzeihung, ich habe übereilt gesprochen, Mr. Warmus. Ich werde Ihnen die gewünschten Informationen so bald wie möglich zukommen lassen.«
»Das nächste Mal, wenn Sie einen Antrag auf ein Fossil auf staatlichem Land stellen«, dozierte der Mann, »nehmen Sie sich die Zeit, alles richtig auszufüllen. Das macht uns die Sache leichter. Auch wenn Sie ein großes New Yorker Museum sind, müssen Sie sich trotzdem an die Spielregeln halten.«
»Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen.«
»Schönen Tag noch.«
Corvus steckte das Telefon besonders sorgfältig in die Station. Er atmete tief durch und strich sich mit zitternder Hand das Haar zurück. Der arrogante kleine Scheißer. Er blickte auf: Es war fünf Uhr, also drei Uhr in New Mexico. Maddox hatte sich seit achtundvierzig Stunden nicht mehr gemeldet, verdammt. Bei ihrem letzten Gespräch hatte es ausgesehen, als habe er alles unter Kontrolle, aber in zwei Tagen konnte viel passieren.
Er ging in seinem Büro auf und ab, drehte sich am Fenster um und blieb stehen, um hinauszuschauen. Die abendlichen Ruderboote stachen gerade auf dem Teich in See, und er suchte unwillkürlich nach Vater und Sohn von neulich. Aber natürlich waren sie nicht wieder da – warum auch? Einmal war genug.