21. KAPITEL

Mit frischer Kleidung und sorgfältig gekämmten Haaren, außerdem zwei Gläser Wein und viele leckere Früchte im Magen, fühlte ich mich nicht mehr ganz so niedergeschlagen. Alanna setzte mir das Diadem auf, und Arm in Arm gingen wir zu meinen Gemächern. Wir waren beinahe da, als eine kleine Magd angerannt kam und sich unterwürfig vor mir verbeugte.

„Vergeben Sie mir, Mylady, aber es gibt ein Problem in der Wäschekammer. Einige Laken haben Feuer gefangen. Es ist schon wieder gelöscht worden, aber jetzt herrscht dort großes Chaos und Verwirrung darüber, was getan werden soll. Und Una streitet sich mit Nora darüber, wer verantwortlich ist“, fügte sie an Alanna gewandt hinzu.

Bevor ich reagieren konnte, lächelte Alanna das Mädchen an und sagte: „Ich komme gleich.“ Sie drehte sich zu mir um und schloss mich kurz in die Arme. „Ich werde mich darum kümmern. Carolan wird deinen Mann sicher bald entlassen. Die Speisen für euch beide stehen bereit. Ich werde später am Abend noch einmal wiederkommen.“ Sie folgte dem Mädchen den Flur hinunter.

Meine Wache öffnete mir die Tür zu meinem Gemach, und als sie hinter mir ins Schloss fiel, merkte ich, dass ich ein wenig Zeit für mich allein gut gebrauchen konnte. Der Raum sah willkommen heißend und vertraut aus. Das Bettgestell war entfernt worden, und an seinem Platz lag hübsch zurechtgemacht unser „Marshmallow“. Die Vorhänge waren halb zugezogen, das verlieh dem Zimmer ein heimeliges Licht, bei dem ich mich am liebsten mit einem Buch und einem Glas Wein in einen Sessel gekuschelt hätte. Der Tisch bog sich unter den auf ihm abgestellten Speisen, deren köstliche Gerüche verführerisch in meine Nase stiegen. Mein Magen knurrte, und ich eilte schnell zu den bereitstehenden Appetithäppchen und vertilgte ein paar davon.

Als ich gerade ein knuspriges Bein eines kleinen, dicken Vogels in die Hand nahm, weckte ein Geräusch aus der Bibliothek meine Aufmerksamkeit.

„Hallo“, rief ich und fragte mich, ob vielleicht eine Nymphe dort gerade Staub wischte oder so. Niemand antwortete. Ich zuckte mit den Schultern und entschied, dass es ein Tick meines überanstrengten Gehirns gewesen sein musste.

Der Vogel zerging nur so auf meiner Zunge, doch gerade, als ich mich dem Genuss vollends hingeben wollte, hörte ich das Geräusch erneut. Dieses Mal war es lauter – ein Schlag, als wäre etwas Schweres und Hohles fallen gelassen worden.

Großartig. Irgendein schüchternes Mädchen hatte sehr wahrscheinlich etwas zerbrochen, und nun hatte sie zu viel Angst, herauszukommen und sich Rhiannon, der Zicke, zu stellen. Ja, das musste es sein – es regte sich aber noch irgendetwas anderes in meinem Hinterkopf. Ein ungemütliches Gefühl, das schwer zu beschreiben war.

Ich seufzte und wischte mir den Mund an der gold bestickten Leinenserviette ab. Mit einem letzten, sehnsüchtigen Blick auf den reich gedeckten Tisch ging ich widerwillig zur Bibliothek hinüber.

Ich wusste, dass es lächerlich war, aber je näher ich dem Durchgang kam, desto unwohler fühlte ich mich. Ich hielt inne und hatte plötzlich Angst, dass es einem Fomorianer irgendwie gelungen sein könnte, in den Tempel einzudringen.

Nein, das Gefühl war keines, das auf Böses hindeutete. Es war einfach nur ein Unwohlsein. Ein bekanntes Unwohlsein noch dazu. Als ich den Raum betrat, bemerkte ich, dass mein Magen schmerzte und ich meine Zähne fest zusammengebissen hatte.

Die Bibliothek war von vielen Kerzen erleuchtet, die alle das mir inzwischen vertraute Totenkopfmuster hatten. Alles sah so aus wie bei meinem letzten Besuch, nur dass die Landkarte wieder aufgerollt worden war. Bücher standen in den Regalen und verliehen dem Raum eine Gemütlichkeit, die das genaue Gegenteil des Gefühls war, das in meinem Bauch tobte. Ich dachte schon, dass ich vielleicht übermüdet war und dass mir die Früchte nicht bekommen waren, als etwas auf dem in der Mitte stehenden Tisch meine Aufmerksamkeit weckte.

Ich stieß zischend die Luft aus, als hätte mir jemand in den Magen geboxt.

Sie stand mitten auf dem Tisch. Die gleiche Amphore, die ich auf der Auktion gekauft hatte. Die gleiche Amphore, die meinen Autounfall und den Wechsel in diese Welt verursacht hatte. Von Schwindelgefühl erfasst, versuchte ich, tief durchzuatmen. Der Raum verschwamm vor meinen Augen. Es war, als stünde ich in einem großen Goldfischglas und würde hinausschauen. Ich versuchte, einen Schritt zurück zu machen, aber mein Körper gehorchte mir nicht. Ich fühlte mich, als würde ich in einen riesigen Strudel gezogen; ich konnte nicht atmen; ich ertrank. Dann fing die Urne an zu glühen, und ich wusste, dass sie hergeschickt worden war, um mich in meine alte Welt zurückzubringen.

Mein Gefühl für die Realität löste sich langsam auf. Als die Amphore immer heller leuchtete, meinte ich, ein Bild von mir zu sehen, wie ich nackt in einem mir unbekannten Raum stehe. Butzenscheiben hinter meinem Spiegelbild reflektierten die Lichter einer modernen Skyline. Meine Arme waren ausgebreitet, und ich ging vorwärts.

Plötzlich wurde ich zurückgezerrt, und ClanFintan stürzte an mir vorbei. Er schlug die Amphore vom Tisch, sodass sie auf dem Fußboden in tausend Stücke zerbarst. Dann stieg er mehrmals auf die Hinterbeine und ließ seine Vorderbeine mit aller Kraft auf die Scherben niedersausen, bis nichts mehr übrig war als Staub unter seinen Hufen. Langsam verlosch das Glühen.

Mir fiel auf, dass ich immer noch die Luft anhielt. Meine Beine gaben unter mir nach, und mir wurde schwarz vor Augen.

„Rhea … Rhea …“, hörte ich jemanden wie aus weiter Ferne rufen. „Rhea … wach auf“, rief die Stimme wieder und wieder. Ich konnte nicht antworten – ich fand keinen Weg aus der Dunkelheit.

„Shannon Parker! Öffne die Augen und komm zurück!“

Meine Augen sprangen auf. Ich lag in ClanFintans Armen auf unserer Matratze. Sein Gesicht war blass vor Sorge.

„Was ist passiert?“ Die Erinnerung kam wieder, und ich rappelte mich auf. „Die Urne! Sie hat versucht, mich zurückzuholen!“ Ich hatte einen Schwindelanfall.

„Lieg still. Ich habe sie zerstört.“ ClanFintan drückte mir einen Kuss auf meine schweißfeuchte Stirn. „Ich habe nach Carolan schicken lassen.“

„Ich denke, mir geht es gut“, sagte ich und versuchte erneut, mich hinzusetzen.

„Du siehst aus wie ein Geist.“

„Du siehst auch nicht gerade großartig aus.“ Ich streichelte seine Wange.

Bevor er etwas erwidern konnte, stürmte Carolan ins Zimmer, dicht gefolgt von Alanna.

„Was ist passiert?“, fragte er, als er sich neben mich kniete. Er berührte mein Gesicht und fühlte meinen Puls.

„Die Amphore ist plötzlich aufgetaucht. Rhiannon hat versucht, wieder den Platz mit ihr zu tauschen“, erklärte ClanFintan.

„Oh, Göttin, nein!“ Alannas Hand flog auf ihren Mund.

„Ich war im Flur“, fuhr ClanFintan fort, „und hörte sie in meinen Gedanken schreien. Ich bin sofort zu ihr gelaufen. Sie war in der Bibliothek. Die Urne glühte, und der Raum schien zu wabern wie eine sich kräuselnde Wasseroberfläche. Ich hab sie schnell aus dem Zimmer gezogen und die Amphore zerstört. Dann ist Rhea ohnmächtig geworden.“

„Ich fühle mich schon besser.“

„Kannst du aufstehen?“, wollte Carolan wissen.

„Ja.“ Sie halfen mir vorsichtig auf die Füße. Der Raum blieb, wo er war. „Helft mir zum Tisch hinüber. Ich bin am Verhungern und brauche dringend einen Drink.“

„Ihr geht es besser.“ ClanFintan klang erleichtert, aber er behielt seinen Arm um mich gelegt, während er mich zum Tisch geleitete.

Er nahm seinen üblichen Platz auf der Chaiselongue ein und zog mich an sich. Alanna reichte mir einen Weinkelch, dann setzten sie und Carolan sich uns gegenüber.

Ich nahm einen großen Schluck und konzentrierte mich darauf, das innere Zittern unter Kontrolle zu bekommen.

„Sie versucht zurückzukommen.“ Ich war überrascht, wie ruhig ich klang. „Ich hätte wissen müssen, dass das passieren würde. Sie hat diese Welt hier als Inkarnation einer Göttin verlassen, der jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde, um Englischlehrerin in Oklahoma zu werden. Bitte, wer würde da nicht zurückkehren wollen?“ Ich hielt kurz inne. „Irgendwie hat sie einen Blick in meine Welt geworfen und Autos, Flugzeuge, riesige Wolkenkratzer und Autobahnen, die ‚Magie‘ von Fernsehapparaten und Computern gesehen.“ Ich kicherte und fühlte mich leicht schwindelig. „Sie dachte, sie würde die göttliche Herrscherin über all das werden. Denkste. Lehrer sind unterbezahlt und überarbeitet. Wir müssen uns mit Eltern herumschlagen, die die Erziehung ihrer Kinder ganz in unsere Hände legen und sich dann über das Ergebnis beschweren. Ich meine, wirklich, einige von uns überlegen ernsthaft, kugelsichere Westen im Unterricht zu tragen.“

„Liebste …“ ClanFintans Stimme ließ mich innehalten. „Ich werde nicht zulassen, dass sie dich von hier fortbringt.“

„Wie willst du sie aufhalten?“ Ich fing wieder an zu zittern.

„Habe ich sie heute nicht auch schon aufgehalten?“ Er legte einen Arm um mich und zog mich in seine Wärme und Sicherheit.

„Wir werden dafür sorgen, dass jeder erfährt, wie die Amphore aussieht.“ Alanna lächelte mich beruhigend an. „Wir werden sagen, dass sie von bösen Kräften benutzt wird. Falls noch eine von ihnen auftaucht, soll sie zerstört werden, bevor sie dir schaden kann.“

„Nicht falls, sondern wenn. Ich weiß, dass sie es wieder versuchen wird.“

„Lass sie“, entgegnete Carolan. „Sie wird keinen Erfolg haben.“

Mit seinen kräftigen Händen knetete mein Mann die Anspannung aus meinen Schultern, und ich erlaubte mir zu glauben, in Sicherheit zu sein.

„Iss, Liebste“, flüsterte er mir ins Ohr. „Dann wirst du dich besser fühlen.“

„Stimmt“, murmelte ich und steckte mir ein Stück Fisch in den Mund. Ich fing gerade an, mich zu entspannen, und hörte Carolan und ClanFintans Gespräch über die morgendliche Evakuierung zu, als es klopfte und die Tür aufgerissen wurde.

Eine schweißbedeckte Wache salutierte eilig und sagte: „Außerhalb des Tempelgeländes sind Fomorianer gesichtet worden.“

ClanFintan sprang von der Chaiselongue auf und hastete zur Tür.