2. KAPITEL
Ich lachte und zog eine Grimasse. „Telefone und Abendnachrichten sind sehr wirkungsvolle dämonische Mächte. Sei froh, dass es sie hier nicht gibt.“
„Das bin ich“, sagte sie so ernst, dass ich gleich wieder lachen musste.
Carolan nahm ihre Hand und drückte einen zarten Kuss in ihre Handfläche. „Was bedeutete die Störung, Liebes?“
Sorgenfalten machten sich auf ihrer Stirn breit, und als sie sprach, ging ihr Blick unstet zwischen Carolan und mir hin und her.
„Im Tempel ist eine Krankheit ausgebrochen.“ Sie sprach sehr langsam. „Viele der Nymphen beklagten sich nach ihrer Rückkehr aus der Klausur, dass sie sich nicht wohlfühlten.“ Alanna sah mich schuldbewusst an. „Ich habe mir nichts dabei gedacht. Die Mägde suchen sich oft die abenteuerlichsten Begründungen, um sich nicht in der Nähe von Rhiannon aufhalten zu müssen.“ Ich nickte verstehend. „Dann war ich so beschäftigt – erst mit der neuen Rhiannon …“, wir lächelten einander an, „… dann mit den Menschen, die in den Tempel strömten, dass ich mich gar nicht um die Beschwerden der Mädchen gekümmert habe, sondern sie daran erinnerte, dass sie ihren Pflichten der Göttin gegenüber mit etwas fleißigerem Willen nachkommen sollten.“
„Ich erinnere mich, dass du sagtest, die Mädchen würden schauspielern, und ich sagte, dass ich dachte, sie bräuchten nur eine Pause von ihren Babysittertätigkeiten“, stimmte ich ihr zu.
„Ja, nun, es scheint, als hätten wir beide falschgelegen.“ Die Furchen auf ihrer Stirn wurden noch tiefer, als sie sich an ihren Ehemann wandte. „Viele der Mädchen sind sehr krank, genau wie einige der Kinder und alten Frauen. Sie brauchen dich.“ Sie schaute wieder zu mir. „Und unsere Gebete.“
„Natürlich, Liebes.“
Carolan küsste sie auf die Wange und strich mit einem Daumen über ihre angestrengt gerunzelte Stirn. Ich konnte sehen, wie sie sich unter seiner Berührung entspannte.
„Ich komme besser auch mit und sehe nach, was da los ist.“
Alanna schien zwar überrascht, aber auch erfreut über mein Angebot zu sein.
„Willst du nicht an dem Treffen der Krieger teilnehmen und unseren Plan erläutern?“, wollte ClanFintan wissen.
Ich liebte die Art, wie er mich anschaute – so ernsthaft, als würde er wirklich glauben, dass ich vor einem Haufen streng riechender alter Krieger über Dinge reden wollte, von denen ich keine Ahnung hatte. Da würde ich ja sogar fast noch lieber Matheaufgaben lösen, aber nur fast.
„Nein, mein Herz.“ Ich versuchte, einen um Entschuldigung bittenden Blick aufzusetzen. „Geh du nur und erkläre es ihnen. Ich kümmere mich besser darum, dass es den Mädchen gut geht.“
„Wenn du denkst, dass du das tun musst, dann werden die Krieger das sicher verstehen.“
Manchmal erinnerte er mich an Worf (den Klingonen aus Star Trek – Die nächste Generation für die Zivilisten unter Ihnen).
„Wenn du mit den Mädchen fertig bist, komm bitte zu uns. Das wäre gut für die Moral der Krieger.“
Genau wie Marilyn Monroe. Nun, das gefiel mir.
„Kein Problem.“ Ich zupfte an seinem Arm, und er beugte sich für einen Kuss zu mir herunter. Danach nickte er Alanna und Carolan kurz zu und verließ den Raum.
„Was für ein hübscher Kerl.“ Ich seufzte in gespielter Hollywood-Manier, was Carolan komplett ignorierte, während Alanna nur die Augen verdrehte, mir über die Schulter ein „Kommst du?“ zurief und in Richtung Tür marschierte.
Ich eilte ihnen nach, aber sie warteten an der Tür, sodass ich noch vor ihnen den Raum verlassen und den Eindruck der zickigen, verantwortlichen Göttin aufrechterhalten konnte, etwas, das ich tatsächlich richtig gern tat. Vor der Tür wartete eine Wache auf uns. Er trug eine riesige Tasche aus abgenutztem Leder, die er Carolan reichte. Der dankte ihm, und die Wache verbeugte sich, drehte sich auf dem Absatz um und nahm wieder seinen Platz neben der Tür ein.
„Ich habe nach deiner Medizintasche schicken lassen“, erklärte Alanna.
„Wie immer ahnst du voraus, was ich brauchen werde.“ Er lächelte sie träumerisch an.
Igitt. Frisch Verheiratete.
Zielstrebig ging ich den Flur in die hoffentlich richtige Richtung entlang und forderte die beiden mit einem unüberhörbaren „Psst“ auf, mir zu folgen.
„Hey“, flüsterte ich, als sie aufgeschlossen hatten, „wo zum Teufel gehen wir hin?“
„Zu den Räumen deiner Dienerinnen“, erwiderte Alanna nicht sonderlich hilfreich.
Ich schaute sie mit einem Blick an, der deutlich machte, dass ich keine Ahnung hatte, wo die lagen, und das schien sie daran zu erinnern, dass ich ich war.
„Oh, geh einfach nur weiter geradeaus, als wenn du in den Innenhof wolltest. Kurz vor der Tür wendest du dich nach links. Der Flur bringt dich direkt zu ihnen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wenn du es riechst, bist du nah dran.“
Carolan kniff bei ihrer Bemerkung die Augen leicht zusammen, und wir beeilten uns ein bisschen mehr.
Ich folgte ihren Anweisungen und wandte mich nach links, als ich die Tür erkannte, die in den Innenhof führte. Wir gingen einen langen, marmorgefliesten Korridor entlang, der auf der einen Seite mit bunten Wandmalereien geschmückt war und auf der anderen Seite große Fenster hatten, die auf den Innenhof hinausgingen. Die Wandmalereien stellten hauptsächlich liebliche Nymphen dar, die fröhlich über Blumenwiesen tollten, während ich (besser gesagt, Rhiannon), auf Epi sitzend (natürlich mit bloßem Busen – also ich, nicht Epi), alles wohlwollend betrachtete. Als wir weitereilten, warf ich einen Blick aus dem Fenster und freute mich, die eifrig arbeitenden Frauen zu sehen.
Maraid steckte mittendrin, ging von Gruppe zu Gruppe – und war ohne Zweifel im Himmel der Organisationsfreaks. Wir bogen um eine Ecke …
Der Geruch traf mich wie ein Hammerschlag. Anfangs war er leicht süßlich, wie karamellisierter Zucker, dann veränderte er sich zu einem dicken, eitrigen Aroma, das mich würgen ließ. Ich bedeckte meinen Mund mit der Hand, hielt an und warf Alanna einen Blick zu. Sie zeigte auf die unbewachte Tür, die uns am nächsten war, und nickte.
„Ich werde zuerst hineingehen.“ Carolan ging an uns vorbei zur Tür. „Es ist vielleicht am besten, wenn ihr erst einmal hier wartet.“
„Nein.“ Ich nahm die Hand vom Mund und bemühte mich um eine feste Stimme. „Ich komme mit dir. Es sind meine Mädchen.“
„Und ich war bereits drin – also ist es keine Überraschung mehr für mich.“ Alanna klang traurig.
Carolan nickte und öffnete die Tür.
Wir wurden von einer Szene wie aus einem Horrorfilm begrüßt. Wenn nicht der Geruch gewesen wäre, hätte ich gedacht, meinen ersten richtigen Albtraum zu erleben. Der Raum war riesig, und er war wohl auch mal sehr hübsch gewesen. Entlang der hohen Decke zog sich feinster cremefarbener Stuck. Vor den Fenstern, die vom Marmorboden bis zur Decke reichten, hingen schnörkellose Gardinen, die Wände waren in einem sanften Pfirsichton gestrichen, der Gefühle von Harmonie und Behaglichkeit auslösen sollte, nun aber alles in ein kränkliches Licht tauchte.
Verschmutzte Decken und Laken lagen in Haufen auf dem Boden – und auf jedem Haufen lag eine Person. Andere Frauen schlurften mit Wasserkrügen und nassen Lappen zwischen diesen provisorischen Bettstätten hin und her und halfen den Kranken, einen Schluck zu trinken, oder wischten den Fiebernden die heiße Stirn.
Als ich eintrat, zwang ich mich, nicht zu würgen, aber ich konnte mich nicht davon abhalten, meinen Mund mit der Hand zu bedecken. Erbrochenes und andere Körperflüssigkeiten mischten sich mit etwas, das ich anfangs nicht erkannte. Dann fiel mir ein, wo ich diesen seltsamen Geruch schon einmal wahrgenommen hatte – auf der MacCallan-Burg. Es war der Geruch des Todes.
Alanna und ich blieben an der Tür stehen, als Carolan in den Raum eilte. Schnell trat er an das nächstliegende Krankenlager und beugte sich über ein junges Mädchen, um ihre fiebrige Stirn zu fühlen. Dicke, daunengefüllte Decken bedeckten sie, aber ich konnte sehen, dass sie trotzdem zitterte. Ich beobachtete, wie Carolan sie untersuchte – er zog die Decken weg und fing an, ihren Hals mit einer Hand abzutasten, während er mit der anderen ihren Puls fühlte. Sein Gesicht hatte einen gelassenen Ausdruck angenommen, und er flüsterte ihr beruhigende Worte zu.
Er öffnete seine Tasche, die er zu seinen Füßen abgestellt hatte, und holte etwas heraus, das wie ein primitives Stethoskop aussah und mit dem er ihre Brust abhorchte. Ich fühlte mich hilflos und unfähig, weil ich einfach nur so dastand und zuschaute, wie er von Bett zu Bett ging, die Mädchen untersuchte, nach Wasser, frischen Laken oder kühlen Kompressen rief.
„Mylady?“
Eine raue Stimme weckte meine Aufmerksamkeit. Ich schaute mich um und versuchte herauszufinden, wer mich gerufen hatte. Ungefähr auf halbem Weg in den Raum hinein sah ich eine Hand, die mit müder Geste in meine Richtung winkte, und einen leicht angehobenen Kopf mit dunklem, langem Haar.
„Tarah?“
Alanna nickte traurig.
Nun, das reichte. Ich konnte ganz sicher nicht einfach danebenstehen, wenn eine Nymphe, die aussah wie meine ehemalige Lieblingsschülerin, mich brauchte. Ich atmete tief ein und bahnte mir einen Weg zu ihr.
An ihrem Lager angekommen, nahm ich ihre Hand in meine. Die Haut war trocken und rissig, und die fragile Leichtigkeit ihrer Knochen überraschte mich.
„Es tut mir leid, Mylady.“ Sie versuchte zu lächeln, aber es kam nur eine Grimasse dabei heraus. „Wir haben zu viel zu tun, als dass ich krank sein kann.“
„Pst“, beruhigte ich sie. „Mach dir darüber keine Sorgen. Ruh dich einfach nur aus und werde wieder gesund.“ Sie schloss ihre Augen und nickte. Da sie meine Hand nicht losließ, setzte ich mich neben sie und betrachtete sie eingehend. Sie war blass, und ihre Lippen waren trocken; verstörend war, dass die Haut in ihrem Gesicht und auf ihrem Hals mit einem böse aussehenden roten Ausschlag bedeckt war.
„Windpocken?“, murmelte ich vor mich hin.
„Ja, ich glaube, es sind die Pocken.“ Carolans Stimme erschreckte mich. „Kennst du dich damit aus?“
„Ich glaube schon. Ich hatte sie als Kind“, erwiderte ich, wobei ich den Blick nicht von Tarahs Gesicht wenden konnte. „Aber ich war nicht so krank.“ Ich erinnerte mich daran, Geschichten gehört zu haben von Menschen, die an Windpocken gestorben waren, aber die waren mir immer wie Altweiberfabeln vorgekommen. Ich hatte mich als Kind mit Windpocken angesteckt und erinnerte mich daran, dass ich mehrere Tage in der Schule gefehlt hatte. Meine Haut hatte gejuckt, aber mit dem, was ich hier sah, war das nicht zu vergleichen. Diese Menschen waren ernsthaft krank.
„Ich …“
Tarahs schwache Stimme wurde noch schwächer, und ich beugte mich vor, um den Rest des Satzes zu verstehen.
„… hatte als Kind auch Windpocken.“
„Sie sagt, sie hatte als Kind Windpocken.“ Ich schaute Carolan überrascht an. „Das ist seltsam. In meiner …“ Beinahe wäre mir das Wort Welt herausgerutscht, aber ich konnte es gerade noch mit einem Husten verdecken. „Meiner Erfahrung nach kann man die Windpocken nur ein Mal bekommen. Man kann sich kein zweites Mal anstecken.“
Carolan nickte zustimmend und bedeutete mir, ihm zur Tür zu folgen. Bevor ich Tarahs Hand losließ, drückte ich sie noch einmal kurz und flüsterte ihr zu, dass ich gleich wieder da sein würde.
In der Nähe der Tür drängten wir drei uns zusammen, und Carolan sprach leise und eindringlich auf uns ein.
„Ich habe an einigen Patienten eine nur oberflächliche Untersuchung durchgeführt, aber was ich dabei gefunden habe, macht mir große Sorgen. Ich glaube, dass alle an derselben Krankheit leiden. Sie entwickelt sich in drei deutlich unterschiedlichen Phasen.“ Er zeigte auf das erste Mädchen, das er untersucht hatte. „Die erste Phase scheint von hohem Fieber, Kopf- und Rückenschmerzen und Erbrechen begleitet zu werden.“ Er deutete auf Tarah und fuhr fort: „Einige Tage später lässt das Fieber nach, und der Ausschlag beginnt. Er scheint sich vom Gesicht über den Körper bis zu den Händen und Füßen auszubreiten.“ Er nickte in Richtung einer Ansammlung von Betten, die von Kindern belegt waren. „Der Ausschlag wird zu Blasen, die sich mit Eiter und Ausfluss füllen. Das Fieber kehrt zurück und führt ins Delirium. Diese Phase ist gefährlich und tödlich. Diese Kinder dehydrieren. Bei einigen schließen sich die Kehlen. Das sind nicht die Windpocken aus unserer Kindheit, die ein unangenehmes Jucken mit sich bringen und nur für die sehr Jungen oder sehr Alten gefährlich sind. Viele dieser Mädchen und Frauen waren jung und stark – aber jetzt sind sie lebensbedrohlich erkrankt.“
„Pocken.“ Das Wort schoss mir aus den Tiefen meines Gedächtnisses durch den Kopf. Wer in Oklahoma aufgewachsen war, kannte die grausame Geschichte der eingeborenen Indianer, von denen ganze Stämme durch die Pocken ausgerottet worden waren. Ohne wirklich darüber nachzudenken, berührte ich die alte Impfnarbe an meinem Oberarm. Mein Magen flatterte ängstlich.
„Was sind Pocken?“, fragte Carolan.
„Ich weiß nicht viel darüber. In meiner Welt, oder zumindest in dem zivilisierten Teil meiner Welt, sind sie ausgerottet. Nach dem, was ich weiß, könnte das hier eine ähnliche Krankheit sein.“ Ich schaute ihn deprimiert an.
„Kannst du mir irgendetwas erzählen, was mir weiterhilft?“
Ich durchsuchte mein Gehirn und wünschte, der Biologieunterricht am College wäre nicht schon über zehn Jahre her.
„Unter normalen Umständen, also wenn ein Volk in Abständen von den Pocken heimgesucht wird, töten sie die sehr Jungen und die, die alt oder schon krank sind. Wenn aber ein Land oder ein Volk noch nie mit den Pocken in Berührung gekommen ist, kann es davon ausgelöscht werden; ungefähr fünfundneunzig von einhundert Angesteckten sterben an ihnen. Sie sind wie eine Plage.“ Meine Erinnerungen machten mich nur noch nervöser. „Hat es diese Krankheit jemals zuvor in Partholon gegeben?“
Carolan strich sich nachdenklich über das Kinn. „Mir scheint, ich habe einige Aufzeichnungen darüber, dass bei dem Volk, das in der Nähe der Ufasach-Sümpfe lebt, immer wieder mal Pocken aufgetaucht sind, aber es handelt sich um ein seltsames, sehr zurückgezogen lebendes Volk, das niemals Hilfe von außerhalb erbitten würde, daher sind die Aufzeichnungen nicht sehr umfangreich.“
Mir kam ein Gedanke. „Alanna, du sagtest, die Mädchen wären krank aus der Klausur zurückgekommen, richtig?“
„Ja“, bestätigte sie.
„Wo liegt diese Klausur?“
„Es ist der Tempel der Musen.“
„Liegt der nicht in der Nähe der Sümpfe?“ Ich versuchte, mir die Landkarte vorzustellen.
„Ja“, erwiderte Carolan. „Die Sumpflandschaft bildet die malerische südliche Grenze der Tempelanlage.“
„Ich wette, dass dort der Ursprung der Krankheit liegt. Was bedeutet, dass die Musen sich sehr wahrscheinlich mit den gleichen Problemen herumschlagen, die wir hier haben.“ Ich wühlte weiter in meinem Gedächtnis (wo ich alte, bruchstückhafte Gedichte und Romane fand) und versuchte, mich an alles zu erinnern, was ich je über die Pocken gehört hatte.
„Oh Gott.“ Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn, verärgert, dass mir das Schlimmste an den Pocken jetzt erst wieder einfiel. „Sie sind sehr ansteckend. Und zwar sowohl durch Körperflüssigkeit als auch durch Hautkontakt. Wenn man im selben Bettzeug schläft, in dem ein Infizierter geschlafen und geschwitzt hat oder Ähnlicher, bekommt man die Krankheit. Oder wenn man aus derselben Tasse trinkt. Jeder, der sich um einen Kranken kümmert, läuft Gefahr, sich anzustecken.“ Kurz überlegte ich, ob sich das Thema Keime hier schon durchgesetzt hatte. Die Erinnerung an Carolan, wie er nach frischem Wasser und Seife rief, damit er zwischen zwei Untersuchungen seine Hände waschen konnte, beruhigte mich etwas.
„Dann müsst ihr, du und Alanna, euch von den Kranken fernhalten.“
„Du hast recht.“ Ich schaute Alanna an. „Du musst das Krankenzimmer meiden. Du bist den Erregern schon viel zu lange ausgesetzt.“
„Genau wie du“, erwiderte sie.
„Nein, ich kann mich nicht anstecken.“ Ich schob den weichen Stoff über meinem Arm zur Seite und zeigte ihr meine verblasste Narbe. „Als Kind bin ich geimpft worden.“
Carolans Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Ich seufzte und machte mit meiner Hand eine Geste, als würde ich eine Nadel in die Haut stechen und eine Flüssigkeit einspritzen. „Das hat dafür gesorgt, dass mein Körper etwas gegen Pocken aufgebaut hat, das wir Antikörper nennen. Dadurch kann ich mich nicht mit den Erregern anstecken.“
„Das klingt wie ein Wunder.“ Carolan klang ehrfürchtig.
„Ja, ich wünschte, ich wäre Arzt, damit ich erklären könnte, wie es funktioniert.“ Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Tut mir leid, dass ihr nur eine Englischlehrerin abbekommen habt.“
„Ich bin damit ganz zufrieden“, sagte Alanna.
Ich lächelte sie dankbar an, bevor ich mich wieder an Carolan wandte. „Also, was müssen wir jetzt tun?“
„Als Erstes müssen wir die Kranken in Quarantäne stecken.“
„Und alles, was sie benutzen, gleich mit“, ergänzte ich. „Und ihre Familien.“
„Ja.“ Er nickte zustimmend. „Ich denke, es wäre klug, den Umgang mit den Kranken auf meine Assistenten und einige gesunde Freiwillige zu beschränken. Vielleicht Familienmitglieder, die mit den Kranken bereits Kontakt gehabt haben. Dann muss ich meine Aufzeichnungen durchgehen und schauen, ob ich irgendwelche weiterführenden Hinweise auf die Krankheit finde.“ Traurig ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, der mit kranken Menschen gefüllt war. „Wir können kaum mehr tun, als es ihnen so bequem wie möglich zu machen und dafür zu sorgen, dass sie ausreichend mit Flüssigkeit versorgt werden.“
„Koch das Wasser einmal auf, bevor du es ihnen zu trinken gibst.“ Das klang wie ein guter Gedanke. Ganz sicher brauchten sie keinen Wein, und ich hatte keine Ahnung, wie sauber das Wasser hier war – ich war bis jetzt nicht krank geworden, aber ich hatte ja auch nur wenig pures Wasser getrunken (ich ziehe Wasser in Weinform vor). „Du solltest außerdem sicherstellen, dass ihre benutzte Bettwäsche getrennt von den anderen Laken aufbewahrt wird und man sie außerdem in kochendem Wasser und viel scharfer Seife wäscht.“
„Kochendes Wasser vertreibt die Geister der Ansteckung“, rezitierte er stolz.
Wenn er es so ausdrücken wollte, meinetwegen. Ich war nur froh, dass er mir zustimmte.
„Ja, und die meisten Keime.“
Carolan sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber er stellte keine Fragen und bat auch nicht um eine Erklärung.
„Ich mache mir Sorgen um den Ursprung dieses Ausbruchs. Es wäre nicht hilfreich, wenn unsere Krieger krank würden, während sie sich bereit machten, die Fomorianer einzukesseln. Wenn diese Pocken am Tempel der Musen ausgebrochen sind, müssen sich die Soldaten von der Gegend fernhalten.“
„Warte, ich stimme dir zu, aber – und korrigiere mich, wenn ich falschliege – ich glaube nicht, dass ich jemals gehört habe, dass Pferde sich mit den Pocken angesteckt haben. Du?“ Meine Gedanken überschlugen sich.
„Nein …“ Carolan rieb sich erneut das Kinn. „Ich kann mich an keinen Fall von Pferdepocken erinnern.“
„Wie steht es mit Zentaurenpocken?“, hakte ich nach.
„Darüber weiß dein Ehemann sicher mehr als ich, aber ich glaube nicht, dass die Zentauren jemals mit irgendeiner Pockenart infiziert worden sind.“
„Gut.“ Ich fühlte, wie mir ein Stein vom Herzen fiel. „Dann werden wir dafür sorgen, dass nur Krieger der Zentauren über den Tempel der Musen reisen, um Laragon aus dem Osten anzugreifen.“
„Das wäre klug, aber wir müssen trotzdem sichergehen, dass wir diesen Ausbruch eindämmen können.“
„Gut. Machen wir uns an die Arbeit.“ Wenn ich zu lange darüber nachdachte, wofür ich mich hier gerade freiwillig meldete, würde ich schreiend aus dem Saal rennen. Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, wo es besser war, erst zu handeln und dann nachzudenken.
„Liebes“, sprach Carolan Alanna an. „Du kannst uns hier nicht helfen. Und ich will dich nicht der Gefahr einer Ansteckung aussetzen.“
„Aber du riskierst es doch auch.“ Sie trat näher an ihn heran, und er zog sie in seine Arme.
„Ich muss.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Und das weißt du. Ich kann mich aber nicht um das kümmern, was getan werden muss, wenn ich mir dabei die ganze Zeit Sorgen um dich und deine Sicherheit mache. Du kannst mir helfen, indem du meine Assistenten herschickst und dann in der Küche dafür sorgst, dass ausreichend Wasser gekocht und Kräutertee zubereitet wird.“
„Und ich brauche dich, um sicherzustellen, dass die Frauen das tun, was sie tun sollen“, fügte ich hinzu. „Ich bin sicher, dass man sich auf Maraid verlassen kann, aber sie ist nicht du. Und du musst die Familien derer, die erkrankt sind, versammeln und die Augen nach weiteren Menschen offen halten, die Anzeichen einer Erkrankung zeigen.“
Mit einem tiefen Seufzen gab Alanna unserem Drängen nach. Ich hatte gewusst, dass sie es tun würde – ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Integrität würden ihr nie erlauben, sich egoistisch oder kindisch zu verhalten. Es lag nicht in ihrer Natur, darauf zu beharren, bei Carolan zu bleiben. Alanna und Suzanna waren Frauen, die die Bedürfnisse anderer immer über ihre eigenen stellten.
Ich wünschte mir nicht zum ersten Mal, etwas mehr wie sie zu sein.
Alanna gab ihrem Mann einen Kuss, und ich hörte, wie sie sich gegenseitig ihrer Liebe versicherten. Dann drehte sie sich zu mir um und umarmte mich fest.
„Pass bitte für mich auf ihn auf.“ Sie zog an einer Strähne, die sich aus meiner Frisur gelöst hatte, und erinnerte mich damit an meinen eigenen Mann. „Und pass auch auf dich auf, hörst du?“
„Kein Problem. Oh, und würdest du ClanFintan aufsuchen und ihm erklären, was los ist? Und frag ihn, ob er herkommen kann, wenn er mit seiner Besprechung fertig ist.“
Alanna nickte. „Wir sehen uns dann heute Abend wieder. Ich liebe euch beide.“
Sie lief so schnell los, als müsste sie ihre Beine zwingen, sich zu bewegen, bevor ihr Herz sich anders entscheiden konnte. Keiner von uns sagte etwas. Wir schauten ihr einfach nur nach. Ihre stille Würde berührte uns tief.
„Okay …“ Ich klatschte in die Hände und brach den Bann, damit keiner von uns etwas Dummes tat, wie zu weinen oder so. „Gib mir etwas, womit ich mir diese verdammten Haare hochbinden kann, und dann steh ich dir zur Verfügung. Sag mir einfach, was ich tun soll.“
„Lass uns damit anfangen, dass wir die Patienten in verschiedene Zonen je nach Krankheitsstadium einteilen. Dann wechseln wir die Laken und Decken und reinigen die Betten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kranken ausreichend trinken und es bequem haben.“ Er zeigte auf ein Bündel, das aussah wie in Streifen gerissene Bettlaken. „Da ist etwas, womit du dir die Haare hochbinden kannst.“
„Aye, aye!“ Ich salutierte hinter seinem Rücken und schnappte mir eines der Bänder. Dann folgte ich ihm weiter in den Raum hinein. „Ist es in Ordnung, wenn ich diese Fenster ein wenig öffne? Es ist so schönes Wetter draußen, und hier drinnen ist es so stickig.“
Carolan stimmte meinem Vorschlag nickend zu, und ich eilte hinüber, um die großen Fensterflügel aufzureißen. Die warme Brise trug den Duft von Geißblatt herein, und ich versuchte, mich nicht zu übergeben, als der süße Geruch sich mit dem von Erbrochenem und Krankheit mischte.
Ich ahnte, dass es ein langer, anstrengender Tag werden würde.