5
Sein Kopf schmerzte, und seine Arme fühlten sich an, als seien sie an den Handgelenken gebrochen. Dane Marsh öffnete die Augen und sah, daß er sich in einer Zelle befand, die er nie zuvor gesehen hatte. Ein Arm war über eine Handschelle und eine etwa zwei Meter lange Kette an die Mauer geschmiedet. Auf der anderen Seite der Zelle hockte Aratak. Er war in einer ähnlichen Vorrichtung gefesselt. Rianna lag schlafend auf dem Boden. Dallith saß vornüber gebeugt da, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte ihn reglos an. Als er die Augen öffnete, sagte sie: »Du lebst!«, und ihr Gesicht war von Überraschung und Freude bewegt. »Ich war nicht sicher, du warst so weit weg …«
»Ich lebe, was auch immer mir das jetzt nützt«, sagte Dane. »Ich sehe, du auch. Was ist mit den anderen passiert?«
Rianna öffnete die Augen. »Roxon war der erste, den sie töteten«, sagte sie. »Sie töteten auch noch ein weiteres halbes Dutzend, glaube ich. Was die anderen betrifft, so wurden sie vor drei Tagen ausgeladen – und ich hörte sie sagen, daß es auf dem Sklavenmarkt von Gorbahl war. Ich vermute, sie haben etwas Besonderes mit uns im Sinn, aber was das ist …« – sie lächelte bitter – »… so ist deine Vermutung ebenso viel wert wie meine. Meine persönliche Meinung ist, daß sie uns zum Nachtisch aufheben. Wir haben zwei Mekhar getötet, und das ist etwas, was sie nicht gelassen akzeptieren werden.«
»Es ist nicht so schlimm«, sagte Dallith eigensinnig. »Es ist irgend etwas Hoffnungsvolles daran. Sie waren erfreut über das, was wir getan haben.«
»Wie kannst du so etwas sagen?« rief Rianna. »Das ist alles deine Schuld. Wenn Dane nicht dein Leben gerettet hätte, wären wir alle zum Sklavenmarkt von Gorbahl gebracht worden, aber Roxon würde noch leben, und es hätte eine Chance für einige von uns geben können …«
Aratak sagte mit einem befehlenden Rasseln: »Still, Kind. Nichts davon ist Dalliths Schuld, nicht mehr als deine eigene. Du warst ebenfalls versessen darauf, an dem Fluchtversuch teilzunehmen, und was Roxon betrifft, so wollte er vielleicht auch lieber sterben als in Sklaverei zu leben. Auf jeden Fall ist er tot und jenseits deines Mitleids oder deiner Hilfe, und Dallith ist es nicht. Wir sind alle vier in denselben Schwierigkeiten, und wenn wir anfangen, uns zu streiten, haben wir wirklich keine Chance.«
»Wir haben sowieso keine«, sagte Rianna bitter, drehte sich weg und versteckte ihr Gesicht hinter dem hellen Haar.
»Rianna …« sagte Dane, aber sie kehrte ihm den Rücken zu und sah ihn nicht an.
Sie macht mich verantwortlich für Roxons Tod und den Tod der anderen, dachte er.
Aber es gab nichts, was er dazu sagen konnte. Vielleicht war es wahr. Vielleicht war er gleichgültig gegenüber Leben oder Tod gewesen, weil er weniger zu verlieren hatte als die anderen – was auch immer geschah, seine Welt war unwiderruflich verloren.
Aratak sagte: »Ihr drei seid wenigsten von einem Volk, Kreaturen von einem Blut. Von meiner Art ist kein einziger auf dem Schiff geblieben. Müßte ich mich nicht allein fühlen?«
Dallith ging langsam auf ihn zu und ließ ihre kleine, zarte Hand in seine riesige Klauenpranke gleiten. Sie sagte freundlich: »Wir sind Brüder und Schwestern im Unglück, Aratak, unter dem Gesetz des Universums. Ich weiß das. Dane weiß es. Und Rianna wird es früher oder später wieder wissen.«
Dane nickte. Er fühlte sich dem großen Echsenmann, an dessen Seite er beinahe getötet worden wäre, sehr nahe. »Wir haben ihnen jedenfalls einen guten Kampf geliefert«, sagte er. »Jeder von uns konnte es mit ein paar von diesen verdammten Katzengesichtern aufnehmen! Was auch immer jetzt mit uns geschehen mag, das war die Sache wert.« Aratak nickte nachdrücklich, und seine Kiemen glühten blau. Dane fragte sich: Was nun? und laut: »Geben sie uns etwas zu essen?«
Rianna setzte sich auf und warf ihr rotes Haar zurück: »Wenn überhaupt etwas, so ernähren sie uns besser denn je, obwohl sie unser Essen durch die Gitter hereinschieben. Niemand kommt mehr in unsere Nähe.«
Dane sagte: »Dann werden sie uns sicher nicht zu Tode quälen, und wenn sie vorhätten, uns zu töten, hätten sie das sicher schon getan. Katzen sind keine subtilen Wesen. Sie hätten uns auf der Stelle in Stücke gerissen, wenn sie das vorgehabt hätten.«
»Genau das habe ich versucht, euch zu erklären«, meinte Dallith. »Ich weiß nicht, was uns erwartet – ich kann ihre Gedanken nicht lesen, ohne … verrückt zu werden … wie damals, als ich versuchte … als ich versuchte …« Sie schauderte plötzlich. »Für einen Augenblick war ich der Mekhar. Ich ging auf ihn los … mit Klauen und Zähnen …«
Sie schwieg. Dann sagte sie fest, indem sie den Gedanken beiseite schob: »Aber soviel weiß ich: Sie werden uns nicht töten, und wir sind sogar wertvoller für sie geworden. Darum sage ich es noch einmal: Denk nicht ans Sterben, Rianna. Bewahre dir deine Kraft und deine Hoffnungen. Wir werden jetzt sehr bald herausfinden, was geschehen wird. Wir leben und sind alle zusammen. Es gibt keinen Grund zu verzweifeln.«
Es war zumindest offensichtlich, daß sich ihr Status geändert hatte und daß man sie jetzt für gefährlich hielt. Das Essen wurde aus sicherer Entfernung durch die Gitterstäbe hineingeworfen – von Mekhar, die niemals mit ihnen sprachen und sich sogar hüteten, zu nahe an das Gitter zu kommen. Dreimal täglich wurden Danes und Arataks Ketten verlängert, indem eine Klammer außerhalb der Zelle gelöst wurde, so daß sie einen kleinen Waschraum erreichen konnten. Zu allen anderen Zeiten waren sie ausschließlich sich selbst überlassen, mit allen Vorstellungen, Mutmaßungen oder Gedanken, die sie sich über ihr mögliches Schicksal machten.
Das ging, wie Dane später vermutete, ungefähr zwei Wochen so weiter. Für die Gefangenen gab es nichts weiter zu tun, als Lebensgeschichten auszutauschen, wenn sie wollten, sich gegenseitig von ihren Heimatwelten zu erzählen und einander kennen zu lernen.
Dane erzählte ihnen alles, was er über die soziale und politische Geschichte der Erde wußte, obwohl vermutlich ein Teil ihres Interesses aus Verwunderung und Erstaunen darüber bestand, daß eine zumindest teilweise zivilisierte Welt so lange vom Galaktischen Bund übersehen worden war. Nur Rianna hatte eine vage Vermutung, was der Grund dafür sein konnte.
»Ihr habt einen gewissen Grad des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts erreicht«, stimmte sie zu, »aber auf anderen Gebieten hinkt ihr weit hinterher, vermutlich, weil ihr so abgeschnitten seid. Zum Beispiel sagst du, daß ihr in eurer überlieferten Geschichte niemals auch nur von Beobachtungs- oder Gastmannschaften von anderen Planeten besucht worden seid.«
»In unserer bekannten Geschichte nicht, nein. Obwohl manche Wissenschaftler vermuten, daß einige religiöse Mythen entstellte Überlieferungen solcher Besuche vor dem Zeitalter der Geschichtsschreibung sein könnten.«
»Das ist unwahrscheinlich«, protestierte Dallith. »Wissenschaftliche und beobachtende Teams des Bundes sind gewöhnlich sehr darauf bedacht, daß auf den Planeten, die sie besuchen, nicht solche Vorstellungen entstehen.«
»Aber es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, ob die Besucher vom Bund waren … wenn es solche Besucher gab«, sagte Rianna. »Sie können von überallher gekommen sein. Nein, die wahrscheinlichste Erklärung ist, daß sie euer Solarsystem einfach übersehen haben. Es gibt so furchtbar viele unbewohnte Welten, daß eine oder zwei oder zweihundert beim Katalogisieren einfach vergessen worden sein können. Hast du nicht gesagt, daß nur eine Welt eures Systems für normales, tierisches Leben bewohnbar ist? Das ist sehr ungewöhnlich; wahrscheinlich besuchten sie einen oder zwei Planeten, fanden sie unbewohnbar und ließen das ganze System links liegen. Schlampige, wissenschaftliche Arbeit natürlich, aber so etwas kommt vor.«
Dallith vermutete: »Vielleicht ist eure Erde besucht worden, bevor sich intelligentes Leben entwickelte. Oder als ihr Menschen noch in den Bäumen wohntet.«
Aratak rasselte: »Das würde sie nicht aufhalten. Meine Welt trat dem Bund bei, noch ehe das Göttliche Ei uns mit dem Rad beschenkt hatte!«
Das erinnerte Dane an eine bevorzugte Theorie der Science Fiction-Schriftsteller. »Manche Leute nahmen an, daß Besucher aus dem All uns wegen unserer Atomkriege und ähnlichem mieden oder unter eine Art kosmische Quarantäne stellten.«
»Wenn absoluter und dauernder Frieden eine Qualifikation wären«, sagte Rianna trocken, »würde der Galaktische Bund vermutlich aus nicht mehr als zwei Dutzend Welten bestehen, von denen die meisten von Empathen bewohnt wären. Der Bund tut alles, was in seiner Macht steht, um den Mitgliedplaneten bei der Lösung ihrer internen Auseinandersetzungen zu helfen, und manchmal trägt schon die Anwesenheit des Bundes dazu bei, daß die Bewohner eines Planeten ein Gefühl für Solidarität und innere Harmonie entwickeln. Aber auf die Weise, wie der Bund organisiert ist, dient er hauptsächlich als Barriere gegen interplanetarischen oder interstellaren Krieg. Die meisten Planeten lösten ihre Kriegsprobleme zu einem früheren Zeitpunkt in der Geschichte als ihr, aber eure Geschichte scheint von klimatischen Wechseln, Sintfluten und ähnlichem zerrissen zu sein, was typischerweise dazu führt, daß kleine Gruppen von Menschen von anderen kleinen Gruppen abgeschnitten werden und ihre ethnischen, kulturellen, sozialen und sprachlichen Unterschiede überbetonen. Das Ergebnis ist natürlich eine Verlängerung der Kriegsperiode in der Geschichte des Planeten. Obwohl ich zugeben muß, daß es ein bißchen ungewöhnlich ist, Kriege auf das Entwicklungsstadium nach der Industriellen Revolution auszudehnen.«
Dane war froh, die Diskussion über seine ›mißratene‹ Kultur zu beenden und etwas über die anderen zu erfahren. Dallith kam von einer weitgehend homogenen Welt, die – nach einer langen Eiszeitperiode, gefolgt von Perioden der Überflutungen und tropischen Wachstums –, um zu überleben, einen so hohen Wert auf Psi-Kräfte gelegt hatte, daß ESP und Hellseherei fest in die Gene der Rasse eingebaut wurden. Es war ein friedliches und, durch rigorose natürliche Auslese, kleines Volk mit beschränkter Technologie, aber hoch entwickelten Wissenschaften der Philosophie und Kosmologie.
Riannas Volk war eher so, wie Dane sich immer die Erdenmenschen der Zukunft vorgestellt hatte – eine wissenschaftlich orientierte Zivilisation mit einer hoch entwickelten Technologie und einer Tradition endloser Entdeckungen und wissenschaftlicher Neugier.
Arataks Welt hätte nicht gegensätzlicher sein können. Die dominierende Rasse, die von riesigen Sauriern und Amphibien abstammte, keine natürlichen Feinde hatte und vegetarisch lebte, hatte kurz mit Technologie experimentiert, herausgefunden, daß die Erkenntnisse sie nicht für die Mühen entschädigten, ihr friedfertig den Rücken gekehrt, um als Rasse ein beschauliches Leben in einer nahrungssammelnden Kultur zu fuhren. Sie importierten einige – nicht viele – Kunstgegenstände von ihrer Nachbarwelt, die von einer hochtechnologisierten Rasse bewohnt wurde, die sich mit einem Namen bezeichnete, den der in Danes Kehle eingebettete Übersetzungsapparat mit Salamander wiedergab. Als Gegenleistung versorgten die Saurier sie mit Rohstoffen, bestimmten Nahrungsmitteln und Philosophie, die offensichtlich als eine Handelsware wie jede andere betrachtet wurde. Tatsächlich erfuhr Dane, daß Männer von Arataks echsenähnlicher Rasse als Philosophielehrer durch die gesamte bekannte Galaxis reisten und hoch geachtet waren. Sie wurden mit verschwenderischer Gastfreundschaft behandelt; eine Gegenleistung für das Opfer, das sie brachten, indem sie ihre geliebten und friedlichen Sümpfe verließen.
Aber die Geschichten über ihre planetarische Entwicklung nahmen nur einen Teil der Zeit in Anspruch. Sie hatten mehr als genug Zeit, zu brüten und sich Sorgen über ihr mögliches Schicksal zu machen. Es schien, daß sich die Zeit endlos dahinzog. Manchmal schien es Dane, als sei er schon seit vielen Jahren ein Gefangener.
Plötzlich nahm das ein Ende.
Eines Morgens – oder wenigstens das, was Dane einen Morgen nannte, da es die erste Mahlzeit war, die auf eine Schlafperiode folgte – betraten drei Mekhar ihre Zelle mit gezogenen Nervengewehren und einem tragbaren Betäubungsfeld, das sie vorsichtigerweise auf volle Stärke gedreht hatten, bevor sie hereinkamen und Dane und Aratak losketteten.
Einer der Mekhar sagte kurz: »Macht keinen Fehler. Ihr werdet – jetzt – keine einzige Chance zur Flucht haben. Eine einzige unerlaubte Bewegung, und ihr werdet augenblicklich in totale Bewußtlosigkeit versetzt. Ihr werdet nicht getötet, und ihr werdet nicht gequält, aber wir werden euch nicht entfliehen lassen. Ihr könnt eure Energie also ebenso gut sparen. Dies ist nur eine Warnung, also bewegt euch vorsichtig. Glaubt mir, wir werden euch nicht die Wohltat des Zweifels lassen.«
Dane machte keine plötzlichen Bewegungen. Er hatte nicht den Wunsch, an sich selbst auszuprobieren, wie sich die Wirkung eines Nervengewehrs anfühlte; ihm waren die Schreie des Mannes, der gestorben war, immer noch in Erinnerung. Seine Neugier war von einem unerwarteten Satz gefesselt: Ihr werdet – jetzt – keine einzige Chance zur Flucht haben.
Hieß das, daß sie später eine einzige Chance bekommen würden?
Es lohnt sich, darüber nachzudenken. (Der mechanische Übersetzungsapparat war fast unglaublich wörtlich; bei einer Gelegenheit, als Rianna, erbost über Dalliths Gelassenheit, ihr eine mundartliche Beleidigung an den Kopf warf, hatte der Übersetzer diese wortgetreu wiedergegeben, indem er unterstellte, Dallith sei eine Nahrungsspenderin für Kinder. Was natürlich für Danes Begriffe keine Beleidigung war und wahrscheinlich, nach Dalliths Miene zu urteilen, auch für ihre Begriffe nicht – das hatte Rianna nicht gerade ruhiger gemacht!)
Offensichtlich waren die anderen drei Gefangenen zu demselben Schluß gekommen, denn sie gingen widerstandslos mit dem Mekhar den gewundenen Korridor entlang und die Rampe hinauf, bis sie einen Raum erreichten, der wie ein kleines Konferenzzimmer aussah, in dem ein halbes Dutzend Mekhar, uniformiert wie Schiffspersonal, warteten. Es gab Fernsehschirme und Empfänger, verschiedene andere Ausrüstungsgegenstände und eine Auswahl von Sitzgelegenheiten. Die Mekhar wiesen ihren vier Gefangenen Plätze an, die aussahen, wie eine Geschworenenbank oder eine Musikergalerie an einer Seite des Raumes. Sobald sie sich gesetzt hatten, griffen Klammern (automatisch gesteuert, vielleicht durch ihr Körpergewicht) um ihre Taillen und hielten sie fest.
Die Geschworenenbank war bereits von einem Mann besetzt; es war ein Mekhar, aber er wurde durch denselben Klammermechanismus festgehalten wie Dane und seine Gefährten. Für Dane sahen alle Mekhar ziemlich ähnlich aus, aber ihm schien, als sei ihm an diesem hier irgend etwas vertraut. Er war kaum zu dieser Feststellung gekommen, als Dallith, die neben ihm saß, sich herüberlehnte und flüsterte: »Es ist der Mekhar, den du entwaffnet hast – der Wächter aus der Zelle. Ich dachte, wir hätten ihn getötet.«
»Offensichtlich hatte er kein Glück«, flüsterte Dane zurück.
»Die Gefangenen haben zu schweigen«, sagte einer der Mekhar unbewegt.
Dane schaute sich in dem Raum um, in dem er sich befand. Seine Aufmerksamkeit wurde augenblicklich auf etwas gezogen, was wie ein riesiger Bildschirm aussah. Der Empfang wurde von Wellen und, wie man es bei einem irdischen Fernseher genannt hätte, ›Schnee‹ gestört, aber es war offensichtlich eine Direktübertragung. Das Bild auf dem Schirm war nicht sehr aufregend, denn keiner der anderen Gefangenen warf auch nur einen zweiten Blick darauf oder beobachtete es gar, aber für Dane war es ein unglaubliches Wunder. Man konnte nämlich auf diesem Bildschirm einen Planeten erkennen, verschwommen, ziegelrot, mit blau-grünen Gebieten, die wie Ozeane aussahen, und langweiligen braunen Flecken, die Bergketten oder Wüsten sein mochten. Am Himmel dahinter – oder, genauer gesagt, im dunklen, sterngefleckten Raum dahinter – hing ein riesiger Mond oder Satellit, gut halb so groß wie der Mutterplanet und teilweise durch ihn verdunkelt.
Einer der Mekhar in Uniform saß an einem prosaisch aussehenden Schaltpult und sprach leise in ein verborgenes Mikrofon. Es war nur ein monotones Hintergrundgeräusch, zu leise für Danes Übersetzer, um es aufzunehmen. Das ging eine Weile so weiter; der Planet und sein halb verdunkelter Satellit zeigten sich auf dem Bildschirm größer und schärfer umrissen. Offensichtlich näherten sie sich irgendeinem Stern. Würden sie darauf landen, fragte sich Dane, und war es die Heimatwelt der Mekhar? Und was würde dort mit ihnen geschehen? Die extreme Vorsicht, mit der sie behandelt worden waren, schien ein gutes Zeichen zu sein – sie sollten anscheinend nicht sofort getötet werden –, aber würden sie für irgend etwas vor Gericht gestellt werden? Vielleicht weil sie einen Mekhar getötet hatten?
Abrupt hörte die monotone leise Stimme des Mekhar, der in das Schaltpult hineingesprochen hatte, auf – sie wurde durch ein Tuten von sanfter, aber hoher Tonlage, von Klicken und Murmeln unterbrochen. Der Mekhar betätigte verschiedene Wählscheiben und Hebel. Ein Lautsprecher an dem Schaltpult wurde aktiviert, und eine merkwürdig tiefe, gleichmäßige Stimme – fast eine mechanische Stimme, dachte Dane – bemerkte: »Zentralstation, Zweiter Kontinent. Ich spreche zu dem Mekhar-Schiff. Wir bestätigen Ihre Botschaft und sind bereit, Ihr Angebot entgegenzunehmen.«
Der Mekhar am Pult sagte, nun mit lauterer Stimme, denn er hatte offensichtlich einen Schalter betätigt, damit sie auch über den Lautsprecher zu hören war: »Wir haben fünf für euch, Jäger. Es sind besonders gefährliche Exemplare, und wir werden sie nicht billig verkaufen.«
Die mechanische Stimme erwiderte in ihrem merkwürdig ausdrucklosen Ton: »Ihr Mekhar habt früher schon Geschäfte mit uns gemacht und kennt unsere Anforderungen. Sind diese hier auf die Probe gestellt worden?«
»Ja«, sagte der Mekhar. »Es sind die vier Überlebenden von sechs Anführern des üblichen Testflucht-Mechanismus – diejenigen, die intelligent und erfinderisch genug waren, ein kleines Schlupfloch zu entdecken, das für die Flucht blieb, tapfer genug, es angesichts der Nervengewehre zu wagen, und stark genug weiterzukämpfen, nachdem wir ihnen gezeigt hatten, daß wir von dem Ausbruch wußten. Ich werdet nicht von ihnen enttäuscht sein. Wir hatten gehofft, euch alle sechs bringen zu können, aber wir waren gezwungen, zwei zu töten, bevor sie überwältigt werden konnten.«
Die mechanische Stimme sagte: »Ihr spracht von fünf Beutetieren für uns.«
»Der fünfte ist einer aus unseren Reihen«, antwortete der Mekhar-Kapitän. »Er ließ es zu, daß die Gefangenen ihn entwaffneten und seine Waffe erbeuteten. Der andere Wächter, dem wir die übliche Wahl ließen, zog es vor, Selbstmord zu begehen, anstatt sich einem Gerichtsverfahren auf Mekhar zu stellen. Dieser hier wählte den anderen Ausweg – er verkaufte sich selbst als Beute für die Jäger. Der Preis für ihn wird seinen Hinterbliebenen auf Mekhar übergeben, so daß er frei von Verpflichtungen ist und seine einzige legale Chance wahrnehmen kann zu überleben.«
»Wir nehmen jederzeit gerne einen Mekhar als Beutetier an«, sagte die mechanische Stimme. »Wir wiederholen das Angebot, das wir schon früher unterbreitet haben, euch eure verzweifelten Verbrecher als Beute abzunehmen.«
»Und wir wiederholen«, sagte der Mekhar am Funkgerät, »daß die Ehre unseres Volkes es eigentlich nicht zuläßt, daß wir in der Jagd durch Kriminelle vertreten werden; aber der Wächter wurde in einem ehrlichen Kampf besiegt, da wir den Gefangenen absichtlich eine Möglichkeit ließen zu entkommen. Er hat das verbriefte Recht, seine Todesart auszusuchen, und er hat das Recht, den ehrenhaften Tod durch eure Hand zu wählen, wenn er das möchte.«
»Wir beugen uns euren Ehrbegriffen«, sagte die mechanische Stimme.
»Wir schlagen einen Bonus von zehn Prozent über unseren üblichen Preis hinaus vor; wenn das annehmbar für euch ist, könnt ihr die Gefangenen sofort landen.«
»Das ist annehmbar für uns«, bestätigte der Mekhar, aber Danes Aufmerksamkeit wurde auf Rianna gelenkt, die keuchend aufgestöhnt hatte.
»Die Jäger«, flüsterte sie. »Dann sind sie keine bloße Legende! Eine Chance zu entkommen – ja, eine Chance – aber, o Götter, was für eine Chance!«
Dane drehte sich in seinem Sitz, aber bevor er ein Wort der Erwiderung sagen konnte, näherte sich der Mekhar-Kapitän.
»Gefangene«, sagte er ruhig. »Es liegt bei euch, ob ihr entkommt oder ehrenhaft sterbt. Ihr habt bewiesen, daß ihr zu tapfer, zu mutig seid, um als Sklaven verkauft zu werden; wir haben daher die Ehre und das Vergnügen, euch diese Alternative zu bieten. Habt keine Angst. Ihr werdet jetzt eine kleine Dosis eines milden Betäubungsgases bekommen, das keinerlei bleibende Nebenwirkung hat, damit ihr euch während des Transfers zur Welt der Jäger nicht durch unnötiges Kämpfen verletzt. Laßt mich euch gratulieren und euch allen eine ehrenvolle Flucht oder einen blutigen und ehrenvollen Tod wünschen.«