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Rianna näherte sich ihm nicht bis zur nächsten Mahlzeit, bei der sie, als alle ihre Tabletts holten, seines mit heraussuchte, es ihm brachte und dabei mit gedämpfter Stimme sagte: »Roxon ist einverstanden. Er kann dieses Schiff nicht alleine steuern, aber er kann mit der Kommunikationsausrüstung umgehen, und die Navigationszentrale wird ihm natürlich helfen. Er wird mit jemanden in der Nachbarzelle sprechen, den er kennt. Du kannst ihm vertrauen, er hat eine gute Menschenkenntnis. Er war überrascht, daß du es warst, der den Plan entwickelt hat, aber das hat mit seinem Vorurteil zu tun, und er gibt es auch zu.«
»Ungeheuer nett von ihm«, sagte Dane etwas mürrisch. Er merkte, wie unfair das von ihm war. Er war sich im klaren darüber gewesen, nicht alles allein machen zu können. Er sollte dankbar sein, daß Roxon damit einverstanden war, seinen Teil zu übernehmen.
Sie blieb nicht länger als einen Augenblick in seiner Nähe – er fühlte, daß sie jetzt aufpaßte, auch nicht den geringsten Anschein einer Verschwörung zu erwecken –, aber etwas später, als sie an ihm vorbeikam, murmelte sie: »Lege deine Arme um mich, versuche mich einen Augenblick zu halten – Dane, hast du Dallith schon etwas erzählt? Ich sah euch zusammen sprechen, aber ich hatte keine Gelegenheit, sie zu fragen.«
Dane willigte ein. Sie fühlte sich weich und stark in seinen Armen an, rund und feminin, jedoch muskulös und alles andere als passiv. Er sagte: »Nein, noch nicht. Ich hatte ein bißchen Angst davor. Wir sind sowieso vom Thema abgekommen. Sie gab mir einige Erklärungen über … äh … Galaktische Bräuche und die Art, wie die Mekhar – das heißt, wie alle Protofelinen – über uns denken.«
Erwartet sie von mir, daß ich so tue, als würde ich sie lieben?
Als ob sie seine Gedanken erraten hätte, befreite sie sich heftig aus seinen Armen und trat zurück. Leise sagte sie: »Erzähle es ihr, so schnell du kannst. Denk daran, sie ist eine Empathin. Wenn du zu unentschlossen bist, wird es sich auf sie übertragen, und die Mekhar könnten schlau genug sein, sie zu beobachten, um zu sehen, ob sie uns mißtrauen müssen. Es ist auch möglich – ich weiß zwar nicht sehr viel über Empathen, aber es wäre möglich –, daß sie sich in die Mekhar hineinversetzen und herausfinden kann, wie sie auf uns reagieren – wenn ihre Wachsamkeit nachläßt, wie nahe wir dem Ort sind, zu dem sie uns bringen, und so weiter.«
»Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein.«
»Das wäre es. Aber ich habe Psi-Talenten noch nie über den Weg getraut. Doch wir können es uns nicht leisten, irgendeine Chance zu vergeben, wie klein sie auch sein mag«, sagte Rianna. »Wie klein auch immer. Sprich also mit Dallith. Und bald.«
Dane wußte, daß sie recht hatte, und er straffte sich in dem Bewußtsein, was er zu tun hatte. Aber was, wenn es sie wieder in die selbstmörderische Furcht und Hoffnungslosigkeit stürzte? Was dann?
Der Tagesablauf im Sklavenquartier war ihm jetzt vertraut, und er wartete dank dieser Kenntnis. Eine Stunde (nach seiner Schätzung, da er keinen Zeitmesser hatte) nach der letzten Tagesmahlzeit wurde der lange Zellengang – mit Ausnahme von gedämpften Nachtlampen in den langen Gängen und kleinen, fahlen Markierungen an den Türen der Toilettenräume – abgedunkelt. Dane ging zur Liege, die nun allgemein als seine betrachtet wurde. Wie schnell wir uns an nahezu alles gewöhnen! dachte er. Jetzt ist bereits eine Liege ›meine‹, und ich bin es gewöhnt, mich zu einer bestimmten und regelmäßigen Zeit darauf auszustrecken. Sind alle intelligenten Spezies solche Gewohnheitswesen, oder sind das nur wir Menschen – oder Protosimianer?
Er wartete eine Stunde lang, bis es ruhig war und seine Zellengenossen schliefen. Über ihm schnaufte ein unbekannter Mann, dunkelhäutig und flachgesichtig, und schrie in unangenehmen Träumen auf. Auf der benachbarten Liege machte Aratak merkwürdig schnarchende Geräusche, und als sich Dane leise von seiner Pritsche herabgleiten ließ, bemerkte er, daß der Echsenmann in der Dunkelheit am ganzen Körper schwach glühte. In der entferntesten Ecke, auf beiden Seiten von leeren Pritschen umgeben, hockte die lange, dünngliedrige Spinnenkreatur mit riesigen, roten Augen, die das Licht reflektierten; die Augen verdrehten sich, um Dane zu folgen, und Dane duckte sich ungewollt … war das ein hungriger Blick? Würden die Mekhar am Ende eine kannibalische Spezies mit ihrer natürlichen Beute zusammen einsperren?
Dallith lag auf der unteren Liege, das Gesicht von ihm abgewandt, so wie er sie das erste Mal hatte liegen sehen. Ihr Haar lag lose ausgebreitet. Sie schlief tief, und als Dane sich sanft neben ihr niederließ, um sich auf den Rand ihrer Liege zu setzen, wachte sie nicht sofort auf, sondern machte eine weiche, bejahende Bewegung und murmelte im Schlaf, ein schläfriger, friedvoller Ton.
Sie kannte ihn, sogar im Schlaf, und es war keine Angst mehr in ihr … Eine Welle der Zärtlichkeit schlug über ihm zusammen; er berührte ihren kühlen Handrücken mit den Lippen. Sie wachte auf und lächelte in der Dunkelheit. Sie sah so friedlich aus, daß er einen Augenblick lang zögerte, sie zu stören. Sie schien nicht überrascht zu sein und stellte ihm keine Fragen über seine Anwesenheit. Dane schob von sich, was er zu sagen hatte, und fragte sie zum ersten Mal:
»Wie ist deine Welt, Dallith?«
»Wie kann ich dir darauf antworten, Marsh?« Ihre Stimme war nur ein Flüstern, genau auf sein Ohr abgestimmt. »Es ist meine Heimat. Kannst du etwas anderes über deine Heimatwelt sagen, als daß sie schön ist? Meine Leute verlassen unsere Welt selten – und fast nie aus freien Stücken –, und so haben wir keine Möglichkeit, sie mit anderen zu vergleichen, außer durch das, was wir gelesen haben. – Ich denke es muß bei dir genauso sein.«
Ein Anfall von Heimweh durchfuhr Dane Marsh, so heftig, daß es ihn schmerzte. Niemals Hawaii wiedersehen oder den großen Bogen der Golden Gate Bridge oder die Skyline von New York mit den hochragenden Türmen oder eine Rhododendronblüte im Frühling …
Ihre Hände streichelten ihn sanft. Sie sagte: »Ich wollte dich nicht traurig machen. Dane, warum bist du hierher gekommen? Du bist mir nur zu willkommen, aber ich kenne dich gut genug, um zu wissen, aus welchem Grund du nicht gekommen bist. Du hast mir etwas zu sagen?«
Er nickte stumm und streckte sich vorsichtig am Rande der Liege aus. Er sagte sich, daß die Mekhar-Wächter ein- oder zweimal während der Nacht vorbeikommen würden, und wenn sie ihn hier liegen sahen, würden sie denken – was immer sie auch dachten, die verdammten Kerle. Und warum auch nicht? Er erzählte ihr mit gedämpfter Stimme, den Mund dicht an ihr Ohr gepreßt, von den Fluchtplänen. Sie hörte ihn schweigend an. Nur als er ihr sagte, daß die Mekhar wohl einige von ihnen töten könnten, zuckte sie leicht zusammen, schrie aber nicht auf. Schließlich sagte sie: »Ich wußte, daß es so etwas sein mußte. Ich habe dich mit Aratak zusammen gesehen, aber ich wußte nicht genau, was es war. Aber wenn es Körperkraft ist, die du benötigst – ich bin bestimmt nicht stark genug, einen Mekhar zu entwaffnen. Was kann ich tun?«
Ihre Stimme klang so ruhig, daß er fragte: »Hast du keine Angst? Ich dachte, du würdest erschrecken.«
»Warum? Mir geschah das Schlimmste, als sie mich von meiner Heimat und von meinem Volk trennten. Nun gibt es für mich nichts Schlimmeres zu befürchten. Sag mir, was ich für dich tun kann.«
»Ich weiß nicht viel über Empathen«, sagte Dane. Er erinnerte sich an Riannas Worte: Ich habe Psi-Talenten nie getraut … »Aber vielleicht kannst du für uns herausfinden, wie lange wir Zeit haben. Bereiten die Mekhar schon unsere Landung vor? Vielleicht kannst du herausfinden, mit welcher Verteidigung wir rechnen müssen. Solche Dinge.«
Ein Schatten des Unwillens glitt über ihr Gesicht. »Ich weiß es nicht. Ich habe noch nie versucht – die Gedanken oder Gefühle einer anderen Rasse zu lesen. Sie sind so wild – aber ich werde es versuchen. Erwarte nicht zu viel, aber ich werde es versuchen.«
»Das ist alles, worum ich dich bitte«, sagte er. Er richtete sich auf, um zu seinem Platz zurückzukehren, aber Dallith schlang ihren Arm um ihn. »Nein. Nein! Allein werde ich mich wieder fürchten. Bleib dicht bei mir.«
Er sagte mit schiefem Lächeln: »Du führst die menschliche Natur beträchtlich in Versuchung, Dallith.« Aber er macht keine Anstalten zu gehen, und nach einer Weile schlief er, dicht neben dem Mädchen ausgestreckt, ein und fiel sofort in merkwürdige, verschwommene Träume von Löwen, von seltsamen Farben und Fallen, die hinter fremdartigen Mauerruinen lauerten. Dann wachte er wieder auf und hörte Dallith vor Angst und Protest in unruhigen Träumen wimmern, fiel wieder in den ruhelosen Traum von Jägern und Gejagten, von Hinterhalt und Furcht und den Gerüchen von Blut und Tod.
Einen oder zwei Tage später gesellte sich Dallith beim Essen zu ihm, Rianna, Roxon und Aratak, als der Mekhar mit dem Essenskarren den Korridor hinunter verschwand, und sagte mit gedämpfter Stimme: »Wir müssen uns beeilen. Wir müssen unsere Pläne schnell ausführen. Es ist schwer, sie zu durchschauen …« – ihr Gesicht verzerrte sich merkwürdig, und sie preßte die Hände zusammen – »… und es ist schwer, ihrer Arroganz zu entgehen. Ich hatte befürchtet, von ihren Gedanken beeinflußt zu werden. Aber wir müssen uns sehr beeilen.«
Aratak fragte freundlich: »Warum, Kind?«
»Weil sie uns irgendwohin bringen werden, wenn nicht …« – wieder dieser gequälte Blick – »… wenn nicht etwas passiert … ich weiß nicht genau, was es ist, aber sie erwarten etwas und werden enttäuscht sein … oh, ich weiß es nicht«, brach es aus ihr hervor. Dabei rang sie ihre schmalen Hände und biß sich auf die Lippen. »Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht! Ich habe Angst, nahe genug zu kommen, um es zu erfahren …«
Dane schaute sie mit tiefer Unruhe an. Es ist, als würden sie wünschen, daß wir sie angreifen. Aber das ist lächerlich.
Er fragte Roxon: »Hast du es schon weitergesagt? Auf wie viele können wir zählen, die sich uns anschließen? Wir könnten mit einem Dutzend auskommen, vermute ich, wenn wir sehr gut koordiniert handeln. Aber es wäre von Vorteil, mehr Leute zur Verfügung zu haben.«
»Wir fünf hier«, antwortete Roxon. »Drei in der nächsten Zelle. Sie sagen, daß in der darauf folgenden Zelle vier oder fünf sind, die mitmachen. Darüber hinaus ist alles Vermutung. Aber ich bin sicher, daß wir genug sind – und wenn andere sehen, daß es gut geplant ist, werden sie auch mitmachen.«
»Was ist mit den Betäubungsfeldern?« fragte Rianna.
»Ein guter Einwand«, sagte Aratak. »Die Wächter tragen diese Gürtel mit den Nervengewehren. Ich glaube, es gibt eine Kontrolle in den Gürteln, die es ihnen ermöglicht, sich in einem Betäubungsfeld zu bewegen. Wenn wir die Wächter entwaffnet haben, müssen wir uns ihre Gürtel aneignen. Die zwei oder drei körperlich kräftigsten von uns müssen bereit sein, sie anzulegen, bis jemand in den Kommandobereich vordringen und die Betäubungskontrollen ausschalten kann. Roxon, können Sie das tun?«
»Ich bin nicht sicher«, sagte Roxon, »aber ich kann es versuchen.«
»Roxon darf keine Gefahr eingehen«, meinte Marsh. »Er weiß, wie man ein Raumschiff steuert. Laßt mich riskieren, was zu riskieren ist. Diese Art Risiko jedenfalls.« Er wünschte, der Aufstand fände noch heute statt. Jetzt da die Pläne ausgereift waren, würden sie bei weiterem Aufschub nur herumsitzen, sich Sorgen machen und nervös werden. Außerdem konnte das Mekhar-Schiff jeden Moment irgendwo Station machen und eine neue Ladung Sklaven aufnehmen, die zu ihnen hereingeworfen würden, neue, von der plötzlichen Gefangenschaft noch betäubte Leute, die durchdrehten oder ihre Fluchtpläne vereitelten. Er sagte: »Je eher, desto besser. Laßt es uns bei der nächsten Mahlzeit versuchen. Wir wissen jetzt alle, was wir zu tun haben.«
Es fiel ihm schwer, das Essen zu schlucken; aber als er den Rest seiner Mahlzeit unberührt wegstellen wollte, schaute Rianna zu ihm herüber. Sie sagte leise und angespannt: »Iß alles auf. Wir müssen uns genauso verhalten wie immer, sonst wissen sie, daß etwas passiert.«
Die Zeit bis zur nächsten Mahlzeit schien rückwärts zu kriechen. Dallith suchte Marsh, setzte sich neben ihn und hielt seine Hand. Roxon ging zu dem Gitter, das sie von der nächsten Zelle trennte und sprach mit gedämpfter Stimme zu seinem Gefährten dort. Rianna mißachtete ihre eigene Anweisung und ging unruhig hin und her, bis Dallith sie ärgerlich anblitzte. Daraufhin ging sie zu ihrer Pritsche und gab vor zu schlafen. Nur Aratak wirkte ruhig. Er hatte seine langen Beine gekreuzt. Die geschlossenen Kiemenspalten vibrierten leicht und glühten blau. Aber Marsh wußte nicht, ob dies mehr als nur äußerlicher Schein war; er konnte nicht sagen, ob Aratak so ruhig war, wie er aussah, ob er weiterhin über die Weisheit seines ewigen Göttlichen Eis meditierte oder ob die Unbewegtheit seines nichtmenschlichen Gesichtes nur an dessen Form und Gestalt gebunden war, während Aratak innerlich ebenso ruhelos, ebenso krampfhaft wie Rianna darauf bedacht war, nichts zu verraten.
Die Zeit schien dahinzukriechen, sich unendlich zu dehnen. Es war Dallith, die sie alle mit einem scharf eingesogenen Atemzug warnte. Ihre Augen glühten, und sie setzte sich abrupt aufrecht hin. Ihr Gesicht war angespannt und blaß. Rianna hatte sie offensichtlich unter halb geschlossenen Lidern beobachtet; sie sprang von ihrer Liege auf und nahm ihren Platz bei dem Gitter ein. Aratak duckte sich erwartungsvoll. Das Wort lief im Flüsterton durch die Käfigreihen hinauf und hinunter, über eine Minute, ehe der erste Klang anzeigte, daß am Gangende der Mekhar den Knopf betätigt hatte, der alle Zellenschlösser kontrollierte.
Während er sich langsam zur Tür hinbewegte, sah und fühlte Dane die Spannung, die in ihrem Zellenbereich in der Luft lag, und dachte: Die anderen … jeder muß spüren, daß etwas passiert. Wir können nicht verhindern, daß sie es jetzt merken, wir können nur noch hoffen, daß keiner die Mekhar alarmiert.
Die beiden Mekhar-Wächter kamen jetzt den Korridor herunter. Sie schafften die kodierten Essenspakete in eine Zelle nach der anderen und zogen sich wieder zurück. Nun waren sie im Begriff, die Nahrung in dem Bereich abzuladen, in dem Dane und seine Freunde, bis zum äußersten gespannt, warteten. Der Mekhar mit der Essenskarre bewegte sich genauso wie immer. Er rollte sie durch die unverschlossene Tür herein und begann die Tabletts abzuladen. Hinter ihm hielt sein Kollege mit einem Nervengewehr im Anschlag die Zelleninsassen in Schach. Der Mekhar mit dem Karren beendete das Abladen, drehte sich um, um ihn wieder hinauszurollen, und in dem Augenblick, als der Karren einen Moment lang die Tür blockierte, sprangen ihm Dane und Aratak in den Rücken.
Dane setzte einen kraftvollen Karateschlag in den Nacken des Löwenwesens. Er ging zu Boden, streckte die Beine gespreizt von sich und stieß ein ohrenbetäubendes Geheul aus, während der Mekhar hinter ihm das Nervengewehr abfeuerte; Dane spürte das Zischen des Blitzes hinter sich und duckte sich. Jemand schrie auf, aber zu diesem Zeitpunkt kam der Mekhar, den er niedergeschlagen hatte, wieder auf die Füße, und Dane nahm eine Kampfstellung ein, um ihn zu empfangen. Er holte zu einem mächtigen Tritt aus, der jedes menschliche Wesen gelähmt zu Boden geworfen hätte. Der Mekhar jedoch brüllte nur auf und ging mit entblößten Klauen auf ihn los. Hinter ihm sah er, daß Männer aus der nächsten Zelle herausstürmten und den Mekhar mit dem Nervengewehr überrannten. Sie ergriffen sein Gewehr und traten nach ihm. Besinnungslos lag er auf dem Boden. Arataks mächtiger Arm traf den zweiten Mekhar von hinten; er ging, um sich schlagend, zu Boden. Dallith sprang hinzu und zog das Nervengewehr aus seinem Gürtel, selbst gewandt wie eine Katze. Der Mekhar schlug wild um sich. Seine Klauen kratzten Dalliths Arm blutig, und das Mädchen verwandelte sich in eine beißende, tretende Furie. Sie warf Rianna das Gewehr zu und stürzte sich auf den am Boden liegenden Mekhar, schrie und kratzte nach seinen Augen.
Dane zog sie mit beiden Händen von ihm fort. »Es ist nicht notwendig, ihn zu töten«, sagte er. Unter seiner Berührung beruhigte sich Dallith und begann zu zittern. »Mach seinen Gürtel los. So ist es richtig. Aratak, du bist der stärkste, lege du ihn an; du kannst mehr ausrichten als wir anderen, wenn wir in ein Betäubungsfeld kommen.« Dane legte den Gürtel des anderen Mekhar um seine Hüften und dachte: Zwei in unbewaffnetem Kampf geübte Leute sind nötig, um einen Mekhar zu entwaffnen. Hoffentlich werfen sie uns nicht achtzig Mann auf einmal entgegen.
»Kommt weiter«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Alle raus hier. Heraus aus den Zellen. Wir wissen nicht, wie lange wir Zeit haben, bis jemand merkt, daß diese beiden hier nicht von der Tierfütterung zurückgekommen sind, und nachschaut, was sie aufhält.«
Sie drängten aus dem Zellenbereich in den Korridor, und Dane blieb einen Moment völlig verwirrt stehen. Er war bewußtlos hereingebracht worden und hatte keine Ahnung, welchen Weg er zur Brücke einschlagen sollte, zu dem Bereich, wo die anderen Mannschaften waren, zum Kontrollraum des Raumschiffes. Er warf eine schnelle Frage zu Roxon hinüber, der die Gefangenen in die Halle führte und ihnen rasch leise Anweisungen gab.
»Wir sind alle bewußtlos hereingebracht worden«, sagte Roxon. »Das ist ihre Taktik. Aber ich glaube, wir befinden uns in den unteren Ebenen. Wir müssen soweit aufwärts gehen wie möglich.« Er führte sie eine lange Rampe entlang, die immer weiter anstieg und dabei von Zeit zu Zeit eine Kurve beschrieb. Die anderen Gefangenen drängten ihm nach, und Dane dachte besorgt: Wir Anführer sollten zusammenbleiben! Die anderen, die sich nur angeschlossen haben, ohne zu wissen, was vorgeht, können ganz schön im Weg sein, wenn es losgeht! Er stieß und drängte vorwärts zur Spitze hin. Dallith eilte an seine Seite. Rianna faßte Dalliths Arm.
»Schnell! In welcher Richtung befinden sich die Mekhar? Wo?«
Dallith schien sie kaum zu hören. Ihr Gesicht war aufgeregt und verzerrt. Plötzlich schrie sie vor Entsetzen auf, und gleichzeitig sah Dane Rianna stolpern. Sie versuchte sich hochzukämpfen. Die Gefangenen begannen zu fallen, einer nach dem anderen. Ihre Bewegungen wurden langsam, zäh. Das Betäubungsfeld, dachte Dane. Er selbst fühlte nichts dank dem Gürtel des Mekhar-Wächters, aber Dallith klammerte sich an ihn und bemühte sich verzweifelt, sich hochzuziehen.
Dallith schrie auf: »Sie wissen es, sie wissen es, sie warten auf uns.«
Die Tür am Ende der Rampe sprang auf. Ein halbes Dutzend Mekhar standen dort mit Nervengewehren im Anschlag. Bei diesem Anblick blieben die Gefangenen, von hinten vorwärts getrieben, stehen. Aratak, der wie Dane durch das Betäubungsfeld nicht behindert wurde, sprang vorwärts. Er schlug einen Mekhar nieder, der mit gebrochenem Rückgrat zu Boden stürzte, schaltete einen anderen aus, der ein dünnes, hohes Gewimmer ausstieß, bevor er selbst unter einem Schuß zusammenbrach. Roxon fiel unter Zuckungen und Krämpfen zu Boden.
Dane kämpfte weiter, schlug sich durch die Gefangenen, grimmig entschlossen, einen oder zwei der Mekhar zu töten, bevor sie ihn erreichten. Er sah Dallith wie eine Wildkatze zwischen zweien von ihnen kämpfen. Dann traf ihn ein gewaltiger Schlag auf den Kopf, und er fiel in Dunkelheit, während er noch dachte: Ich hatte die ganze Zeit recht; sie erwarteten, daß wir sie angriffen, und sie waren froh darüber. Aber warum?
Er schrie sein »Warum?« in die Dunkelheit hinein, aber die Dunkelheit gab ihm keine Antwort, und nach einer Million Jahren hörte er auf, nach der Antwort zu lauschen …