16. KAPITEL
Vor etwa zwanzig Jahren habe ich den bedeutenden Schwertkampfwettbewerb im weit entfernten Samserika gewonnen. Jedes Jahr lockt dieser Wettkampf die besten Kämpfer und Gladiatoren aus aller Welt an. Ich musste einen Haufen guter Leute besiegen. Die Wildheit dieser Kämpfe war legendär, aber ich habe es mit den Besten aufgenommen und sie geschlagen. Natürlich war ich damals noch viel jünger, viel dünner und viel hungriger. Trotzdem bin ich in den darauf folgenden Jahren kaum einmal einer Person begegnet, die mir in einem Nahkampf das Wasser reichen konnte. Makri jedoch dürfte das schaffen. Ich habe sie zu oft kämpfen sehen, um mir da etwas vorzumachen.
Allerdings steht sie unter dem Einfluss des Juwels. Vielleicht verlangsamt das ihre Reflexe. Wenn ja, kann ich sie möglicherweise besiegen, aber eine tote Makri ist nicht gerade ein erstrebenswertes Ergebnis. Ich könnte zwar versuchen, aus dem Zimmer zu flüchten, aber wahrscheinlich würde Makri mir ein Messer in den Rücken werfen, bevor ich durch die Tür käme. Also hebe ich einfach nur mein Schwert, um mich zu verteidigen, verfluche die Launen des Himmels und hoffe inständig, dass sich die Wirkung des Medaillons wenigstens rasch verflüchtigt.
Mit dem Schwert in der rechten und einem Messer in der linken Hand bin ich besser bewaffnet als Makri. Sie hat nur ein Schwert, zu meinem Glück. Denn ihre selbst entwickelte Zweihandtechnik ist eine Mischung zwischen einem Wirbelsturm und einer Sensenmaschine. Und trotz ihrer unterlegenen Bewaffnung treibt sie mich mit dem Rücken zur Wand.
»Hör auf zu kämpfen!«, schreie ich verzweifelt. »Es ist nur das Juwel!« Aber Makri setzt ihre erbarmungslosen Angriffe fort. Der ausdruckslose Blick ihrer Augen und eine gewisse Fremdheit ihrer Bewegungen überzeugen mich, dass sie weit unter ihren normalen Fähigkeiten kämpft, aber auch so habe ich alle Hände voll zu tun, sie mir vom Leib zu halten. Einen Moment lang sehe ich eine Öffnung in ihrer Deckung, aber ich schrecke vor einem tödlichen Hieb zurück. Danach setzt sie mir immer härter zu. Makri streicht mit ihrer Klinge an meiner entlang. Ihr schwarzes Schwert ist so scharf, dass es den Fingerschutz meines Schwertes einfach abtrennt. Blut läuft mir über die Hand. Ich schreie Makri an, endlich wieder zu Verstand zu kommen, aber es dringt einfach nichts zu ihr durch. Verdammtes Weibsstück! Ich wusste schon immer, dass sie mich irgendwann einmal unter die Erde bringen würde.
Die Verzweiflung vertreibt meine letzten Skrupel, und ich kämpfe jetzt mit aller Macht. Eine tote Makri ist immer noch besser als ein toter Thraxas. Trotzdem treibt sie mich immer weiter zurück, bis ich schließlich gegen meinen Schreibtisch stoße. Jetzt sitze ich in der Falle. Ich unternehme einen verzweifelten Versuch, meinen Dolch in ihren ungeschützten Oberkörper zu rammen. Mit einer Parade, die ich nicht einmal sehe, wehrt Makri mit der Schwertspitze meinen Dolchstoß ab und lässt die Waffe durch den Raum kreiseln. Im nächsten Moment lässt sie ihr Schwert hinuntersausen. Ich versuche ihren Hieb abzublocken. Mein Schwert zerspringt in tausend Stücke.
Sie hebt ihre Waffe.
»Es wird allerhöchste Zeit für deine Prüfung!«, keuche ich.
Makri hält verwirrt inne. »Was?«
»Deine Prüfung. Du musst aufstehen und vor der ganzen Klasse sprechen. Jetzt sofort. Es ist sehr wichtig.«
Makris Schwertarm sinkt ein paar Zentimeter.
»Ich will nicht vor der ganzen Klasse stehen«, erwidert sie. »Das macht mir Angst.«
»Tja, trotzdem musst du es tun. Und zwar sofort.«
Makri lässt das Schwert sinken, schlurft durchs Zimmer und lässt sich schwer auf das Sofa fallen.
»Ich will aber nicht«, wiederholt sie. »Es ist nicht gerecht.«
Ich ringe nach Luft und habe fast das Gefühl, zu ersticken. So heiß ist mir noch nie gewesen. Ich nehme sogar meinen Wasserkrug und trinke einen großen Schluck. Das Wasser ist abgestanden und warm. Ich biete Makri auch etwas an. Sie trinkt verlegen.
»Habe ich die Prüfung bestanden?«, fragt sie dann.
Ihr Gesicht normalisiert sich langsam. Plötzlich schüttelt sie den Kopf und sieht mich beunruhigt an.
»Was ist passiert?«
Ich hebe das Medaillon vom Boden auf. »Du hast in das Juwel geschaut.«
Enttäuschung malt sich auf ihren Zügen ab. »Dann bin ich in Wirklichkeit nicht die Befehlshaberin aller Armeen?«
»Bedauerlicherweise nicht.«
»Oh. Ich dachte, ich wäre es. Es hat Spaß gemacht. Wir haben alles vernichtet.«
Makri trinkt noch mehr Wasser und gießt sich den Rest über das Gesicht.
»Habe ich denn die Prüfung bestanden?«
»Du hast sie noch gar nicht abgelegt. Das Juwel hat dich vollkommen verwirrt.«
»Ich habe sie nicht abgelegt?« Makri lässt die Schultern sinken und verfällt in ein beinahe komisches Brüten. »Keine bestandene Prüfung. Keine Befehlshaberin von Armeen. Natürlich nicht. Ich bin nur eine Kellnerin. Was für ein lausiger Tag.«
Ich habe inzwischen eine Lotion auf den Schnitt in meinem Finger aufgetragen. Es ist eine Salbe, die Chiruixa, die Heilerin aus ZwölfSeen, für mich zubereitet hat. Sie wirkt sehr gut bei Wunden.
»Habe ich das gemacht?«, erkundigt sich Makri.
»Ja. Allerdings habe ich nicht ordentlich gekämpft. Ich habe nur gewartet, bis du dich selbst erschöpfst. Natürlich wollte ich deinen geschwächten Zustand nicht ausnutzen.«
»Ich glaube, ich kann mich noch sehr genau an unseren Kampf erinnern«, meint Makri. Die Bruchstücke meines Schwertes auf dem Boden sprechen eine deutliche Sprache, also wechsle ich lieber das Thema.
»Was hast du in meiner Schublade gesucht?«
»Geld«, erwidert Makri.
»Natürlich. Hätte ich mir denken können. Bedien dich nur. Mein Geld ist dein Geld.«
»Ich wollte eine Wette für uns beide abgeben«, erklärt Makri, aber sie scheint keine Lust auf unser gewohntes Geplänkel zu haben. Stattdessen steht sie mühsam auf. Anscheinend hat die Wirkung des Juwels ihr zugesetzt. Ihre Haare sind feucht, und die Spitzen ihrer Elfenohren lugen heraus.
»Trotzdem danke, dass du mich nicht getötet hast, als du diesen einen Moment die Gelegenheit hattest«, sagt sie, küsst mich leicht auf die Wange und verlässt mein Büro.
»Gern geschehen.« Meine Worte prallen von der Tür ab.
Das Medaillon baumelt von meiner Hand herunter. Es ist ein hübsches Schmuckstück. Die silberne Fassung ist Elfenarbeit und der grüne, nicht sonderlich große Stein ist sehr gut geschliffen. Er funkelt in den spärlichen Sonnenstrahlen, die durch die Jalousien meiner Bürofenster fallen. Dieses Juwel ist wirklich tödlich. Wenn man mehr als nur einen kurzen Blick riskiert, wird man aufgesogen. Ich bin zwar versucht, gebe aber nicht nach. Stattdessen reiße ich den Fetzen eines alten Wamses ab, das als Handtuch dient, wickle das Schmuckstück darin ein und verstaue es in meinem Beutel. Es wird Zeit, es Lisutaris zurückzubringen, bevor es noch mehr Schaden anrichtet.
Als die Aufregung des Kampfes sich allmählich legt, fühle ich mich recht zufrieden. Man engagiert Thraxas, damit er ein verloren gegangenes Medaillon auftreibt, und was passiert? Er findet das gute Stück. Während bösartige Zauberer, gemeine Mörder, ein Haufen Verbrecher und eine ganze Armee von Regierungsbütteln ihre Energie in einer fruchtlosen Suche verschwenden, habe ich, Thraxas, das Medaillon ohne jede magische Hilfe oder die Unterstützung durch einen gut besetzten Nachrichtendienst ausfindig gemacht. Einfach nur durch solide, professionelle Ermittlungsarbeit und die Bereitschaft zu ehrlicher Arbeit. Irgendwie war die Sache unausweichlich. Es musste mehr oder weniger so kommen. Ihr habt ein Problem? Verlasst Euch auf Thraxas! Der Mann hält, was er verspricht. Ich bezweifle, dass man in ganz Turai jemand anderen finden würde, der dieses Medaillon hätte wiederbeschaffen können.
Jemand klopft an meine Außentür. Avenaris, Lisutaris’ Sekretärin, marschiert in mein Büro.
»Lisutaris hat das Medaillon wiedergefunden«, verkündet sie.
Ich hebe meine Augenbrauen ein Stückchen. »Tatsächlich?«
»Ja. Heute Morgen. Sie hat mich geschickt, damit Ihr aufhört, danach zu suchen, und um Euch zu bezahlen.«
Avenaris legt Geld auf meinen Schreibtisch. Wie immer, spüre ich die Anspannung hinter ihren knappen, gemessenen Bewegungen. Sie will so schnell wie möglich hier weg.
»Und wie hat Lisutaris das Medaillon aufgespürt?«
»Das hat sie mir nicht gesagt.«
»Wart Ihr nicht neugierig?«
»Ich sollte jetzt gehen. Denkt daran, niemandem gegenüber auch nur ein Wort von dieser Angelegenheit verlauten zu lassen.«
»Na klar. Wir wollen doch nicht die paar Leute misstrauisch machen, die noch nichts davon wissen.« Wie immer macht mich diese nervöse junge Frau, die Lisutaris so unbedingt beschützen will, neugierig. »Wisst Ihr etwas darüber, wie das Medaillon überhaupt verschwunden ist?«, frage ich sie.
»Was?«
»Ihr habt mich sehr genau verstanden. Eben noch achtet Ihr auf Lisutaris Beutel, und im nächsten Moment ist das Medaillon verschwunden. Das ist mir immer schon merkwürdig vorgekommen.«
»Ich weiß wirklich nicht, warum Lisutaris einen Mann wie Euch überhaupt engagiert hat!«, bricht es aus Avenaris heraus.
»Weil ich eine ausgezeichnete Gabe habe, Dinge zu bemerken. Zum Beispiel fällt mir auf, wenn Leute nervöser sind, als sie eigentlich sein sollten. Warum ist Lisutaris so darum bemüht, Euch zu beschützen? Braucht Ihr Schutz?«
»Nein.«
»Behandelt Lisutaris Euch gut?«
»Lisutaris war immer sehr gut zu mir. Ich muss jetzt gehen.«
Der nervöse Tick auf ihrem Gesicht meldet sich wieder. Und mir fällt auf, wie hager sie ist. Noch dünner als Makri. Sie ist sicherlich keine besonders hingebungsvolle Esserin. So, wie sie aussieht, genießt sie wahrscheinlich so gut wie gar nichts. Plötzlich steht mir ein Bild vor Augen. Der junge Barius, der japsend auf der Couch liegt.
»Hat Euch jemals jemand Vee genannt, Avenaris?«, erkundige ich mich unvermittelt.
Ihr Tick wird unkontrollierbar. Avenaris schlägt die Hände vor das Gesicht, um es zu verbergen. Eine Sekunde glaube ich schon, dass sie ohnmächtig wird.
»Nein!«, sagt sie. »Hört auf, mich zu verhören! Lisutaris hat Euch befohlen, das nicht zu tun!«
Mit diesen Worten flüchtet sie aus meinem Büro. Ich denke immer noch über die Bedeutung unserer Begegnung nach, als Sarin in mein Büro rauscht. Diesmal zielt sie nicht mit einer Armbrust auf mich.
»Das enttäuscht mich jetzt aber«, begrüße ich sie.
»Was denn?«
»Ich hatte gehofft, dass du in dem Zusammenbruch des Lagerhauses ums Leben gekommen wärst.«
»Bin ich aber nicht«, erwidert Sarin. Für Wortgefechte hat sie wenig übrig.
»Was willst du?«
»Ich habe ein Medaillon zum Verkauf anzubieten.«
»Ein Medaillon?«
»Es gehört Lisutaris. Ich habe es gefunden. Eigentlich wollte ich es Harm verkaufen. Aber die Umstände haben sich geändert, und ich bin bereit, es entweder Lisutaris oder der Regierung zu verkaufen. Dich würde ich dabei als Unterhändler benutzen.«
Lisutaris hat das Medaillon. Und Sarin hat es auch. Ganz offenkundig lügen beide, weil ich es ja habe. Ich werde Sarin ein bisschen an der Nase herumführen und versuchen herauszufinden, was sie eigentlich im Schilde führt.
»Die Umstände haben sich geändert? Lass mich raten: Harm der Mörderische vermutet, dass du ihn hintergehen wolltest und Georgius Drachentöter das Juwel angeboten hast. Und jetzt machst du dir Sorgen, dass du möglicherweise das Ziel eines Herzinfarktzaubers werden könntest.«
Meine Worte entlocken Sarin keine Reaktion.
»Wie kommst du darauf, dass ich als dein Unterhändler fungieren würde?«
»Du hast es schon einmal getan«, erwidert Sarin. Damit hat sie Recht. Auch wenn die Umstände damals andere waren.
Sarins Preis sind fünftausend Gurans.
»Das sollte Lisutaris ihre Haut wert sein.«
»Vielleicht, Sarin. Aber du wirst eines Tages bedauern, dass du dich mit all den Zauberern angelegt hast. Sie werden dir nicht alle verfallen wie Budhaius von der Östlichen Erleuchtung. Wie hast du ihn umgelegt? Einfach mit einem Dolchstoß in den Rücken?«
»So ähnlich«, antwortet Sarin die Gnadenlose. »Lisutaris muss bis morgen das Geld beschafft haben. Sie sollte sich besser daran halten. Mein nächstes Angebot gebe ich im Palast ab. Dort wird man sehr gut dafür bezahlen, das Medaillon vor den Orgks zu retten.«
»Bereitet es dir keine Gewissensbisse, Staatsgeheimnisse an den Feind zu verscherbeln?«
»Nicht die Spur.«
»Wenn die Orgks den Westen angreifen, dürften sie dich kaum verschonen.«
Sarin sieht mich ausdruckslos an. Mich überfällt plötzlich der seltsame Gedanke, dass sie vielleicht sogar den Tod willkommen heißen würde. Offenbar hat sie jedoch keine Lust auf eine weitere Vertiefung unseres Gesprächs und verlässt lautlos mein Büro. Ich grüble über ihr Angebot nach. Unwillkürlich muss ich ihren Mut bewundern. Sie hat das Medaillon nicht einmal, und doch kommt sie zu mir und versucht immer noch, einen Gewinn aus der ganzen Angelegenheit herauszuschlagen.
Ich brauche dringend ein Bier. Ich gehe nach unten, um mir einen Mammutkrug »Zünftigen Zunftmann« einzuverleiben. Ghurd ist immer noch so mürrisch wie eine niojanische Hure, und Makri ruht sich oben aus. Sie hat der unfähigen Dandelion die Aufgabe überlassen, Bier zu zapfen. In der Zeit, die sie braucht, um mir endlich einen »Zünftigen Zunftmann« zu servieren, hätte ich in aller Ruhe zur Nachbartaverne gehen und ein halbes Dutzend davon leeren können.
»Du siehst nachdenklich aus«, bemerkt Dandelion. Ich glaube, Ghurd hat ihr verraten, dass die Gäste gern mit der Kellnerin plaudern.
»Zu viele Medaillons.«
»Wie bitte?«
Ich schüttle den Kopf. Wenn ich so weit sinke, dass ich meine geschäftlichen Probleme mit Dandelion bespreche, wird es allerhöchste Zeit, mich aufs Altenteil zurückzuziehen.
»Was hast du gesehen, als du in das Juwel geschaut hast?«
»Viele hübsche Farben. Und ein paar Blumen.«
Ihr hat das Medaillon anscheinend nicht geschadet. Alle anderen hat es in den Wahnsinn getrieben. Dandelion hat nur viele bunte Farben gesehen. Vielleicht spricht ja doch einiges dafür, barfuß herumzulaufen. Ich schärfe ihr ein, niemandem von ihren Erfahrungen zu erzählen, und bestelle noch einen großen Krug, sobald sie mit der umfangreichen Bestellung von drei Segelmachern fertig ist. Die schreien ihre Wünsche vom anderen Ende des Tresens herüber. Sie haben gerade die neue Takelage für einen Dreiruderer fertig gestellt und wollen offenbar eine Menge Geld loswerden. Noch mehr Segelmacher kommen herein und prahlen mit der Arbeit, die sie gemacht, und dem Geld, das sie verdient haben. Anscheinend laufen die Geschäfte als Segelmacher nicht schlecht, wenn es den Händlern der Stadt gut geht. Und das scheint so zu sein. Viele Schiffe, viel Arbeit.
Ich sichere mir noch ein Bier und überlasse sie ihren Prahlereien. Was soll ich jetzt tun? Vermutlich sollte ich Lisutaris einen Besuch abstatten. Sie behauptet, dass sie das Medaillon hat. Aber sie kann es nicht haben. Weil ich es habe. Warum hat sie mir dann diese Nachricht geschickt? Ich verstehe zwar, dass sie es für den Konsul vortäuschen will, aber es ist doch sinnlos, mich zu belügen.
Donax, der Bruderschaftsunterhäuptling aus dem Viertel taucht auf, bevor ich es mir mit meinem Bier gemütlich machen kann. Es überrascht mich schon, wie geschäftig es bisweilen in meinem Büro zugeht. Man könnte glauben, ich scheffle nur so Geld.
»Willst du das Medaillon kaufen, hinter dem alle her sind?«, erkundigt er sich.
»Warum willst du das denn wissen?«
»Weil ich es habe«, erklärt Donax. »Einer meiner Leute hat es in Kushni gefunden. Schließlich bin ich ein Patriot. Ich werde es nicht einem dieser Fremdlinge in die Hände fallen lassen. Sondern ich sorge dafür, dass es dorthin zurückkehrt, wohin es gehört. Solange ein Profit für mich herausspringt.«
»Ich weiß nichts von einem verloren gegangenen Medaillon.«
»Ich weiß, dass du nichts von einem verloren gegangenen Medaillon weißt. Aber wenn du etwas von einem verloren gegangenen Medaillon wüsstest, in dem sich ein Juwel befindet, das einer unserer höchsten Oberhexenmeisterinnen eine Vorwarnung für einen möglichen Orgk-Angriff geben könnte, würdest du es dann zurückkaufen?«
»Wenn du das so ausdrückst, ist es vielleicht etwas anderes. Wie hoch ist dein Preis?«
»Dreitausend Gurans. In Gold.«
»Das ist viel Gold für einen Patrioten.«
»Ich muss auch sehen, wie ich über die Runden komme.«
Ich frage ihn, ob ich das Medaillon sehen kann.
»Es befindet sich an einem sicheren Ort.«
Anscheinend erwartet er, dass ich ihm vertraue. Was ich normalerweise auch tun würde, jedenfalls in einer solchen Angelegenheit. Der Bruderschaftsunterhäuptling würde seine Zeit nicht mit dem Versuch verschwenden, mir einen Gegenstand anzudrehen, den er gar nicht hat. Aber warum versucht er es jetzt? Ich werde einfach nicht daraus schlau. Das Medaillon befindet sich in meinem Beutel. Das weiß ich ziemlich genau. Ich habe eben noch mal nachgeschaut. Versuchen all diese Leute vielleicht, einen groß angelegten Schwindel durchzuziehen, oder ist es ein Effekt dieses magischen Wahnsinns, der überall ausgebrochen ist? Vielleicht ist Donax ja wirklich davon überzeugt, dass sich das Medaillon in seinem Besitz befindet. Und möglicherweise hält er sich ja sogar für einen Einhornflüsterer.
»Gestern Abend war ein Zentaur in meiner Taverne«, erzählt er. »Was mir den Eindruck vermittelt, dass ich mit meiner Vermutung gar nicht so weit danebenliegen könnte.«
»Wirklich?«
»Ja. Ich habe noch nie zuvor einen gesehen. Man könnte meinen, es wäre etwas befremdlich, halb Mensch, halb Pferd zu sein, aber den Zentaur scheint das nicht weiter gestört zu haben.«
»Was ist mit ihm passiert?«
»Er hat ein paar Biere getrunken und ist davongetrabt. Wird dieser ganze Unfug aufhören, nachdem das Medaillon jetzt endlich gefunden worden ist? Es ist schlecht fürs Geschäft, wenn ständig merkwürdige Sachen in der Stadt passieren. Meine Männer vergessen, was sie eigentlich tun sollten. Ich habe gestern Abend zwei Brüder losgeschickt, damit sie eine Schuld eintreiben, und als sie zurückgekommen sind, haben sie irgendwas von Meerjungfrauen in Springbrunnen gefaselt. Ich hätte sie auf der Stelle umgelegt, wenn dieser Zentaur nicht vorher aufgetaucht wäre. Das hat ihrer Geschichte einen Anstrich von Glaubwürdigkeit verliehen. Trotzdem ist es schlecht fürs Geschäft.«
Ich gebe zu, dass ich nicht weiß, ob diese merkwürdigen Vorfälle aufhören werden. Und ich weiß auch nicht, ob sie mit dem Medaillon in Verbindung stehen.
»Die Zaubererinnung sollte die Angelegenheit klären. Normale Leute sollten sich nicht mit solchen Dingen beschäftigen müssen.«
Ich verspreche Donax, Lisutaris sein Angebot zu unterbreiten. Was sie dazu wohl sagen wird? Warum lügen alle? Ich kann einfach nicht mehr logisch denken. Wenigstens weiß ich, warum nicht. Der Grund liegt darin, dass ich seit einigen Tagen keine ordentliche Pastete oder einen vernünftigen Rehbraten zwischen die Zähne bekommen habe. Seit Tanrose verschwunden ist, habe ich nichts mehr gegessen, was mich so richtig befriedigt hätte. Unter diesen Umständen kann niemand erwarten, dass ein Mann sein Bestes gibt. Ich beschließe, Tanrose einen Besuch abzustatten. Vielleicht kann ich sie ja überreden, wieder in die Rächende Axt zurückzukehren. Und wenn das nicht klappt, lädt sie mich hoffentlich wenigstens zum Abendessen ein.
Ich störe Makris Ruhe.
»Ich muss weg. Setz ein bisschen Geld auf vierzig Tote. Die Zahl steigt weiter.«
»Gut.«
»Ich besuche Tanrose. Soll ich dir eine Pastete mitbringen?«
Makri schüttelt den Kopf. Sie hat mit Nahrungsaufnahme nur wenig im Sinn.