25

Montag nach Himmelfahrt erkundigte sich Martin Beck in Malmö nach dem Stand der Dinge.

Hammar stand zwei Schritte entfernt und hatte ihn gerade gebeten: »Ruf in Malmö an und frag mal, wie es da steht.«

Als er Mänssons Stimme hörte, tat es ihm schon wieder leid, weil ihm in derselben Sekunde einfiel, wie oft ihm während seiner langjährigen Dienstzeit diese idiotische Frage gestellt worden war. Von hohen Vorgesetzten. Von der Presse. Von seiner Frau. Von Kollegen. Von neugierigen Bekannten. Wie steht's denn so?

Er räusperte sich und fragte: »Hallo, wie geht's denn voran?«

»Na ja«, gab Mänsson zurück. »Wenn ich was Neues habe, werd ich wc von allein anrufen.«

Und das war natürlich genau die Antwort, die er erwartet hatte.

»Frag ihn, ob er überhaupt schon was rausgefunden hat«, drängte Ha mär.

»Hast du überhaupt schon was rausgefunden?«

»Über Olofsson?«

»Ja.«

»Wer steht denn da hinter dir und sagt dir ein?«

»Hammar.«

»Ach so, deswegen.«

»Frag ihn, ob er den internationalen Aspekt beachtet hat?« flüsterte Hammar.

»Hast du den internationalen Aspekt beachtet?«

»Ja. Hab ich.«

Einen Moment war es still. Martin Beck hustete geniert. Hammar verzog sich und schlug die Tür hinter sich zu.

»Ist er jetzt raus?« fragte Mänsson.

»Ja. Hör mal, ich will wirklich nicht…«

»Laß man, das kenn ich auch. Was Olofsson betrifft…«

»Ja?«

Mänsson ließ ihn zappeln. Martin Beck hörte das leise Raschem des Seidenpapiers, als der andere einen Zahnstocher auswickelte.

»Er war hier offenbar nicht sehr bekannt. Aber ich hab 'ne Spur gefunden. Leute, die zumindest wissen, wer er war. Viel haben sie nicht von ihm gehalten. Er soll mächtig angegeben haben und eine…« Mänsson schwieg wieder.

»Ja?«

»… eine richtige Stockholmer Großschnauze gewesen sein.«

Es war Mänsson anzumerken, daß ihm diese Bezeichnung gefiel.

»Wußten die, was er so gemacht hat?«

»Ja und nein. Zwei meiner Kontaktleute gaben zu, Olofsson dem Namen nach zu kennen und ihn ein paarmal getroffen zu haben. Beides alte Ganoven, die sagen, er hätte Rauschgift geschmuggelt, aber nicht in größerem Umfang. Er ist hier hin und wieder aufgetaucht, und sie haben ihn nur selten getroffen. Sie hatten den Eindruck, daß er meist aus Stockholm kam, wenn er hier aufkreuzte. Immer hat er neue Autos gehabt und groß damit angegeben, schien aber nicht gut bei Kasse zu sein. Keiner der Männer hat ihn letztes Mal getroffen. Der eine saß ja auch über Winter im Bau und kam erst im April wieder raus.«

Schweigen. Martin Beck sagte nichts. Nach einer Weile fing Mänsson wieder an: »Ich hab da noch ein paar Hinweise, aber die passen nicht zusammen. Einige habe ich von diesen beiden Ganoven bekommen, andere hab ich selbst gefunden.«

»Ich verstehe.«

»Er ist oft nach Polen gefahren. Das steht fest. Der Anzug, den er anhatte, stammte übrigens von dort.«

»Was wahrscheinlich bedeutet, daß er die Auto* dort verkaufte.«

»Ja, das ist möglich. Aber die Frage ist, ob wir mit diesem Ergebnis weite kommen. Wichtiger ist…« Er brach ab.

»Was denn?«

»Daß Malm und Olofsson sich hier verschiedene Male getroffen hab scheint auch festzustehen. Jedenfalls sind sie hier zusammen gesehen worden.«

»Aha!«

»Ja, aber dieses Jahr nicht. Malm war besser bekannt als Olofsson. Und die Leute mochten ihn. Jeder meiner beiden Spitzel hat die beiden mindestens einmal zusammen getroffen, und beide hatten den Eindruck, daß sie zusammenarbeiteten. Ja, das war's aber nicht, was ich sagen wollte, was so wichtig war.«

»So?«

»Vieles ist noch nicht klar. Olofsson muß doch zum Beispiel irgendwo eine Unterkunft gehabt haben, wenn er hier war. Entweder hat er ein Zimmer gemietet oder bei jemandem gewohnt. Ich hab bloß noch nicht rausgekriegt, wo oder bei wem er übernachtet hat.«

»Das ist auch gar nicht so einfach.«

»Doch, möglich ist das schon, dauert aber seine Zeit. Wo Malm untergekommen ist, wenn er hier war, weiß ich. Der hat in verschiedenen billigen Pensionen gewohnt, unten im Westen. In der Gegend um die Västergatan und die Mäster Johansgatan, weißt du.«

Martin Beck kannte sich wenig in Malmö aus, und die Straßennamen sagten ihm nichts.

»Gut.« Mehr konnte er nicht antworten.

»Ach, das war einfach. Ich halt das nicht für so wichtig. Das andere dagegen…«

Martin Beck fing an ärgerlich zu werden. »Welches andere?«

»Na, wo Olofsson gewohnt hat, zum Beispiel.«

»Er hat vielleicht nur hin und wieder 'n paar Stunden Aufenthalt gemacht. Auf der Durchreise, um Malm zu treffen.«

»Das glaub ich nicht. Er hatte einen Unterschlupf. Aber wo?«

»Woher soll ich das wissen? Und wie bist du selbst überhaupt darauf gekommen?«

»Er hatte hier eine Freundin«, antwortete Mänsson.

»Was? Ein Mädchen?«

»Genau. Er ist mehrere Male mit ihr gesehen worden, in großem zeitlichem Abstand. Zuerst vor etwa anderthalb Jahren und das letzte Mal, soviel ich weiß, kurz vor Weihnachten letzten Jahres.«

»Die müssen wir finden.«

»Da bin ich ja grade bei. Ich weiß schon, wie sie aussieht und so, nicht, wie sie heißt und wo sie wohnt.« Er schwieg eine Weile. »Eigentlich komisch…«

»Was?«

»Daß ich sie nicht finden kann. Wenn sie hier in der Stadt oder in der Umgebung wohnte, müßte ich sie schon aufgespürt haben.«

»Dann wohnt sie vielleicht gar nicht in Malmö; sie kann ja auch aus Stockholm kommen. Möglicherweise ist sie nicht mal aus Schweden.«

»Nee«, antwortete Mänsson. »Sie muß hier irgendwo sein. Ihr werdet sehen, ich find sie noch.«

»Meinst du?«

»Klar, aber es dauert 'ne Weile. Außerdem will ich im Juni auf Urlaub fahren.«

»Ach so.«

»Ja, aber ich such natürlich weiter. Wenn ich sie gefunden hab, ruf ich wieder an. Bis dahin auf Wiedersehen.«

»Wiedersehen«, entgegnete Martin Beck automatisch.

Er blieb eine ganze Weile mit dem Hörer in der Hand sitzen, obwohl der andere längst aufgelegt hatte. Seufzte und schnaubte sich die Nase.

Mänsson war offensichtlich ein Mann, den man am besten allein wursteln ließ.