Der Erfolg der Bemühungen zeigte sich am Nachmittag des gleichen Tages. Man hatte Hammar aufgespürt, und ihm war es gelungen, seine etwas verblüfften Leute zu einer Besprechung um sich zu versammeln. Die Mannschaft bestand aus Martin Beck, Fredrik Melander, Lennart Kollberg und Einar Rönn. Hammar sah bitterböse aus. Der Frühlingsanfang hatte Sonne und Wärme gebracht. Beim Frühstück hatte er mit seiner Frau über seine Pensionierung gesprochen, und sie waren übereingekommen, die dienstfreien Tage in ihrem Sommerhaus auf dem Land zu verbringen. Den Brand in der Sköldgatan hatte er schon beinahe vergessen. Nun hatte dieser Hjelm alle Pläne zunichte gemacht.
»Ist Larsson immer noch krank?« fragte Hammar.
»Ja«, antwortete Kollberg. »Er ruht sich auf seinem Lager aus.«
»Er kommt Montag wieder«, fügte Rönn hinzu und schnaubte sich die Nase. Hammar lehnte sich im Stuhl zurück, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und kratzte sich im Genick.
»Sieht so aus, als ob wir uns auf diesen Bertil Olofsson konzentrieren müssen. Malm war ja nur ein kleiner Fisch, außerdem eine bedauernswerte Figur, krank, dem Suff ergeben, arbeitsscheu und was weiß ich noch alles. Ich kann mir kaum vorstellen, daß jemand sich so große Mühe macht, einen solchen Mann aus dem Wege zu räumen. Das einzige, was man sich denken kann, ist, daß Malm irgendwas über Olofsson wußte, irgendwas sehr Wichtiges. Deshalb müssen wir uns den Olofsson mal genauer ansehen.«
»Jaja«, ließ sich Kollberg vernehmen, der solche Redensarten nicht leiden konnte.
»Was wissen wir von Olofsson?« fragte Hammar streng.
»Daß er verschwunden ist«, antwortete Rönn pessimistisch.
»Vor einigen Jahren hat er eine Gefängnisstrafe bekommen«, sagte Martin Beck. »Wegen Diebstahls, wenn ich mich recht erinnere. Wir werden die Unterlagen durchsehen.«
Melander nahm die Pfeife aus dem Mund. »Achtzehn Monate wegen Diebstahls und Urkundenfälschung. 1962. Er hat die Strafe in Kumla abgesessen.«
Die anderen sahen ihn ärgerlich an.
»Dein Gedächtnis kennen wir ja, aber daß du das gesamte Strafregister im Kopf hast, wußte ich noch nicht«, bemerkte Kollberg.
»Ich hab mir vor 'n paar Tagen Olofssons Akte angesehen. Dachte, es könnte interessant sein, mal zu sehen, wer er eigentlich ist.«
»Du hast nicht zufällig auch erfahren, wo er jetzt ist?«
»Nein.«
Es wurde still im Zimmer. Dann fragte Kollberg: »Na? Wer ist er denn?« Melander sog an seiner Pfeife und schien nachzudenken. »Ziemlich durchschnittlicher Typ, möchte ich annehmen. Die Strafe, die Martin erwähnt hat, war durchaus nicht seine erste. Aber es war das erste Mal, daß er keine Bewährung erhielt. Früher war er wegen Hehlerei, verbotenen Rauschgiftbesitzes, Diebstahl von Kraftfahrzeugen, Fahrens ohne Führerschein und verschiedener kleinerer Vergehen angeklagt. Bis vor zwei Jahren stand er unter Polizeiaufsicht.«
»Und offenbar stand er schon auf der Fahndungsliste, als Mahn in seinem Wagen erwischt wurde. Wegen Autodiebstahls, war's nicht so?« fragte Kollberg.
»Ja. Das stimmt«, antwortete Martin Beck. »Das hab ich herausgefunden. Die Polizei in Gustavsberg ist dahintergekommen, daß auf seinem Grundstück auf Värmdö mehrere gestohlene Autos standen. Olofsson hat dort ein Sommerhaus, das er von seinem Vater geerbt hat. Das Häuschen liegt im Wald versteckt, mehr als einen Kilometer von der Straße entfernt. Reiner Zufall, daß sich ein Streifenwagen dorthin verirrt hat. Sie haben keine Menschenseele im Haus angetroffen, dafür aber drei Personenwagen hinterm Haus. In der Garage fanden sie noch ein frisch lackiertes Auto. Auch Lack, Spritzpistolen, Schleifmaterial, Nummernschilder, Kraftfahrzeugscheine und manches mehr wurde in der Garage gefunden. Sobald man sicher war, daß alle vier Autos gestohlen waren, schickte man zwei Beamte zu Olofssons Wohnung in Ärsta, um ihn abzuholen. Er war nicht da. Und ist seitdem immer noch nicht aufgetaucht.« Er ging zum Schrank mit der Karaffe, goß sich ein Glas Wasser ein und trank.
»Wann ist das gewesen?« fragte Hammar.
»Am 12. Februar«, antwortete Martin Beck. »Also vor mehr als einem Monat.« Kollberg zog seinen Taschenkalender heraus und blätterte darin. »Ein Montag. Hat man versucht, Olofsson zu finden?«
Martin Beck schüttelte den Kopf. »Sehr angestrengt hat man sich nicht. Zuerst hat man darauf gewartet, daß er früher oder später nach Hause kommen würde. Als Malm dann bei seiner Festnahme sagte, daß Olofsson ins Ausland gefahren sei, wartete man weiter und hielt die Wohnung und das Sommerhaus laufend unter Kontrolle.«
»Glaubst du, Olofsson hat gemerkt, daß die Polizei ihm auf die Schliche gekommen ist? Vielleicht ist er rechtzeitig verduftet«, meinte Rönn. Kollberg gähnte.
»Das glaube ich nicht«, antwortete Martin Beck. »In der Nähe des Hauses da draußen gibt es keine Menschenseele, die ihn gewarnt haben könnte, nachdem die Polizei zum erstenmal draußen war und herumgesucht hat.«
»Weiß man, wann er sich das letztemal in seiner Wohnung aufgehalten hat?«
fragte Melander. »Sind zum Beispiel die Nachbarn danach gefragt worden?«
»Bezweifle ich. Die Suche nach Olofsson ist ziemlich oberflächlich betrieben worden.«
»Heißt also, sie sind faul gewesen«, stellte Hammar fest. Dann schlug er mit den Handflächen auf die Tischkante, stand auf und sagte mit lauter Stimme:
»Dann fangt an, Herrschaften. Fragt die Nachbarn aus und alle, die ihr auftreiben könnt. Alle, die etwas mit Olofsson zu tun haben. Und lest die Vernehmungsprotokolle und die Personalakten und alle Unterlagen, die es über diesen verdammten Kerl gibt, damit ihr wißt, wen ihr suchen sollt. Und vor allen Dingen: Findet ihn! Jetzt! Sofort! Wenn er es gewesen ist, der diesen Apparat in Malms Bett versteckt hat, dann hält er sich jetzt natürlich verborgen, auch wenn er das früher nicht bewußt getan hat. Wenn ihr mehr Personal benötigt, dann sagt es ruhig.«
»Was für Personal?« fragte Kollberg. »Und woher?«
»Na ja«, sagte Hammar. »Ihr habt ja doch diesen Burschen Skacke.«
Kollberg war schon aufgestanden und auf dem Weg zur Tür, als er den Namen Skacke hörte. Er blieb abrupt stehen und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Martin Beck schob ihn auf den Flur hinaus und machte die Tür hinter ihm zu.
»Dummes Gerede«, murmelte Kollberg. »Nach Hammars Auftreten zu urteilen, hat Skacke vielleicht doch große Chancen, mal Polizeichef zu werden.« Er schüttelte sich und fügte hinzu: »Gott sei Dank bin ich alt genug, um das nicht mehr erleben zu müssen.«
Den Rest des Nachmittags verbrachten sie damit, ergänzende Angaben über Bertil Olofsson einzuholen.
Martin Beck sprach unter anderem mit dem Einbruchsdezernat; dort war man sehr daran interessiert, ihn festzunehmen, hatte aber nicht genug Personal, um die Wohnung und das Sommerhaus auf Värmdö dauernd bewachen zu können. Aus der Personenakte ging unter anderem hervor, daß Bertil Olofsson vor sechsunddreißig Jahren geboren worden war, sechs Jahre lang die Volksschule besucht hatte, keine Berufe ausgeübt hatte und in den letzten Jahren vorwiegend ohne festen Arbeitsplatz gewesen war. Der Vater war gestorben, als Olofsson acht Jahre war, die Mutter hatte zwei Jahre später wieder geheiratet und lebte immer noch mit dem Stiefvater zusammen. Er hatte einen zehn Jahre jüngeren Halbbruder, der Zahnarzt in Göteborg war. Hinter sich hatte er eine kinderlose und auch sonst mißglückte Ehe; nach dem Gefängnisaufenthalt hatte er eine Zeitlang mit einer fünf Jahre älteren Frau zusammen gelebt.
Die Psychologen beschrieben ihn als leicht beeinflußbar, unentschlossen und zum Asozialen neigend. Außerdem war er gehemmt. Seinem Bewährungshelfer gegenüber war er feindlich und ablehnend eingestellt gewesen.
Ehe sie an diesem Tag auseinandergingen, verteilte Martin Beck die nächstliegenden Aufgaben. Einar Rönn sollte nach Segeltorp hinausfahren und mit Olofssons Mutter und Stiefvater sprechen, während Melander über seine Kontakte, die er zur Unterwelt hatte, versuchen sollte, genauere Angaben über Olofssons Tätigkeit herauszufinden. Martin Beck selbst wollte sich die notwendige Erlaubnis besorgen und zusammen mit Kollberg eine Haussuchung in der Wohnung und im Sommerhaus durchführen.
Benny Skacke wurde bei der Suche nach Olofsson vorläufig nicht mit eingesetzt.