Kapitel sechsundzwanzig
Nachdem die letzten Gäste fort waren, ließ George Katie im Haus in Toorak zurück und schlenderte die Vortreppe hinunter und durch die kühle Augustluft zum wartenden Wagen. Der Chauffeur brauchte keine Anweisungen und machte sich auf den Weg zu Maggies Wohnung. Der Abend war ein voller Erfolg gewesen. Wie immer hatte Katie als Gastgeberin brilliert und alle Gäste mit ihrem leichten Geplauder und ihrer hinreißenden Pariser Robe bezaubert. Die Männer waren eindeutig begeistert von ihr. Doch George bevorzugte reifere Damen, und außerdem hatte Katie etwas Schnippisches an sich, das er als abstoßend empfand, dachte er, als er aus dem Wagen stieg und Maggies Haustür aufschloss.
Maggie empfing ihn mit offenen Armen. Mit ihren fünfzig Jahren war sie immer noch anziehend und aufregend. Heute Nacht sah sie ganz besonders bezaubernd aus und roch einfach verführerisch. Erst genehmigten sie sich ein Glas Brandy und zogen sich dann ins Schlafzimmer zurück. Nachdem George seine Zigarre für danach, wie Maggie sie scherzhaft nannte, auf dem Nachttisch deponiert hatte, vergnügten sie sich auf dem großen Doppelbett und liebten sich so leidenschaftlich und zärtlich wie immer. Anschließend lag Maggie da, blickte träumerisch ins Dunkel und dachte über das seltsame Leben nach, das sie mit diesem Mann führte. Liebevoll stupste sie ihn an.
»Sag jetzt nicht, es war so gut, dass es dir die Sprache verschlagen hat«, meinte sie und wartete darauf, dass George nach seiner Zigarre griff. Doch er rührte sich nicht. Maggie knipste das Licht aus und war kurz darauf eingeschlafen. Als sie um zehn nach vier aufwachte, wunderte sie sich, warum sie so fror. Sie schmiegte sich an George, fuhr aber im nächsten Moment zurück. Er war völlig durchgefroren. Da sie in der Dunkelheit seine Pyjamajacke nicht finden konnte und wusste, wie rasch er sich erkältete, machte sie Licht, um sie zu suchen. Doch da sah sie, dass ein Gesicht aschfahl war. Erschrocken betastete sie seine Wange. Sie war eiskalt. Sie schüttelte ihn sanft.
»George, Liebling, fehlt dir etwas?« Keine Reaktion. Maggie schüttelte ihn wieder, diesmal ein wenig kräftiger. Dann fühlte sie ihm mit zitternder Hand den Puls am Hals und beobachtete seine Brust, um festzustellen, ob sich diese wie sonst hob und senkte – doch dies war nicht der Fall. »Oh, Gott, nein, bitte nicht«, flüsterte sie ungläubig. Maggie sprang aus dem Bett, lief, sich die Arme reibend, im Zimmer auf und ab, und überlegte, was sie nun tun sollte. Schließlich griff sie zum Telefon und wählte mit zitternden Händen die Nummer ihrer besten Freundin. Sie kaute an ihrem rot lackierten Daumennagel, während sie wartete, dass endlich abgenommen wurde.
»Fay, ich bin es, Maggie. Oh, Gott … George ist tot.« Maggie war außer sich. »Ich habe ihn beim Aufwachen so gefunden. Was soll ich jetzt bloß machen?«
Ihre Freundin, die nur zwei Straßen weiter wohnte, war in fünf Minuten da. Nachdem Fay einen Blick auf George geworfen hatte, verständigte sie ihren Arzt und kochte dann der bebenden Maggie einen heißen, süßen Tee. Sie zitterte fast genauso wie ihre Freundin. Eine halbe Stunde später erschien der Arzt.
»Er hatte einen schweren Herzinfarkt«, teilte der Arzt Maggie mit, die, noch im Morgenmantel, mit verschränkten Armen dastand und immer weiterzitterte, obwohl es sehr warm im Raum war.
»Es gab keinerlei Warnzeichen. Er war kerngesund und hat nie Schmerzen in der Brust oder Ähnliches erwähnt.« Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und schlug die bebenden Hände vor das bleiche Gesicht. Sie konnte nichts anderes denken, als dass ihr geliebter George für immer fort war.
Der Arzt verabreichte ihr ein leichtes Beruhigungsmittel und sagte: »Es liegen zwar keine verdächtigen Umstände vor, doch angesichts dessen, wer er war, müssen wir die Polizei rufen. Die wird dann die Angehörigen informieren.« Maggie nickte wie eine Schlafwandlerin.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Fay.
Maggie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Fay«, flüsterte sie. »Er war mein Leben.«
Weder sie noch George hatten je daran gedacht, dass ihre leidenschaftliche Affäre jemals enden könnte. Wie zwei Kinder hatten sie jeden Tag wie einen Urlaub genossen und waren zwar verantwortungslos, aber glücklich gewesen. Jahrelang hatte Maggie verdrängt, dass George auch noch ein anderes Leben führte. George sprach nur selten darüber, und sie waren in den meisten Dingen einer Meinung gewesen. Maggie war seine Geliebte in Melbourne, und wenn sie sich je aus seinem Leben ausgeschlossen gefühlt hatte, dann nur in kurzen Phasen, die erträglich gewesen waren. Und nun würde sie allein weiterleben müssen. Sie hatte große Angst davor. Vielleicht würde sich ja alles nur als böser Traum entpuppen, wenn sie einfach die Augen schloss.
Elizabeth sah gerade mit dem Tierarzt im Stall nach dreien ihrer preisgekrönten Mutterschafe, als Robert ihr die Nachricht überbrachte. Wie benommen vor Schreck ging sie ins Schlafzimmer, schloss die Tür ab und starrte an die Wand. Als ihr schließlich klar wurde, dass sie nicht weinen konnte, kämmte sie sich, begab sich in ihr Büro und rief Stanley Fenton, den Anwalt der Familie, in Melbourne an. Nach dem Telefonat kehrte sie in den Stall zu den Schafen zurück, denn ihr war alles recht, um sich von dem Gedanken abzulenken, dass George im Bett seiner Geliebten gestorben war. Später wurde Georges Leiche aus Melbourne eingeflogen und beim örtlichen Bestattungsunternehmer aufgebahrt.
Kurz vor zehn am Samstagmorgen, näherte sich Stanley Fentons Wagen auf der langen Staubpiste dem Haus der Familie in Wangianna. Robert empfing ihn auf der Veranda und war überrascht, als nicht nur eine, sondern drei Personen dem Auto entstiegen. Der Anwalt befand sich in Begleitung einer elegant in Schwarz gekleideten Dame, deren modischer breitkrempiger Hut von einem mit Samtpunkten durchzogenen Schleier geziert wurde, sodass ihr Gesicht nicht zu erkennen war. Neben der Frau ging ein blonder junger Mann in Anzug und Krawatte und stützte sie fürsorglich am Ellenbogen. Robert schätzte die Frau auf einige Jahre jünger als seine Mutter. Der Mann war etwa so alt wie er selbst.
»Guten Tag, Mr. Fenton«, sagte Robert ernst, als die drei auf die Veranda traten.
»Guten Tag, Robert. Ich bedaure, dass wir uns unter diesen traurigen Umständen treffen«, erwiderte Stanley Fenton mit einem Nicken und drehte sich zu seinen Begleitern um. »Ich weiß nicht, ob Sie Mrs. Holt kennen und …« Robert nickte den beiden zu und fiel dem Anwalt ärgerlich ins Wort. »Ich dachte, es geht nur die Familie etwas an.«
»Ihr Vater wollte, dass sie dabei sind«, entgegnete Fenton in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Warum bringen wir es nicht hinter uns?«
Robert begleitete die Besucher ins große Esszimmer, wo sich die ganze Familie um den Tisch aus rotem Zedernholz versammelt hatte. Elizabeth stand von ihrem Platz am Kopf der Tafel auf, um den Anwalt zu begrüßen. Der leere Stuhl neben ihr war für Robert bestimmt. Rechts davon saß Katie. Die beiden jüngeren Söhne, Ian und Jordie, hatten sich mit ihrer Schwester Sarah gegenüber niedergelassen. Stewart kauerte mit finsterer Miene neben seiner Mutter und schwitzte in dem Sonntagsanzug mit Krawatte, den er auf ihren Befehl tragen musste.
»Stanley, wie schön, dass Sie so kurzfristig kommen konnten«, sagte Elizabeth und ließ den Blick rasch über die beiden Fremden gleiten.
»Elizabeth, meine Liebe, es macht mir überhaupt keine Umstände. Ich wünschte nur, es wäre keine so traurige Pflicht, die mich hierher führt. Wie Sie wissen, war es der letzte Wille Ihres Mannes, dass sein Testament innerhalb von achtundvierzig Stunden nach seinem Tod eröffnet wird«, begann Fenton und legte seinen großen Aktenkoffer auf den Tisch. Währenddessen wies Robert den beiden Besuchern ihre Plätze an und setzte sich dann stocksteif neben Katie.
»Wir waren alle erschrocken über seinen plötzlichen Tod. George war ein guter Mann.« Elizabeth ließ sich von Stanley einen Kuss auf die Wange hauchen und zeigte den beiden Besuchern absichtlich die kalte Schulter. »Ich schlage vor, wir erledigen das so schnell wie möglich«, meinte Stanley nervös. Die verschleierte Frau hatte sich nicht gesetzt. Die schwarze Wildledertasche fest vor die Brust gedrückt, wandte sie sich direkt an Elizabeth.
»Ich hätte Ihnen diesen zusätzlichen Schmerz gerne erspart«, sagte sie mit heiserer Stimme, und ihre Worte überschlugen sich. »Ich bin nur gekommen, weil man darauf bestanden hat, dass ich dabei sein muss. Und ich versichere Ihnen, dass ich Sie nach dem heutigen Tage nicht mehr belästigen werde.« Elizabeth, die sich immer noch weigerte, die Frau zur Kenntnis zu nehmen, kehrte an den Kopf des Tisches zurück. Zitternd nahm Mrs. Holt Platz. Der junge Mann beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Was wollen die denn hier? Sie gehören nicht zur Familie«, wandte sich Katie mit lauter Stimme an Robert. Robert versetzte ihr unter dem Tisch einen Tritt.
»Sei still. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, sie war Dads Geliebte«, zischte er.
»Und was hat sie hier zu suchen?«, fragte Ian in feindseligem Ton. Robert warf seiner Mutter einen Blick zu und verfluchte Katies Taktlosigkeit. Doch Elizabeths steinerner Miene war nichts zu entnehmen.
»Jetzt sind alle anwesend, die bei der Eröffnung dieses Testaments dabei sein sollen. Würden Sie mir gestatten, nun nach Georges Wünschen fortzufahren?«, begann der Anwalt streng. Doch Ian und Jordie erhoben weiter Einwände. Schließlich unterbrach sie der Anwalt mit Nachdruck. »Ich möchte mich hier nicht mit Ihnen herumstreiten. Es war der Wunsch des verstorbenen Mr. McIain, dass sich die Anwesenden sämtlicher Bemerkungen enthalten, bis das Testament verlesen ist und die Folgen für alle Beteiligten ersichtlich werden. Soll ich also fortfahren, Elizabeth?« Plötzlich herrschte Schweigen am Tisch.
»Ich habe keine Ahnung, was hier gespielt wird, aber an einem Streit habe ich wirklich kein Interesse«, erwiderte Elizabeth. »Wenn mein Mann es so verfügt hat, müssen wir eben auf diese Weise vorgehen.«
»Bist du sicher, dass das auch legal ist, Robert?«, zischte Katie.
»Du hast doch gehört, was der Mann gesagt hat«, flüsterte Robert gereizt. »Bringen wir es hinter uns, damit hier endlich wieder der Alltag einkehrt.« Katie sah Robert finster an. Nachdem Stanley Fenton sich gemächlich ein Glas Wasser eingeschenkt hatte, begann er zu lesen.
»Ich bin beauftragt, den letzten Willen und das Testament von Mr. George Albert Robert McIain heute, am Samstag, dem 28. August 1971, zu eröffnen.« Man konnte die Spannung im Raum fast mit Händen greifen.
George hatte die Aufteilung seines Besitzes genau und bis in die letzte Einzelheit festgelegt. Katie hinterließ er viertausend Dollar und eine antike Chaiselongue. Elizabeth erhielt das lebenslange Wohnrecht in Wangianna, dem Stadthaus in Toorak und dem Stadthaus in Perth sowie einige Gemälde und weitere Geldanlagen, damit sie für den Rest ihrer Tage finanziell abgesichert war. Seinen Söhnen Robert und Ian vermachte er jeweils fünfundzwanzig Prozent von Wangianna, die auf einer beigelegten Karte eingezeichnet waren. Sein jüngster Sohn Jordie bekam zwanzig Prozent und Sarah erbte ein zweites Haus in Melbourne und die Summe von vierhunderttausend Dollar. Die Farm in Perth wurde nach demselben Muster unter den Söhnen aufgeteilt. Fenton trank noch einen Schluck Wasser und wischte sich die Stirn. Nachdem er die Brille wieder aufgesetzt hatte, fuhr er fort.
»Meinem ältesten Sohn Andrew …«
»Was!«, riefen die Familienmitglieder im Chor aus.
Stanley Fenton ließ den Blick über die verdatterten Gesichter schweifen. Katie erbleichte. »Darf ich Sie an die Wünsche des Verstorbenen erinnern? Für Debatten ist später noch genug Zeit«, sagte er Anwalt steif. »Bitte, haben Sie Geduld mit mir, Mrs. Holt«, fügte er hinzu und hielt Maggie zurück, die den Raum verlassen wollte. Dann wiederholte er: »Meinem ältesten Sohn Andrew vermache ich dreißig Prozent der Farm Wangianna, die anschließend aufgeführten Geldanlagen und meinen Brieföffner aus Elfenbein. Sofern die beteiligten Parteien keine Einwände erheben, wird besagte Farm Wangianna als Einheit weitergeführt. Außerdem verfüge ich, dass nun Anhang B verlesen wird.« Fenton sah Elizabeth entschuldigend an. Nur ihr trotzig vorgeschobener Kiefer verriet ihre Anspannung, als sie nickte. Anhang B war auf den 16. Mai 1970 datiert.
»Meine liebe Maggie, es tut mir sehr Leid, dich dieser emotionalen Belastung aussetzen zu müssen, aber du solltest erfahren, dass ich meine Pflichten als Vater endlich ernst nehme. Durch deine Anwesenheit bei der Testamentseröffnung kann ich sichergehen, dass unser Sohn endlich die Anerkennung bekommen wird, die ich ihm zu Lebzeiten aus Feigheit versagt habe.« Die McIain-Geschwister starrten zuerst Mrs. Holt, ihren Sohn und schließlich Elizabeth entgeistert an. Maggie sackte auf ihrem Stuhl zusammen und kämpfte mit den Tränen, während Elizabeth stocksteif dasaß, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Andrew Holt ist der einzige Sohn, der aus meiner Verbindung mit Margaret hervorgegangen ist, und als mein Erstgeborener, der zwei Jahre älter ist als seine Brüder, hat er ein Recht auf sein Erbe. Indem ich ihn nicht als meinen Sohn anerkannt habe, habe ich ihm und Margaret ein großes Unrecht angetan, das ich nun wieder gutmachen möchte. Seine Mutter hat sich nicht ein einziges Mal darüber beklagt, dass ich nicht öffentlich zu meiner Vaterschaft gestanden habe, auch wenn ich dafür sorgte, dass er eine ordentliche Schulbildung erhielt. Doch eine gesellschaftliche Stellung konnte ich ihm nie bieten, obwohl ich wusste, dass sie sich das für meinen Sohn und Erben sehnlichst gewünscht hat. Um diesen Fehler richtig zu stellen, habe ich Andrew den größten Teil von Wangianna vermacht, den er nach meinem Tode erben wird.
Dir, Maggie, mein Liebling, hinterlasse ich die Wohnung, die wir so lange in Liebe miteinander geteilt haben, und außerdem eine monatliche Rente, damit du für den Rest deiner Tage auf Erden finanziell abgesichert bist. Elizabeth, ich habe dich immer bewundert und dich geachtet, und ich habe alle unsere Kinder geliebt. Ich habe verfügt, dass du keinen Nachteil erleidest, und ich weiß, du wirst dafür Sorge tragen, dass alle meine Wünsche bis in die kleinste Einzelheit ausgeführt werden. Ich liebe dich, Maggie. Gott schütze euch alle. George.«
Beklommenes Schweigen folgte. Elizabeth war leichenblass geworden. Robert legte ihr die Hand auf die Schulter.
Katie, die von den vielen Zahlen verwirrt war und das Wichtigste nicht richtig verstanden hatte, ergriff als Erste das Wort. »Aber Robert kriegt doch trotzdem Wangianna, oder? Das muss er. Er ist der älteste Sohn.« Ihre Stimme klang schrill. Als sie Elizabeths missbilligenden Blick auffing, suchte sie sich als nächstes Opfer den Anwalt aus, um ihre eigene Taktlosigkeit zu überspielen. »Ich finde es unpassend, dass ein Fremder sich in unsere Familienangelegenheiten einmischt.« Erschrocken öffnete Fenton den Mund, um zu antworten, aber Elizabeth kam ihm zuvor.
»Bitte sei still, Katie, mein Kind. Ich glaube, der Fremde, wie du ihn nennst, oder seine Mutter haben vielleicht etwas zu sagen.« Wieder richteten sich alle Augen auf Maggie, die unter den feindseligen Blicken errötete. Mit zitternden Händen schlug sie den Schleier zurück und wandte sich flehend an Elizabeth.
»Ich hatte keine Ahnung«, flüsterte sie. Angespanntes Schweigen entstand, bis plötzlich das Schaben von Holz auf Holz ertönte, als Maggies Sohn aufstand. Er strahlte Herablassung und Selbstbewusstsein aus. Maggie schluchzte auf.
»Es ist Zeit für die ganze Wahrheit, Mutter«, verkündete er und musterte die verdatterten Gesichter, die sich zu ihm umwandten. Robert stand immer noch hinter seiner Mutter und hielt ihre Hand, während Andrew fortfuhr. »Ja, ich bin George McIains ältester Sohn. Unser Vater hat sich in meine Mutter verliebt, als sie achtzehn war. Doch unsere Großväter haben in ihrem verdrehten Standesdünkel eine Hochzeit verboten. Ich war das Ergebnis dieser Liebe.« Seine Stimme hallte durch den Raum. Inzwischen weinte Maggie bitterlich. »Zwei Jahre nach meiner Geburt hat Ihr Vater Ihre Mutter Elizabeth McIain geheiratet. Sieben Jahre lang wurde der Name meines Vaters nicht erwähnt, und er hatte keinerlei Kontakt mit meiner Mutter. Sie hat ihren Schmerz allein getragen.« Er sah Elizabeth ins Gesicht. Sie umklammerte zwar fester Roberts Hand, doch sie wich seinem Blick nicht aus.
»Erst als seine Frau ihn aus ihrem Bett warf, begann er wieder, sich mit meiner Mutter zu treffen.« Kurz hielt Andrew inne. »Meine Mutter hat mir gesagt, wer mein Vater ist, als ich siebzehn war und sie darauf vertraute, dass ich keine Dummheiten machen würde. Nur aus Respekt vor ihren Wünschen habe ich geschwiegen, obwohl ich die Wahrheit oft gerne laut hinausgeschrien hätte. Ich habe ihn geliebt und mir gewünscht, ich hätte seinen Namen nie erfahren und nie gewusst, dass ich der Bastard eines Dreckskerls bin, der dachte, er könne durch eine teure Wohnung und Eliteschulen seine Weigerung wieder gutmachen, die Frau zu heiraten, die er angeblich liebte, und seinen eigenen Sohn anzuerkennen. Das werde ich ihm niemals verzeihen, ebenso wenig wie das Leid, das er meiner Mutter zugefügt hat. Und dabei galt ihre Sorge immer mehr der Frage, ob das Wissen um meine Existenz seiner Familie schaden könnte, als ihrem eigenen Glück.«
Eine Weile sprach niemand ein Wort. Dann stand Maggie auf. Sie presste ein Taschentuch vor den Mund, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht.
»Der Dreckskerl hat endlich bezahlt, Mutter«, beendete Andrew seine Ansprache. Aber Maggie hörte ihn schon nicht mehr, denn sie war bereits blind vor Tränen aus dem Zimmer gestürzt.
Am folgenden Montag – sie war todmüde, da sie die ganze Nacht mit Jimmy und dem Landarbeiter Jagd auf einen wilden Hund gemacht hatte, der im Bezirk sein Unwesen trieb – versuchte Alice sich mit dem morgendlichen Tratsch am Funk aufzuheitern, während Ben zu ihren Füßen herumkrabbelte. Unterdessen brachte Marigold Vicky das Lesen bei, eine Aufgabe, bei der die beiden Frauen einander abwechselten. Die Gerüchteküche im Busch arbeitete auf Hochtouren, und alle redeten nur über George McIains plötzlichen Herzanfall und die Auswirkungen auf Wangianna. Alice nahm sich ein Stück trockenen Kuchen und hörte zu.
»Eine schreckliche Sache. Es hat ihn aus heiterem Himmel erwischt. Angeblich soll die Farm jetzt aufgeteilt werden. Es ist eine Tragödie. Bluey ist ein guter Junge und kennt sich aus mit der Landwirtschaft. Aber am meisten tut mir Elizabeth Leid. Sie ist die Seele des Betriebs, seit George und sie geheiratet haben. Wir alle wissen ja von seinen kleinen Ausflügen nach Melbourne, doch sie hat sich nie beklagt, sondern einfach die Zähne zusammengebissen und weitergemacht wie wir alle. Und jetzt spaziert da so ein dahergelaufener Städter mit seinem überkandidelten Geschwätz herein, wedelt einem mit seinen Universitätsdiplomen vor der Nase herum und droht, den ganzen Laden auf den Kopf zu stellen. Wangianna ist Elizabeths Leben. Gewiss ist die Arme am Boden zerstört. Stell dir mal vor, wie es sein muss zu erfahren, dass der eigene Mann ein Kind hat, das älter ist als dein Erstgeborener. Ich weiß nicht, was ich tun würde.«
Alice meldete sich, als sie Tante Beas Stimme erkannte.
»Stimmt das?«
»Ja, mein Kind. Katie ist völlig verzweifelt. Sie hat gestern bei uns übernachtet und erzählt, dass sie Wangianna möglicherweise verlassen müssen. Aber ich bin sicher, dass sie da übertreibt. Könntest du nicht vorbeikommen? Ich weiß ja, dass ihr beide euch nicht gut vertragt, doch schließlich bist du ihre Cousine und kannst ihr vielleicht Vernunft beibringen. Sie ist allein. Stewart ist zu Hause bei seinem Dad geblieben. Ich habe ihr versprechen müssen, es niemandem zu sagen, aber du kannst dir bestimmt vorstellen, dass sich so etwas nicht lange geheim halten lässt. Was für ein Durcheinander.«
Alice empfand Mitleid mit Robert. Er hatte ihr einmal gestanden, Wangianna zu verlieren würde für ihn sein, als hacke man ihm einen Arm ab. Um Bea eine Freude zu machen, erwiderte sie, sie werde zum Tee da sein, auch wenn sie, was den Empfang anging, den Katie ihr bereiten würde, keine Illusionen hatte.
»Wissen Sie, was Sie tun sollten?«, meinte Jimmy später und schlug noch einen Zaunpfahl in den Boden.
»Was denn, Jimmy?«
»Sie sollten den Anteil von diesem Schnösel aus der Stadt aufkaufen. Schließlich wissen Sie mehr über Schafe, als er jemals lernen wird.« Er tippte sich an die Stirn.
»Sie werden Wangianna schon nicht aufteilen, Jimmy. Das ist nichts als Gerede. Außerdem hätte ich sowieso keine Ahnung, wo ich das Geld hernehmen soll.« Alices Lachen klang fröhlicher, als sie sich fühlte. Wenn es nur möglich gewesen wäre! Doch ihre Schulden wuchsen in Besorgnis erregender Geschwindigkeit, und nichts wies darauf hin, dass die Dürreperiode so rasch zu Ende sein würde. Wenn es nicht bald regnete, würde sie diejenige sein, die MerryMaid an Wangianna verkaufte.