Kapitel 17

Als Meren an diesem Abend die Baracke verließ, in der Beltis gefangengehalten wurde, war er zwar müde, aber dennoch erleichtert. Er kannte jetzt einen Großteil der Wahrheit, und die Frau hatte seinen Verdacht bestätigt, daß weder sie noch die anderen in den Diensten der Königin standen. Er ging zu Kysens Zimmer, wo dessen Sohn Remi gerade Gute Nacht sagte.

Kysen lag auf seinem Bett, wo er sich aufgehalten hatte, seitdem Beltis zusammengebrochen war. Remi saß neben ihm. Das Kind gab brüllende Geräusche von sich, während es ein hölzernes Nilpferd auf Kysens Bauch wandern ließ und an der Kordel zog, mit der man das Maul des Tieres öffnen und schließen konnte. Meren bemerkte, wie Kysen zusammenzuckte, als Remi schrie und nahm das Kind zusammen mit seinem Spielzeug in seine Arme.

»Zeit fürs Bett.«

»Aaaarrrrrrgh.«

Remi versetzte Merens Nase einen Stoß mit dem Nilpferd. Mutemwia erschien mit einem Tablett, auf dem Brot und Wein standen, stellte es ab und nahm Remi auf den Arm.

»Sag deinem Vater und dem Herrn gute Nacht«, forderte sie Remi auf.

Das Kind sprang von Mutemwias Arm herunter, schwankte und machte dann eine unsichere Verbeugung.

»Ich wünsche dir einen friedvollen Schlaf.«

Meren versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, als Kysen dieses höfische Benehmen feierlich erwiderte. Er nickte dem Knaben zu.

»Eine schöne Verbeugung, Remi.«

Der Junge grinste, dann brüllte er erneut und watschelte aus dem Zimmer.

Meren zog einen Schemel neben das Bett und setzte sich an Kysens Seite nieder. Er goß Wein für sich selbst ein, aber Kysen lehnte ab, er sagte, daß der Arzt ihm verboten hatte, in den nächsten beiden Tagen etwas anderes als Wasser zu trinken. Sein Bett stand ebenso wie Merens Bett unter einem Baldachin, das zierliche und vergoldete Bettgestell befand sich auf einem Podest. Er lehnte sich in seine Kissen zurück und betrachtete die zarten Vorhänge, die an dem Rahmen befestigt waren und sich nun in der Abendbrise, die durch die auf die Terrasse und den dahinterliegenden Garten führenden Türen drang, bauschten.

»Hat sie dir die ganze Wahrheit gebeichtet?« fragte er Meren.

»Das meiste, glaube ich.«

»Dann sag mir, wie ist es dem armen, verängstigten Woser jemals gelungen, Hormin zu töten?«

Meren seufzte und schwenkte den Wein in seinem Bronzekelch. »Nur Woser und der Arbeiter waren in dem Grab, als Hormin darauf bestand, eine weitere Kammer in den Felsen zu hauen. Als sie auf jenes Grab stießen, wollte Woser es sofort wieder versiegeln, aber Hormin überzeugte ihn davon, daß sie einen Zauber benutzen konnten, um sich selbst zu schützen, während sie es plünderten. Sie begannen mit dem Körper, rissen die Amulette und magischen Zeichen herunter, die den Besitzer vor Schaden bewahren sollten.«

»Woser lebte in ständiger Angst vor Geistern und Dämonen«, sagte Kysen. »Er schien zu glauben, daß sie ihre schrecklichsten Strafen für ihn allein reserviert hatten.«

»Ja, und obwohl sie versuchten, die Rache des Toten zu verhindern, fürchtete Woser seinen Zorn. Hormin, mit seinem gewohnten Mangel an Mitleid und seiner Vorliebe dafür, diejenigen zu quälen, die schwächer waren als er selbst, verhöhnte Woser wegen seiner Ängste. Er neckte ihn damit, daß der tote Prinz sein Grab verlassen und Woser verfolgen würde. An dem Tag, da er Beltis zur Besichtigung des Grabes und seines geheimen Schatzes mitnahm, hörte sie, wie er Woser mehr als einmal verspottete.«

Kysen rollte mit den Augen. »Das war ausgesprochen dumm, da er Woser doch brauchte, um ihm beim Verstecken der Schätze zu helfen, nachdem sie sie gestohlen hatten. Sie verstauten sie in Wosers Familiengrab, nicht wahr?«

Meren nickte, als er ein Stück Brot von einem Laib abriß und hinein biß. Er schluckte hinunter und fuhr fort. »Am Tag, an dem er starb, stritten Hormin und Beltis miteinander, genau wie sie gesagt hatte. Er machte den Fehler, ihr das breite Halsband zu schenken und anzunehmen, daß sie damit zufrieden sein würde. Aber das war sie nicht, und sie gerieten in Streit. Wie üblich floh sie in die Nekropole. Als er ihr dorthin folgte, drohte sie damit, ihn zu verlassen. Um sie zu halten, erlaubte er ihr, sich das alte Grab und seinen Schatz anzusehen. Natürlich blieb sie. Aber Woser wurde immer mehr von der Furcht ergriffen. So sehr, daß er krank wurde.

Um Beltis zufriedenzustellen, entschloß sich Hormin, ihr ein paar weitere Stücke aus den Grabbeigaben des Prinzen zu schenken. Also befahl er Woser, ihn nachts heimlich im Tempel des Anubis zu treffen und die Salbe, die Beltis bewundert hatte und ein paar goldene Ringe, die die Finger des Prinzen zierten, mitzubringen.«

»Wir haben im Tempel des Anubis keine goldenen Ringe gefunden.«

»Weil Woser es nicht über sich bringen konnte, den Leichnam noch einmal anzurühren. Jedesmal, wenn er zu dem Grab ging, litt er Qualen. Er fürchtete, daß der tote Mann ihn jeden Augenblick in die Unterwelt verfrachten konnte. Er war sicher, daß das Tier des Gerichts seine Seele verschlingen würde. Deshalb nahm er nur die Salbe. Beltis erfuhr die Wahrheit von ihm, als sie nach Hormins Tod ins Dorf zurückkehrte. Als Woser in der Balsamierwerkstatt ankam, war Hormin wütend, weil er die Ringe nicht mitgebracht hatte. Mit seinem üblichen Mangel an Urteilsvermögen beschimpfte er Woser als Feigling und Esel.«

»Wohl kaum ein Grund, ihm ein Messer in den Körper zu rammen.«

»Aber Hormin ging noch weiter«, sagte Meren und blickte in seinen Weinbecher. »Er wußte, daß Woser die Bannsprüche und Flüche auf den Amuletten, dem Sarg und den Grabwänden des toten Prinzen fürchtete.«

Meren setzte seinen Becher nieder, zog ein zusammengefaltetes Stück Papyrus aus seinem Gürtel und reichte es Kysen. »Um sich selbst zu schützen und den Zorn der Götter und des Toten abzulenken, hatte er dies im Sarg zurückgelassen. Es ist ein Brief an den Prinzen. Darin wird Woser als der Grabschänder denunziert.«

Kysen faltete den Brief auseinander und las. Als er geendet hatte, ließ er ihn sinken und pfiff. »Bei allen Göttern, was für ein Teufel Hormin doch war.«

»Ja. Es gibt nichts Gefährlicheres als ein verängstigtes Tier, das man in die Ecke gedrängt hat. Ich verstehe nicht, warum Hormin nicht bemerkte, was für ein Risiko er einging. In dieser Nacht, im Tempel des Anubis, berichtete dieser Narr Woser von dem Brief – sie befanden sich im Hort der Toten. Der arme Woser wurde fast verrückt vor Angst und schließlich tötete er seinen Peiniger.«

Kysen schüttelte ungläubig den Kopf. »Und die ganze Zeit bemühte sich Beltis, das Geheimnis des Grabes zu bewahren. Das ist der Grund, warum sie Bakwerner tötete, als er in Hormins Haus platzte und behauptete, Bescheid zu wissen.«

»Sie schlüpfte aus dem Haus, während Bakwerner mit der Familie stritt und meine Männer abgelenkt waren. Sie folgte ihm in das Amt für Aufzeichnungen und Tributzahlungen und tötete ihn. Wahrscheinlich war das einzige, was Bakwerner wirklich gesehen hatte, daß die Brüder Bescheid wußten, daß Hormin sich auf den Weg zum Tempel des Anubis aufgemacht hatte. Sein wahres Ziel muß es gewesen sein, den talentierten Djaper loszuwerden.«

Kysen warf einen Blick auf Merens Becher. »Und für sie war es ein leichtes, Djapers Wein zu vergiften, und sich dann gemächlich in die Nekropole zu begeben.«

»Wo sie Woser dazu bewegte, zum Grab des Prinzen zurückzukehren«, sagte Meren. »Weißt du, wodurch es ihr schließlich gelang, ihn zu überreden? Sie versprach ihm, daß sie den Brief verbrennen würden, den Hormin zurückgelassen hatte und ihn durch einen anderen ersetzen würden, in dem Hormin für die Grabschändung verantwortlich gemacht würde. Dadurch würde der Zorn der Götter die Seele des Schreibers treffen, die bereits auf ihrer Reise in die Unterwelt war.«

Kysen sank in seine Kissen zurück und stöhnte. »Narren. Sie alle, sie waren Narren.«

»Ich nahm an, sie glaubten, die Götter betrügen zu können.«

»Ist das möglich?« fragte Kysen.

»Ich weiß es nicht, Ky, aber ich bezweifle es.« Meren erhob sich und blickte in den Garten hinaus. Bald würde die Nacht hereinbrechen. »Ich muß heute abend noch zum König. Er möchte unbedingt Neues über diesen Mord erfahren. Er fühlt sich wie ein Gefangener, wie jemand, der in der Falle sitzt. Und da ist noch die Sache mit der Qeres-Salbe. Er muß davon erfahren, auch wenn es nur ein Zufall war.«

Meren hielt inne und dachte nach. »Ky, es gibt böse Nachrichten vom Hof, die die Königin betreffen. Der König schwebt in Gefahr. Ich kann es nicht erklären, aber ich habe so eine Vorahnung, eine unbestimmte Furcht, die keine greifbare Ursache hat. Wir müssen morgen darüber reden.«

Kysen nickte, als er die Augen schloß. »Ich habe schon bemerkt, daß du besorgt aussiehst. Ich danke den Göttern, daß ich nicht königlicher Abstammung bin.«

»Das tue ich auch.« Meren lächelte seinem Sohn zu. »Schlaf gut, Ky.«

Stunden später wurde Meren durch eine geheime Tür, die von großen Nubiern bewacht wurde, Zugang zum Schlafgemach des Königs gewährt. Tutenchamun war allein, abgesehen von einem Leibdiener, der ihm beim Auskleiden half; gerade hob letzterer eine schwere Perücke vom Kopf des Königs. Tutenchamun seufzte und fuhr sich durch die Locken, die sich nicht von schweren Haartrachten und Kronen niederdrücken lassen wollten. Meren kniete vor dem Knaben nieder.

Tutenchamun runzelte die Stirn. »Wo wart Ihr? Ich habe heute nachmittag nach Euch schicken lassen.«

»Eure Majestät tadeln mich zu Recht, aber ich habe Eure Feinde verfolgt.«

»Oh, laßt doch das Zeremoniell beiseite. Ihr könnt Euch dahinter nicht vor mir verstecken.«

»Ja, Euer Majestät.« Meren richtete sich auf und setzte sich auf die Fersen. »Ich verfolgte den Schuldigen am Mord im Tempel des Anubis.«

Tutenchamun warf seinem Diener einen goldenen Gürtel zu und wirbelte zu Meren herum. »Ihr habt ihn gefaßt! Erzählt mir alles.«

Während der König sich auskleidete, berichtete Meren von Hormin, Woser und Beltis. Als er geendet hatte, seufzte der König.

»Ich wünschte, ich hätte bei dem Kampf dabei sein können.«

»Die Götter mögen mich vor solch einem Ereignis bewahren. Eure Majestät sollten Euer heiliges Leben nicht wegen solcher Kleinigkeiten aufs Spiel setzen.«

»Meine Majestät hat die ganzen Botschafter und Bankette und besonders die Harems und Ehefrauen satt.«

Der König verschwand in seinem Badezimmer, und Meren vernahm das Geräusch von spritzendem Wasser. Meren blickte sich zum zweiten Mal im Zimmer um. Zum ersten Mal hatte er es inspiziert, als er es betreten hatte. Man wußte nie, welche Gefahren selbst in den geschütztesten Räumlichkeiten des Königreiches lauerten. Weiße und nilblaue Kacheln an den Wänden spiegelten das Licht wider. Durchsichtige Vorhänge umgaben das Himmelbett. Er erspähte einen aufmerksamen Wachposten in jeder Ecke des Raumes. Sie standen im Schatten, geduldig und still, die Speere bereit.

So wenige Wachen. Der König mußte die anderen entlassen haben. Und nur ein Diener. War es sicherer, viele Diener zu haben oder nur wenige? Meren und der Wesier diskutierten von Zeit zu Zeit über diese Frage. Draußen, zwischen zwei weißen Säulen, konnte er den künstlichen Teich sehen, und daneben sah er einen langen schwarzen Schatten, der sich im silbrigen Licht der Mondstrahlen zurücklehnte. Der Leopard des Königs – Sa, der Wächter.

Meren schüttelte den Kopf. Warum war er so mißtrauisch? Mehr als üblich, nach einem Kampf oder einem gelösten Rätsel. Der König kam aus seinem Badezimmer, ein Tuch war um seine Hüften geschlungen, seine Diener folgten ihm mit Tiegeln, in denen sich Öl und Salbe befand. Ohne Meren oder den Diener zu beachten, ging Tutenchamun zu dem künstlichen See. Er ließ sich auf eine Liege aus Ebenholz und Gold fallen und seufzte, als er sich in den Kissen aufrichtete. Meren ging ihm hinterher und ließ sich zu seinen Füßen nieder.

»Jetzt können wir sprechen«, sagte der König.

Meren warf dem Diener einen Blick zu und erkannte ihn. Ein lybischer Gefangener, er war im Kampf gefangenengenommen worden, noch bevor er die Pubertät erreicht hatte. Er war taub. Der Wesier hatte ihn unterrichtet, dem König zu dienen und hatte ihm den Namen Teti gegeben.

»Ich werde morgen zum Hüter der Geheimnisse gehen und ihm die Geschichte von Hormin und seiner Konkubine erzählen«, sagte Meren.

»Morgen muß ich mit dem Hohepriester des Amun über Steuern verhandeln. Er beansprucht sowohl meine Einnahmen als auch seine eigenen für sich. Der alte Schakal.«

Meren zögerte, dann fragte er: »Habt Ihr mit der Königin gesprochen?«

Tutenchamun legte sich auf den Rücken und starrte in die Blätter der Palme hinauf, während sein Diener ihm die Beine mit Öl einrieb.

»Das tat ich«, antwortete er. »Sie blickte mir tief in die Augen. Nicht ein einziges Mal sah sie zur Seite oder wurde unsicher, und sie stritt alles ab. Sie behauptete, es handele sich um ein Komplott, um uns voneinander zu trennen und zu verhindern, daß wir in Harmonie miteinander lebten und Kinder bekämen. Ankhesenamun war immer schon eine hervorragende Lügnerin.«

Teti nahm eine der Hände des Königs und begann, Öl in die Finger und die Handfläche einzumassieren.

»Ihr gabt vor, ihr Glauben zu schenken?« fragte Meren.

»Ja.« Tutenchamun blickte ihn an und grinste. »Ich habe viel gelernt, seit wir mit dem Unterricht begonnen haben. Nicht wahr?«

»Euer Majestät besitzen die Schläue einer Hyäne und den Mut eines Löwen.«

»Meine Majestät erkennt, wenn man seine Ohren mit Speichel füllt.«

Meren verbeugte sich im Sitzen. »Vergebt mir, Herr.«

»Ich gab vor zu bereuen, daß ich sie des Verrats verdächtigt hatte und belohnte sie mit dem Palast. Sie war zornig, aber sie konnte es nicht zeigen, denn schließlich bekam sie ja eine Belohnung. Sie reist ab, sobald wir ihre Diener ausgetauscht haben.«

»Ich nehme an, der Bote, der mit dem Brief an den König der Hethiter abgefangen wurde, ist tot.«

»Getötet bei dem Versuch zu entkommen«, sagte der König.

Meren lauschte der Geschichte des Königs über die Gefangennahme des Boten an der nordöstlichen Grenze. Teti hatte das Öl nun verrieben und holte einen kleinen Topf aus Obsidian hervor. Er entfernte den Stöpsel und nahm den Duft der Salbe in sich auf. Meren drehte sich zu dem jungen Mann um, als dieser sich auf den König zubewegte, um die Salbe auf dessen Hände und Nacken aufzutragen. Teti hielt den kleinen Topf in einer Hand, tauchte einen kleinen Elfenbeinlöffel in die Salbe und streckte die Hand nach dem König aus. Meren schnüffelte. Es roch nach Myrrhe und Kräutern. Myrrhe und Kräuter.

Mit einem Schrei taumelte Meren vorwärts und schlug Tetis Hand beiseite. Der Diener fiel zurück. Der Topf flog aus seiner Hand, und zerbrach auf den Ziegeln, die den künstlichen Teich umgaben. Auf der anderen Seite des Teichs sprang Sa, der Leopard, auf die Füße und bewegte sich in großen Sprüngen auf sie zu. Der König war von seiner Liege aufgesprungen, als Meren sich zwischen Tutenchamun und Teti geworfen hatte.

»Meren! Seid Ihr von Sinnen?«

Wachen eilten zu ihnen, sogar als der König sprach. Meren schob den König beiseite, so daß er mit seinem Körper Tutenchamun vor dem Diener schützen konnte und er deutete auf Teti.

»Ergreift ihn.«

Sa kam hinzu und schlängelte sich um die Beine des Königs. Teti keuchte, als zwei Männer seine Arme ergriffen und ihn auf die Knie hoben. Er warf verwirrte Blicke von seinen Wachen zu Meren.

»Ihr verängstigt ihn«, sagte der König, als er hinter Meren hervor auf den jungen Mann schaute.

»Einen Augenblick, Euer Majestät.«

Als Meren sicher war, daß der Diener sich in Gewahrsam befand, ging er zum Ufer des Teichs und hob ein Stück des zerbrochenen Obsidiantöpfchens auf. Er nahm ein hinuntergefallenes Palmenblatt, zerriß es und setzte das Stück so darauf, daß seine Haut nicht mit der Salbe in Berührung kam. Er ließ sich eine Lampe bringen, nahm sie dem Wachmann ab und las die auf dem Fragment eingravierte Inschrift. Seine Lippen preßten sich zusammen, dann fluchte er leise.

Er kehrte zum König zurück und überreichte Tutenchamun das Palmenblatt und die Scherbe. Er hielt die Lampe so, daß der König die Inschrift entziffern konnte.

Der König las sie, und reichte das Blatt an Meren zurück.

»Ich verstehe nicht. Die Salbe stammt aus dem Schatz des Gottes Amun.«

»Dies ist Qeres, Euer Majestät.«

»Ist das nicht die Salbe – «

»Die Salbe, nach der es die Große Königliche Frau gelüstete.«

»Ankhesenamun«, sagte der König.

Beide betrachteten schweigend den weinenden Teti. Tutenchamun hielt Meren zurück, als sich dieser dem Diener nähern wollte.

»Laßt mich. Er ist verängstigt und versteht nicht.«

Der König entließ die Wachen und ging zu Teti, der auf die Knie fiel und seine Wange auf den Fuß des Königs legte. Der König kniete nieder und hob seinen Diener hoch. Während Meren sie beobachtete, führten sie durch Handzeichen eine stumme Unterhaltung. Tutenchamun deutete mehrmals auf den zerbrochenen Salbentopf.

Als er fertig war, legte der König seine Hand auf Tetis Schulter. Der Diener begann erneut, zu weinen, aber er küßte den Rocksaum des Königs. Dieser tätschelte dem jungen Mann beruhigend die Schulter und schickte ihn fort.

Tutenchamun kehrte zu Meren zurück. »Er weiß nur wenig. Es ist so, wie ich angenommen habe. Der oberste Badeaufseher ist verantwortlich dafür, daß meine Salben und Öle jeden Tag an ihrem Platz sind. Die Tablette mit den Töpfen wurden heute morgen überprüft und aus der königlichen Vorratskammer ergänzt. Dieser Topf war zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal mit dabei.«

Meren senkte die Stimme, so daß nur der König ihn verstehen konnte. »Majestät, die Königin ließ sich vor nicht allzu langer Zeit Qeres aus der Schatzkammer kommen. Und im Palast gibt es von dieser Salbe keine Vorräte mehr.«

»Sollte ich jetzt erstaunt sein?«

»Nein, Göttlicher. Aber wir sollten dem goldenen Horus dafür danken, daß die Königin so viel Pech hat. Wenn ich im Zusammenhang mit dem Mord im Tempel des Anubis keine Nachforschungen angestellt hätte, hätte ich die Qeres-Salbe niemals erkannt.«

»Sie ist vergiftet.«

»Vielleicht. Ich nehme es an. Sie riecht bitterer als sie sollte.«

Der Leopard des Königs gähnte und verschwand. Tutenchamun verfiel in Schweigen. Er und Meren betrachteten das Muster, das die tanzenden Mondstrahlen auf der Oberfläche des künstlichen Teichs malten.

»Also wieder die Königin«, sagte Tutenchamun leise.

»Vielleicht auch nicht.«

»Nicht?«

Meren zuckte die Achseln, als er neben dem König stand. »Die Salbe stammt aus dem Schatz des Amun.«

»Aber es ist absurd, mir Gift in einem Behältnis, das mit dem Namen des Gottes versehen ist, zu schicken. Der Hohepriester würde niemals einen solchen Fehler begehen.«

»Es sei denn, er tat es mit Absicht«, sagte Meren.

Sie dachten beide einen Augenblick lang nach.

»Wir werden die Qeres-Salbe untersuchen, Majestät. Nach Gift.«

»Und sie dann an einem geheimen Ort aufbewahren.«

»Ja, Euer Majestät.«

»Und dann werden wir dem alten Schakal sagen, daß wir sie haben.«

»Euer Majestät ist weise.«

»Meine Majestät will leben, Meren.«

Meren wandte sich dem König zu. »Der Falke des Pharao wird sein Bestes tun, um dafür zu sorgen, Majestät.«

Beide wandten sich nun wieder dem mondbeschienenen Wasser zu. Meren seufzte tief und blickte auf die Narbe an seinem Handgelenk, sein eigenes, persönliches Erbe eines toten Pharao. Den König am Leben zu erhalten war eine erheblich schwierigere und gefährlichere Aufgabe, als den Mord im Tempel des Anubis aufzuklären.