14.
Ke barjurir gar'ade, jagyc'ade kot'la a dalyc'ade kotla'shya. (Lehre deine Söhne, stark zu sein, aber deine Töchter, noch stärker zu sein.)
Mandalorianische Redensart
ZERRIAS BAR, DRALL, CORELLIANISCHES SYSTEM
»Mand'alor!«, sagte eine Stimme, die Fett nicht erkannte. »Gal'gala?«
Der Soldat nahm seinen Helm ab und bedachte Fett mit einem steifen, förmlichen Nicken. Der Handabdruck eines Babys in dunkelgrauer Farbe zierte den Helm seiner graublauen Rüstung, ein sonderbarer Kontrast zu dem Verpinen-Gewehr, das er hinter der linken Schulter trug.
»Das ist Ram«, sagte Beviin. »Ram Zerimar. Er ist unser bester Scharfschütze.«
Zerimar nickte höflich. Fett wollte ihn auf den Handabdruck ansprechen, tat es aber nicht.
Mirta warf Fett einen ihrer unterschwellig ermahnenden Blicke zu. Inzwischen hatte er sich darauf eingestellt. »Und ei sagt, dass er dir einen Drink ausgeben möchte«, sagte sie.
»Später.« Fett erwiderte Zerimars Nicken. Nicht einmal meine eigenen Männer bekommen mich ohne meinen Helm zu Gesicht. »Lasst uns erst mal reden.«
Es gab nichts Besseres als ein halbes Dutzend mandalorianischer Krieger in voller Rüstung, um in einer überfüllten Bar einen eigenen Tisch zu ergattern. Beviin stellte sie einander vor: Zerimar, Briike, Orade, Vevut - und Talgal, die einzige Frau, und dazu noch eine, die aussah, als würde sie einen Yuuzhan Vong als Appetithäppchen verspeisen. Abgesehen von Beviin hatte keiner mit ihm zusammen gegen die Vong gekämpft, und er kannte sie nicht. Er studierte ihre Gesichter, während sie Mirta argwöhnisch ansahen.
»Kopfgeldjägerin«, sagte Fett. »Mirta Gev. Ihr Vater war Mandalorianer.«
Sofort tauten sie auf, und Fett sah, wie sie sich entspannten. Alle murmelten »sucuy gar«, wie im Chor, eine Begrüßung für einen Krieger: »Also bist du noch am Leben.«
»Also, wie denkt ihr darüber, die Centerpoint-Station zu verteidigen?«, fragte Fett.
Es folgte ein desinteressiertes Schweigen, fünf Sekunden lang, und er nahm an, dass sie bei den Gedanken ausgespuckt hätten, wäre er nicht der Mand'alor gewesen.
Orade - kurzgeschorenes blondes Haar, gebrochene Nase, ein goldenes Bartgestrüpp an der Spitze seines Kinns -verschränkte die Arme auf dem Tisch und hinterließ dabei einen frischen Kratzer in der polierten Oberfläche. »Was denkst du darüber?«
»Ich denke, Sal-Solo ist ein eigennütziger, sadistischer Lügner, aber das sind die meisten meiner Kunden. Außerdem wird er verlieren, und Verlierer können nicht bezahlen.« Um ehrlich zu sein, kann mir das egal sein. Ich habe größere Probleme zu lösen. »Aber ich werde ihn aushorchen. Wie steht ihr der Sache gegenüber?«
»Keine große Begeisterung«, sagte Vevut. Noch ein Fremder. Er hatte lange schwarze, verworrene Flechtzöpfe mit goldenen Ringen darin, dunkle Haut und auf der linken Wange eine eindrucksvolle Narbe. Er trank sein Bier leer und schnippte mit den Fingern nach einem Droiden in der Nähe. »Vielleicht warten wir besser ab und sehen, wie sich die Dinge
entwickeln, bevor wir uns festlegen.«
»Wenn du wirklich denkst, dass es die Sache wert ist, hast du die ganzen Hundert hinter dir, Mand'alor«, sage Beviin. »Aber ich bin der gleiche Meinung wie Vevut. Warten wir ab. Seit der Vong-Invasion haben sich die Dinge geändert.«
Vevut drehte sich mit knirschender Rüstung auf seinem Stuhl um, um den Servicedroiden bedeutungsvoll anzusehen, und der Droide machte einen Satz auf ihn zu. »Ja, so verzweifelt auf der Suche nach Arbeit sind wir nicht. Die Farmen halten uns genügend auf Trab.«
»Sir!«, sagte eine Droidenstimme. »Verzeihung, dass ich Sie warten ließ.«
»Wird auch Zeit. Ich hätte gern noch ein Bier.«
Der Droide drehte eine Pirouette, wobei sich die grelle Barbeleuchtung in seiner polierten Kuppel spiegelte, und neigte sich nach vorn, als würde er sich verbeugen.
»Ich bin Forre Musa, ein Künstlerdroide, zu Ihrer Unterhaltung bestimmt«, sagte der Droide.
»Ich hätte lieber noch ein Bier«, sagte Vevut mit gesenkter Stimme.
Mirtas Blicke zuckten immer wieder zu den Türen. Fett ließ ihre Hände keine Sekunde lang aus seinem peripheren Blickfeld. »Was für eine Art von Unterhaltung?«
»Oh, von höchster intellektueller Qualität«, sagte Forre Musa. »Ich kann Ihnen bedeutende politische Allegorien zum Besten geben, Kommentare zu gegenwärtigen Ereignissen, aus einer einzigartigen Perspektive betrachtet, großartige Literatur - alles meine eigenen Werke, natürlich - und Sagen. Was soll es sein?«
»Wir würden lieber ein paar Witze hören«, sagte Mirta.
»Ich mache keine Witze. Ich bin ein ernsthafter Künstler.«
Mirta hob ihren Blaster. »Schade«, sagte sie und grillte seinen Sprachprozessor mit einem einzigen sauberen Schuss aus nächster Nähe. »Wir könnten gut was zu Lachen brauchen.«
Eine Sekunde lang war es in der Bar totenstill, abgesehen von dem Zischen durchgebrannter Schaltkreise. Dann tranken alle weiter. Vevut und die anderen brüllten vor Lachen. Hinsichtlich ihres zerstörerischen Humors schien Mirta ihren Test bestanden zu haben.
Sogar der Dabi-Barkeeper wirkte erheitert. Er ordnete die Gläser neu an und polierte eins nachdenklich, während sein anderes Armpaar in einer Schublade herumfuhrwerkte und ein Versicherungsanspruchsformular hervorholte.
»Ich bin froh, dass Sie das getan haben«, sagte er und kritzelte fröhlich auf dem Vordruck herum, während er weiterhin damit beschäftigt war, das Glas ordentlich zum Glänzen zu bringen. »Hat die Kundschaft vergrault. Die Droiden-Firma wollte mir keinen Ersatz schicken.«
»Freut mich, dass ich der örtlichen Wirtschaft helfen konnte«, sagte Mirta.
»Freibier für alle!«
»Ich mag die Kleine«, sagte Vevut.
»Dann bring ihr bei, wie man Cheg spielt«, sagte Fett. Er deutete auf den Cheg-Tisch in der Mitte der Bar. »Ich will mit Beviin reden.«
Für ein Brettspiel war Cheg eine bemerkenswert laute, gewalttätige Angelegenheit. Fett sah einige Augenblicke lang zu, während Mirta die Spielregeln ein bisschen zu schnell unterbreitet wurden und sie den Puck mit ihren Fingerknöcheln über die Tischplatte donnerte, indes sie Orade mit der Schulter anrempelte, um die Scheibe in ihren Besitz zu
bringen.
»Ist schon in Ordnung. Ich habe ihnen gesagt, dass sie vor ihr nicht über die Sache mit Ailyn sprechen sollen«, raunte Beviin Fett zu. »Also, wie kommt es, dass du so eine Streunerin aufgelesen hast? Hätte nie gedacht, dass du so was machst.«
»Sie hat angeboten, mich zu Ailyn zu führen, weil sie einen Auftrag für sie erledigt hat.«
»Du kannst Ailyn auch mit Leichtigkeit selbst finden. Solo wurde auf Corellia gesehen. Alles, was du tun musst, ist abwarten.«
»Das Mädchen hat die Halskette meiner Frau. Ich will herausfinden, wie sie dazu kommt.« Fett fragte sich, ob der Zeitpunkt gekommen war, um mit Beviin Klartext über seine Krankheit zu reden, aber erneut gelangte er zu dem Schluss, dass das warten konnte. »Und dann hat sie noch einigen anderen persönlichen Kram, an dem ich interessiert bin.«
»Du magst dieses Mädchen.«
»Ich sollte sie in den Weltraum schießen. Sie hat den Flug hierher damit verbracht, mir vorzuwerfen, dass ich ein schlechter Mandalore wäre.«
»Dann ist sie also nicht mit Blindheit geschlagen.«
»Hast du ein Problem mit der Art und Weise, wie ich die Dinge angehe?«
»Ja, und einige andere von uns mittlerweile auch. Versteh mich nicht falsch. Niemand hat es auf den Posten abgesehen -jedenfalls niemand, von dem ich wüsste. Aber der Vong-Krieg war ein Weckruf. Wir brauchen mehr als ein Symbol.«
»Mandalorianer sind keine Bürokraten. Mandalorianer können ihre eigenen Gemeinschaften führen - überall. Sie brauchen bloß. allgemeine Führerschaft, wenn es vonnöten ist.«
»Nun, vielleicht ist es jetzt vonnöten. Überall in der Galaxis sind sie noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt, und es ist an der Zeit, dass wir das auch tun.«
Fett saß da, die Hände flach auf den Tisch gelegt. Er konnte Salven von Gelächter und gelegentliche Ausrufe in einer Sprache hören, die er eigentlich hätte verstehen sollen, es aber nicht tat.
»Mandalore ist immer noch in einem Stück. Genau wie der Rest des Sektors.«
»Gerade so. Und du verbringst hier nicht sonderlich viel Zeit.«
»Das tun viele Mandalorianer nicht«, sagte Fett.
»Die sind nicht der Mand'alor.«
»Warum spielt das plötzlich eine Rolle?«
»Den Leuten kommt eine Idee, und dann fangen sie an, anders zu denken. Das breitet sich aus. Wir haben im Krieg viele Leute verloren. Das bringt alle schwer ins Grübeln, wirklich.«
»Sag's mir geradeheraus. Mach nicht nur Andeutungen.«
»Komm nach Hause und hilf unserem Volk.«
»Wie?«
»Einst hat Shysa uns dazu gebracht, an einem Strang zu ziehen. Jetzt ist es an der Zeit, dass du das Gleiche tust.«
»Ich bin ein Soldat. Der Krieg ist vorbei.« Und ich sterbe. Ich bin derjenige, der womöglich einen neuen Mandalore suchen muss, nicht du. »Ihr braucht jemanden, der was von Wirtschaft versteht.«
»Was ist dann der Sinn dabei, der Mand'alor zu sein? Kein Erbe, kein Clan, kein Pflichtgefühl. Du bist kein Mandalorianer. Du trägst bloß die Rüstung.«
Das war eine gefährliche Retourkutsche, aber das schien
Beviin egal zu sein. Fett betrachtete das nicht einmal als Provokation - lediglich als die unverblümte Meinung eines Mandalorianers, der meinte, das Recht zu haben, dieser Meinung auch Ausdruck verleihen zu können. Es hatte immer einen Mandalore gegeben, Führer der Clans, den Anführer, der von seinem Vorgänger auf dem Totenbett ernannt worden war oder der diesen Titel eingefordert hatte, sodass es zum Kampf gekommen war. Die uralte Maske zu tragen, die das Rangabzeichen des Mandalores war, war immer ein Risiko.
Vielleicht ist es offensichtlich, dass ich sterbe. Vielleicht suchen sie nach dem, der sie nach mir anfuhren wird.
»Du sagst, ich soll ein gewöhnliches Staatsoberhaupt sein. Aber wir haben nicht einmal einen Staat.«
»Vielleicht brauchen wir einen.«
»Sollen wir uns eine Bürokratie zulegen und in Versammlungen sitzen und langsam und schlaff werden wie alle anderen?«
»Es geht dabei um mehr als das, und das weißt du.« Es war seltsam schwierig, Beviin seine Worte übel zu nehmen. »Wir müssen Krieger mit einer Festung sein, die wir verteidigen können, damit wir uns unsere Kämpfe aussuchen können und nicht von den Launen der aruetiise abhängig sind, der Fremdstämmigen. Wie ich schon sagte, das ist der Zeitgeist.«
Es klang vernünftig, aber das alles berührte Fett nicht. Mandalorianer wurden vor allem anderen durch ihre Familie geprägt, und das war eine Sache, die er gesucht und niemals gefunden hatte, nachdem sein Vater getötet worden war. Ich hab's versucht, Sintas, meine Tage als reisender Beschützer...
An seine entfremdete Familie zu denken war schmerzhaft. Aber sich daran zu erinnern, warum er von Concord Dawn verbannt werden war, war etwas, das er sich selbst nur ganz selten erlaubte. Er sperrte seine Gefühle weg. Der Tod bringt einen wirklich durcheinander. Er war allein. Es ging ihm gut dabei.
Beviin sagte auf einmal: »Es gibt da diesen Kerl namens Kad'ika. Glaubt, dass es an der Zeit ist, dass wir uns um uns selbst kümmern - uns wirklich um uns selbst kümmern. Dass wir nicht bloß die Clans zusammenrufen und uns vereinen, wenn wir bedroht werden, sondern Mandalore selbst zu etwas ganz Neuem machen.«
Davon habe ich noch nie gehört. Und die Nachrichten verpasse ich niemals. »Er will also der Mandalore sein?«
»Nein, er will, dass du der Mandalore bist.«
»Dann soll er kommen und mir das selbst sagen. Wer auch immer er ist.«
Der Name Kad'ika sagte Fett etwas. Die Mando'a-Nachsilbe -ika machte es zum Namen eines Kindes, zu einer Verkleinerungsform des Namens Kad. Ein Mandalorianer, der immer noch den Spitznamen seiner Kindheit trug, und das so selbstverständlich, dass er sehr wahrscheinlich alles andere als klein war. In der Vergangenheit hatte er viele große, gefährliche Individuen gejagt, mit trivialen Namen, die ihre Muskeln und ihre Feuerkraft Lügen straften. Dabei schien es so, als würden sie sich in dieser Ironie aalen.
Er hatte sie trotzdem getötet, aber es war eine Herausforderung gewesen.
Ein Profi ging niemals ein Risiko ein und unterschätzte nie die vor ihm liegende Aufgabe. Bis sich nicht das Gegenteil herausstellte, fügte Fett diesen Kad'ika seiner Liste großer und gefährlicher potentieller Beute hinzu.
»Das bedeutet >kleiner Säbel«, sagte Beviin freundlicherweise.
»Niedlich«, sagte Fett. Eine Komplikation mehr, ein Geheimnis mehr. Verlier deine Prioritäten nicht aus dem Auge, Fett. »Ich mache mich jetzt auf den Weg nach Corellia.«
»Dann musst du die Blockade durchdringen.«
»Das schaffe ich schon. Fliegt ihr immer noch GladiatorSchiffe?«
»Das tun wir.«
»Dann formiert euch und folgt der Slave I. Schauen wir mal, ob sich die Allianz noch daran erinnert, dass wir für sie gegen die Vong gekämpft haben.«
Fett beschloss, weiterhin rege zu bleiben. Er musste das Heilmittel für sich finden, er musste Ailyn sehen, und er durfte nicht bei der traurigen Vergangenheit verweilen.
CORELLIANISCHE BLOCKADE, INNERE EXKLUSIONSZONE
Die Jägerstaffel blieb hinter Jacens XJ7 in Formation. Man brauchte fünf Standardstunden, um Corellia mit Maximalgeschwindigkeit zu umrunden.
Das Geschwader flog um eine Ansammlung von Orbitalanlagen, offensichtlich Schiffswerften, ein weniger glanzvolles Ziel als Centerpoint, aber dennoch ein bedeutendes.
Und irgendwo hinter seinem Backbordflügel, misstrauisch und wütend, war Jaina. Vielleicht war es seine sofortige Ernennung zum Colonel, die sie so zornig machte. Er konnte sie spüren, ein helles Feuer der Feindseligkeit. Zekk befand sich auf seiner Steuerbordseite. Einige Sekunden lang berührten sich die Gedanken der Staffel, um zu einer Art kollektivem Kampfgeist zu verschmelzen, aber sie waren nicht so vereint wie früher.
Ich habe dich verloren, Jaina. Am Ende verliere ich womöglich alle, die ich liebe, vielleicht sogar Tenel Ka, aber es muss getan werden.
Jacen schüttelte das Bedauern ab, und das Geschwader teilte sich zu sechs Patrouillenpaaren, die in die Umlaufbahnen der industriellen Raumstationen und Schiffswerften abtauchten.
Wie dicht konnte sein Geschwader herankommen, bevor die Corellianer das Feuer eröffneten? Würden sie überhaupt feuern?
Falls die Orbitalstationen nicht über Kampfjäger verfügten -und diese Möglichkeit war immer gegeben -, war alles, was sie hatten, ihre auf kurze Entfernungen ausgelegten Verteidigungssysteme, von denen sie nie angenommen hatten, dass sie sie irgendwann einmal benutzen müssten. Jacen schaltete auf das Hauptoperationskomlink, um den Stimmenverkehr zwischen den anderen Piloten der Staffel und der Flottenluftraumkontrolle zu verfolgen.
»Unbewaffneter Wartungstransporter nähert sich. Gehe auf Abfangkurs.«
»Verstanden.«
»Sichtkontakt zum Transporter. Bestätige unbewaffneten Status.«
»Fange ihn ab. Entfernung fünf Kilometer.«
»Er behält den Kurs bei. Schauen wir mal, wer zuerst blinzelt.«
»Er wird langsamer.«
»Und jetzt haben Sie Gesellschaft. Corellianische Kampfjäger, Entfernung zehn Kilometer, unterwegs zur Position des Transporters... Schnell...«
»Hab ihn auf dem Scanner... Hab jetzt auch Sichtkontakt.«
Das war die erste Prüfung der Entschlossenheit.
»Dreh ab, Kumpel.«
»Wow, das war knapp.«
»Er hat mich ins Visier genommen.«
»Freigabe zum Angriff.«
»Er dreht ab - der Transporter ändert den Kurs.«
Zekk schaltete sich in Jacens Komlinkverbindung. »Sollten wir nicht eigentlich bei Centerpoint eingesetzt werden?«
»Centerpoint ist nicht das einzige Spiel in der Stadt. Geduld, Zekk.«
Die Centerpoint-Station war vielleicht der politische Brennpunkt, aber Jacen wusste, dass das wirkliche Druckmittel die Fabriken und Kraftwerke in der Umlaufbahn von Corellia waren. In diesen Orbitern befanden sich insgesamt eine Million Arbeiter, Leute mit Familien unten auf der Oberfläche, die sich um sie sorgten.
»Kontakt, bei fünfundzwanzig bis vierzig vor der Kontrollgrenze.« Zekks XJ7 blinkte auf dem Scanner auf Jacens Instrumententafel, während Zekk das Schiff mit seinen Sensoren überprüfte. Die übermittelten Daten zeigte die Umrisse eines großen, plumpen Raumschiffs, das wie ein einziger großer Tank wirkte. »In Ordnung, das Profil sieht nach einem Nachschubschiff aus - Wasservorräte und Nahrung. Kein Grund zur Panik.«
»Dann schick es weg.«
»Was?«
»Die Befehle lauten, kein Schiff durchzulassen.«
Jacens Komlink gab ein leises Ploppen von sich, als hätte Zekk seines einen Moment lang ausgeschaltet. »Aber es ist bloß Wasser und Essen. Es ist nichts Gewerbliches oder Militärisches.«
Manchmal begriff Zekk es einfach nicht. Jacen fragte sich, warum nur er selbst die Dinge in ihrer gesamten Tragweite sah, die den anderen Jedi verborgen blieb. »Diese Orbiter können bloß eine begrenzte Menge Wasser am Tag kondensieren und wiederaufbereiten. Das Defizit muss aufgefüllt werden«, erklärte er Zekk. »Das Erste, was jeder Kommandant über eine Belagerung lernen sollte. Allein in dieser Orbitalwerft sind zehntausend Arbeiter, und sie bekommen keine neuen Vorräte. Das bringt die Leute ins Schwitzen.«
Im Komlink ploppte es wieder. Vielleicht schaltete Zekk das Mikrofon auf stumm, um einen Moment lang zu fluchen. »Wer bist du, Formwandler, und was hast du mit Jacen angestellt?«, sagte er säuerlich.
»Schick das Schiff einfach zurück, Zekk.«
»Sehr wohl, Sir.« Zekks Tonfall sagte etwas anderes, aber Jacen sah, wie sein XJ7 zur Seite rollte, in den Sinkflug überging und geradewegs auf das Transportschiff zuflog.
Jainas Stimme in Jacens Komlink war beinahe ein Flüstern. »Ist das Taktik?«
»Kein Schiff durchzulassen bedeutet, kein Schiff durchzulassen. Hast du ein Problem damit?«
»Bloß ein humanitäres.«
»Das wird Corellia um einiges schneller an den Verhandlungstisch bringen, ohne dass Schüsse fallen.«
»Nun, du hast das Kommando«, sagte Jaina. »Colonel Solo.«
Jacen fragte sich, ob irgendeine andere Staffel Befehlen gegenüber so zwanglos war wie dieses Geschwader. Er bezweifelte es.
Es war ein langwieriger Einsatz. In den nächsten drei Stunden machte die Staffel Jagd auf Versorgungsschiffe und
Transporter. Einige davon wurden allein schon dadurch zum Umkehren bewegt, indem man unbehaglich dicht an ihnen vorbeiflog. Andere waren hartnäckiger; da brauchte es ein Erschütterungsgeschoss, das nah an ihrem Bug detonierte, damit sie den Kurs änderten oder wieder zur Oberfläche zurückkehrten. Fürs Erste bestand die Aufgabe der XJ7er darin, Präsenz und Entschlossenheit zu demonstrieren und einschüchternd zu wirken.
»Wir müssen das hier bloß ein paar Monate machen«, sagte Zekk müde. »Ein Kinderspiel.«
»Wie wär's zur Abwechslung damit?«, sagte Jaina. »Überprüf deinen Scanner. Drei Angriffsjäger auf sechs Uhr. Ich glaube, Cousin Thrackan hat bereits die Nase voll von uns.«
Jacen zog seinen XJ7 in den Steigflug, legte einen kompletten Bogen hin, fast ohne über das Manöver nachzudenken, und blickte durch die Kanzel zu den sich nähernden corellianischen Angriffsjägern auf, als sie unter ihm hindurchschossen. Aufgrund der fehlenden Schwerkraft und ohne feste Orientierungspunkte kam es Jacen so vor, als ob er sich über ihnen befand, auf dem Kopf stehend. Er konnte Jaina sehen und spüren und Zekk sehen, die in einiger Entfernung von ihm flogen, weit unten, ihre Kanzeln ihm zugewandt. Sie hatten genau die gleichen Loopings wie er hingelegt, um sich den Corellianern von hinten zu nähern, statt über sie aufzusteigen. Haben wir über diesen Schachzug gesprochen? Oder habe ich das bloß gedacht? Nein, das war eine stillschweigende Angewohnheit, verstärkt durch dieses Zwillingsband zwischen ihnen. Jacen fürchtete, dass dies das Letzte war, das er jemals wirklich mit seiner Schwester teilen würde, aber das war ein Schmerz mehr, dem er sich stellen musste. Auf dem Weg, den er einschlug, konnte sie ihm
ebenso wenig folgen wie seine Eltern.
Er genoss das letzte Überbleibsel wahren Verstehens zwischen ihnen und beschleunigte in den Looping, um hinter den drei Jägern runterzugehen, sich auszurichten und mit Höchstgeschwindigkeit nur Meter von ihren Kanzeln entfernt dahinzusausen. Die drei Jäger brachen aus der Formation aus und verteilten sich. Ohne irgendwelche verbalen Befehle verständigten sich die drei Jedi-Piloten auf ihre individuellen Ziele: Jaina und Zekk waren ihnen dicht genug auf den Fersen, dass sich auf den Bugschilden ihrer X-Flügler kleine Wirbel aus ionisiertem Gas bildeten. Jacens Ziel hingegen schien den Eindruck zu haben, dass er derjenige war, der Jacen jagte.
Corellianer waren ausgezeichnete Piloten, aber sie waren keine Jedi. Der geringfügige Unterschied in puncto Reaktionsgeschwindigkeit und Orientierungssinn sorgte bei hohem Tempo für eine wesentlich breitere Leistungskluft. Jacen machte sich diesen Vorteil zunutze. Er ließ den Jäger ein paar Kilometer lang dicht an seinem Heck kleben und ging dann in den Sturzflug über, weg von seinem Verfolger, sich über seine eigene Position im Raum ebenso vollkommen im Klaren wie über seine Entfernung zu Jaina und Zekk, die ebenfalls ihre jeweiligen Taktikspielchen trieben.
Das hier war bloß Sparring. Es war ein Spiel mit dem Feuer, ein Spiel mit Manövern und Gegenmanövern, um die Nerven des anderen auf die Probe zu stellen. Ein Spiel, das dazu diente zu zeigen, dass die Allianz gewinnen würde, wenn es zu einem Feuergefecht kam.
Dieser Gedanke ging Jacen just in dem Moment durch den Kopf, als er sah, wie die Anzeige auf seinem Schirm rot aufleuchtete, um ihn zu warnen, dass ihn der Corellianer mit einer Rakete ins Visier genommen hatte. Die Macht verriet
ihm, das dies alles andere als ein Bluff seines Gegners war.
Der Kerl wird wirklich schießen!
Der Corellianer feuerte.
Jacen hatte nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein. Er hatte Deflektorschilde, das robuste Flugwerk der XJ7 und seine eigenen Fähigkeiten. Außerdem hatte er Täuschkörper, die er aussetzen könnte. Instinktiv feuerte er den kleinen Köder in sein Fahrwasser, und es zersplitterte in Fragmente, die für eine Rakete sehr nach einem Ziel aussahen.
Aber wenn du auf einen Kampf aus bist, dann sollst du einen kriegen.
Die Rakete explodierte an seinem Heck, und der Sprühregen aus Fragmenten prasselte gegen seine Außenhülle. Der corellianische Jäger war noch immer dicht hinter ihm, und jetzt meinte er es ernst. Jacen wusste, dass sein Gegner mit der nächsten Raketen manuell zielen würde, um die automatische Zielverfolgung zu deaktivieren und damit weitere Täuschkörper wirkungslos zu machen.
Das würde ich jedenfalls tun.
Jacen hätte den Corellianer ganz einfach wegschubsen können, indem er seine Flügel mit der Macht anstieß. Oder er hätte seine Triebwerke lahmlegen können. Aber dann wäre dieser Pilot weiterhin eine potentielle Gefahr, bereit, ihnen das Leben zu nehmen. Er und sein Raumjäger mussten dauerhaft unschädlich gemacht werden.
Du hast angefangen, Freundchen.
Jacen kippte den XJ7 um neunzig Grad und schoss nach oben, als der Corellianer unter ihm verschwand und über seine Position hinausschoss. Dann war Jacen ihm wieder auf den Fersen, blickte in weiße Antriebshalonen und schloss auf, bis er nah genug war, um die Laserkanone abzufeuern. Der
Raumjäger explodierte in einem Ball aus weißem Licht.
Jaina? Zekk?
Er spürte, wie sie zwischen den beiden verbliebenen corellianischen Jägern umhersausten, und dann sah er, wie die gegnerischen Schiffe abdrehten und in Richtung Planet davonschossen. Er glaubte nicht, dass sie den Rückzug antraten. Vielmehr nahm er an, dass sie sich neu formierten, um die rasante Eskalation des Konflikts einzuschätzen.
Die Blockade währte erst ein paar Stunden, und das Geballer hatte bereits begonnen.
»Herzlichen Glückwunsch.« Jainas Stimme aus dem Komlink war matt und emotionslos, auch wenn sie sich in der Macht nicht im Geringsten so anfühlte. Jacen spürte, dass sie resigniert hatte. »Du hast es in die Geschichtsbücher geschafft. Du hast den Startschuss für den richtigen Krieg abgegeben.«
Slave I, BEIM EINTRITT IN DIE CORELLIANISCHE EXKLUSIONSZONE, ÄUSSERE ABSPERRUNG
»Kriegsschiff Ocean ruft unbekanntes Raumschiff. Identifizieren Sie sich.«
»Hier ist das mandalorianische Schiff Beroya«, antwortete Beviin an Fetts Stelle, und seine Stimme troff vor fröhlicher Höflichkeit. »Könnt ihr Hilfe gebrauchen?«
»Warum sollten wir die brauchen, Beroya? Wir haben zwei Flottenkontingente hier draußen.«
»Als ihr uns im Kampf gegen die Yuuzhan Vong brauchtet, wart ihr nicht so wählerisch.«
Fett bereitete sich auf ein Flugmanöver vor, das sie entweder in einem Stück durch die Blockade bringen oder all seine Sorgen über Krankheiten im Endstadium auf einen Schlag lösen würde - denn wenn er sich verschätzte, würde er zusammen mit der Slave /vaporisiert werden.
Und das galt natürlich auch für Mirta Gev.
»Tun Sie's«, flüsterte Mirta.
»Warte.«, sagte Fett. Seine Finger ruhten auf der versenkten Taste, die die Slave Im den Hyperraum katapultieren würde. »Sorg nur dafür, dass die Flugbahn frei ist.«
Die Ocean schwieg einen Moment lang. Er hörte den Kommunikationsoffizier schlucken. »Seit wann ist Mandalore Teil der Allianz? Habt ihr vor, uns hierfür zur Kasse zu bitten?«
»Wir sind bloß aus reiner Kameradschaft hier«, sagte Beviin. »Aber genau genommen könnten wir kein Teil irgendeiner Allianz sein, selbst wenn wir wollten, weil.«
Nettes Ablenkungsmanöver, dachte Fett. Mit seiner Theorie über mandalorianische Eigenstaatlichkeit konnte Beviin den Kom-Offizier der Ocean tagelang festnageln. Es hieß: jetzt oder nie!
»Jetzt!«
Er drückte einmal auf die Hyperraumsprungkontrolle und betätigte sie fast einen Herzschlag später erneut.
Innerhalb einer Sekunde beschleunigte die Slave /zu halber Lichtgeschwindigkeit und legte dann noch einmal an Tempo zu. Fetts Magen fühlte sich an, als wäre er von seinem Körper losgelöst worden.
Es war vergleichbar damit, das Schiff gegen eine Felswand zu donnern, doch es katapultierte die Slave I schnell genug an der Blockade vorbei, um auf einem Scanner als nichts weiter aufzutauchen als ein kurzer Energieschub. Die gewaltigen Kräfte ließen die Slave I zittern und stöhnen, und die Oberfläche von Corellia jagte in Fetts Sichtfenster heran. Er hatte sich etwas verkalkuliert. Er konnte den Anflugwinkel nicht korrigieren, bevor das Schiff in die Atmosphäre eintrat. Er versuchte, den Kurs zu ändern, zündete die Nachbrenner und setzte die Außenhülle der Slave I damit einer Reihe weiterer unmöglicher Belastungen aus.
»Haben Sie immer so viel Glück?«, fragte Mirta. Ihre Stimme war knapp und angespannt. Fett sah sie nicht an. Wenn sie auch nur halbwegs bei Sinnen war, wäre sie starr vor Angst gewesen. Er war es mit Sicherheit. Bloß Schwachköpfe hatten keine Angst.
»Schauen wir mal«, sagte er. Furcht, ja; aber Furcht lähmte ihn niemals. Sie machte ihn bloß entschlossener.
Die Slave I trat in die Atmosphäre ein, und die Hüllentemperatursensoren schnellten in den roten Bereich. Der Notfallcomputer sprang an, korrigierte die Flugbahn, so gut es ging, und dann konnte man nur noch abwarten, ob die Außenhülle der Slave I- und das Flugwerk - dem schlimmstmöglichen Wiedereintritt standhalten würden.
»Haben Sie so was schon mal gemacht?«, fragte Mirta mit zittriger Stimme.
»Einmal.«
»Das ist ermutigend.«
Corellia füllte das Sichtfenster der Slave I. Es war ernüchternd zu wissen, wie weit sich ein Schiff beim Abbremsen einem Planeten annäherte. Sie befanden sich über Coronet: Fett erkannte die Stadt wieder. Der große Park, der von einer Speeder-Schnellstraße in zwei Hälften geteilt wurde, hatte sich nicht verändert. Der Hüllensensor war in den gelben Bereich zurückgekehrt, und abgesehen von einigem unheilvollem Geknirsche hatte die Slave / genügend abgebremst, um eine normale Senkrechtlandung mit ihren
unteren Schubdüsen hinzulegen.
»Coronet-Luftraumkontrolle an unidentifizierte Firespray. Ich habe Sichtkontakt zu Ihnen. Sie haben Landefreigabe für die Prioritätshangars. Folgen Sie den roten Lichtern.«
»Es ist schön, willkommen zu sein.«
»Präsident Sal-Solo schickt einen Speeder, um Sie abzuholen.«
Die Slave /setzte auf, und Mirta atmete laut genug aus, dass Fett es hörte. Doch dieses Maß an Erleichterung gestattete er sich selbst nie. Eine Gefahr war überstanden, und jetzt stellte er sich den nächsten Herausforderungen, die da lauteten:
Salo-Solo auf Armlänge von sich fernzuhalten, wieder von Corellia zu verschwinden, diesen Klon zu finden und ihn dazu zu bringen, seine Geheimnisse zu verraten.
Und Ailyn gegenüberzutreten, was mit einem Mal wesentlich gefährlicher zu sein schien als alles andere, was er je in seinem Leben gemacht hatte.
»Los«, sagte er. »Hilf mir, das Schiff zu sichern. Ich traue Sal-Solo nicht weiter, als ich spucken kann.«
»Ich soll mit Ihnen mitkommen?«
»Ich habe nicht vor, dich ein paar Tage lang in der Slave I herumsitzen zu lassen.« Fett aktivierte die Einbruchsicherung, dieses Mal inklusive der Selbstzerstörung. Er vertraute niemandem, aber es gab immer noch eine Skala des Misstrauens, und auf der stand Sal-Solo ganz oben, auf einer Stufe mit den Hutten.
»Tun Sie das, weil ich nützlich bin oder weil Sie mich im Auge behalten wollen?«
»Weil ich dich nicht jagen und erschießen will, bevor du mir erzählt hast, was mit meiner Frau passiert ist.« Er war sich nicht sicher, ob er das sagte, um sie zu schockieren, oder weil er es so meinte. So oder so, es konnte ihm ohnehin egal sein. »Ich habe sie geliebt. Ich bekam es nur nicht hin, Teil einer Familie zu sein.«
Meine ich das wirklich so? Ja, ich glaube, das tue ich.
Fett ließ Mirta die Codes nicht sehen, die die Slave I in eine Todesfalle für jeden verwandelten, der verrückt genug war, in das Schiff einbrechen zu wollen, aber das Mädchen lernte die Grundroutinen schnell. Als sie aus der vorderen Luke kletterten, wartete ein Luftspeeder auf dem Permabeton-Lande-feld, und drei Männer in Geschäftsanzügen standen mit hoffnungsvollen Mienen davor.
Ein Corellianer trat vor - dunkelhaarig, jung, aber mit einem Auftreten, als wäre er bereits in den fortgeschrittenen mittleren Jahren - und streckte einige peinliche Sekunden lang die Hand aus, bevor ihm klar wurde, dass Fett sie nicht schütteln würde.
»Willkommen in Coronet, Sir«, sagte er. »Wir repräsentieren die drei größten politischen Parteien der Corellianischen Versammlung. Wir hoffen, dass es Ihnen möglich ist, uns zu helfen.«
Also hatte Sal-Solo seine Handlanger geschickt. In Ordnung, das war verständlich. Fett überprüfte in seinem Hin seinen Waffenstatus, nur für den Fall, dass die Dinge nicht ganz so liefen wie geplant, schob Mirta auf den Rücksitz des Speeders und setzte sich dann vorn zum Fahrer. Das schien das Begrüßungskomitee zu überraschen.
»Ich bin übrigens Dur Gejjen«, sagte der jung-alte Corellianer, lobenswert unbeeindruckt. »Es ist mir eine große Freude, Sie kennenzulernen.«
Gejjen bedeutete Ärger. Fett konnte es spüren.