3.
Aliit ori'shya tal'din.
(Familie bedeutet mehr als die Blutlinie.)
Mandalorianisches Sprichwort
DAS APARTMENT DER SKYWALKERS, CORUSCANT: 08.00 UHR
Mara ließ beinahe ihren Becher fallen und stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch ab.
»Was ist los?« Luke ergriff ihre Schulter und beugte sich über sie. Sie begann, mit ihrer Serviette verwirrt verschütteten Kaff aufzuwischen. »Liebling, geht's dir gut?« »Jacen«, sagte sie.
Sofort suchte Luke in der Macht nach Ben. Er war da, ohne irgendeinen Hinweis auf Sorge oder Gefahr. Jacen jedoch fand er nicht. Von ihm war nichts zu entdecken.
»Er ist einfach verschwunden«, sagte Mara. Sie aktivierte ihr Komlink. »Ich weiß, dass er das machen kann, wenn er will, aber diesmal fühlte es sich sonderbar an.« Sie hielt inne, die Augen unscharf auf die andere Seite des Raums gerichtet, während sie lauschte. »Ben? Ben, bist du in Ordnung?. Ja?. Wo ist Jacen?. Nein, nichts Wichtiges, keine Sorge. Ich melde mich später noch mal bei dir.«
Luke hörte Bens Erwiderung nicht, aber er war mit Sicherheit in Jacens Apartment, genau dort, wo er sein sollte, und unversehrt. Mara strich ihr Haar hinter ihre Ohren zurück; sie sah noch immer verwirrt aus. Sie war wesentlich sensibler auf Jacen eingestellt als Luke, und er fragte sich, ob sie ihren Neffen aus Vorsicht im Auge behielt. Das beruhigte ihn. Ihre alten Assassinengewohnheiten waren noch immer ein Teil von ihr, angepasst, pragmatisch und. nützlich.
»HoloNetz«, murmelte sie und schaltete den Bildschirm ein, auf der Suche nach einem Nachrichtenkanal. »Ich habe hierbei das sprichwörtliche schlechte Gefühl. Ich muss einfach wissen, was vor sich geht.«
Sie hatte recht: Luke verspürte zunehmend Besorgnis und Unruhe, als würde etwas anwachsen, wie ein Gebirge aus Gewitterwolken. Während Mara frischen Kaff machte, wischte er den Rest des verschütteten auf und musterte sie sorgsam, Sie frühstückten gerade zu Ende, als die HNE-Eilmeldungen verkündeten, dass es im Hoteldistrikt südlich des Senats eine Explosion gegeben hatte. Es gebe, sagte der Holonachrichtensprecher, Spekulationen darüber, dass es eine Bombe war.
Mara aktivierte augenblicklich ihr Komlink, das Gesicht eine Maske ausdrucksloser Konzentration, und wartete. »Jacen geht nicht ran«, sagte sie.
Es war leicht, zwei und zwei zusammenzuzählen und dabei auf ein vollkommen falsches Ergebnis zu kommen. Luke legte seinen Arm um sie und drückte sie.
»Dafür wird es eine einfache Erklärung geben. Das hier ist ein großer Planet, und die Wahrscheinlichkeit, dass er von der Sache betroffen ist, ist minimal.«
»Ich ziehe es vor, auf die schlimmsten Szenarien vorbereitet zu sein«, sagte sie und erwiderte die Umarmung. »Ich habe keine Ahnung, ob wir nach ihm suchen sollten oder nicht.«
Wie alle Leute, die es gewohnt waren, das Heft in der Hand zu halten und zu handeln, verspürte Mara in Krisensituationen den instinktiven Drang, etwas zu unternehmen, selbst wenn es für sie nichts Sinnvolles zu tun gab. Luke teilte dieses Gefühl.
Wir können uns da nicht raushalten, selbst wenn wir nicht wissen, worum es eigentlich geht. Die Macht nahm sich keinen Tag lang frei.
»Wenn das wirklich ein terroristischer Bombenanschlag war«, sagte Luke, »dann sollten wir uns lieber auf den Weg zum Senat machen, denn Omas wird über die Folgen diskutieren wollen.«
Maras Blinzeln ließ langsam nach, und sie war still geworden. Er bezeichnete das für sich als ihren Scharfschützenmodus: abwägend, planend, gleichgültig rational. Er war stets aufs Neue beeindruckt, dass sie imstande war, sich die nützlichen Teile ihres vergangenen Lebens als Meuchelmörderin des Imperiums zunutze zu machen und die dunkleren Aspekte außer Acht zu lassen. Und er war nach wie vor froh darüber, dass sie auf derselben Seite standen.
Sie schnappte sich eine Jacke, keine von ihren üblichen modischen, sondern irgendetwas Graues und Funktionelles, als würde sie sich für den Kampf vorbereiten. »Ich hoffe, niemand zieht voreilige Schlüsse. Das ist eine dieser Sachen, die die Leute hier dazu bringen könnte, etwas Unüberlegtes zu tun.«
Luke war sich nicht sicher, ob sie damit Politiker oder Bürger meinte. Vielleicht spielte es keine Rolle; die einen würden die anderen ohnehin anstacheln. Er deutete in Richtung der Landeplattform. »Ich fahre. Du behältst die Nachrichten im Auge.«
HNE benutzte weiterhin das Wort Explosion und schaffte es, es jedes Mal wie Bombe klingen zu lassen.
Luke versuchte, den Luftspeeder durch die zunehmend verstopften Skylanes zu manövrieren, als sich der Verkehr vom Ort der Explosion zurückstaute. Es brauchte nicht viel, um einer dicht bevölkerten Stadt, die von sorgsam kontrollierten
Transportmöglichkeiten abhängig war, einen Verkehrskollaps zu bescheren.
Er warf Mara einen Blick zu. »Was, wenn es keine Bombe war? Die Leute ziehen oft voreilige Schlüsse. Wenn sie glauben wollen, dass es eine Bombe war, werden sie sich von Fakten nicht beirren lassen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Corellia dazu übergegangen ist, in Zivilgebieten Bomben zu legen.«
»Siehst du? Ich habe auch an Corellia gedacht. Wir haben tausend verschiedene Spezies auf Coruscant, und die meisten davon haben ihre ureigene Macke. Es könnte jeder gewesen sein.«
»Im Allgemeinen setzt die eigene Wahrnehmung Tatsachen außer Kraft.«
»Das hast du gesagt, Liebling.«
Der Speeder war im Verkehrsstrom so langsam geworden, dass er fast dahinkroch, während die Skylanes über und unter ihnen ebenfalls verstopften. Luke überlegte, sich mit Machtschüben seinen Weg durch die Fahrzeuge zu bahnen, aber es war einfach nicht mehr genügend Platz zum Manövrieren vorhanden, um das gefahrlos bewerkstelligen zu können. Er suchte die nächste öffentliche Landezone und ging mit dem Speeder runter, damit sie ihre Reise zu Fuß fortsetzen konnten.
Theoretisch konnte ein Fußgänger den gesamten Planeten mittels Laufstegen und Straßen umrunden. In der Realität war das ein langwieriges Unterfangen. Aber es war nützlich, dicht genug bei den Leuten zu sein, um ein Gespür dafür zu bekommen, was sie fühlten, und der überwältigende Beigeschmack in der Macht war größtenteils Zorn. Es war nicht der politische Zorn, der von Senatsabgeordneten ausging - es war der persönliche, geballte, furchtsame Zorn von Leuten, deren Leben von einem Konflikt auf einem anderen Planeten unmittelbar beeinflusst worden war.
Jahrtausendelang hatten sich die Coruscanti sicher gefühlt. Nachdem die Yuuzhan Vong besiegt worden waren, hatte dieses Gefühl gerade wieder eingesetzt, und jetzt war diese zerbrechliche Sicherheit zerschmettert worden.
Es fühlte sich an, als würde sich eine vulkanische Kluft zur dunklen Seite öffnen. Die Luft schien verändert. Der Gegenstand dieses Zorns - wen die Leute hassten, wem sie die Schuld gaben - würde den Kurs des Konflikts mit Corellia beeinflussen.
Während Luke und Mara auf den Senat zugingen, waren die öffentlichen Holonachrichtenschirme von Leuten umringt, und sie starrten mit grimmigen Gesichtern zu den aktuellen Nachrichten empor. Man zeigte, welche Bereiche von Galactic City abgeriegelt worden waren, und angespannte Feuerwehroffiziere erklärten, dass sie noch immer nicht zur Quelle der Explosion vorgedrungen waren und die Gesamtzahl der Opfer bislang nicht einschätzen konnten.
Luke blieb hinter einer Gruppe Zuschauer stehen, während Mara weiterging und in der Menge verschwand. Niemand erkannte sie. Das war möglicherweise ein Segen.
»Hat schon jemand die Verantwortung übernommen?«, fragte er.
Ein junger Mann im gelben Arbeitsoverall eines Lieferpiloten drehte sich halb zu ihm um. »Nein, aber das müssen sie auch nicht, oder?«
»Sie?«
Der Blick des Mannes schoss zum Bildschirm zurück. »Corellia. Vergeltung für Centerpoint, oder nicht? Ist doch
klar.«
Luke verkniff sich eine Erwiderung und ging einfach weiter. Er holte Mara ein, die in einem Durchgang wartete und via Komlink mit jemandem sprach.
Sie schaute auf und schüttelte den Kopf. »Bislang einhundertfünf Tote, und es werden noch mehr. Dreihundert Verletzte. Ich habe gerade Omas' Büro angerufen. Sie haben den Notstand ausgerufen.«
»Muss ein großer Apparat gewesen sein, dem Schaden nach zu urteilen.«
»Man braucht nicht viel, um in einer dicht bevölkerten Stadt, die praktisch nur aus Türmen besteht, eine Menge Schaden anzurichten.«
Transparistahl, herausgeblasen wie eine Million Klingen, Speeder, die Tausende von Metern in die Tiefe stürzten, Schockwellen, die von den Häuserschluchten auf Gebäude konzentriert wurden - Luke konnte sich die Einzelheiten ausmalen. Die Macht um ihn herum war in Aufruhr, doch das meiste davon schien von den Leuten ganz in der Nähe zu stammen.
Er nahm Maras Arm und drängte sich weiter durch die Menge. Es kostete sie eine halbe Stunde, um den Senat zu erreichen. In der Zwischenzeit hatte Omas seine Gemächer verlassen, um dem Notfallkommandozentrum tief unter dem Erdgeschoss einen Besuch abzustatten.
Luke und Mara betraten einen großen Raum, der aus einem einzigen riesigen Holobildschirm zu bestehen schien, vor dem sich uniformierte Offiziere drängten. Das Schild über der Tür verkündete schlicht: STRATEGIEZENTRUM. Von hieraus kümmerten sich die Behörden von Galactic City mit vereinten Kräften um die längerfristigen Auswirkungen eines
Zwischenfalls - planten, was in den folgenden Tagen gebraucht wurde -, während die unmittelbar anfallende Arbeit dem Taktik- und dem Einsatzkommandozentrum weiter unten in der Befehlskette zufiel.
Als sich Luke darauf konzentrierte, wo er hier hineingeraten war, wurde ihm klar, dass jeder Zweig der Notfalldienste der Stadt hier Personal hatte: Er entdeckte Coruscant-Sicherheitskräfte, Feuerwehr und Rettungswacht, Luftraumüberwachung, Medicenter-Manager und die städtischen Behörden. Omas stand vor einem Datenbildschirm und sprach mit einem jungen CSK-Captain. Als Luke hinter sie trat, sah er, dass sie sich eine sich verändernde Auflistung der Opfer anschauten. Die gesamte Wand war eine Ansammlung von Statusanzeigen, von Listen von Skylanes, die umgeleitet worden waren, bis hin zu Angaben dazu, in welche Medicenter die Verletzten gebracht wurden.
Omas drehte sich zu Luke und Mara um und schüttelte den Kopf. »Eine durch einen Unfall verursachte Explosion können wir ausschließen«, sagte er. »Die CSK haben Spuren von handelsüblichem Detonit gefunden.«
Mara wahrte ihre Unbefangenheit. Ihr Blick glitt die Liste der Opfer rauf und runter - größtenteils namenlos, bloß Beschreibungen -, und Luke fragte sich, ob sie unter ihnen nach Jacen suchte.
»Wo war die Bombe platziert?«, fragte Luke.
»In einem der Hotels«, sagte der CSK-Offizier. Auf dem ID-Schild an seinem Waffenrock stand SHEVU. »Im Elite. Es gibt kein offenkundiges Motiv, warum gerade dieser Ort, aber es sieht so aus, als wäre sie in einem Gästezimmer detoniert. Möglicherweise war es ein Eigentor.«
»Ein Eigentor?«
»Ist hochgegangen, während der Terrorist noch daran rumgelümmelt hat.«
»Also haben wir ein Zimmer, mit dem wir anfangen können. Dann sollten wir auch die Identität des Gastes kennen.«
»Das überprüfen wir gerade.«
»Wir können es uns nicht leisten, in dieser Sache Mutmaßungen anzustellen.«
Captain Shevu schaute auf Luke hinunter, höflich, aber eindeutig verärgert von dieser Andeutung. »Ich stelle keine Mutmaßungen über irgendetwas an, Sir. Wir arbeiten mit belegten Informationen, die wir von Taktik und Einsatz bekommen, und wenn es da Lücken gibt, dann bleiben das Lücken, bis wir entsprechende Daten haben.«
»Und wie wird unsere Reaktion ausfallen, wenn sich herausstellt, dass es Corellianer waren?«
Omas schien besonderes Interesse an einer Statusanzeige zu haben: Sie zeigte eine Liste von Örtlichkeiten, die von der Explosion betroffen waren, und rote Lichtpunkte wiesen daraufhin, ob diese Bereiche bereits überprüft und gesichert worden waren. »Solange wir nicht zweifellos wissen, dass die corellianische Regierung dafür verantwortlich ist, wird unsere Reaktion so aussehen, dass wir den Vorfall wie jedes andere Verbrechen auch behandeln.«
»Ich glaube, Meister Skywalker meinte eine weniger formelle Reaktion«, sagte eine Stimme hinter Luke.
Er hatte nicht einmal gespürt, dass Jacen den Raum betreten hatte. Die Tatsache, dass Jacen ihn erschrecken konnte, war beunruhigend. Mara drehte sich ebenfalls um, und obwohl Jacen dort vor ihnen stand, konnte Luke ihn nicht fühlen, und Mara - ihrem Gesichtsausdruck und ihrem kleinen Anflug von Beklommenheit in der Macht nach zu urteilen -ebenso wenig. Dann, wie ein Duft, der mit einem Mal von einer Blume aufsteigt, war Jacens Präsenz plötzlich da, überall um sie herum. Also will er mir zeigen, wie mächtig er ist. Luke bedauerte die Feindseligkeit in seinen Gedanken. Doch es trug nichts dazu bei, ihn zu beruhigen.
»Tut mir leid, Onkel«, sagte Jacen. Für einen Raum voller Nicht-Jedi war die Spannung zwischen ihnen natürlich unsichtbar. »Ich bin in die Explosion hineingeraten und hergekommen, um zu sehen, was ich tun kann.«
»Ich bin froh, dass es dir gut geht.« Luke kehrte zu seiner ursprünglichen Frage zurück. »Ja, Captain, ich meine die inoffizielle Reaktion. Vergeltung, Eskalation.«
»Schikane«, schlug Shevu leise vor, während er weiter die Statusanzeigen betrachtete. »Das wird das Leben in der Stadt ziemlich heikel machen. Die letzte Zählung der Einwanderungsstelle besagt, dass hier annähernd zwanzig Millionen Corellianer leben.«
»Von denen die meisten ungefährlich sind«, sagte Luke.
»Und nicht leicht zu identifizieren, außer für ID-Ärzte«, sagte Jacen. »Sie sehen genau aus wie wir.«
»Sie sind genau wie wir.«
Omas legte seine Hand auf Jacens Schulter und steuerte die Unterhaltung mit der Souveränität eines professionellen Staatsmannes in ruhigere Gewässer. »Wir setzten diese Diskussion anderswo fort. Wir stehen Captain Shevu nur im Weg. Er muss einen Zwischenfall managen.« Er deutete auf einen von einem Dutzend kleiner Räume, die von der Hauptkammer abgingen, jede mit einer Tafel über der Tür versehen: FEUERWEHR UND RETTUNGSWACHE - CSK -MEDIDIENST. Omas führte Mara, Luke und Jacen auf einen der Räume zu, der mit INFORMATIONEN bezeichnet war. »Ich würde gern darüber diskutieren, wie wir die Sache mit den Medien handhaben. In Zeiten wie diesen ist die Darstellung nach außen alles. Das ist der Unterschied zwischen hundert Toten bei einem Speederbus-Unfall und hundert Toten bei einem Terroranschlag - das eine ist eine Tragödie, und das andere ist der Beginn eines Krieges.«
Luke sah Mara an, die seinem Blick begegnete, sich jedoch nach außen hin nichts von ihrer Besorgnis anmerken ließ. Die meisten Probleme, mit denen sie in ihrem Leben konfrontiert worden waren, waren groß gewesen, wirklich groß -Invasionen, Fremdweltler-Armeen, Dunkle Jedi -, und jedes einzelne davon ging weit über die Möglichkeiten des aufgeräumten Krisenmanagements der Staatsdiener von Coruscant hinaus. In globalem Maßstab betrachtet, war dies ein kleiner Zwischenfall, aber wie ein Schlangenbiss - klein, schmerzhaft und mit dem Potential, einen ganzen Planeten zu vergiften.
Jacen ging vor ihnen her; seine Präsenz in der Macht gab nichts anderes preis als ruhige Entschlossenheit.
Boba Fett kümmerte es nicht, ob irgendjemand die Slave I als sein Schiff erkannte. Die Tarnvorrichtung war zwar aktiviert, doch er musste sich nicht verstecken. Und die wiederhergestellte Hülle des einstmals prächtigen Taris war heutzutage so weit ab vom Schuss, dass tatsächlich die Chance bestand, dass niemand hier wusste, wer er war.
Fürs Erste war die Stadt eine nützliche Basis. Die Galaxis schien vergessen zu haben, dass sie existierte, was nicht schlecht war, wenn man sich vor Augen hielt, dass Taris vor vier Jahrtausenden in den Jedi-Bürgerkriegen dem Erdboden gleichgemacht worden war. Fett gefiel die Ironie: Er hatte begonnen, die meisten galaktischen Kriege als Jedi-Stammesfehden zu betrachten, weil es am Ende praktisch immer auf Jedi gegen Sith hinauslief. Die Yuuzhan Vong waren da fast so etwas wie eine erfrischende Abwechslung gewesen. Die Dinge ändern sich nie...
Außerdem fand er es interessant, dass der vollkommene Wiederaufbau eines verwüsteten Planeten zu ziemlich genau demselben Sozialsystem geführt hatte, das vorher schon bestanden hatte; wie zuvor spiegelte die Welt die gewaltige Kluft zwischen den Klassen buchstäblich in Form architektonischer Ebenen.
Die Leute lernen auch nie dazu.
Er schaltete den Verteidigungsschirm der Slave L ein und marschierte die Promenade entlang, wobei er argwöhnische Blicke von einigen der elegant gekleideten Anwohner auf sich zog, die auf ihrem Abendspaziergang waren. Die Oberstadt war von neuem ein Widerhall von Coruscant, himmelhohe Türme, bewohnt von den wirklich Reichen. Die Unterstadt war eine Jauchegrube, und die unterirdischen Ebenen. Nun, er konnte sich vage daran erinnern, da unten Vorjahren einen Flüchtigen gejagt zu haben, und selbst für einen Mann, der die hässlichsten Gesichter der Galaxis gesehen hatte, war es ausgesprochen unschön gewesen.
Jeder, der will, dass ich da noch mal runtergehe, zahlt das Dreifache.
Der Gedanke traf ihn unvorbereitet. Es war die Art von unbestimmter Zukunftsplanung, die jenseits der Möglichkeiten eines sterbenden Mannes lag.
Goran Beviin wartete im stinkvornehmen Horizont-Hotel auf ihn. Er saß mit einem großen Krug tarisianischen Biers und einer Schüssel mit etwas, bei dem es sich um irgendwelche frittierten Krustentiere handeln konnte, an der Bar. Sein Aufzug entsprach beinahe der Kleiderordnung der Bar - sein Helm lag neben ihm auf der Theke -, doch in seiner tiefblauen, kampfverschrammten mandalorianischen Rüstung passte er trotzdem nicht zu den hübsch gekleideten Gästen. Fett trat von hinten an ihn heran.
»Sitzt du immer mit dem Rücken zur Tür?«
Beviin drehte sich um, offensichtlich nicht erschrocken, die Stimme seines Mandalore zu hören, des Gebieters der Clans, des Kommandanten der Supersöldner. Fett hatte sich nie so recht mit seiner Rolle in Friedenszeiten arrangieren können.
»Wenn ich das Risiko abgewogen habe, ja.« Er betrachtete Fetts Helm. »Kann ich dir ein Bier und einen Strohhalm spendieren?«
»Du lässt es dir ja gut gehen. Was sind das für welche?«
Beviin steckte sich eins der frittierten Dinger in den Mund und zerbiss es mit übertriebenem Genuss. »Münzkrabben. Erinnert mich an diese glücklichen Tage, die wir damit zugebracht haben, Yuuzhan Vong zu rösten.«
»Gefühlsduselei.«
Beviin deutete auf das polierte Holz und die teure Polsterung ringsherum. »Hier ist es ziemlich gemütlich. Ich hatte Taris immer als tote Welt im Kopf.«
»Vielleicht fühle ich mich deshalb damit verbunden.«
»Warum?«
»Die Leute denken oft, ich sei ebenfalls tot.« Der Witz wirkte jetzt nicht mehr ganz so lustig. Es gab keinen Grund, jemand anderem von seinem Zustand zu erzählen, noch nicht -und vielleicht niemals. »Also, was hast du für mich?«
Fett setzte sich auf den Hocker neben Beviin und rückte sorgsam sein Halfter zurecht. Der Barkeeper - ein Menschenmann in mittleren Jahren, dessen hochgeschlossene Uniform genauso teuer aussah wie die Abendgarderobe seiner Gäste - formte mit nervösen Lippen lautlos eine Frage. Fett wusste, dass es vermutlich eine Erinnerung daran war, dass Sir seinen Helm abnehmen sollte. Er drehte den Kopf so, dass klar war, dass er den Mann durch sein Visier anblickte, und wartete darauf, dass er es sich anders überlegte. Das tat er. Fett wandte sich wieder an Beviin. »Schieß los.«
»Thrackan Sal-Solo ist an mich herangetreten, mit einem Kopfgeld auf die ganze Solo-Familie.«
Weißt du, jetzt hätte ich wirklich gern ein Bier. Würde mich gern ein wenig entspannen. Hab ich noch nie gemacht. Nicht wie normale Leute. »Direkt?«
»Über einen Mittelsmann, aber er hat vergessen, wie gut meine Komlink-Überwachungsfähigkeiten sind. Und meine Kontakte natürlich.«
»Ich frage mich, warum er nicht mich beauftragt hat, mir Solo vorzunehmen«, sagte Fett. Er zog die Münzkrabben in Betracht und überlegte es sich dann anders. »Jeder andere hätte es getan.«
»Vielleicht denkt er, es würde dich langweilen. Und dass du zu teuer bist.«
»Beides richtig.« Han Solo war bedeutungslos geworden, wirklich bedeutungslos. Ohnehin hatte Fett nie eine Fehde mit ihm gehabt, bloß eine Reihe von Kontrakten, und Kontrakte waren niemals persönlicher Art. »Also?«
»Also, ich habe gehört, dass ein paar übernommen haben.«
»Du nicht.«
»Ich kille keine Familien. Ich jage Kriminelle. Ich will nicht
selbst einer sein.«
»Ich warte immer noch.«
»In Ordnung. Gerüchte besagen, dass Ailyn wieder da ist und sich ebenfalls für den Kontrakt interessiert.«
Fett war froh über die Intimsphäre seines Helms. Er empfand selten Überraschung, weil es in der Galaxis beinahe nichts mehr gab, das ihn überraschen konnte. Doch von dieser Neuigkeit fühlte er sich wie vor den Kopf geschlagen.
Sein einziges Kind war am Leben. Seit der Yuuzhan-Vong-Invasion, bei der Milliarden ihr Leben verloren hatten, hatte er nichts mehr von ihr gehört. Wie alt war sie jetzt? Vierundfünfzig? Fünfundfünfzig?
Irgendwie wusste ich, dass sie nicht tot ist.
»Am liebsten würde sie einen Kontrakt auf mich übernehmen.« Sein Magen gefror. Nein, das meinst du nicht so: Du meinst, dass sie deine Tochter ist, wie sehr sie dich auch hasst, wie sehr sie dir auch die Schuld für den Tod ihrer Mutter gibt, und du stirbst, und du willst sie ein letztes Mal sehen. Sie ist alles, was du hinterlässt, um zu beweisen, dass du je existiert hat. »Wer weiß sonst noch davon?«
Beviin - in den späten Fünfzigern, grauhaarig, aber mit einem Grinsen, das ihn wie ein schadenfrohes Kind wirken ließ - schien ihm besorgt in die Augen zu sehen. Für Mandalorianer schien Fetts Helm nie ein Hindernis zu sein: Irgendwie blickten sie geradewegs in sein Innerstes. »Ich nehme an, niemand weiß davon, immerhin nennt sie sich selbst Ailyn Habuur.«
Fett wartete. Beviin nahm einen Schluck von seinem Bier und sagte nichts.
»Und warum denkst du, dass sie Ailyn Vel ist?«
»Meine Quellen berichten, dass sie um die fünfzig ist, eine Kiffar-Gesichtstätowierung hat und ein KTW-Kampfschiff fliegt, das du, glaube ich, wiedererkennen würdest. Aber ich glaube nicht, dass das irgendwem sonst in diesen Tagen viel sagt.«
Seine Tochter hatte ihn genug gehasst, um ihn zu töten und sich sein Schiff und seine Rüstung zu nehmen - zumindest war es das, was ihrer Meinung nach passiert war. Hatte sie je herausgefunden, dass sie stattdessen einen Klon getötet hatte?
Das war mehr als zwanzig Jahre her. Er wollte wissen, wo sie seitdem gewesen war, was sie getan hatte. Gleichwohl, das war töricht und kam viel zu spät. Er schob den Impuls beiseite.
»Dann hoffe ich, sie ist vorsichtig«, sagte er.
Beviin wartete mit erhobenen Augenbrauen auf weitere Reaktionen, doch er bekam keine. »Ist das alles?«
»Ja. Ich interessiere mich mehr für Kaminoaner. Was weißt du über Ko Sai?«
»Abgesehen von den Gerüchten?«
»Momentan sind Gerüchte durchaus willkommen.«
»Es hieß, dass sie während der Schlacht von Kamino getötet wurde, aber die allgemeine Ansicht ist, dass sie zu den Separatisten überlief. Dann gibt's da ein großes schwarzes Loch, und das nächste Gerücht lautet, dass jemand sie zurück nach Kamino geschickt hat.«
»Ich hätte es mitbekommen, wenn.«
»Ein Teil zur Zeit.«
»Was?«
»Körperteile. Nun, einige davon.«
So etwas taten nur Entführer. Sie taten es für Credits - und das passte so gar nicht zu einem Überlaufen in Kriegszeiten. Also das war der Grund, warum Koa Ne wusste, dass irgendjemand Ko Sai aufgespürt hatte.
»Finger?« Das waren die bevorzugten Körperteile für einen
Entführer, wenn er jemandem klarmachen wollte, dass er es ernst meinte. »Außenliegende Ohren haben Kaminoaner schließlich nicht.«
»Eher nicht. Teile, die sie wirklich brauchte, habe ich gehört.«
Fett versuchte sich vorzustellen, was die Wissenschaftlerin getan haben könnte, dass man sie zerstückelte. Vielleicht hatte sie versucht, ihre Daten für sich zu behalten. Aber warum hätte man Körperteile von ihr zurück nach Kamino schicken sollen, sofern derjenige, wer auch immer sie gefangen hielt, nicht Druck auf ihre Regierung ausüben oder ihr eine Lektion erteilen wollte?
Und die Daten waren nie verkauft worden. Wäre das der Fall gewesen, wären sie inzwischen benutzt worden. Und soweit er das sagen konnte, waren die Kaminoaner nie dazu aufgefordert worden, im Austausch irgendetwas - Credits oder Datenmaterial - herauszugeben.
Das klang nach Rache. Und das half ihm nicht dabei, das zu finden, wonach er suchte.
»Warum interessierst du dich für jemanden, der vor so langer Zeit verschwunden ist?«, fragte Beviin. »Wenn irgendwer will, dass du den Rest von ihr findest, ist es dafür ein bisschen spät.«
Das war der Punkt, an dem die Dinge für Fett ungewiss wurden. Er hatte allein seinem Vater vertraut, der jeden Funken seiner Energie darauf verwandt hatte, seinen Sohn zu völliger Selbstständigkeit zu erziehen. Boba Fett jagte allein. Aber von Zeit zu Zeit wurde er daran erinnert, dass er auch der Mandalore war; er trug die Verantwortung für hundert Krieger und -das war der Faktor, der ihm die größten Probleme bereitete - für eine Nation, die nicht bloß keine geografischen
Grenzen, sondern ebenso eine Nomadenkultur hatte, wenn auch einen Heimatplaneten, und einen Sektor und. Nein, nichts davon war klar definiert. Er war sich nicht sicher, was es noch bedeutete, der Mandalore zu sein.
Und er fragte sich, ob er sich selbst in erster Linie als Mandalorianer und erst in zweiter Linie als Kopfgeldjäger sah.
Das tat er nicht.
»Verd ori'shya beskar'gam.« Beviin nahm einen Schluck von seinem Bier. »Ein Krieger ist mehr als seine Rüstung.« Fett sah ihn an. »Was?«
»Ailyn. Trägt deine Rüstung, fliegt dein Schiff. Aber das ist kein Ersatz für Kampfgeist.« Beviin machte nie den Eindruck, als würde er ihn fürchten, und er nannte ihn niemals Sir. Natürlich würde das ein traditionsbewusster Mandalorianer auch nie tun. »Du sprichst immer noch kein Mando'a, oder?«
»Basic und Huttese. In diesen Sprachen mache ich Geschäfte.«
»Vielleicht brauchen wir ein bisschen weniger Geschäft und ein bisschen mehr Mandalore, Bob'ika.«
Bob'ika. Einige der Kameraden seines Vaters hatten ihn als Kind so genannt. Sein Vater hatte das nie getan. Doch er ignorierte diese plumpe Vertraulichkeit. »Ich bin gerade beschäftigt.«
»Nichts sonst, was ich für dich tun kann?«
»Nein.«
»Dann gehe ich jetzt besser. Melde dich einfach, wenn du irgendwelche Anweisungen für mich hast.« Beviin trank den Rest seines Biers und packte die ungegessenen Münzkrabben in eine Serviette, die er zusammenfaltete und in die Tasche steckte. »Schließlich bist du mein Mandalore.«
Es hätte Sarkasmus sein können. »Du klingst heute sehr
stammesverbunden.«
»Der Geist der Zeiten. Scheint mich einzuholen.«
Fett hatte Mandalore oder den umliegenden Sektor seit einigen Jahren nicht mehr besucht. Er fühlte sich dort nicht zuhause, wie Kamino es tat.
Wir wissen nicht einmal, wie viele Mandalorianer es in der Galaxis gibt, Man braucht keine II) oder eine Geburtsurkunde, um einer zu sein - einer von uns.
Beviin setzte seinen Helm auf und ging hinaus, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Ohne einen Drink vor sich, hatte auch Fett keinen Grund, hier noch länger zu sitzen. Zur sichtlichen Erleichterung der Barbelegschaft glitt er von dem Hocker und machte sich auf den Rückweg zur Slave I; unterwegs nahm er die Umgebung in sich auf.
An dem Gehsteig lag ein Aktiengeschäft. Die Oberstadt war voll davon, rund um die Uhr geöffnet, um mit den Tausenden von Börsenparketts quer durch die Galaxis Handel zu treiben, die die Interstellare Aktienbörse bildeten. Für die Wohlhabenden dieses vergessenen Planeten war Aktienhandel zu einer Form der Unterhaltung geworden. Fett zögerte und trat in den lebhaft erhellten Empfangsraum, um vor dem sich konstant verändernden interaktiven Holoschirm stehen zu bleiben, der die verschiedenen Märkte anzeigte.
Coruscants IAX - der Inlandsaktienindex - war abrupt gefallen, seit er sich die Märkte auf seiner Reise hierher zum letzten Mal angesehen hatte. Die kleine rote Linie zeigte immer noch nach unten, weg vom gewinnbringenden ISE-Index. Irgendetwas musste die Händler verschreckt haben, wozu jedoch nicht allzu viel nötig war. Wenn der Markt nervös genug war, konnte ein Bantha rülpsen und damit Kursstürze in Milliardenhöhe verursachen.
Fett berührte den Index, auf dem
BIOTECHNOLOGIE
stand. Eine Kaskade von Unterregistern wurde in einer Tabelle aufgelistet, und er ignorierte
UNTERNEHMEN AUSWÄHLEN,
um gleich
AKTIENANTEILSBEWEGUNGEN
anzuklicken. Das rief eine Rangliste von Firmen auf, von denen über einen bestimmten Zeitraum die meisten Aktien gehandelt worden waren. Er wählte
EIN STANDARDMONAT.
Drei Unternehmen führten die Liste an: SanTech, Arkanian Micro und AruMed. Die Handelspreise von Arkanian Micro hatten sich allerdings nicht um mehr als zehn Prozent verändert, und sie waren immer noch unter den teuersten Aktien. AruMed war die Firma, die ihm ins Auge fiel; das grüne Symbol neben dem Namen verriet ihm, dass sie klein und relativ neu war. Doch irgendjemand hatte letzte Woche 25 Prozent ihrer spottbilligen Aktien gekauft.
Dann schauen wir mal, was daran so vielversprechend wirkt.
Fett überprüfte die Datenbank, die an den internen Schirm seines Helms übertragen wurde, fand jedoch nichts im Entferntesten Bemerkenswertes in Bezug auf die Aktivitäten des Unternehmens. AruMed wurde seit einem Jahr gehandelt und hatte sich auf genetisch genau zugeschnittene Medikamente spezialisiert, und offenbar kamen in nächster Zeit keine spektakulären neuen Produkte auf dem Markt, die spekulative Aktienkäufe gerechtfertigt hätten.
Es sei denn, hier geht's um Insidergeschäfte.
Irgendwer wusste, dass die Firma kürzlich eine kaminoanische Wissenschaftlerin eingestellt hatte; andernfalls wären die Aktien in keinerlei Hinsicht sonderlich ansprechend gewesen.
Fett bemerkte, dass der Angestellte ihn mit diskreter Besorgnis beobachtete. Wahrscheinlich kamen nicht allzu viele
Kunden mit Raketenrucksäcken und Flammenwerfern zu ihm in den Laden.
Laut der Datenbank befand sich das Hauptquartier von AruMed auf Roonadan. Es war irgendwie ungewöhnlich, dass sich eine kleine Biotechnikfirma im Handelssektor niederließ, direkt vor der Nase der aggressiv-gewinnsüchtigen Chiewab-Laboratorien, also zeichnete Fett die Einzelheiten auf und wandte sich wieder dem Holoschirm zu, um sich Pharmakonzerne im Allgemeinen anzusehen. Nur zwei weitere wiesen seit der Zeit, seit Taun We auf der Flucht war, ungewöhnliche Aktienhandelsaktivitäten auf - und einer davon war das auf Rothana gelegene Unternehmen ConCare, das sich offenbar auf Medikamente für ältere Bürger konzentrierte. Wie mich.
Kaminoaner mochten es nicht, weit weg von zu Hause zu sein. In galaktischen Maßstäben gemessen, befand sich Rothana nur einen Steinwurf von Kamino entfernt. Er machte sich eine spezielle Notiz, die Sache zu überprüfen, nachdem er sich um AruMed gekümmert hatte.
»Möchten Sie investieren, Sir?«, sagte der Angestellte.
Fett tätigte Aktiengeschäfte immer über seinen Buchhalter Puth, einem Nimbanel, der eine Bilanzspur beinahe ebenso gut reinwaschen und aus der Welt schaffen konnte wie Fett persönlich. Schließlich gab es keinen Grund, einen Buchhalter zu haben, der gescheiter war als man selbst. Doch selbst ein Kopfgeldjäger war gegen Impulskäufe nicht gefeit.
Er holte einen Creditchip hervor. »Ich nehme 50.000 Aktien von SteriPac.«
»Die stellen Schlachtfeldbekleidung her«, sagte der Angestellte. Sein starrer Blick verriet Fett, dass er selten Aktien im Wert von 100.000 Credits bei einem einzigen Geschäft verkaufte, und seine Hand schloss sich um den Chip, als würde er befürchten, er könnte ihm entkommen. »Rechnen Sie mit Krieg?«
»Immer. Und ich werde nie enttäuscht.«
Fett machte sich auf den Weg zu dem spärlich möblierten Apartment, das er ein Jahr zuvor gekauft hatte und das sich -zum ersten Mal in seinem Leben - nicht zu einem Aktivposten entwickelt hatte, mit dem sich schneller Profit machen ließ. Taris war kein Immobilienmarkt, auf dem sich allzu viel bewegte, doch wegen der relativen Privatsphäre war die Stadt es wert, hier zu investieren.
Also hat irgendjemand Ko Sai stückchenweise nach Hause geschickt.
Seine Helmsensoren verrieten ihm, dass hinter ihm ein Mensch herging, der einen gleich bleibenden Abstand beibehielt.
Die Kaminoaner hätten problemlos ein paarforensische Tests durchführen und herausfinden können, woher die, Pakete kamen.
Es war eine junge Frau - vielleicht achtzehn - mit dunklem, lockigem, kurz geschnittenem Haar, das dicht an ihrem Kopf anlag. Er konnte ihr Abbild im Schirm seines Helms sehen, übertragen vom rückwärtigen Abstandmesser. Und obwohl sie einen Blaster im Halfter an der Hüfte stecken hatte - wer ging in diesen Tagen schon unbewaffnet auf die Straße? -, wirkte sie weder wie eine Einheimische noch feindselig. Sie trug einen grauen Körperpanzer, schlichte Brust- und Rückenplatten wie ein Mandalorianer, jedoch ohne Färbungen oder Markierungen.
Aber sie folgt mir. Ich weiß es.
Also - wenn die Kaminoaner wussten, wer sich Ko Sai geschnappt hatte, musste sie einen sehr guten Grund dafür haben, ihnen nicht zu Leibe zu rücken. Und ihre Forschungsunterlagen waren nie wieder aufgetaucht.
Fett machte sich stets Sorgen, wenn er keine Motive erkennen konnte. Jeder hatte ein Motiv.
Morgen würde er sich auf den Weg nach Roonadan machen und Puth anrufen. Er musste seine Vermögenswerte ordnen, für den Fall, dass er sein Rennen gegen die Zeit verlor.
Was werde ich damit machen?
Er hatte immer gedacht, dass er das eines Tages wissen würde, bis dieser bestimmte Tag von schlechten Neuigkeiten eingeholt worden war. Hinter ihm beschleunigte das Mädchen sein Tempo, war jetzt nah genug, dass es ihn hätte berühren können, hätte es zwei schnelle Schritte gemacht und die Hand ausgestreckt.
Er drehte sich um, bevor sie Gelegenheit dazu hatte, und stand da, um ihr verärgert den Weg zu versperren. Sie schien nicht erschrocken. Sie blickte ungefähr genau so in sein Visier, wie Beviin es getan hatte, was an sich schon ungewöhnlich war.
»Sie sind Boba Fett«, sagte sie.
»Du hast deinen Anschleichtest vermasselt.«
»Ich muss mit Ihnen reden.«
»Worum auch immer es geht, du kannst dir mich nicht leisten.«
»Aber können Sie sich mich leisten?«
Einen Moment lang dachte Fett, er hätte sie wirklich vollkommen falsch eingeschätzt, doch dann streckte sie ihre geballte Faust aus, Handfläche nach oben, und öffnete ihre Finger, um eine flache Scheibe aus opaleszentem Stein zu enthüllen, golden mit Spuren von Rot, Blau und Violett. Ein
Lederriemen war durch ein Loch gezogen, das in eine Ecke gebohrt war.
Es war ein Feuerherz-Edelstein. Das wusste er, weil er Sintas Vel so einen geschenkt hatte, als sie verheiratet gewesen waren; das Juwel stammte von ihrem Heimatplaneten, von Kiffu. Er war gerade sechzehn gewesen, Sintas nicht viel älter.
Nein, er hatte ihr genau diesen Stein geschenkt. Dies war derselbe Edelstein. Er konnte den geschnitzten Rand erkennen.
Die vier Bestandteile eines mandalorianischen Ehegelöbnisses, die wir nicht verstehen. Einen Stein, in dem, wie sie sagte, in alle Ewigkeit ein Teil meines und ihres Geistes verwahrt sein würden.
In alle Ewigkeit währte drei Jahre. Sie trennten sich, bevor Ailyn zwei war. Als Ailyn sechzehn gewesen war, war Sintas auf Kopfgeldjagd gegangen und nie wieder zurückgekehrt.
Aus diesem Grund war meine eigene Tochter bereit, mich zu töten.
»Woher hast du das?«, fragte er so ruhig, wie er konnte. Es war klar, dass das Mädchen wusste, dass er es wiedererkennen würde. Es machte keinen Sinn zu bluffen. Dazu sah er auch keine Notwendigkeit.
»Von dem Mann, der Ihre Frau umgebracht hat«, sagte sie. »Ihre Tochter schuldet mir ein Kopfgeld. Und ich weiß genau, wo sie ist.«
CARDS TAPCAFE, BLAUHIMMEL-BOULEVARD, CORONET
Han gelangte zu dem Schluss, dass der Unterschied darin bestand, wie man sich nach außen hin gab.
Er saß mit Blick zum Fenster in einem Tapcafe und hielt durch den regengestreiften Transparistahl nach Leia Ausschau.
Er glaubte, dass man ihn letztlich doch erkennen würde, aber sobald er sich erst einmal daran gewöhnt hatte, nicht zielbewusst mit großen Schritten daherzukommen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sondern sich wie ein »normaler« Mensch zu bewegen - sich an die Geschwindigkeit aller anderen anpasste, seine Schultern entspannte -, schien niemand ihn mehr zu bemerken.
Er wurde bloß zu einem weiteren Bürger von Coronet, der sich einen Kaff genehmigte und auf dem Boulevard die Zeit verbummelte. An der Wand hinter ihm war ein Holoschirm, und das NewsNetz lief. Normalerweise spülten die Nachrichten als Teil des Hintergrundlärms über ihn hinweg, aber selbst über das Zischen des Dampfes von der Kaffmaschine an der Theke hinweg verstand er sehr deutlich die Worte Bombe und Corellianer.
Genau wie jeder andere in dem Tapcafe. Schweigen breitete sich aus. Die Belegschaft schaltete sogar den zischenden Kaffdruckfilter aus, und jeder drehte sich auf seinem Stuhl oder Hocker um, um sich den Bericht anzusehen.
Die Szenen aus Coruscant waren entsetzlich: Eine Schwebekameraaufnahme fuhr an einer zertrümmerten Hotelfassade nach unten, wo die Überreste eines Schildes -nur noch die Buchstaben ELI waren zu erkennen - an einem dünnen Strang Durastahlverstärkungsdraht von einem Turm baumelten. Die Kamera sank Stockwerk für Stockwerk bis zum Grund der Stadtschlucht und zeigte beim Abstieg weniger Schäden, um dann jedoch ein schockierendes Bild dessen einzufangen, was letztlich alles zu Boden gestürzt war: Speeder. Mauerwerk und Leichen. Han, ein Mann, für den Krieg nichts Fremdes war, schaute weg und schloss seine Augen.
Das benommene Schweigen machte einer Debatte unter Fremden Platz, die von ihrer allgemeinen Entrüstung zusammengebracht wurden.
»Das haben wir nicht getan«, sagte eine Frau.
»Wir kämpfen fair.«
»Wenn wir Coruscant bombardieren wollten, würden wir dazu die Flotte einsetzen.«
»Die geben uns die Schuld dafür. Warum? Wissen die denn nicht mittlerweile, wie wir sind?«
Nein, Terrorismus war nicht die Art und Weise, wie Corellia solche Dinge anging. Es gab militärische Sabotage, aber Corellianer waren in der Regel ziemlich eindeutig, wenn es darum ging zu bestimmen, was ein legitimes Ziel war und was nicht. Han fragte sich, ob die Explosion eine Art schlüpfriger verdeckter Operation von Coruscant und der Allianz im Allgemeinen war, um die Meinungen zu polarisieren, indem sie ihre eigenen Leute bombardierten.
Ich drehe langsam durch. Ich spreche hier von Luke. Der Jedi-Rat würde den Senat mit so was nicht davonkommen lassen.
Doch es gab alle möglichen Behörden, die der Senat vermutlich finanzierte und aus pragmatischen, plausibel widerlegbaren Gründen nicht allzu intensiv im Auge behielt. Luke brauchte nicht einmal etwas davon zu wissen. Im Grunde seines Herzens war er noch immer derselbe anständige, idealistische Junge, der er stets gewesen war.
Dieser sogenannte Bombenanschlag wird uns endgültig entzweien.
Han legte den Kopf in seine Hände und saß einen Moment lang da, während er sich fragte, was für Möglichkeiten er hatte, Corellia zu helfen, selbst wenn er hier nicht mehr willkommen war. Mit geschlossenen Augen griff er nach seinem Becher, der nicht mehr ganz dort stand, wo er dachte, dass er ihn abgestellt hatte.
Jemand legte ihm die Hand auf den Arm.
»Han.«
Es war ein Mann, und instinktiv wollte Han seinen Arm zurückreißen und seinen Blaster ziehen. Doch er hielt mitten in der Bewegung inne, die Hand einen Sekundenbruchteil von seinem Halfter entfernt. Der Mann war etwa fünfundzwanzig: dunkle Haut, schwarzes Haar, beinahe militärisch kurz geschnitten. Ein Fremder.
»Du weißt also, wer ich bin.« Han war bereit, ihn auf der Stelle auf die Bretter zu schicken. »Nun, ich weiß aber nicht, wer du bist, Kumpel.«
»Ihre Frau kannte meinen Vater.«
Ah, Gejjen. »Beweis es.« Hau sah vertraute Bewegungen außerhalb des Fensters und Leia, die Kapuze ihrer Tunika übergestreift wegen des leichten Regens. »Wie hast du uns gefunden?«
Gejjen - wenn er es war - senkte die Stimme beinahe zu einem Flüstern. »Als Sie das Apartment gemietet haben, haben Sie mit nicht verfolgbaren Credits bezahlt. Das ist eine Menge harter Währung - ungewöhnlich genug, um heutzutage Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.«
»Von wem?«
»Von unseren eigenen Sicherheitskräften.«
»Also weiß CorSic, dass wir hier sind, und Thrackan nicht?« Han spie den Namen beinahe aus. Zum Glück war dieser Vorname alltäglich genug, um nicht dieselbe Aufmerksamkeit zu erregen, wie es das Knurren von Sal-Solo getan hätte.
»Glauben Sie denn, dass jeder bei CorSic Thrackan davon berichten würde?«
Han schüttelte langsam den Kopf. »Warum habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass ich das gar nicht wissen will?«
»Nun, es gibt Corellia, und es gibt Thrackan, und in den Augen vieler Leute ist das nicht das Gleiche. In den Augen von Leuten, die gern etwas unternehmen würden.«
»Nenn mich zynisch, aber ich glaube, du sprichst da von einem Regierungswechsel ohne Wahl. Ich versuche, mich gerade an den genauen Begriff dafür zu erinnern.«
Gejjen - es konnte niemand anderes sein - setzte sich neben ihn. Als Leia in das Tapcafe kam, starrte sie erst Han und dann Gejjen an, und ihre Lippen teilten sich, als wäre ihr etwas bewusst geworden, über das sie sich sehr freute.
»Du bist das Ebenbild deines Vaters«, sagte sie.
»Dur Gejjen«, sagte der junge Mann sehr hastig. Er streckte die Hand aus, um ihre zu schütteln, und ihre Stimmen verloren sich in dem Geraune, das das Tapcafe von neuem überschwemmte. »Zu Euren Diensten, Ma'am.«
»Hi, Liebling«, sagte Han. »Dieser nette junge Mann wollte mich gerade bitten, mich an einem Putsch zu beteiligen.« Er lächelte Gejjen theatralisch an. »Das ist doch das richtige Wort dafür, oder?«
»Ich habe ihn gebeten, sich hier mit uns zu treffen«, sagte Leia leise. »Aber er ist früh dran.«
»Ich bitte um Verzeihung. Das ist eine Angewohnheit, bloß für den Fall, dass Nachrichten abgefangen werden. Sollen wir gehen?« Gejjen deutete auf die Tür. »Sie können den Ort bestimmen. Bloß, um sicher zu sein, dass ich Sie nicht in eine Falle locke, falls Sie das denken.«
»Gute Idee«, sagte Leia. »Ich kenne genau den richtigen Ort.«
Sie winkte Han. Er rollte mit den Augen, schluckte jedoch mit großen Zügen den Rest seines Kaff hinunter und folgte ihr in den Regen hinaus, wobei er sich neben Gejjen hielt, damit er ihn unter Kontrolle behalten konnte. Leia führte sie zu einem Frauenbekleidungsgeschäft.
»So geht mein Harter-Kerl-Image dahin«, sagte Han und blieb vor den goldverzierten Türen stehen.
»Turbolift«, sagte Leia und bedeutete den beiden Männern, mit einer Miene gespielter, schmaläugiger Ungeduld, einzutreten. In Anbetracht der Umstände schien sie in guter Stimmung zu sein. »In der obersten Etage gibt es eine Kaffbar. Hübsch und öffentlich, mit mehreren Ausgängen, falls irgendetwas passiert, das wir nicht erwarten.«
Gejjen steckte das Misstrauen, das ihm entgegengebracht wurde, ziemlich gut weg. »Sinnvolle Vorsichtsmaßnahme«, sagte er.
Han wusste, dass er Kaff nie wieder genauso genießen würde wie zuvor, weil der Geschmack in seinem Unterbewusstsein allmählich untrennbar mit schlechten Neuigkeiten verbunden war. Sie drängten sich um einen Tisch, umringt von plappernden Kunden und lauten Kindern, und versuchten, unscheinbar zu wirken. Der allgegenwärtige Holoschirm an einer der Wände murmelte vor sich hin: Corellianer waren süchtig nach Nachrichten. Es gab kein Entkommen vor dieser Bombenexplosion.
»In Ordnung, wo waren wir?«, fragte Han. »Ach ja, jetzt fällt's mir wieder ein. Es ging darum, die gewählte Regierung zu stürzen. Sprich weiter und verblüff mich, Junge.« Er hielt Gejjen einen kleinen Krug hin. »Sahne? Zucker?«
»Han.« Leia bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick.
»Tut mir leid, Liebling.« Er lehnte sich zurück und
verschränkte die Arme vor der Brust. »Sprich weiter, Gejjen.«
Der junge Mann war noch immer vollkommen gelassen. »Ihnen droht Gefahr, genau wie Corellia. Von derselben Quelle.«
»Von der machtverrückten galaktischen Regierung?«
»Von machtverrückten Individuen.«
»An einem guten Tag ist das die halbe Galaxis.«
»Sir, Ihr Cousin tut niemandem irgendeinen Gefallen.«
»Ich habe mir meine Familie nicht ausgesucht.«
»Nun, er hat die Absicht, Ihre zu töten, denn er hat ein Kopfgeld auf Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder ausgesetzt. Und wenn er den Weg weiterverfolgt, den er eingeschlagen hat, wird er außerdem dafür sorgen, dass in einem Krieg, den war nicht gewinnen können, viele Corellianer umkommen werden.«
Han wusste noch immer nicht, von welchem Nutzen sie Gejjen sein konnten, doch Redewendungen wie können nicht gewinnen erweckten von Haus aus sein Missfallen. »Also willst du, dass wir irgendwas dagegen unternehmen? Weißt du, ich habe da diese Ahnung, dass du das willst.«
»Wenn Thrackan verschwindet, würden Sie dann in Erwägung ziehen, seinen Platz einzunehmen?«
O Mann. »Nein.«
Selbst Leia wirkte verblüfft. »Absolut nicht«, sagte sie. »Ja, Schatz.«
Gejjen brachte ein nervöses Lächeln zustande. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie in Verlegenheit zu bringen, Sir.«
»Ich würde alles für Corellia tun«, sagte Han. »Und ich stimme zu, dass Thrackan seinen eigenen Krieg für seine eigenen Ziele führt, wie er es immer tut. Aber die Allianz dort draußen ist eine echte Bedrohung, und es wird ein vereintes
Corellia brauchen, um ihr die Stirn zu bieten. Gib mir einfach einen Blaster, kein Amt.«
»Dann werden Sie nicht nach Coruscant zurückkehren?«
»Warum sollte ich? Wir laufen nicht vor Thrackan weg.« Han ließ seine Hand unter den Tisch gleiten und ergriff die von Leia. Sie drückte sie so heftig, dass seine Finger taub zu werden drohten. »Und wir haben auch nicht vor, auf Coruscant unterzutauchen. Das können wir hier ebenso gut.«
»Ich verstehe.«
»Schön.«
»Die gute Nachricht ist, dass Thrackan offenbar glaubt, Sie wären auf Coruscant.«
»Nun, das ist ein weiterer guter Grund dafür, hier zu bleiben, nicht wahr?«
»Wenn wir herausfinden, wer den Kontrakt übernommen hat, werden wir Sie warnen.« Gejjen stand auf und schüttelte ihnen die Hände. Er hatte ein reifes, verlässliches Auftreten, ein älterer Staatsmann im Körper eines jungen Mannes. »Wenn Sie gern Hilfe hätten, um Ihren Standort zu ändern, wissen Sie, wo Sie mich finden. Wenn wir Sie aufspüren konnten, dann vielleicht auch andere.«
»Ich glaube, ich weiß bereits, wer mich finden wird.«
Han sah zu, wie Gejjen ging. Als er sicher war, dass der Mann im Turbolift verschwunden war, wandte er sich an Leia. »Nun, für ein Diplomatenass hast du nicht viel gesagt.«
»Für einen Jedi ziemt es sich nicht, politische Putsche zu diskutieren.«
»Ja, ich kann nachvollziehen, dass das möglicherweise ein sensibles Thema ist. Wie hast du ihn gefunden?«
»Ich habe in den Komlink-Verzeichnissen nach Gejjen gesucht.«
Han lachte laut auf. Eine große Frau in einem hellorangefarbenen Gewand, mit dem sie sich selbst wirklich keinen Gefallen tat, drehte sich um, um ihn eine Sekunde lang anzusehen. »Komisch, wir gehen immer automatisch davon aus, dass alle im Geheimen operieren.«
»Gejjen braucht sich nicht zu verstecken. Er ist ein gewählter Abgeordneter einer rechtmäßigen politischen Partei der Demokratischen Allianz. Sie haben im Augenblick eine Menge Sitze in der Corellianischen Versammlung. Mit der Liberalen Front von Corellia bilden sie tatsächlich sogar den größten Stimmenblock, aber Thrackan hat trotzdem immer noch das Sagen.«
»Wenn dieser Drecksack dir oder unseren Kindern zu nahe kommt, leg ich ihn um, das schwöre ich.«
»Er wird nicht so dumm sein, sich mit drei Jedi auf einmal anzulegen.«
»Nein, nicht direkt. Er bedient sich eines Kopfgeldjägers, schon vergessen?«
»Du glaubst, Fett wird kommen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Aber Fett hat uns vor den Vong gerettet.«
»Für ihn ist Geschäft nun mal Geschäft.« Man konnte spüren, wie etwas in seiner Brust aufstieg, und das hatte nichts mit der Wirkung von zu viel Kaff zu tun. Es war etwas Animalisches und Irrationales, etwas, das dafür sorgte, dass sein Puls in seinen Schläfen pochte. Es waren Zorn und Angst. Angst nicht um sich selbst, sondern um Leia, Jaina und Jacen. »Thrackan hat schon einige schmutzige Sachen abgezogen, aber so weit ist er bislang noch nie gegangen. Nicht so weit, Auftragskiller anzuheuern. Das ändert alles.«
Ihm kam ein Gedanke, und es war einer, der ihn fast
zurückschrecken ließ.
Diesmal werde ich den Drecksack umbringen.
Niemand rührt meine Familie an.
Leia reagierte, als hätte er es laut ausgesprochen. »Nein. Du wirst keinen Kontakt zu Fett aufnehmen, und du wirst ihn nicht anheuern, damit er deinen Cousin ausschaltet.«
»Das ist mir nie in den Sinn gekommen«, sagte Han, und das war es wirklich nicht. Er wusste, dass sie das spüren konnte. »Abgesehen davon hatte ich mit solchen Kerlen schon seit langer Zeit nichts mehr zu tun. Vielleicht setzt man heutzutage eine Gesucht-Anzeige ins Kopfgeldjäger-Wochenblatt. Oder ruft ihre Agenten an.«
»Genau, also vergiss nicht, dass wir auf uns selbst aufpassen können«, sagte Leia. »Ich werde Jacen und Jaina einfach warnen.«
Jacen... Han vermisste ihn. Er wollte mit ihm reden, und das nicht, um ihm Vorhaltungen zu machen: Er wollte einfach nur Jacens Stimme hören. Welcher Irrsinn auch immer sie auf entgegengesetzte Seiten dieses Konflikts verbannt hatte, Jacen war sein kleiner Junge und würde es immer sein, ganz gleich, wie alt oder mächtig oder weit weg er sein mochte.
Niemand rührt meine Frau und meine Kinder an.
Han Solo war kein geborener Meuchelmörder. Er kämpfte, um sich selbst zu verteidigen, aber er war noch nie jemandem nachgejagt mit der Absicht, ihn zu töten. Doch es gab immer ein erstes Mal. Dies würde seins sein.
In Gedanken versunken rührte Han den Rest seines Kaffs mit einem Löffel um, fragte sich, wie sie es schafften, dass der Schaum so lange dablieb, und wurde dann aus seiner Trance gerissen, als er seinen Namen hörte.
Die Worte Han Solo durchschnitten das Tohuwabohu aus
Stimmen und Kindergekreisch, als wäre das Tapcafe einen Moment lang in totalem und vollkommenem Schweigen versunken.
»In einer vom Staatsbüro verlautbarten Erklärung hat Präsident Sal-Solo Han Solo und seine Familie im Zuge der Angriffe auf Centerpoint und Rellidir zu Feinden Corellias erklärt und ihre Verhaftung befohlen«, sagte der HNW-Holonachrichtensprecher.
Han versuchte, nicht auf seinem Stuhl herumzuschwingen oder den Bildschirm zu verfluchen. Er hob sehr langsam den Kopf, suchte zunächst Leias Blick und konzentrierte sich dann wie gelangweilt auf den Schirm. Nein, er war nicht im Mindesten gelangweilt. Er war aufgebracht und ein bisschen erschrocken. Er sagte sich, was für ein guter Schauspieler er war, denn niemand schien ihn anzusehen.
Vermutlich lag das daran, dass das Bild auf dem Schirm einen jüngeren Han zeigte, einen Mann, der noch braunes Haar und relativ wenig Falten hatte. Auch das Bild von Leia war schon lange nicht mehr aktuell.
»Ich glaube, wir sollten besser gehen«, sagte sie.
»Bin direkt hinter dir«, sagte Han.
Er mochte es nicht wegzulaufen, und es gab keinen sicheren Ort, an den sie fliehen konnten. Auch Coruscant würde ihn nicht mit offenen Armen empfangen. So oder so, sie waren Flüchtlinge.
Sie trennten sich, sobald sie das Kaufhaus verlassen hatten, und trafen sich im Apartment wieder.
»Habe ich mich so sehr verändert?«, sagte Leia.
»Wie bitte?«
»Dieses Bild von mir, das sie ausstrahlen.«
»Ich hoffe es«, sagte Han. Vielleicht hätte er ihr versichern sollen, dass sie für ihn so gut aussah wie immer, doch er fand, dass praktische Überlegungen bezüglich ihrer Sicherheit in diesem Moment wichtiger waren als Schmeicheleien. »Und ich werde mir einen Bart wachsen lassen, nur für den Fall. Wie steht's mit dir?«
Leia warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich habe mich heute nicht rasiert. Ist dir das nicht aufgefallen?«
»Ich meinte, ob du dein Haar verändern willst oder so was.«
»Der Aurra-Sing-Stil? Ja, der passt gut zu mir.«
»Ich bin froh, dass du deinen Sinn für Humor nicht verloren hast.«
»Du weißt doch, wie man sagt.« Leia holte eine Schere aus der Küche. »Wenn du keinen Spaß verstehst, hättest du nicht eintreten sollen.«