17. Kapitel
»Sind Sie sicher, daß Sie das Richtige tun, Miß Cathy?« Martha klang sehr besorgt, als sie die Porzellan-Wanne mit heißem Wasser füllte.
»Ja, Martha, ich bin sicher.« Cathys Antwort war knapp und klar. Innerlich wünschte sie sich, sie wäre wirklich so entschlossen, wie sie nach außen hin vorgab. Ein Teil von ihr hätte am liebsten Cray unter den einen Arm und ihren Mantel unter den anderen Arm geklemmt und wäre eiligst nach Woodham gelaufen. Nach Woodham und zu Jon. Aber das war ihr weicher, schwacher und weiblicher Teil. Der Rest ihres Wesens bestand aus ihrem Stolz, ihrem Selbstrespekt und ihrer Vernunft. In diesem Teil ihres Wesens wußte sie, daß die Zeit gekommen war, ihre Verluste zu realisieren. Jon liebte sie nicht, und sein Verhalten hatte das mehr als deutlich gezeigt. Es war verrückt, nein wahnsinnig, bei einem Mann zu bleiben, der früher oder später ihr Herz nehmen und es in Millionen winzige Stücke zerbrechen würde. Sie mußte fortgehen, solange sie noch die nötige Willenskraft dafür besaß - und bevor ein neues Kind anfing, unter ihrem Herzen zu wachsen. Nun, da das Eis gebrochen war und er sie noch einmal in ihrem Bett besucht hatte, würde es gar nicht lange dauern, bis sie sich mit einem zweiten Kind wiederfände. Ihr Band zu Jon würde stärker als je zuvor sein. Aber sie konnte nur hoffen, daß er sie bei ihren beiden letzten Begegnungen nicht mehr geschwängert hatte.
Bei dem Gedanken an Jons Reaktion auf ihre Abreise mußte Cathy nervös schlucken. Glücklicherweise würde sje in diesem Moment nicht in seiner Nähe sein, es weder sehen noch hören müssen. Sie bettete Cray in eine etwas bequemere Position, während sie ihn stillte. Zu der Zeit, wenn Jon nach Woodham zurückkehrte, würde die >Unicorn< schon weit draußen auf See sein. Er hatte gesagt, daß er eine Woche lang verreist sein würde, und das war jetzt zwei Tage her. In zwei Tagen würden sie in See stechen und sich auf dem Weg nach England befinden.
Die Gegenwart ihres Vaters half ihr sehr. Ohne die Hilfe von Sir Thomas hätte sie es niemals geschafft, die Reise in dieser kurzen Zeit zu organisieren. Aber Sir Thomas hatte bereits eine Kabine für sich selbst reserviert, und mit Hilfe seines Einflusses fiel es ihm nicht schwer, die Überfahrt für zwei weitere Personen zu beschaffen.
Irgend etwas am Verhalten ihres Vaters verwirrte Cathy. Er verhielt sich zerstreut, ja beinahe schuldbewußt. Und es war ihm sehr wichtig, sich immer wieder zu versichern, daß ihr und Cray kein Leid geschehen war. Er hatte sogar Martha danach gefragt, wie man mit ihnen umgegangen war, und als die Frau ihm frei heraus erzählte, daß Kapitän Hale zu beiden, zu seiner Frau und seinem Sohn, sehr freundlich gewesen sei, wurde Sir Thomas noch nachdenklicher und beinahe mürrisch. Als Cathy ihren Plan, Woodham noch vor der Rückkehr ihres Mannes zu verlassen, mitteilte, war ihr Vater ihr nur unwillig zu Hilfe gekommen. Er hatte sich erst erweichen lassen, als sie weinend an seiner Schulter zusammengebrochen war.
Schließlich hatte sie, wie immer, ihren Willen durchgesetzt. Und nun war sie da, in einer Luxuskabine an Bord des englischen Schiffes >Unicorn<. Ihr Sohn lag an ihrer Brust, und ihre Kinderfrau war um sie bemüht, für sie beide zu sorgen. Außerdem hatte sie den Schutz ihres Vaters. Warum fühlte sie sich nur so unglücklich?
»Liebes, wirst du deine Meinung nicht doch noch ändern, bevor es zu spät ist?« Marthas Worte unterbrachen sie in ihren Gedanken. Cathy rutschte unruhig auf dem Stuhl neben dem Bett herum. Mit der einen Hand schaukelte sie Cray hin und her und mit der anderen hielt sie sich ihren schmerzenden Rücken.
»Nein, Martha, das werde ich nicht.« Cathy war die endlosen Diskussionen endgültig leid, und das war ihrer Stimme auch deutlich anzuhören. »Es ist das beste, daß wir nach England zurückkehren, und dafür gibt es eine ganze Anzahl von guten Gründen, die du nicht verstehst.«
Dieser Versuch, Martha endlich zum Schweigen zu bringen, mußte schiefgehen, das wußte Cathy genau. Statt daß sie jetzt ruhig war, veränderte sie nur ein wenig die Zielrichtung ihrer Angriffe.
»Du wirst dem armen Mann das Herz brechen, Liebes.
Er ist so verrückt nach dir.«
Cathy warf Martha einen vorwurfsvollen Blick zu und wandte ihre Aufmerksamkeit einfach wieder Cray zu, der etwas von ihrer Brust abließ, weil er schläfrig wurde. Ein unergründliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie ihn so ansah. Solange ihr Sohn lebte, würde sie seinen Vater niemals vergessen, dachte sie eine Spur traurig. Die beiden waren sich so ähnlich, daß man es gar nicht übersehen konnte, auch wenn Cray noch ein Baby war.
»Kapitän Hale ist ein guter Mann, Miß Cathy. Sie werden kaum jemanden finden, der besser ist als er und sich liebevoller um Sie kümmert.«
Cathy konnte es sich nicht verkneifen, hierauf zu antworten.
»Kapitän Hale hat mich entführt, mich vergewaltigt und mir ein Kind angehängt. Dann hat er mich sitzengelassen und ist nur zu mir zurückgekommen, weil er sich aus irgendeinem grandiosen Irrtum heraus unbedingt an mir rächen wollte. Wenn du das damit meinst, daß er sich um mich kümmert, auch gut. Ich denke, mir geht es besser ohne diese Zuwendungen.«
»Er ist Ihr Mann, Liebes, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht. In den Augen Gottes und vor dem Gesetz. Es ist nicht recht, daß Sie seinen Sohn nehmen und Ihren Gatten verlassen.«
»Oh, Martha! Red nicht so und sei in Gottes Namen still!« schrie Cathy verärgert. Ihre laute, schrille Stimme erschreckte Cray, und das kleine Gesicht, das Jons so ähnlich sah, bekam tiefe Furchen. Cathy sprang schnell auf, als ihr Sohn anfing zu schreien.
»Psst, mein Liebling, deine Mama ist wieder ganz ruhig. Alles ist gut«, summte sie in seine schwarzen Löckchen, während sie mit ihm auf und ab ging. Martha warf sie einen brennenden Blick zu, so als wolle sie sagen: »Siehst du, was du getan hast.« Die alte Frau war vollkommen unbeeindruckt. während sie Seife und Handtücher für Cathys Bad zurechtlegte, machte sie ein verschlossenes Gesicht.
Schließlich verwandelten sich Crays Schreie in kleine Schluchzer und versiegten dann ganz. Cathy ging mit ihm zum Bett hinüber. Wenn sie sich sehr leise und vorsichtig bewegte, konnte sie ihn vielleicht hinlegen, ohne daß er wieder aufwachte. Er war den ganzen Tag über sehr launisch gewesen, und Cathy war es leid, ihn zu trösten. Sie nahm an, daß ihm die Veränderung der Umgebung nicht gefiel, worauf auch Martha bereits voller Schadenfreude hingewiesen hatte.
Cathy legte Cray auf den Bauch und deckte ihn mit einer kleinen handgestrickten Decke zu, die sie aus Woodnam mitgenommen hatte. So sehr sie das Kind auch
liebte, sie war doch froh, wenn es für kurze Zeit schlief. Das Badewasser dampfte einladend, und sie freute sich darauf, ihre steifen Glieder ein wenig darin zu entspannen.
Glücklicherweise hielt Martha den Mund, während sie Cathy beim Auskleiden half. Cathy wußte, daß diese ungewohnte Zurückhaltung nichts daran änderte, daß sie anderer Meinung war. Martha gönnte ihr lediglich eine kleine Pause zur Erholung. Früher oder später würde die Frau doch wieder mit ihren Vorwürfen anfangen.
Das Badewasser fühlte sich wunderbar an, als sie hineinglitt. Cathy tauchte bis zum Kinn darin ein und atmete genüßlich den süßen Duft. Sie schloß ihre Augen und wollte endlich die Ruhe und den Frieden, die sie an diesem Tag zum ersten Mal hatte, genießen. Vor ihren geschlossenen Lidern erschien ihr ein dunkles, scharfäugiges Gesicht. Cathy öffnete ihre Augen sofort wieder. Sie würde es sich nicht gestatten, an Jon zu denken.
Also nahm sie den Schwamm in die eine und die Seife in die andere Hand und bearbeitete gründlich ihre Arme und Beine. Eine lange Haarlocke fiel aus dem Knoten auf ihrem Kopf ins Wasser, und sie befestigte sie ungeduldig wieder an ihrem Platz. Schließlich schrubbte sie auch noch ihr Gesicht und wusch die Seife davon ab. Martha stand schon mit einem Handtuch bereit, als sie aus der Wanne herausstieg.
Cathy wickelte sich gerade in das große Handtuch, als die Kabinentür mit einer solchen Wucht aufgestoßen wurde, daß sie beinahe aus den Angeln flog. Cathy schnappte nach Luft und starrte erschreckt zur Tür. Martha ging es nicht anders, und der kleine Cray wachte auf. Er blinzelte verstört, bevor er anfing zu schreien.
Cathys Verwirrung war so groß, daß sie nicht einmal einen Gedanken für den Kleinen hatte. Der Mann, der dort im Türrahmen stand und sie so grimmig anstarrte, war Jon. Das Wasser tropfte von seiner Hutkrempe, und seine Kleider waren triefend naß. Cathy stellte jetzt erst fest, daß es in Strömen regnete, was die Nacht noch dunkler erscheinen ließ. Jons Mund war eine kompromißlose, dünne Linie, und seine Augen blitzten sie wütend an.
»Guten Abend, Cathy«, sagte er spöttisch, als sie ihn stumm anstarrte. »Ich freue mich, zu sehen, daß es dir in meiner Abwesenheit an nichts gefehlt hat.« Sein Blick musterte ihren kaum bedeckten und immer noch tropfnassen Körper von Kopf bis Fuß.
Cathy inspizierte ihn ihrerseits. Er trug schwarze Reithosen, ein Cape, das bis zu den Knien reichte, hohe Stiefel und einen breitkrempigen Hut. So wie es aussah, war er gerade aus Atlanta zurückgeritten, hatte gemerkt, daß sie fort war, und irgendwie herausgefunden, daß sie sich auf der >Unicorn< befand. Cathy schluckte. Sie hatte plötzlich eine trockene Kehle. All ihre Pläne und Vorbereitungen waren vielleicht umsonst gewesen. Dann schürzte sie gedankenvoll die Lippen. Dies war ein englisches Schiff, und ihr Vater befand sich ganz in der Nähe. Jon konnte sie nicht zwingen, mit ihm zu gehen.
Während Cathy am Boden festgewachsen zu sein schien und Jon einfach nur anstarrte, sammelte Martha ihre Sachen zusammen und ging durch die Kabine zu Cray. Die Schreie des Babys versiegten, als Martha es beruhigend auf ihrem Arm schaukelte. Jon warf einen kurzen Blick auf seinen Sohn und die Kinderfrau.
»Martha, würden Sie bitte Cray irgendwo anders hinbringen? Ich möchte ein paar Worte mit meiner Frau reden.«
»Ja, Sir.« Marthas Stimme klang gedämpft, und Cathy nahm an, daß die Frau Jons Erscheinen fast genauso ein-schüchternd empfand wie sie selbst. Diese Gedanken mußte sie sich jedoch sofort wieder aus dem Kopf schlagen, als Martha ihr noch einen kurzen, triumphierenden Blick zuwarf, bevor sie aus der Kabine schlüpfte. Als die zwei fort waren, schloß Jon sanft die Tür hinter ihnen. Er legte mit größter Selbstverständlichkeit seinen Mantel und seinen Hut ab. Durch die Feuchtigkeit der Nacht schmiegten sich seine schwarzen Haare in langen Wellen um seinen Kopf und er fuhr mit einer Hand ungeduldig hindurch. Dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür und verschränkte die Arme über der Brust.
»Ich nehme an, du wirst mir jetzt mal erklären, was zur Hölle du hier tust.« Seine Stimme war immer noch milde, aber in seinen Augen brannte der Ärger. Cathy war versucht, ihre Augen unter seinem glühenden Blick zu senken. Statt dessen zog sie das Handtuch fester um ihren Körper, reckte ihr Kinn und erwiderte seinen Blick kühl.
»Ich verlasse dich. Ich denke, das ist doch offensichtlich.«
»So, also du verläßt mich? Einfach so, ohne ein Wort, während ich unterwegs bin, um den Lebensunterhalt für dich und deinen Sohn zu verdienen? Für unseren Sohn.« Seine Augen glühten jetzt, aber Cathy hielt seinem Blick beharrlich stand.
»Ja.«
»Zum Teufel!« Er verließ die Tür und war mit zwei großen Schritten bei ihr. Seine Hände ergriffen mit schmerzvoller Härte ihre nackten Schultern. Cathy wich keinen Millimeter und zwang sich dazu, gelassen in sein drohendes Gesicht zu sehen. Innerlich war sie bei weitem nicht so ruhig, wie sie sich nach außen hin den Anschein gab. Seine kräftigen Finger drückten sich tief in ihre zarte Haut.
»Du wirst mich nicht verlassen.« Er preßte diese Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Die Muskeln über seinen Wangenknochen arbeiteten bedrohlich. Sein Gesicht war düster und sein Körper angespannt vor Ärger. Er sah aus, als könnte er ihr durchaus ernsthaften Schaden zufügen.
»Du kannst mich nicht aufhalten. Sogar, wenn du mich eigenhändig vom Schiff herunterträgst, werde ich früher oder später ein anderes finden. Du kannst mich nicht dauernd einsperren oder überwachen.«
Ihre ruhige Antwort schien ihn noch wütender zu machen. Er schüttelte sie und ließ sie die Stärke seiner Hände fühlen. Cathys Haar fiel herunter, und auch das Handtuch rutschte von ihrem Körper. Sie bekam es an einem Zipfel zu fassen und hielt es vor sich. Er hörte auf, sie hin und her zu schütteln, und seine Augen glitten wild über ihren fast nackten Körper.
»Warum? Habe ich dich geschlagen oder dich in irgendeiner Weise mißhandelt?« Cathy wußte, daß er jetzt seine Wut eisern beherrschte. Sie sah ihn spöttisch an, und er errötete.
»Du bist wütend wegen der einen Nacht.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Cathy antwortete nicht, wandte ihren Blick ab und starrte versteinert über seine Schulter hinweg. Seine Hände spannten sich jetzt um ihre Oberarme.
»Wegen dieser Sache tut es mir leid. Ich hatte, genauso wie du, zuviel getrunken. Aber du kannst nicht leugnen, daß du mich seit Monaten offen dazu provoziert hattest. Du hast, noch bevor Cray geboren wurde, angefangen, mit mir zu spielen. Welche Folgen hast du erwartet?«
»Jedenfalls keine Vergewaltigung!« fuhr Cathy ihn an und wünschte sich im gleichen Moment, sie wäre kühler und würdevoller gewesen.
»Also gut, es tut mir leid. Es wird nicht wieder Vorkommen. Das verspreche ich. Was kann ich sonst noch sagen?«
»Gar nichts.« Cathy entzog sich ihm, während sie das sagte, und wickelte sich wieder in das Handtuch. Dann drehte sie sich um und ging durch den Raum, um ihren Bademantel aus dem Schrank zu holen. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, während sie ihn überzog, aber seine Augen brannten geradezu auf ihrem Rücken.
»Verdammt noch mal! Du wirst mich nicht verlassen!« Seine Stimme klang wie ein Peitschenschlag hinter ihr. Cathy fuhr mit zerzausten Haaren und blitzenden Augen zu ihm herum.
»Und ob ich werde«, schrie sie ihn an, knotete den Gürtel ihres Bademantels zu und ballte ihre Fäuste. »Und du kannst mich nicht davon abhalten!«
»Und ob ich das kann!«
»Verdammt noch mal, das kannst du nicht!« Cathy war plötzlich genauso wütend wie er. »Ich bin nicht dein Besitz. Weißt du das eigentlich? Und es gibt so etwas wie Scheidung. Du hast diese Ehe so zur Hölle gemacht, daß ich keine Lust habe, das in irgendeiner Form fortzusetzen.«
Jon zog scharf den Atem ein, und seine Augen verdunkelten sich. Er sah aus, als habe er gerade einen Schlag in die Magengrube bekommen. Cathy hatte ein diebisches Vergnügen daran, daß es ihr gelungen war, ihn zu verletzen. Er machte einen Schritt auf sie zu, hielt dann aber inne. Eine dünne weiße Linie erschien an jedem seiner Mundwinkel.
»Du willst, daß ich dich anbettele, nicht wahr?« fragte er wild. »Das ist es, was du die ganze Zeit wolltest: daß ich vor dir auf Knien krieche. Also gut, du Hexe, du hast gewonnen. Ich bitte dich: tu es nicht.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, war voller Haß. Cathy starrte ihn an, und ihr Herz machte einen Hopser. Er bat sie... Ihr stolzer Piratenkapitän bat sie tatsächlich darum, ihn nicht zu verlassen! Die Hoffnung fing an, wieder in ihrer Brust zu atmen. War es möglich...? Sie mußte sicher sein.
»Warum willst du, daß ich bleibe, Jon?« fragte sie fest und ließ seinen Blick keine Sekunde los. Sein Gesicht überzog sich mit einer wütenden Röte. Seine Augen glühten.
»Gott, jetzt willst du Genugtuung, nicht wahr?« fragte er aufgebracht. »Also gut, sollst du haben. Ich liebe dich, verdammt noch mal. Geh doch ruhig weg und lach dich darüber kaputt.«
»Wiederhol das bitte.« Cathy spürte, wie ihre Mundwinkel zuckten und sich zu einem Lächeln verzogen. Er sah es auch, und sein Gesicht wurde jetzt beinahe beängstigend hart. Cathy kümmerte sich nicht darum. Die Freude stieg heiß in ihr hoch. Sie konnte es noch nicht glauben. Er hatte gesagt, daß er sie liebte, und so wütend, wie er aussah, mußte das auch stimmen.
»So, also das findest du lustig, du Hexe?« sagte er drohend. Er griff nach ihr und zog sie wild an sich. »Wir werden sehen, ob du das auch noch lustig findest!«
Sein Mund küßte ihren hart und schmerzhaft, und seine Arme lagen wie Bänder aus Eisen um ihren Körper. Die Gewalt seines Kusses verrenkte ihr fast den Hals. Cathy zitterte in seinem Griff. Ihre Hände legten sich um seinen Nacken, und sie liebkoste ihn zart.
»Ich liebe dich doch auch, du Idiot«, flüsterte sie an seinem warmen Hals, als er sie endlich ein wenig sanfter hielt und sie wieder Zu Atem kam. Er wurde plötzlich still, und seine Hände hörten auf, sich zu bewegen. Nach einem kurzen Moment ergriff er ihre Oberarme und hielt sie ein wenig von sich ab, so daß er in ihr Gesicht sehen konnte. Cathy lächelte ihn entrückt an.
»Was hast du gesagt?« Seine Stimme klang brüchig und war voller Verdacht. In seinen Augen tanzten merkwürdige, wilde Lichter.
»Ich sagte, ich liebe dich. Wenn du nicht so dickköpfig und mißtrauisch wärest, hättest du das schon vor Monaten gewußt.«
Seine Augen fingen an zu glühen, und die heißen Zweifel, die darin lagen, schienen zu verbrennen.
»Wenn das irgendein Spiel ist, was du mit mir machen willst...« Er brach ab, und er knirschte warnend mit den Zähnen. Cathy schüttelte den Kopf, und ihre Augen ruhten warm und zärtlich auf seinem angespannten Gesicht.
»Ist es so schwer, das zu glauben?« fragte sie ein klein wenig spöttisch. »Natürlich kannst du dich wie ein Tyrann, ein Gewalttätiger und ein Eifersüchtiger aufführen, und du hast ein furchtbar aufreibendes Temperament, aber das ändert nichts daran.«
Er schloß die Augen und zog sie mit zitternden Händen an sich. Sie fühlte seine Lippen auf ihrem Haar und umschlang seine Taille mit den Armen. So hielten sie sich, und er murmelte Liebesworte und Versprechungen in die schimmernde Wolke ihres Haares. Cathy konnte nicht anders - sie fing an, mit zitternden Händen das Seidenhemd aus seiner Hose zu ziehen. Sie berührte voller Sehnen seine warme Haut und fuhr mit ihren Händen über seinen Rücken. Dabei fühlte sie mit ihren empfindlichen Fingerspitzen die Narben, die er bis an sein Lebensende behalten würde. Ihre Hände streichelten liebevoll darüber und hielten dann inne. Er konnte es anscheinend immer noch nicht glauben...
»Liebster, du glaubst mir doch jetzt, nicht wahr?« fragte sie ihn und entfernte sich ein wenig, damit sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Er mußte den Kopf Vorbeugen, um ihre Worte noch zu verstehen.
»Was denn?« fragte er lächelnd. Cathy lehnte sich in seinen Armen zurück und betrachtete voller Liebe sein Gesicht. Seine Augen glühten, und in ihnen war ein so weicher Ausdruck, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Sie hatte einen Adler gezähmt, dachte sie und war vollkommen berauscht von seinem Blick, seinem Körper und seinem Geruch. Sie hatte einem wilden, grauen Wolf beigebracht, ihr aus der Hand zu fressen. Dieses Gefühl war unbeschreiblich. Sie war versucht, all die unbeantworteten Fragen auf später zu verschieben, aber sie wollte sicher sein, daß sie ihr ganzes Unglück hinter sich gelassen hatten.
»Zu dem, was dir im Gefängnis passiert ist«, beharrte sie sanft. Die Muskeln seiner Arme spannten sich etwas an, und der alte, wachsame Blick kehrte in seine Augen zurück. Ihr ganzes Herz lag in ihren Augen, als sie diesen Wechsel beobachtete. Nach einem Moment einiger Anstrengung entspannte er sich wieder und lächelte sie an. Trotzdem war sein Gesicht immer noch ein wenig verkrampft.
»Du brauchst dich für das, was du getan hast, nicht zu entschuldigen«, sagte er fest, und seine Augen glühten vor Leidenschaft. »Ich weiß, daß ich es verdient habe. Was ich dir angetan habe... Entführung, Vergewaltigung ... ich habe dich zu meiner Mätresse gemacht... es ist unverzeihlich. Alles was zählt ist, daß du mich jetzt liebst. Wir werden nie wieder über die Vergangenheit sprechen.«
Cathy stieß einen Laut aus, der irgendwie eine Mischung aus Lachen und Weinen war.
»Aber Jon, Liebster, ich schwöre dir, daß ich nichts damit zu tun hatte! Ich wußte nicht einmal, daß du im Gefängnis warst. Die >Lady Chester< ist nach England gesegelt, nachdem du entflohen warst! Wie sollte ich etwas davon wissen?«
»Nachdem ich geflohen war?« wiederholte er ungläubig, und seine Augenbrauen zogen sich ärgerlich zusammen. »Wovon redest du?«
»Nachdem wir geheiratet hatten«, erinnerte Cathy ihn geduldig, aber ihre Worte waren von einem vorwurfsvollen Blick begleitet. »Du bist verschwunden. Das kannst du doch unmöglich vergessen haben!«
»Meine Liebe, nachdem wir geheiratet hatten, hat mich dein Vater bewußtlos geschlagen, weil ich es wagte, unfreundlich zu dir zu sein. Ich war wirklich nicht in der Verfassung, irgendwie zu fliehen. Ich verbrachte die Zeit der Reise im Lagerraum der >Lady Chester<. Als sie in Portsmouth anlegte, wurde ich in Ketten nach London gebracht und in das Gefängnis von Newgate geworfen. Einige Tage später teilte man mir mit, daß ich wegen Piraterie zum Tode verurteilt sei. Man erwies mir nicht einmal die Gnade, selbst vor Gericht zu erscheinen. Wenn meine Männer nicht gewesen wären, würde ich jetzt in der Kalksteingrube des Gefängnisgeländes verrotten. Meine einzige Flucht geschah in London, an dem Abend, als ich in das Haus deiner Tante kam.«
»Aber ich dachte...« Cathys Gedanken waren ein einziges Wirrwarr. Wie konnte das sein? Bevor sie noch ihre Gedanken ordnen konnte, erklang ein hartes Klopfen an der Tür. Jons Arme legten sich fester um sie, und er sah Cathy fragend an.
»Erwartest du einen Gast?«
»Nein, natürlich nicht. Es ist wahrscheinlich Martha -oder mein Vater.«
»Ah ja, dein Vater. Mit dem habe ich noch eine Rechnung zu begleichen.«
Diese Worte waren entschieden zu häßlich dafür, daß der Mann ihren Vater nur ein einziges Mal unter recht ungünstigen Umständen getroffen hatte. Es ging hier etwas vor, was sie nicht verstand. Cathys Gesicht war verwirrt und ärgerlich, als sie zur Tür ging, um zu öffnen.
»Ich muß mit dir reden, meine Tochter. Es gibt da etwas, das du wissen solltest...« Sir Thomas' Stimme brach ab, als seine Augen den großen Mann erblickten, der ihn vom anderen Ende des Raumes aus kühl ansah.
»Hale, ich möchte, daß Sie eins wissen: Ich hätte noch nach Ihnen schicken lassen. Das war es, was ich gerade zu Cathy sagen wollte.«
»Papa, wovon sprichst du überhaupt? Warum wolltest du nach Jon schicken lassen?« fragte Cathy vollkommen verwirrt, während sie zurücktrat, um ihren Vater hereinzulassen. Sir Thomas ignorierte Cathy einfach, während Jons Augen ihn schier durchbohrten.
»Es war eine Lüge, nicht wahr? Sie hatte nichts damit zu tun. Sie wußte es nicht einmal.«
»Ja.« Sir Thomas' Gesicht war aschfahl, und seine Augen ruhten beinahe flehend auf dem aufgebrachten Mann vor ihm. »Sie wußte nichts.«
»Guter Gott, Mensch, ich hätte sie töten können!« Jon hatte diese Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgeschleudert.
»Ich weiß.« Sir Thomas' Stimme klang plötzlich sehr müde.
»Ich bin fast verrückt geworden, als sie verschwunden war. Ich wurde davon benachrichtigt, daß Sie es geschafft hatten, zu fliehen. Und ich wußte, daß Cathy in Ihrer Hand war. Ich dachte... Herrgott, was ich alles dachte! Aber Gott sei Dank haben Sie ihr nichts angetan.«
»Dafür können Sie Gott wirklich danken. Ich war drauf und dran. Ich wollte es, aber ich konnte nicht. Aber... «
»Um Himmels willen! Würde mir bitte mal einer erklären, worum es eigentlich geht? Papa? Jon? « Cathy blickte vom einen zum anderen. Diese merkwürdige Unterhaltung hätte genausogut Griechisch für sie sein können. Sie ergab überhaupt keinen Sinn.
Die beiden Männer sahen sie an. Sie sah so klein und zart in dem Lampenlicht aus, mit ihren langen, goldenen Haaren und dem verärgerten Gesicht. Jons Augen wurden weicher. Cathy lächelte ihn an. Ein kleines, intimes Lächeln, das Sir Thomas mit zutiefst betrübten Augen beobachtete.
»Ich habe dir Unrecht getan, meine Tochter«, sagte Sir Thomas traurig. »Aber glaub mir bitte, daß ich zu jener Zeit dachte, ich würde zu deinem Besten handeln. «
Er machte eine Pause und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Cathy starrte ihn an, und ein ferner, leiser Verdacht kristallisierte sich zur Gewißheit. Jon ging durch die Kabine und trat neben sie. Er legte einen Arm um ihre Taille und drückte sie fest an sich. Cathy ließ ihren Vater nicht einen Augenblick aus den Augen, während sie an der Schulter ihres Mannes lehnte.
»Jon ist gar nicht von der >Lady Chester< geflohen, nicht wahr, Papa? Du hast mich angelogen. « Sie wußte, daß es genauso war, wie sie es sagte. Das Kopfnicken ihres Vaters war eine überflüssige Bestätigung.
»Sag es mir, Papa. « Diese Worte kamen ruhig. Cathy spürte, wie die Tränen in ihr hochstiegen, während Sir Thomas mit stockender Stimme erzählte, wie er Jon in England ins Gefängnis werfen hatte lassen, wie er seine Gerichtsverhandlung und sein Todesurteil erwirkt hatte. Als er zu der Stelle kam, die die Schläge betraf, die er Jon zukommen ließ, und als er ihr erzählte, wie er Jon vorgelogen hatte, daß sie auf Cathys Anordnung hin geschehen würden, stieß Cathy einen empörten Schrei aus. Jon legte seinen Arm fester um sie, und sie konnte seinen Mund in ihrem Haar spüren. Sir Thomas sah elend aus.
»Als ich endlich deine Spur bis nach Charleston verfolgt hatte, fand ich meine Tochter körperlich gesund vor, auch wenn sie in ihren Gefühlen furchtbar aufgebracht war«, fuhr Sir Thomas mit einem Blick auf Jon fort. »Ich konnte genügend aus ihr herausbekommen um zu wissen, daß sie sich nicht geliebt fühlte. Als ich sah, wie gut Sie sie unter den gegebenen Umständen behandelt hatten, wußte ich, daß das nicht wahr sein konnte. Also willigte ich ein, ihr zu helfen, wobei ich vorhatte, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, um Ihnen die Wahrheit zu sagen. Ich dachte, daß Sie es mir wohl glauben würden. Aber wie ich sehe, habt ihr es heute abend auch ohne meine Hilfe geschafft, die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich bereue zutiefst jeden Schmerz, den ich euch zugefügt habe, und ich hoffe, daß ihr mir irgendwie verzeihen könnt.«
Seine müden, blauen Augen ruhten sorgenvoll auf Cathy, als er zu Ende gesprochen hatte, und sie brachte es nicht übers Herz, die stille Bitte, die in ihnen lag, zu übersehen. Sie löste sich aus Jons Griff und ging hinüber zu ihrem Vater. Sie legte sanft ihre Hand auf seinen Arm und stieg auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuß auf die Wange zu geben.
»Natürlich verzeihen wir dir, Papa. Ich weiß, daß du es nur für mich getan hast.« Sie warf einen bittenden Blick über ihre Schulter auf Jon, der sich versteift hatte. Da seufzte er und durchquerte sehr langsam den Raum. Er streckte Sir Thomas seine Hand hin. Der ältere Mann griff gerührt danach, und Cathy fing beinahe selbst an zu weinen, als sie das verdächtige, feuchte Glitzern in den Augen ihres Vaters sah.
»Ich glaube, wir müssen lernen, uns gegenseitig zu tolerieren«, sagte Jon trocken und entzog seine Hand schließlich dem fast schon schmerzhaften Griff von Sir Thomas. »Sie sind der Vater meiner Frau und der Großvater meines Sohnes. Und da ich vorhabe, beide zu behalten und vielleicht sogar noch der eine oder die andere hinzukommen wird, werden wir uns wahrscheinlich noch öfter sehen. Wenn Sie einen ehemaligen Piraten als Ihren Schwiegersohn verdauen können, kann ich vielleicht auch mit einem unehrlichen Earl als Schwiegervater leben.«
Jon lächelte, während er sprach, und Sir Thomas strahlte ihn jetzt an.
»Ich bin stolz darauf, Sie in meiner Familie zu haben«, versicherte Sir Thomas. Er streichelte seine Tochter und schüttelte noch einmal Jons Hände. Dann ging er hinaus. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte sich Jon dagegen und sah Cathy mit glühenden Augen an.
»Nun, meine Liebste?« fragte er sanft. Sie flog ihm um den Hals und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Er schlang seine Arme um sie und hielt sie fest.
»Du mußt mich gehaßt haben, Jon«, flüsterte sie. Er lächelte ein wenig und vergrub sein Gesicht in ihrem leuchtenden Haar, genoß seine Weichheit und den süßen Duft, den er so gut kannte.
»Das habe ich - aber nur, weil ich dich so sehr geliebt habe. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß du mir so etwas angetan hättest. Ich hatte gerade angefangen zu glauben, daß ich dir etwas bedeute, als alles verloren zu sein schien.«
»Daß du mir etwas bedeutest?« Cathy lachte. »Zu der Zeit war ich bereits bis über beide Ohren in dich verliebt.
Ich wollte es dir sagen, aber ich hatte solche Angst, daß deine Gefühle für mich nicht die gleichen sein könnten. Ich dachte, daß du mich nur wolltest, weil... weil...« Sie brach ab und wurde rot. Jon hielt sie ein wenig von sich ab, damit er ihren Gesichtsausdruck sehen konnte. Er grinste frech angesichts der Röte.
»Du hattest recht. Ich wollte dich, weil... weil...«, sagte er verschmitzt. »Und ich will dich immer noch. Aber ich liebe dich mehr, als ich je glaubte, jemanden in meinem ganzen Leben lieben zu können. Und wenn du mich läßt, werde ich es dir mein ganzes Leben lang beweisen.«
Diese letzten Worte hatte er sehr ruhig gesagt, und Cathy schmolz bei seiner Zärtlichkeit förmlich dahin. Sie lächelte ihn liebevoll an und stellte sich auf die Zehenspitzen, um mit ihren Lippen an seine heranzukommen. Jons Arme legten sich eng um sie, und er küßte sie so heiß und mit einer neuen Innigkeit, die Cathy bis in die Zehen erregte. Schließlich entzog sie sich ihm ein wenig und schnappte nach Luft. Sie zitterte, ihre Wangen glühten rosig, und in ihren Augen stand der Ausdruck überströmender Liebe. Er fuhr fort, Küsse über ihren zarten Hals zu verteilen, und dann wanderte sein Mund unter den Kragen ihres Bademantels und ruhte in der Mulde zwischen ihren Brüsten. Er liebte sie, und sie liebte ihn. Nichts würde das jemals ändern.
»Liebling, was hast du da vorhin zu meinem Vater gesagt: von dem einen oder anderen, der vielleicht noch hinzukommen wird? Meintest du das wirklich? Ich - ich weiß, daß du nicht allzu glücklich warst, als ich dir das von Cray erzählt hatte...« Sie brach ab, und er hob seinen Kopf, um sie anzusehen.
»Mein Schatz, du kannst doch nicht glauben, daß ich Cray nicht wollte? Ich liebe dich. Und ich werde alle Kinder lieben, die du mir schenkst. Ich hatte damals nur solche Angst, dich zu verlieren. Deshalb habe ich so reagiert, als du mir das von dem Baby erzähltest.«
»Oh, Jon«, seufzte sie und drückte sich an seine Muskeln, die von Minute zu Minute härter wurden. Ihre Hände liebkosten seine breiten Schultern. »Werden wir viele Kinder haben?«
»Dutzende«, flüsterte er außer Atem und hob sie auf seine Arme. Seine Augen funkelten, als sie ihre trafen. »Jedenfalls mindestens zwei Dutzend. Ich werde das in meine Pläne einbeziehen, und ich schlage vor, daß wir gleich damit anfangen.«
»Hier?« fragte Cathy bebend. »Aber Liebling, sollten wir nicht erst nach Hause gehen? Ich...«
»Alles, woran ich im Moment denken kann, ist, dich zu lieben«, flüsterte er in ihr Ohr. »Wir können morgen nach Hause gehen.«
Und genau das taten sie.