Er hielt sie auf diese Weise fest, während er zwischen ihren Beinen kniete, und seine Augen brannten auf ihrer wehrlosen, schamvollen Nacktheit. Angesichts der offenen Brutalität, die in seinem Gesicht geschrieben stand, hielt Cathy den Atem an. Sie drehte ihren Kopf auf dem samtig gepolsterten Sitz hilflos hin und her.
»Jon, bitte tu's nicht!« flehte sie verzweifelt, und sie wußte, daß etwas zwischen ihnen für immer zerstört sein würde, wenn er sie so nahm. Als sie sich vorgestellt hatte, wie er sie liebte, hatte sie das Bild des lachenden, zärtlichen Jon von Las Palmas vor Augen gehabt. Dieses war jedoch ein harter, brutaler Fremder, der vorhatte, sie zu verletzen und zu demütigen.
»Warum denn nicht, zum Teufel?« Seine Stimme war grausam, und seine Hände kneteten schmerzhaft ihren zarten Körper. »Du bist meine Frau und zwar durch deine eigene Schuld. Du gehörst mir. Ich muß zugeben, daß es weniger kostspielig ist, eine Hure zu kaufen, als sich eine eigene Frau zu halten. Aber du wirst dein Geld schon wert sein. Und zwar jetzt sofort.«
Mit diesen Worten zog er sie an sich und durchdrang sie mit seiner brutalen Leidenschaft. Ihr Schmerzensschrei bereitete ihm ein beinahe teuflisches Vergnügen. Er wollte ihr weh tun. Er nahm sie, über ihr kniend, wie ein Tier. Ihr schmerzvolles Gewimmer trieb ihn nur noch mehr an. Seine Augen gingen über vor Leidenschaft, und sein Atem rasselte in seiner Kehle. Cathy hatte ihre Augen geschlossen und weinte still. Sie hatte ihn früher der Vergewaltigung angeklagt. Bei Gott, jetzt wußte sie, was das Wort bedeutete.
Ein Stöhnen entrang sich seiner Brust, als er sich in sie ergoß. Er blieb noch einige Minuten in ihrer Wärme eingebettet; dann öffnete er die Augen und starrte ausdruckslos in ihr tränenüberströmtes Gesicht hinunter. Er setzte sich auf und drehte ihr den Rücken zu, während er seine Kleider zurechtzog. Cathy lag noch genauso da, wie er sie liegengelassen hatte, und machte keinen Versuch, ihren Körper zu bedecken. Der Schock und die Verzweiflung hatten sie vollkommen apathisch gemacht, und es war ihr total gleichgültig, was er sonst noch mit ihr machen würde. Jon drehte sich um, und sein Mund nahm einen ärgerlichen Zug an, als er sah, daß sie sich nicht von der Stelle gerührt hatte.
»Willst du noch mehr?« verspottete er sie gefühllos, Die Kutsche fuhr über ein Schlagloch, und er mußte sich mit einer Hand abstützen. »Es wäre mir ein Vergnügen, dem abzuhelfen, aber wir sind fast zu Hause. Oder möchtest du, daß der Kutscher meinen Platz übernimmt? Ansonsten rate ich dir, dich zu bedecken.«
Cathy bewegte sich immer noch nicht. Mit einer wütenden Bewegung packte Jon ihren Arm und riß sie hoch in eine sitzende Position. Sie schreckte vor ihm zurück, und in ihren blauen Augen schwammen Tränen. Jons Gesicht verfinsterte sich bedrohlich.
»Ich sagte, du sollst dich bedecken!« fuhr er sie an. Cathy machte einen schwachen Versuch, ihm zu gehorchen. Ihre Hände zitterten so sehr, daß sie es nicht schaffte. Jon beobachtete sie mit zusammengepreßtem Mund. Es gelang ihr schließlich, ihr Hemd wieder hochzuziehen und ihre Brüste zu bedecken. Sie zog den Rock über ihre Beine, aber mit ihrem zerrissenen Mieder war nichts mehr zu machen. Es stand offen und ließ die nackte Haut unter dem dünnen Seidenhemd sichtbar erscheinen.
Jon fluchte, als die Kutsche mit einem Ruck zum Stehen kam. Cathy hielt das Vorderteil ihres Kleides mit beiden Händen zusammen und drehte sich um, so daß sie mit dem Rücken zur Tür stand. Schnell zog Jon seinen Mantel aus und legte ihn um ihre Schultern, bevor er die Laterne löschte. Sobald das Innere der Kabine in Dunkelheit getaucht war, wurde auch schon die Tür aufgerissen. Der Kutscher stand da und wartete darauf, daß sie aussteigen würden.
Jon sprang leichtfüßig aus der Kutsche und streckte dann Cathy seine Arme entgegen. Sie ließ sich wie ein Stück Holz aus dem Fahrzeug heben und fühlte sich plötzlich schwindlig. Ihre Beine schienen sie nicht länger tragen zu können. Jon schnaubte, als er ihre Schwäche fühlte, und legte seine Hand fester um ihre Taille. Cathy war unfähig, sich selbst zu helfen. Sie schloß ihre Augen und lehnte sich schwer an ihn. Sie war sicher, daß sie gleich in Ohnmacht fallen würde.
Mit einem tiefen Seufzer legte Jon einen Arm um ihre Schulter und den anderen unter ihr Knie. Er trug sie wie ein kleines Kind. Ihr Kopf hing kraftlos herunter, und im Mondlicht sah sie geisterhaft blaß aus. Der Kutscher stand nur da und gaffte die beiden an, bis Jon ärgerlich wurde.
»Bring die Kutsche weg und kümmere dich um die Pferde«, befahl er streng und ging dann mit langen, zornigen Schritten über die Vordertreppe ins Haus.
Die Halle war vollkommen leer und die Sklaven längst im Bett. Zwei Kerzen brannten auf einem Tischchen am Fuß der Treppe, die auf die Rückkehr des Hausherrn und der Herrin warteten. Da Jon alle Hände voll hatte, mußte er sie stehen lassen und im Dunkeln die Treppe hinaufgehen. Er war ziemlich außer Atem, beugte sich vor und pustete angestrengt die Kerzen aus. Dann stieg er die stockfinstere Treppe hinauf, die nur durch ein paar verlorene Schimmer des Mondlichts beleuchtet war, das durch das kostbare Glasfenster über der Eingangstür fiel. Cathy lag vollkommen kraftlos in seinen Armen und machte sich nicht einmal die Mühe, einen Arm um seinen Nacken zu legen. Sie fühlte sich durch und durch krank.
Jon hielt vor ihrer Schlafzimmertür an und bemühte sich, sie zu öffnen. Dabei mußte er seinen Griff um Cathy ein wenig lösen. Cathy fühlte, wie sie rutschte, und hielt sich instinktiv an Jons Schultern fest, als sich die Tür öffnete.
Der warme Schein eines vielarmigen Kerzenleuchters erhellte den Raum, der eigentlich von dem Hausherrn auf Woodham und seiner Frau geteilt werden sollte. Das riesige Bett, dessen Decken einladend zurückgeschlagen waren, leuchtete ihnen aus der Mitte des Zimmers entgegen. Ein kleines Feuer brannte in dem Kamin davor, und Martha saß da und war auf ihrem Stuhl eingeschlafen.
»Du kannst mich jetzt absetzen«, flüsterte Cathy peinlich berührt und vermied es, Jon anzusehen. Sie wollte nicht, daß Martha aufwachte. »Ich fühle mich jetzt schon ein wenig besser.«
»So siehst du aus«, antwortete er mit einem beißenden Unterton, und seine grauen Augen blickten ärgerlich und gleichzeitig unergründlich in ihr bleiches Gesicht. »Dein Gesicht ist so weiß wie der Tod. Was zum Teufel ist mit dir los? Habe ich dich verletzt?«
Bei der letzten Frage hatte er sich sichtlich Mühe geben müssen. Cathy erkannte an dem ängstlichen Blick, daß er befürchtete, sie verletzt zu haben, weil sie sich vielleicht noch nicht vollständig von Crays Geburt erholt hatte.
»Ja, du hast mich verletzt!« Ihre Antwort war nur ein kraftloses Flüstern. »Ich denke, daß das der Sinn der ganzen Aktion war!«
»Miß Cathy, sind Sie das?« Martha setzte sich hoch und sah sich mit schläfrigen Augen blinzelnd im Zimmer um.
»Ja, Martha, ich bin's.« Cathy freute sich jetzt über Marthas Anwesenheit. Je eher Jon verschwand, desto besser für sie. »Laß mich herunter«, befahl sie im Flüsterton.
»Wie ich dir schon gesagt habe: Von dir lasse ich mir gar nichts sagen«, knurrte Jon in ihr Ohr, aber er lockerte den Griff um ihre Knie etwas und ließ ihre Füße auf den Boden gleiten. Seine Hand lag immer noch unnachgiebig um ihre Taille, und insgeheim war Cathy froh über diese Stütze. In ihrem Kopf war alles alarmierend verschwommen, und wenn er sie losgelassen hätte, wäre sie vielleicht doch noch umgefallen.
»Du bist spät, Liebes, und ich war...«, begann Martha vorwurfsvoll, weil sie nur Cathys Schatten in dem Feuerschein wahrgenommen hatte. Die Frau brach ab, und ihre Augen weiteten sich sichtbar, als sie sah, daß Jon hinter ihrem Schützling stand und besitzergreifend den Arm um Cathys Taille gelegt hatte. Marthas scharfe Augen wanderten von Jons Arm zu Cathys zerzaustem Haar, ihrem wunden Mund und ihren blicklosen Augen. Es war klar, daß Miß Cathy ihre Dienste heute nicht mehr brauchte! So wie die beiden aussahen, wollten sie einfach nur allein sein.
»Nun, offensichtlich brauchen Sie mich nicht mehr, Liebes. Ich werde ins Bett gehen. Machen Sie sich keine Sorgen um Cray. Wenn er aufwacht, werde ich ihn beruhigen. Es tut dem kleinen Gentleman mal ganz gut, zur Abwechslung die Flasche zu bekommen!«
Sie lächelte die beiden verständnisvoll an, während sie sprach und zur Tür ging.
»Martha...«, stieß Cathy eindringlich hervor, denn sie hatte Angst, nochmals mit ihrem Ehemann allein gelassen zu werden. Jons Arm griff eisern um ihre Taille, und seine Finger drangen schmerzhaft in ihr Fleisch, als Martha einen forschenden Blick über ihre Schulter warf.
»Ja, Miß Cathy?«
»Laß sie gehen, oder willst du, daß sie dich so sieht?« zischte Jon Cathy ins Ohr, während Martha sprach. Cathy dachte an ihr zerrissenes Kleid und die unmißverständlichen Zeichen von Jons Vergewaltigung, die innrer noch auf ihrem Körper brannten.
»Ich wünsche dir eine gute Nacht, Martha«, preßte sie zwischen ihren trockenen Lippen hervor.
Martha lächelte sie wissend an.
»Ich dir auch, Liebes«, sagte sie mit einem Zwinkern und verließ den Raum, wobei sie die Tür ganz sachte hinter sich schloß.
Jon ließ sie nicht sofort los. Cathy war sich mit jeder Faser bewußt, daß Jons großer, starker Körper hinter ihr stand. Sie war sich seines Herzens bewußt, das neben ihrem Ohr schlug und seines Atems, der leicht ihre Locken bewegte. Sie spannte sich an und versuchte, ihn von sich wegzustoßen. Sein Griff lockerte sich nicht.
»Du kannst mich jetzt loslassen. Wir sind allein. Es ist nicht mehr nötig, daß du so tust, als wärest du um mich besorgt. « Diese Worte waren voller Sarkasmus.
»Kannst du stehen? « Jons Stimme war rauh, und er ignorierte ihren Hohn.
»Sicher«, antwortete Cathy mit eisiger Würde. Der harte Arm um ihrer Taille zog sich langsam zurück. Ohne seine eiserne Unterstützung fingen ihre Knie an zu zittern, aber Cathy zwang sich dazu, aufrecht zu stehen. Alles, was sie noch wollte, war, ihn so schnell wie nur möglich loszuwerden.
»Gute Nacht«, sagte sie demonstrativ und machte ein paar Schritte auf das Bett zu. Dann drehte sie sich zu ihm um. Sie lehnte sich beiläufig an den Bettpfosten und war sich darüber bewußt, daß seine Augen auf ihr ruhten. Er machte keine Anstalten, sie allein zu lassen.
»Ich möchte, daß du jetzt gehst, wenn du nichts dagegen hast. Ich bin müde. « Ein kleines Zittern lag in ihrer Stimme, und sie hoffte inständig, daß er es nicht gehört hatte.
»Zieh dich aus«, sagte er ganz selbstverständlich und ging auf sie zu. Er hatte seine Hände tief in den Taschen seiner grauen Hose vergraben und wippte von den Zehen auf die Fersen und wieder zurück. Er schlug seine
Augen nieder, als sie ihre trafen. Cathy starrte ihn mit offenem Mund und voller Unglauben an. Dann klappte sie ihren Mund entschlossen wieder zu.
»Du hast für heute nacht deinen Spaß gehabt«, sagte sie kurz, und auf den Fingern mit dem sie immer noch seinen Mantel festhielt, traten die Knochen weiß hervor. Sie versuchte, sich von dem Bettpfosten zu entfernen, fiel aber daran zurück. Ohne diese Stütze wäre sie hingefallen.
»Ich will nicht meinen Spaß, wie du es nennst«, antwortete er ruhig, und seine Augen wendeten sich keine Sekunde von ihrem eingefallenen Gesicht ab. »Ich will nur sicher sein, daß bei dir alles klar geht. Kannst du dich jetzt ausziehen, oder soll ich dir helfen?«
Cathy starrte ihn wütend an. Er sah so groß und unbesiegbar aus wie er so dastand, so kühl und gesammelt, als hätten ihn die Ereignisse dieser Nacht nicht im geringsten mitgenommen. Dann erinnerte sie sich daran, daß sie diejenige war, die verletzt und entwürdigt worden war. Er fühlte sich wahrscheinlich einfach nur erleichtert!
»Es ist ein bißchen spät, um sich jetzt noch Sorgen um mein Wohlergehen zu machen, findest du nicht?« stieß sie giftig hervor. »Sollte es mir nicht sehr gut gehen, bist du immer noch der Grund dafür!«
»Zieh dich aus, Cathy«, wiederholte er unvermittelt. Er ging hinüber zum Kamin und setzte sich auf den Stuhl, den Martha dort zurückgelassen hatte. Cathy starrte ihn immer noch an. Sie riß den Mantel von ihren Schultern und warf in einem plötzlichen Wutanfall damit nach ihm.
Er fing ihn mit Leichtigkeit auf. Cathy ballte kraftlos ihre Fäuste und sank dann zurück an den Bettpfosten, dieser kleine Wutanfall hatte sie ihre letzte Kraft gekostet. Ihr Kopf war verschwommen, aber sie wäre eher gestorben, als sich von ihm entkleiden zu lassen, nachdem er sie auf diese unverzeihliche Weise behandelt hatte!
Zum Glück starrte er sie jetzt nicht mehr an. Er hatte eine dünne, braune Zigarre aus seiner Westentasche gezogen und beugte sich zum Feuer, um sie anzuzünden. Seit er nach Woodham gezogen war, hatte er sich das Rauchen angewöhnt, und Cathy war sich nicht sicher, ob ihr das sonderlich gefiel. Es ließ ihn fremder denn je erscheinen.
Sie holte tief Luft und fing an, an den Häkchen auf dem Rücken ihres Kleides herumzufummeln. Jon hatte es sich auf dem Stuhl bequem gemacht, und er blickte desinteressiert in die Flammen, während er seine Zigarre paffte. Der Rauch stieg über ihm hoch und war widerwärtig stark. Als er zu Cathy zog, sie umgab, sie erstickte, spürte sie, daß ihr Magen rebellierte. Sie schlug die Hand vor den Mund, aber es war schon zu spät. Sie übergab sich dort, wo sie stand.
Als der furchtbare Krampf vorüber war, merkte Cathy, daß Jon neben ihr stand. Er beugte sich zu ihr herunter und ergriff ihre Unterarme. Sanft hob er sie von dem Platz, an dem sie zusammengebrochen war. Er lächelte ein wenig, als er in ihr jammervolles Gesicht heruntersah, und wenn Cathy die Kraft dazu gehabt hätte, hätte sie dieses überlegene Grinsen mit einer Ohrfeige aus seinem Gesicht vertrieben.
»Es war deine verdammte Zigarre!« brachte sie zu ihrer Verteidigung hervor, als er sie auf die Bettkante setzte und ihr Gesicht vorsichtig mit einem feuchten Handtuch abwischte.
»Das glaube ich kaum«, antwortete er und kniete sich nieder, um ihr die Schuhe auszuziehen. Cathy fühlte sich zu schwach, um aufrecht sitzen zu können. Sie fiel auf die Matratze zurück, und ihre Beine baumelten immer noch über der Bettkante. »Wieviel hast du getrunken?«
»Ich bin nicht betrunken!« protestierte Cathy ungnädig. Wie konnte er es wagen, so etwas von ihr anzunehmen! »Ich habe nichts außer Punsch getrunken.«
»Champagner-Punsch«, ergänzte Jon ruhig. »Ich sah, wie du ihn hinuntergeschüttet hast, aber ich wäre nie darauf gekommen, daß...«
»Oh, sei ruhig!« fauchte Cathy und ließ sich in ihrem Ärger gehen. »Niemand wird von Punsch betrunken!«
»Du hast es aber ziemlich gründlich geschafft, meine Liebe.« Das Lachen in seiner Stimme machte Cathy noch wütender. Nach allem, was er ihr heute nacht angetan hatte, besaß er auch noch die Frechheit, über sie zu lachen. Mit übermenschlicher Anstrengung brachte sie es fertig, sich wieder aufzusetzen. Ihre Hand holte in einem großen Bogen aus und landete mit einem befriedigenden Klatschen auf seiner Wange.
Cathy starrte ihn herausfordernd an, als er sich mit einer Hand ungläubig an seine Wange griff. Er kniete immer noch zu ihren Füßen und war fast auf gleicher Augenhöhe mit ihr.
»Das hast du verdient«, teilte sie ihm entschlossen mit und sank dann wieder auf die Matratze zurück.
»Verdient oder nicht, es ist besser für dich, so etwas nicht zu wiederholen«, sagte er nach einem Moment drohend. »Das nächste Mal könnte es in gleicher Münze zurückgezahlt werden.«
»Aufgeblasener Tyrann«, murmelte Cathy unversöhnlich und schloß fest ihre Augen, weil die Decke anfing, sich über ihr im Kreis zu drehen. Als sie sie wieder öffnete, war Jon über ihr. Als sie ihn anblinzelte, kam sein Gesicht näher und verschwamm vor Ihren Augen.
»Verschwinde!« zischte sie und wurde mit einem widerstrebenden Lächeln bedacht.
»In ein paar Minuten«, versprach er ernst, und seine Hände legten sich behutsam auf ihre Schulter, damit er sie auf den Bauch rollen konnte. Cathy spürte, wie er die Haken an der Rückseite ihres Kleides öffnete. Er zog es herunter und warf es beiseite. Dann begann er, mit den Bändern ihrer Unterwäsche zu kämpfen. Sie hatten sich offensichtlich zu einem Knoten verwickelt. Cathy hörte seine unterdrückten Flüche, als er versuchte, ihn zu entwirren. Schließlich hatte er Erfolg und zog ihre Höschen herunter.
»Mir ist schlecht«, stöhnte sie plötzlich, als es in ihrem Magen wieder beunruhigend rumorte.
»Ich weiß.« Seine Stimme war zärtlich, und seine Hände liebkosten kurz ihre Oberschenkel, bevor er die Strümpfe und Strumpfbänder von ihren Beinen zog. »Wenn ich dich entkleidet habe, werde ich dir etwas bringen, womit es dir gleich besser gehen wird.«
»Was denn? Gift?« Diese Frage war eine reine Herausforderung, aber Jon ignorierte die Provokation. Er drehte Cathy wieder auf den Rücken. Sie war zu schwach, um selbst noch irgend etwas tun zu können. Jons Hände fühlten sich warm an ihrem Nacken an, als er ihre Halskette aufmachte. Dann nahm er auch ihre Ohrringe ab und schließlich ihre Haarspange. Cathy verfiel auf der Stelle in einen unruhigen Schlaf. Da spürte sie, wie etwas Kühles und Feuchtes über ihren Bauch und ihre weichen Schenkel glitt.
»Was machst du?« fuhr sie ihn an und riß noch einmal die Augen auf. Jon fuhr fort, sie mit einem nassen Kleidungsstück abzuwaschen. Er reinigte sie mit einer Intimität, die sie erröten ließ.
»Du hast eine Wäsche nötig«, sagte er und blickte kurz mit beinahe zärtlichen Augen zu ihr hoch. Als er die Reinigung beendet hatte, warf er den Lappen fort und stand auf. Cathy lag völlig nackt auf dem Bett, und ihre Beine baumelten immer noch auf diese lächerliche Weise über die Bettkante herunter. Jon drehte sich um und ging durch den Raum zu dem Schrank.
»Was machst du? « fragte sie, bevor sie es noch verhindern konnte, denn sie fühlte sich merkwürdig allein gelassen. Jon warf ihr einen amüsierten Blick über seine Schulter zu. Seine Hände durchsuchten die Stapel mit ihrer Unterwäsche.
»Ich nehme an, daß du in einem Nachthemd schlafen willst? «
»Oh«, murmelte Cathy und nickte dann. Ihre Wut auf ihn verblaßte langsam, genauso wie die Erinnerung an die Ursache ihrer Wut. Das verrückte Chaos in ihrem Kopf verwischte alles.
»Du hast mir wehgetan«, klagte sie und erinnerte sich nur noch vage an einen fürchterlichen Schmerz, für den Jon der Grund war.
Jon fand, was er suchte, und ging mit einem seidenen Hemd in der Hand zurück zum Bett.
»Du hast mir auch wehgetan«, erinnerte er sie, und seine Hand berührte leicht die Wange, auf die sie ihn geschlagen hatte. »Wir sind wieder quitt. «
Das erschien Cathy, die von Minute zu Minute schläfriger wurde, einleuchtend. Sie erlaubte ihm gehorsam, sie auf die Füße zu stellen und lehnte schwer an seiner breiten Brust, während er ihr das Nachthemd über den Kopf zog. Sein männlicher Geruch war entsetzlich angenehm. Cathy vergrub ihr Gesicht in der kühlen Seide seines Hemdes, während er ihr Nachthemd zurechtzog.
»Ins Bett mit dir, du Verführerin«, hörte sie ihn murmeln. Seine Stimme war heiser und rauh. Er umarmte sie kurz und legte sie viel zu schnell auf die weiche Matratze. Diesmal lag sie der Länge nach in einer ordentlichen Schlafposition. Ihre blauen Augen sahen ihn vorwurfsvoll an, als er sie sorgfältig bis unter das Kinn in die Decken wickelte.
»Mein Kopf tut weh«, sagte sie so, als sei es irgendwie sein Fehler. Er lächelte sie an, und sein Gesicht sah plötzlich anziehend aus.
»Ich werde mich darum kümmern«, versprach er und fuhr mit einem Finger über ihre kleine, gerade Nase. »Ich muß öfter dafür sorgen, daß du betrunken bist. Du bist unwiderstehlich. «
Cathy konnte ihn nur noch mit schläfrigem Ärger ansehen, dann war er schon verschwunden. Kurz darauf kam er mit einem kleinen Glas zurück, in dem eine geheimnisvoll aussehende Flüssigkeit war.
»Trink das. « Er setzte sich auf die Bettkante und hielt es ihr hin.
Cathy rappelte sich hoch. Sogar diese kleine Bewegung ließ bereits alles in ihrem Kopf drehen.
»Was ist das? « fragte sie mißtrauisch.
»Hundehaare, meine Liebe, mit einem Geheimmittel. Trink es. « Er legte seinen Arm um ihren Rücken und hielt sie aufrecht. Als er das Glas an ihre Lippen setzte, war Cathy gezwungen, zu schlucken. Es schmeckte bitter, und sie verzog ihr Gesicht. Aber sobald sie wieder auf den Kissen lag und ihr Magen die Flüssigkeit aufgenommen hatte, fühlte sie sich wirklich besser. Sie schien zu schwimmen, und ihr Körper fühlte sich an, als habe er überhaupt kein Gewicht. Die Matratze knarrte und hob sich ein wenig, als Jon aufstand.
»Laß mich nicht allein«, murmelte Cathy und hatte Mühe, ihre Augen zu öffnen, als sie seine Hand festhielt. »Bitte. «
»Ich bleibe bei dir. «
»Martha würde so enttäuscht sein... « Die Worte brachen ab, und ihre langen Wimpern legten sich auf ihre bleichen Wangen. Jon zog eine Grimasse. Trotz seiner festesten Entschlüsse konnte ihn die kleine Hexe mit größter Leichtigkeit um den Finger wickeln. Er ging zum Kamin hinüber und starrte blicklos in die Flammen, während er sich trocken über die Torheiten eines liebeskranken Mannes amüsierte.
Das Knallen eines brennenden Holzscheits weckte Cathy einige Stunden später. Der Raum war dunkel und von geheimnisvollen Schatten bevölkert. Cathy blinzelte verstört und stützte sich auf einen Ellenbogen, um sich im Zimmer umzusehen. Der blasse Geruch einer Zigarre hing noch in der Luft und erinnerte sie unwiderstehlich an ihren Mann. Sie erinnerte sich nicht sehr genau an alles, was in dieser Nacht geschehen war, aber sie konnte sich noch entfernt daran erinnern, daß Jon sie sanft entkleidet hatte und sie mit seiner tiefen Stimme >Meine Liebe< genannt hatte. Seine Liebe! Ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
Ihre Aufmerksamkeit wurde jetzt von dem leuchtenden, orangenen Glühen einer Zigarrenspitze angezogen. Sie starrte sie an und konnte nur undeutlich den langen Schatten dahinter, der auf dem Stuhl vor dem Feuer saß, ausmachen.
»Jon? « fragte sie atemlos und wußte, daß nur er es sein konnte. Die Zigarre flog in das Feuer, und der dunkle Schatten erhob sich. Er kam auf das Bett zu, und Cathy sank erfreut zurück. Es war tatsächlich Jon.
»Wie fühlst du dich? « fragte er sanft und beugte sich über sie, wobei sein Gesicht im Schatten blieb.
»Allein. « Cathy seufzte und sah keinen Grund, ihre Liebe noch länger vor ihm zu verstecken, nun, nachdem er auch seine Liebe zu ihr zugegeben hatte. Seine Liebe. Seine Liebe. Diese Worte hallten wie die Verkündigung eines Segens in ihren Gedanken.
»Was meinst du damit?« fragte Jon nach einem langen Schweigen mit seltsam beherrschter Stimme. Cathy hätte gerne seinen Gesichtsausdruck gesehen, aber das Zimmer war zu dunkel. Nun gut, es würde ein Morgen geben - viele Tage, um über Liebe zu sprechen. Jetzt wollte sie einen fühlbaren Beweis.
»Außerdem ist mir kalt«, flüsterte sie sanftmütig, und ihre Hand stahl sich unter den Bettdecken hervor, um verführerisch über seinen Oberschenkel zu streicheln. »Willst du mich nicht ein wenig aufwärmen?«
»O Gott, Cathy, du bist immer noch betrunken«, stöhnte er. Cathy lächelte in der Dunkelheit. Ja, sie war betrunken. Berauscht von dem Nektar seiner Liebe. Ihre Finger wanderten verspielt etwas höher. Er wollte sich ihr entziehen, hielt dann aber inne. Ein tiefer Laut entrang sich seiner Brust, und seine Hand legte sich über ihre und drückte sie fester an seinen Körper.
»Ich will dich.« Seine Stimme klang gepreßt. Cathys Finger bearbeiteten den weichen Samt, tastend und knetend. Sie fühlte einen der harten, runden Knöpfe und öffnete ihn, dann den nächsten. Ihre kühlen, kleinen Finger glitten hinein und streichelten zart seine heiße Haut.
»O Gott!« stöhnte er und legte sich neben ihr auf das Bett. Seine Arme legten sich um sie, und er preßte ihren Körper fest an sich. Die dicken Bettdecken waren noch zwischen ihnen, und Jon stieß sie ungeduldig beiseite. Sein Mund glitt heiß über ihre Lippen. Cathy schlang ihre Arme eng um seinen Nacken, und sie erwiderte seinen Kuß mit hingebungsvollen, saugenden Liebkosungen. Sie konnte die Erschütterungen seines Körpers fühlen, als er sie fester an sich drückte.
Durch die dünne Seide ihres Nachthemds brannten Jons Finger auf ihren Brüsten, ihrem Bauch und ihren Schenkeln. Cathy wand sich unter seinen Zärtlichkeiten, die sie so sehr erregten. Ihre eigenen Hände verließen seinen Nacken und fingen an, an seinem Hemd zu ziehen. Die Knöpfe sprangen auf, und sie hatte plötzlich seine behaarte, muskulöse Brust vor sich. Sie entzog ihm ihren Mund und bedeckte seinen Körper mit zärtlichen, verlangenden Küssen. Sein Atem ging schneller.
Plötzlich setzte Jon sich auf, und Cathy hätte schreien können, als sein warmer Körper sich von ihr entfernte.
»Liebster? « fragte sie heiser und kniete sich hinter ihn. Er saß auf der Bettkante, und ihre weichen Arme glitten um seine Taille.
»Ich muß diese verdammten Stiefel ausziehen«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, während er mit seiner widerspenstigen Fußbekleidung kämpfte.
Cathy lachte leise und sehr verführerisch. Sie preßte ihre Brüste fest an die harten Muskeln seines Rückens. Er stöhnte und ließ seine Schuhe los, um ihr einen kurzen, brennenden Kuß zu geben. Dann entledigte er sich seiner Schuhe und entkleidete sich mit fliegenden Händen. Cathy blieb, wo sie war, und betrachtete ihn ohne Hemmungen. In dem flackernden Licht des Feuers war seine Haut leuchtend goldbraun, fest und glänzend. Cathy bewunderte unter ihren halbgeschlossenen Lidern die starken Muskeln an seinen Armen und Beinen. Als er schließlich ganz nackt war, überflogen ihre Augen ihn mit einem langen, begehrlichen Blick, der ihn den Atem anhalten ließ. Mit jeder Faser ihres Körpers war sie sich seiner Männlichkeit und seiner Leidenschaft bewußt.
»Mein Schatz«, flüsterte er und kam zu ihr. Er zog ihr das Nachthemd über den Kopf, und dann war sie genauso nackt wie er. Sie preßte sich hemmungslos gegen ihn und genoß das Kribbeln seiner Körperhaare an ihrer weichen Brust. Sie liebte seine Hitze und seine Härte. Er drückte sie zurück auf die weiche Matratze und teilte ihre Schenkel mit seinem Knie.
Als er sie liebte, erlebte Cathy eine wilde brennende Ekstase. Sie rieb sich an ihm und setzte ihre Weichheit seiner Stärke entgegen. Sie befriedigte ihre Sehnsucht an seinen Lippen, und sein Herz schlug so laut, daß es wie eine Trommel zwischen ihnen schien. Er brachte sie einmal und noch einmal an den Rand des Wahnsinns. Als er schließlich still war, ruhten seine Lippen warm an ihrem Hals, und er streichelte sanft ihr Haar. Cathy fühlte sich, als wäre sie gestorben und sei nun im Himmel gelandet. Ihre Finger berührten verwundert seinen Mund, und noch bevor sie ihm von ihrer Freude erzählen konnte, schlief sie ein.
Jon schlief auch, aber nicht so fest wie Cathy. Er wachte auf, als die Sonne gerade aufging und die ersten Strahlen in den Raum fielen. Er lag nur da, und seine Arme waren fest um ihren nackten Körper geschlungen. Er streichelte sanft ihre seidige Haut, und als das keine Reaktion hervorrief, stützte er sich auf seinen Ellenbogen, um den Liebreiz ihre schlafenden Gesichts zu bewundern.
Seine zärtlichen Augen betrachteten die langen, dunklen Augenwimpern, ihre zarte Nase und die verführerischen Schwünge ihrer feinen, rosa Lippen. Er bewunderte ihr zartes, klares Kinn und den schlanken Hals, die wunderbaren Brüste und ihre schlanke Taille, die sich zu den Formen ihrer gerundeten Hüften erweiterte. Auch ihre langen, eleganten Beine lagen seinem bewundernden Blick Offen dar. Er dachte an die unglaubliche Wonne, die sie ihm in dieser Nacht geschenkt hatte, und staunte über seine eigene tiefe Leidenschaft. Er hatte so etwas noch nie zuvor in seinem Leben gehabt.
Ein verlorener Sonnenstrahl fiel auf eine Locke ihrer Haare und erweckte sie zu schimmernder und vibrierender Schönheit. Jon nahm die Strähne zwischen seine Finger und roch an ihrem süßen Duft. Verträumt küßte er diese Haarsträhne. Doch plötzlich versteinerte er. Er verhielt sich wie ein liebeskranker Vollidiot! In der letzten Nacht hatte ihn seine verschlingende Liebe für sie blind gemacht. Er hatte nur noch Augen für ihre Schönheit und sein Verlangen gehabt. Das Tageslicht, das ihn wieder zu Verstand brachte, war nicht einen Moment zu früh gekommen. Jon dankte Gott dafür, daß Cathy noch schlief. Er wußte, daß er ihr andernfalls seine Liebe gestanden hätte und seine Frau notfalls auf Knien darum angefleht hätte, sie zu erwidern. Gott, wie ihr das gefallen hätte! Ihre Rache wäre damit vollendet gewesen.
Jon stand hastig aus dem Bett auf und sammelte seine Kleider ein, die noch genauso herumlagen, wie er sie in der Nacht fallengelassen hatte. Er runzelte die Stirn. Er brauchte Zeit, um nachzudenken, bevor er Cathy wiedersah. Es konnte nicht so weitergehen mit ihnen. Vor allem konnte er nicht so weitermachen. Er zog sich nur hastig seine Hosen über und verließ dann lautlos das Schlafzimmer.
Der Tag war bereits weit fortgeschritten, als Cathy aufwachte. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Sie bewegte sich schläfrig, weil sie die Wärme vermißte, die sie während der Nacht umgeben hatte. Sie öffnete ihre Augen und preßte ihr Gesicht liebevoll in das Kissen, das neben ihr lag. Jon mußte bereits auf die Felder hinausgegangen sein. Er mußte sie wirklich für eine Schlafmütze halten! Und für eine schamlose Schmusekatze mußte er sie ebenfalls halten, dachte sie und wurde rot, als sie sich an ihre freizügige Schamlosigkeit in der vergangenen Nacht erinnerte.
Jon liebte sie. Dieser Gedanke fuhr rein und klar durch ihren Kopf, wohingegen alle anderen Erinnerungen an diese Nacht noch ungenau und verwirrend waren. Gab es daran noch irgendeinen Zweifel, nachdem er sie so leidenschaftlich geliebt hatte? Nach und nach verfinsterte sich ihr Gesicht, als ihr auch die weniger schönen Details wieder in Erinnerung kamen. Er hatte in der letzten Nacht mehr als einmal mit ihr geschlafen. Das erste Mal war es in der Kutsche auf dem Weg von dem Ball nach Hause gewesen. Mit entsetzlicher Deutlichkeit rollte sich jedes Detail der brutalen Vergewaltigung noch einmal vor ihrem inneren Auge ab. Gott, wie hatte er nur so etwas tun können? Wenn er sie liebte? Hatte er denn wirklich gesagt, daß er sie liebte, oder hatte sie es sich nur eingebildet, weil sie es sich so sehr wünschte? Sie konzentrierte sich und versuchte, sich genau zu erinnern. Eine tiefe, schmerzhafte Röte überzog ihr Gesicht bis unter die Haarwurzeln, als sie sich an alle Ereignisse wieder genau erinnerte. Sie hatte sich wie eine hungrige Hure benommen, ihn beinahe darum angefleht, mit ihr zu schlafen! Sie wußte jetzt wieder, auf welche Weise sie ihn berührt hatte und wie sie seinen ganzen Körper mit zärtlichen Küssen bedeckt hatte. Am liebsten wäre sie auf der Stelle gestorben.
Er liebte sie nicht. Er konnte sie einfach nicht lieben. Nicht, nachdem er sie auf eine so widerliche Weise in der Kutsche vergewaltigt hatte! Der viele Champagner, den sie getrunken hatte, kombiniert mit ihren verzweifelten Bedürfnissen, hatte dazu geführt, daß sie sich diese Worte eingebildet hatte. Gott, wie mußte er über sie lachen! Wie mußte er sie verachten! Oder noch schlimmer: vielleicht war es ihm schlicht gleichgültig. Vielleicht waren ihm solche Nächte so vertraut, daß er nicht einmal besonders viele Gedanken an ihr Verhalten verschwendete.
Ihre furchtbaren Gedanken wurden von einem diskreten Klopfen an der Tür unterbrochen. Sie holte einmal tief Luft und zwang sich, ruhig zu sein.
»Ja?«
»Na endlich sind Sie doch noch aufgewacht, Miß Cathy«, schimpfte Martha mit gutmütigem Humor und öffnete die Tür. »Kapitän Jon hat mir gesagt, ich solle sie ausschlafen lassen, aber genug ist genug. Der kleine Cray macht einen solchen Zirkus, daß man meinen sollte, er wäre kurz vorm Verhungern!«
»Du hast heute morgen Jon gesehen?« fragte Cathy so gelassen wie sie nur konnte.
»Ja, und er machte einen sehr guten Eindruck. Sie müssen ihn gestern nacht wirklich sehr erfreut haben!«
Sehr zu ihrem Unwillen spürte Cathy, wie sich eine zarte Röte über ihre Wangen stahl. Es gab keinen Zweifel, daß sie ihn in der letzten Nacht sehr erfreut hatte, wie Martha es nannte! Die Entwürdigung kroch ihre Kehle hinauf, und Marthas freundliches Lachen konnte ihr auch nicht helfen.
»Ist er hinaus auf die Felder gegangen?« Sie mußte wissen, wieviel Zeit sie hatte, um sich auf das nächste Zusammentreffen mit ihm vorzubereiten. Martha sah erstaunt aus.
»Warum? Aber nein, meine Liebe, er sagte, daß er wegen seiner Geschäfte nach Atlanta fahren würde. Er sagte, er würde ungefähr eine Woche lang weg sein. Hat er Ihnen das nicht gesagt!« Martha klang plötzlich betroffen, Irgendwie schien sie langsam den Verdacht zu haben, daß nicht alles ganz in Ordnung war. Cathy schluckte und tat ihr Bestes, um ein strahlendes Lächeln aufzusetzen.
»Oh, natürlich hat er mir davon erzählt. Ich hatte es nur einen Moment lang vergessen«, log sie. »Hast du nicht gesagt, daß Cray Hunger hat? Der arme Kleine. Bring ihn bitte zu mir, und ich werde mal sehen, was ich für ihn tun kann.«
Cathy wandelte wie ein Gespenst durch den restlichen Tag hindurch. Sie lächelte, sie spielte mit Cray und gab allen richtige Antworten. Ein Gedanke beschwerte jedoch ihre Seele wirklich: Sie war Jon so egal, daß es ihm nicht einmal etwas ausmachte - nach allem, was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen geschehen war-, für eine Woche nach Atlanta zu verreisen, ohne ein Wort zu sagen! Nicht einmal verabschiedet hatte er sich von ihr! Es war so schmerzhaft für sie! Cathy hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nicht so im Stich gelassen gefühlt.
Am späten Nachmittag, als sie gerade mit Cray in dem Rosengarten spielte, hörte sie eine Kutsche die Einfahrt hinaufkommen. Was denn nun, dachte sie düster und stellte sich auf ein Schwätzchen mit einer neugierigen Nachbarin ein. Es war sehr wahrscheinlich, daß man ihr ein paar unangenehme, bohrende Fragen stellen würde, wie ihr mit Erröten klar wurde. Die letzte Nacht war in jeder Beziehung eine Katastrophe gewesen.
»Sie haben Besuch, Miß«, sagte Petersham, und seine Stimme klang sehr mißbilligend, als er zu ihr trat. Cathy sah ihn verwundert an. Sein Tonfall hatte sie verwirrt.
»Wer ist es?«
»Ein Gentleman, Miß. Er wollte seinen Namen nicht nennen.«
Cathy begriff, daß Petersham aus diesem Grunde so mißbilligend war. Zu recht. Sie hoffte inständig, daß es nicht Paul war, der sich für sein schlechtes Benehmen in der vergangenen Nacht entschuldigen wollte. Oder noch schlimmer: Vielleicht hatte er vor, seine Annäherungen fortzusetzen. Cathy nahm Cray mit sich, als Petersham sie zurück ins Haus führte. Hastig strich sie sich über ihre Frisur. Petersham deutete auf den Salon.
»Ich führte ihn hier hinein, Miß Cathy. Wenn Sie mich brauchen - ich bin in Rufweite.«
Rechnete er wirklich damit, daß der Mann in ihrem eigenen Haus Hand an sie legen würde? Cathy sah ihn ungeduldig und ärgerlich an. Dann öffnete sie die Tür zum Salon. Ein elegant gekleideter Herr mit silbergrauem Haar stand dort mit dem Rücken zu ihr. Als Cathy die Tür öffnete, drehte er sich langsam um. Cathy erkannte ihn, sobald er sich bewegte. Ein Freudenschrei entrang sich ihrer Kehle, und sie rannte fast durchs Zimmer, um ihn zu umarmen.
»Papa! O Papa, ich bin so froh, daß du da bist!«