14. Kapitel
Nur Marthas kenntnisreiche Pflege verhinderte, daß Cathy ihr Baby verlor. Sie legte eiskalte Stoffe zwischen ihre Beine und um ihren Bauch und versuchte so die Wehen zu stoppen, bevor es zu spät war. Jon stand hilflos herum, bis Martha ihn schließlich wie eine aufgeregte Henne aus der Kabine scheuchte. Solche Dinge seien nichts für die Augen eines Gentlemans, sagte sie. Ihr zweifelnder Blick auf Jon stellte es sehr in Frage, ob dieser tatsächlich einer solchen Kategorie angehörte, aber auf jeden Fall mußte er gehen. Da er wußte, daß er nichts tun konnte, um Cathy und ihrem Kind zu helfen, und er sich außerdem darum kümmern mußte, daß die >Margarita< nicht sank, zog er sich beklommen zurück, was sein Ansehen in Marthas Augen beträchtlich hob. Als Kompromiß schickte er Petersham vorbei, um der Frau auf jede nur mögliche Weise zu helfen. Sobald die unmittelbare Gefahr vorüber war, benutzte Martha Petersham mit dem größten Vergnügen als Laufburschen. Sie war in diesem Krankenzimmer ganz in ihrem Element. Cathy erlangte zwei Tage lang nicht wieder ihr volles Bewußtsein. Der Sturm war bereits vorüber und das Baby wieder ruhig in ihrem Bauch. Nach der Tortur, die Cathy durchlitten hatte, war sie sehr schwach, und Martha bestand darauf, daß sie im Bett blieb, bis das Baby sicher geboren war. Jon schloß sich diesem Befehl an, und Cathy war noch zu verängstigt, um den beiden nicht zu gehorchen. Jons mißmutige Worte erfreuten sie mehr, als sie je gedacht hätte. Er drückte ihr immerhin seine Besorgnis aus.
Er war immer noch mißtrauisch, aber sie hatte nicht das Gefühl, daß er sie noch haßte. Schüchtern sprach sie Martha darauf an, die ihr zufrieden zunickte.
»Kapitän Hale war krank vor Angst um dich«, bestätigte sie mit kurz angebundener Freude. »Er ist einer von denen, die die Geburt eines Kindes sehr ernst nehmen. Dieser dämliche Diener hat mir gesagt, daß Mister Hales Mutter auf dem Kindbett starb. Es ist also kein Wunder. Wissen Sie, Miß Cathy, vielleicht habe ich mich in diesem Mann getäuscht. Er ist nicht annähernd so furchteinflößend, wie ich dachte. Er könnte, trotz allem, was geschehen ist, doch noch einen ganz guten Ehemann abgeben.«
Jon schlief immer noch außerhalb der Kabine, und Cathy erkannte nach und nach, daß es so wahrscheinlich das Beste war. Aber er stattete ihr beinahe jeden Nachmittag einen Besuch ab. Auch wenn sein Verhalten ziemlich steif und formell war, freute sie sich über seine Gegenwart und lächelte ihn warm an, sobald er erschien.
An einem dieser Tage, ungefähr zwei Wochen später, zog sich Martha taktvoll zurück, während Jon bei ihr war. Cathy nahm die Gelegenheit wahr und ergriff seine Hand. Sie zog ihn neben sich auf die Bettkante. Er erlaubte ihr, seine Hand zu halten, aber seine Augen waren unfreundlich, als er sie ansah. Cathy konnte die zunehmende Anspannung von seinem Gesicht ablesen.
Cathy sagte ihm so einfach und überzeugend wie möglich, daß sie mit dem, was in seiner Gefangenschaft Passiert war, nichts zu tun hatte. Sie hatte nicht einmal gewußt, daß er wieder gefangengenommen worden war, teilte sie ihm ernst mit. Unverständlicherweise wurde sein Gesicht immer härter. Bevor sie noch zu Ende gesprochen hatte, stand er abrupt auf und entzog seine Hand ihrem Griff. Er starrte auf sie herunter.
»Jon! « schrie sie, als er sich umdrehte, um zu gehen. Der Schmerz seines Unglaubens traf sie wie ein Messer. Er blickte einen Moment lang unsicher zu ihr zurück.
»Es macht nichts«, sagte er ihr kurz. Ihre offensichtliche Aufgeregtheit entging ihm nicht. »Es gehört der Vergangenheit an, und wir werden es vergessen. Du bist meine Frau, egal, wie es nun dazu kam oder was danach geschah. Wir werden über diese Sache nie wieder reden. «
Mit dieser kurzen Rede verließ er den Raum. Cathy schrie aufgeregt hinter ihm her, denn sie war entschlossen, alles so lange zu diskutieren, bis die Sache klar war. Aber er gab weder eine Antwort, noch kam er zurück. Sie sank mit einem enttäuschten Seufzer zurück in die Kissen. Abgesehen von seinem höflichen Verhalten, mißtraute ihr Jon genauso wie vorher. Es würde sicher Jahre dauern, bis sie ihn von ihrer Unschuld überzeugen konnte. Tränen rannen über Cathys Wangen, als Martha zurück in die Kabine kam. Martha schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Sie versuchte Cathy zu trösten und brachte ihr eine schöne, dampfende Tasse Tee. Danach befahl sie ihr zu schlafen, und zu ihrer eigenen Überraschung war Cathy tatsächlich müde. Von diesem Tag an war Martha in der Kabine, wann immer Jon kam. Zu Cathys größter Verärgerung schien Jon beinahe erleichtert über die Anwesenheit der Frau zu sein. Da es schlichtweg keine Gelegenheit gab, ließ Cathy das brennende Thema ruhen. Wenn das Baby erst einmal da war... Sie würde ihn so lange bearbeiten, bis er es einfach müde war, ihr nicht mehr zu glauben. Cathy lächelte geheimnisvoll. Sie wußte aus Erfahrung, daß es Wege gab, ihn zum Zuhören zu bringen. Sie würde auch keine Skrupel haben, diese Wege zu beschreiten... wenn das Baby erst einmal da war.
Cathy war sehr dankbar dafür, daß wenigstens Petersham nicht ganz so sturköpfig war. Ganz allmählich wurde die Beziehung zwischen ihr und diesem kleinen Mann wieder so, wie sie einmal war, bevor die Soldaten nach Las Palmas kamen. Er bemutterte sie genauso wie Martha und tadelte sie, weil sie nichts aß und deprimiert war. Das Wohl des Kindes sollte ihr größtes Interesse sein, sagte er ihr ernst und machte sich dann daran, sie aufzuheitern. Martha betrachtete diese merkwürdige Kameradschaft zwischen den beiden mit Unsicherheit. In ihrer Welt war es eine Katastrophe, daß ein Mann in das Schlafzimmer einer Lady eintrat, die nicht seine Ehefrau war, und dann auch noch stundenlang dort sitzenblieb, um mit ihr zu reden. Aber da der Kapitän damit einverstanden war, konnte sie es nicht verhindern. Der kleine Mann war harmlos, wie sie sehr gut wußte, und er regte Cathys Gedanken an. Mißmutig beschloß sie, daß das ständige Auftauchen von Petersham zum Wohl ihres Schützlings ertragen werden mußte. Aber das hieß nicht, daß sie diesen Mann auch noch mögen mußte, und sie tat es wirklich nicht.
Cathy bemerkte Marthas wachsende Eifersucht auf Petersham, aber sie genoß die Erzählungen und Informationen des Dieners so sehr, daß sie es Martha nicht erlaubte, ihn in seiner fast ständigen Anwesenheit zu entmutigen. Von ihm erfuhr sie, daß das Schiff Kurs auf South-Caro-lina genommen hatte, einer der plötzlichen und unerklärlichen Entschlüsse des Kapitäns. Während Jonathan Hale im Gefängnis saß, hatte man davon gehört, daß sein Vater gestorben war und den Rest seines Besitzes seinem Sohn hinterlassen hatte. Als Petersham Jon darüber informiert hatte, war das Gesicht des Kapitäns einen Moment lang nachdenklich gewesen. Dann hatte Jon kurzerhand angeordnet, auf östlichen Kurs zu gehen. Es wurde auch langsam Zeit, daß sie nach Hause zurückkehrten.
Harry kam nur einmal, um Cathy zu besuchen. Cathy nahm an, daß er Jons Wut fürchtete. Er brauchte sich wirklich keine Sorgen zu machen, dachte Cathy traurig. Jon war vollkommen gleichgültig, und es gab nicht die geringsten Anzeichen von Eifersucht, als sie ihm von Harrys Besuch erzählte.
Petersham fand einen Wollstoff von guter Qualität im Lager, und Martha benutzte ihn, um sich anständig einzukleiden. Cathy, die ans Bett gefesselt war, war mit Jons Nachthemden vollkommen zufrieden. Der Anblick ihres kleinen Körpers, der in die viel zu großen, weißen Hemden eingewickelt war, brachte Erinnerungen zurück. Jon reagierte nicht einmal mit dem Zucken einer Augenbraue. Cathy mußte daraus schließen, daß sein einziges Interesse an ihr nur noch als Mutter seines Kindes bestand. Aber wenn seine Gefühle für sie einmal erwacht waren, würden sie es wieder tun.
Die >Margarita< erreichte Nova Scotia ungefähr nach dreiwöchiger Seereise. Von nun an segelten sie nie weit vom Land entfernt die Küste Nordamerikas herunter. Der Ozean war während der Wintermonate unberechenbar, und Jon hatte die Reise zwar länger, aber dafür sicherer angelegt. Cathy war rastlos, doch es wurde ihr nicht einmal erlaubt, das Bett zu verlassen, als das erste Mal Land in Sicht kam. Jon erklärte sich schließlich bereit, sie an Deck zu tragen, aber Martha stellte sich unerbittlich dagegen. Trotz Cathys Widerwillen setzte die alte Frau ihren Kopf durch.
Das Wetter wurde ein wenig wärmer, als die >Margarita< südwärts segelte. Cathy und Martha hatten die Geburt des Kindes für den dritten März errechnet. Jon sagte ihnen, daß sie während der dritten Februarwoche in Charleston vor Anker gehen würden. Seine Schätzung traf wie immer exakt zu. Cathy bestand darauf, an Deck zu gehen, als die >Margarita< in die Bucht von Charleston segelte. Sie erklärte, daß sie ihre neue Heimat sehen wolle und wenn sie auf das Deck kriechen müßte. Jon machte eine Ausnahme und setzte sich über Marthas Einwände hinweg. Er wickelte Cathy in eine Decke und hob sie auf seine Arme. Trotz des zusätzlichen Gewichts durch das Kind trug er sie mühelos. Cathy schlang ihre Arme um seinen Nacken und genoß insgeheim das Gefühl seiner starken Muskeln an ihrer Haut. Bald würde sich ihre Situation ändern, und sie konnte wieder ihren weiblichen Charme benutzen, um ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen. Bis dahin mußte sie sich mit seiner Verachtung abfinden.
Ein kleines Lächeln spielte um ihre Lippen, als Jon sie in den Sonnenschein hinaustrug. Er sah die stille Zufriedenheit in ihrem Gesicht, und seine Augen wurden schmal. Cathy war vollkommen eingenommen von ihren Zukunftsplänen und bedachte seine Verdächtigungen nur mit einem sorglosen Lächeln. Sein Schritt wurde ein wenig unsicher, und er sah sie mit dem verwirrten Ausdruck eines Mannes an, der zu lange in die Sonne gesehen hat.
Cathy erwiderte seinen Blick mit liebevollem Interesse. Während der sieben Wochen auf See hatte er sein altes Gewicht wiedergewonnen und war nun so groß und stark wie eh und je. Seine Haut war jetzt wieder von der Sonne gebräunt und der Bart war aus seinem Gesicht verschwunden. Seine kühnen, klaren Züge waren genauso anziehend wie früher. Cathy spürte, wie ein angenehmer, kleiner Schauer über ihren Rücken lief, während sie seinen harten Mund ansah. Sie wollte ihn mit ihrem eigenen berühren... Dieser Gedanke mußte in ihrem Gesicht zu sehen gewesen sein, denn sie fühlte, wie sein Atem schneller wurde, als er sie ansah. Er wollte sie auch! Das wurde ihr plötzlich mit einer Mischung aus Triumph und Begierde klar. Das Feuer in seinen Augen sprach nicht von Wut oder Mißtrauen, sondern von nackter Leidenschaft.
»Entschuldigen Sie, Kapitän, ist irgend etwas nicht in Ordnung?« Marthas Stimme hinter ihnen brachte sie sofort wieder zurück in die Realität. Cathy sah, wie eine unmerkliche Röte Jons Wangen überflog. Auch ihr eigenes Gesicht fühlte sich unangenehm warm an. Jon faßte ein wenig nach und rief Martha mit trockenem Humor ein paar Worte über seine Schulter zu.
»Deine Herrin hat ganz schön zugenommen, seit ich das letzte Mal die Gelegenheit hatte, sie zu tragen«, sagte er. »Aber ich tue mein Bestes, um sie nicht fallen zu lassen. Nach all dem Ärger, den sie uns gekostet hat, wäre es schade, sie jetzt zu verlieren.«
Während er sprach, blickte er angestrengt auf das leuchtend blaue Wasser. Cathy lachte innerlich und wußte, daß ihn kein Hurrikan der Welt dazu bringen konnte, sie fallen zu lassen. Martha mäkelte jedoch mißbilligend an seinem Scherz herum. Cathy war verrückt vor Freude, als Jon sie auf das Achterdeck trug, während er mit seinen etwas rauhen Neckereien fortfuhr. Er war heute mehr wie der Jon von Las Palmas als während der ganzen Zeit, seit er sie wieder entführt hatte.
Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt und bemerkte nicht, wie sein Gesicht sich plötzlich verhärtete. Sie kuschelte sich an ihn, wie ein kleines, vertrauensvolles Kind. Er sprach nicht, aber sie hatte auch keine Lust zu reden. Entspannt lehnte sie sich an seine muskulöse Brust und blickte mit Interesse auf die Stadt, die ihre Heimat sein würde.
Charleston war eine wachsende Stadt am Meer, eine verschwenderische Südstaatenstadt, die von ihrer Nähe zum Ozean lebte. In diesem Hafen lagen Schiffe aus aller Welt vor Anker und handelten mit Gewürzen oder Stoffen. Sie tauschten sie gegen Charlestons wichtigstes Exportmittel, die Baumwolle, ein.
Cathy tat einen tiefen Atemzug und genoß das Gefühl der Sonne, die warm auf sie herunterschien, obwohl es erst Ende Februar war. Jon war in dieser Stadt geboren und hatte seine Kindheit hier verbracht. Trotz der Bitterkeit seiner Erinnerungen, war Charleston immer noch seine Heimat. Cathy war fest entschlossen, daß es auch ihre Heimat werden würde.
Sie protestierte, als Jon sie in seine Kabine zurücktragen wollte. Sie hätte die Aktivitäten im Hafen den ganzen Tag lang ansehen können, aber als er darauf bestand, gab sie freundlich nach. Er versicherte ihr, daß Charleston noch eine ganze Weile lang in ihrer Nähe sein würde.
Während Cathy sich ausruhte, ging Jon an Land. Er war immer noch fort, als sie wieder aufwachte. Zu ihrer großen Überraschung hatte Martha ihn begleitet und nur Petersham bei ihr gelassen. Es war schon dunkel, als sie auf das Schiff zurückkehrten.
Martha kam zuerst in die Kabine. Sie trug Berge von Paketen auf ihren Armen. Jon folgte ihr auf dem Fuße und war ähnlich schwer beladen. Cathy setzte sich in ihrem Bett hoch und war vollkommen erstaunt. Sie blickte in Jons Gesicht. Seine Augen begegneten ihren ruhig, und sein Mund verzog sich langsam zu einem Lächeln.
»Ich kann meine Frau doch nicht nur in eine Decke gerekelt mit an Land nehmen«, erklärte er einfach und warf die Pakete auf das Bett. Cathy blickte sprachlos zwischen den Paketen und ihrem Ehemann hin und her. Jon fuhr fort zu reden: »Und der Gedanke an ein nacktes Baby gefällt mir noch weniger. Ich denke, ihr werdet alles finden, was ihr braucht.«
Cathys Finger zitterten, als sie die Pakete öffnete, und Martha sah ihr strahlend zu. Es gab drei Kleider, die alle für eine hochschwangere Lady gemacht waren. Sie waren gelb, blaß-grün und pfirsichfarben. In einer anderen Schachtel befanden sich Petticoats und Unterwäsche, die speziell für eine werdende Mutter angefertigt waren. Cathy hielt ein paar der Höschen mit dem elastischen Mittelteil hoch und drehte sich mit lachenden Augen zu Jon.
»Die hast du nicht ausgesucht«, sagte sie und lachte bei diesem Gedanken. Jon grinste.
»Das muß ich zugeben«, sagte er. »Auch diese unselige Anzahl von Kindersachen habe ich nicht ausgesucht. Aber man hat mir versichert, daß es ohne sie nicht möglich ist, ein Kind angemessen zu versorgen. Martha hat es ausgesucht. Ihr mußt du danken.«
»Der Kapitän hat mir gesagt, ich soll alles kaufen, was ihr beiden braucht«, sagte Martha und verteidigte ihn. »Und er hat die Rechnungen bezahlt. Das ist weitaus mehr, als eine ganze Menge anderer Gentlemen in diesem Falle getan hätten.«
Cathy lächelte ihren Mann und ihre Kinderfrau an. Sie ergriff Marthas Arm und zog die Frau zu sich herunter, um ihr einen dicken Kuß auf die Wange zu drücken. Dann drehte sie sich um und streckte ihre Arme, ohne darüber nachzudenken, nach Jon aus. Sein dunkles Gesicht wurde ein wenig rot, und er sah einen Moment lang unentschieden aus, bevor Marthas erwartungsvoller Blick ihn dazu zwang, sich ziemlich steif zu Cathy herunterzubeugen. Cathys Arme legten sich zärtlich um seinen Nacken, und sie drückte einen sanften Kuß auf seinen festen Mund. Unter ihrer Berührung teilten sich seine Lippen und seine Hände machten eine Bewegung, als wolle Er sie mitsamt ihrem Bauch und allem an sich drücken. Martha räusperte sich diskret im Hintergrund, und dieses Geräusch brachte ihn wieder zu Sinnen. Er zog sich zurück und atmete merklich schneller. Cathy lächelte ihn überwältigt an. Seine Augen ruhten eine lange Weile auf ihrem Gesicht, bevor er sich umdrehte.
»Wenn die Ladys mich entschuldigen wollen... «, sagte er, als er ging. Cathy starrte ihm mit warmen Augen nach und bewunderte die machtvollen Bewegungen seines Körpers, als er die Kabine verließ. Martha mußte sie zweimal ansprechen, bevor sie etwas hörte. Die ältere Frau sah ihre Herrin mit wissenden Augen an, während diese liebevoll die winzigen Babysachen auspackte. Martha sagte nichts über das, was sie gesehen hatte. Es stand Miß Cathy im Gesicht geschrieben, daß sie vollkommen verliebt in den Kapitän war. Nun, was ihn betraf: Männer konnten ihre Gefühle besser verstecken. Trotzdem lächelte sie zufrieden, während sie Cathy dabei half, die Babysachen zu ordnen und wegzupacken.
Es war bereits spät am Morgen, als Cathy das gelbe Kleid angezogen und ihre Haare streng frisiert hatte, wie es sich für eine junge Schwangere gehörte. Ihre ganzen neuen Sachen hatten sie in den Seekisten verpackt. Jon war eine Stunde lang auf dem Deck hin und her gegangen und hatte von Zeit zu Zeit seinen Kopf durch die Tür gesteckt, um zu fragen, was zum Teufel so lange brauchte. Cathy lächelte ihn an, aber Martha war weniger entgegenkommend. Sie scheuchte ihn fort und teilte ihm mit, daß die Toilette einer Lady eine langwierige Angelegenheit sei und daß ein wirklicher Gentleman dies wissen und seinen Zeitplan dementsprechend einrichten müsse. Jon öffnete den Mund, sagte dann aber nichts.
Als alter Krieger wußte er, wann er geschlagen war. Er zog sich zurück und überließ Martha das Feld. Schließlich war Cathy fertig. Jon trug sie zu dem wartenden Boot, und zwei Seeleute wurden angewiesen, sich um das Gepäck zu kümmern. Sie standen mit offenen Mündern da, als sie das Gebirge von Koffern und Paketen sahen, nickten jedoch gehorsam, als Jon ihnen hinsichtlich der Beförderung in das Haus entschlossene Anweisungen gab. Jon nahm Cathy auf seine Arme, und sie hielt sich an seinem Nacken fest, während sie ihren Kopf an seine Schultern lehnte und ihn anlächelte. Der Duft ihrer frisch gewaschenen Haare stieg ihm in die Nase, und er schloß ein wenig die Augen. Nur Marthas ungeduldige Bewegungen in seinem Rücken hielten ihn davon zurück, seine Lippen in diesem schimmernden Reichtum zu bergen.
Als Cathy dann sah, daß sie vom Deck der >Margarita< in das kleine Boot weit unten auf dem Wasser befördert werden sollte, streikte sie. Sie sah keine Möglichkeit, in die Schlinge zu kommen, die Jon an der Seite des Schiffes angebracht hatte. Wenn sie herunterfiele, würde sie in die Unendlichkeit fallen. Sollte es keine andere Möglichkeit geben, würde sie es lieber mit der Strickleiter versuchen. Martha stimmte Cathy aus vollem Herzen zu.
Jon bettelte, jammerte und befahl. Cathy rührte sich nicht von der Stelle. Schließlich verlor er die Geduld und steckte sie einfach in die Schlinge, wobei er sie so sanft wie nur möglich behandelte. Cathy sah ein, daß nichts zu machen war und ließ es zu, daß er sie festband. Dann schloß sie die Augen und hielt sich an dem Seil fest, das an der Seite des Schiffes herunterhing. Jemand ließ sie vorsichtig herab, und ein Seemann nahm sie am anderen Ende entgegen. Cathy war weiß wie der
Schnee, als die Operation beendet war. Sie hatte schon immer eine irrationale Angst vor Höhen gehabt.
Sobald Cathy sicher in dem kleinen Boot war, ging alles weitere sehr schnell. Martha wurde auf die gleiche Weise heruntergelassen und schrie, als sie über dem blauen Wasser in der Luft hing. Sie wurde weniger vorsichtig entgegengenommen als Cathy, und als sie endlich sicher in dem Holzboot saß, war ihr Hemd vollkommen durchnäßt. Sie schimpfte ärgerlich, als Jon die Leiter herunterkletterte und leichtfüßig in das Boot sprang. Glücklicherweise war das Wasser so glatt wie Satin. Die Reise an Land ging ohne weitere Zwischenfälle vor sich.
Jon hatte eine offene Kutsche gemietet und sie an dem Dock warten lassen. Er schlug vor, daß Cathy mit ihm zusammen nach Woodham fahren sollte. Martha würde in der zweiten Fuhre mit dem Gepäck nachfolgen. Die Fahrt dauerte nicht mehr als eine Stunde, und dann würden sie zu Hause sein.
Martha schmollte ein bißchen. Schließlich willigte sie ein und wartete - wenn auch etwas beleidigt - auf das Gepäck, um sich um den Transport zu kümmern. Jon dankte insgeheim seinem Vater dafür, daß er ihm keine Kinderfrau auf den Hals geschickt hatte, und setzte sich neben Cathy in die Kutsche. Er nickte dem Fahrer zu, und sie fuhren los.
Cathy hatte ihren Kopf an den gepolsterten Sitz gelehnt und erfreute sich jetzt an den vielen Geräuschen und Bildern um sie herum. In den Straßen, durch die sie fuhren, gab es kleine Läden mit Holzschildern, die draußen hingen und alle nur erdenklichen Waren anpriesen.
Wenn das Kind geboren war, würde Cathy viele vergnügliche Nachmittage damit verbringen, die örtlichen Boutiquen zu besuchen. Als sie aus der Stadt in die Wohngebiete fuhren, nahm Jon ihre Hand. Cathy sah ihn überrascht an. Es hatte in letzter Zeit nicht gerade gefühlvolle Gesten von seiner Seite gegeben.
»Ich habe gestern noch etwas für dich gekauft«, sagte er, wobei er ihre linke Hand noch immer festhielt und eine kleine Schachtel aus seiner Manteltasche zog. Cathy starrte ihn an. Er zog den Hochzeitsring von ihrem Finger, hielt ihn kurz in seiner geballten Faust und ließ ihn dann achtlos durch das Seitenfenster aus der Kutsche fallen. Cathy schnappte nach Luft, als der kleine goldene Ring hinter ihnen auf der Straße liegenblieb und wandte sich dann verärgert an Jon. Der übergab ihr das Kästchen.
»Mach es auf«, befahl er kurz. Sie nahm das Kästchen, und als sie zögerte, es zu öffnen, machte er den Verschluß selbst auf. Erfreut blickte Cathy auf die glitzernden Juwelen. Es waren zwei Ringe; ein Diamantring mit zwei kleinen Saphiren an beiden Seiten und ein schlichter, goldener Hochzeitsring. Ihre Augen wanderten fragend von den Ringen auf sein Gesicht.
»Meine Frau trägt meine Ringe«, erklärte er zynisch, und als Cathy ihn immer noch ungläubig anstarrte, fuhr er sie ungeduldig an: »Zieh sie über.«
Da sie sich nicht rührte, nahm er ihre linke Hand und streifte die Ringe über ihre Finger. Die Geste überraschte sie, und sie spürte Tränen in ihrer Kehle hochsteigen, als seine langen, braunen Finger die Ringe über ihre schlanken, weißen schoben. Es war fast, als würden sie noch einmal heiraten, diesmal ohne die aufgebrachten Gefühle, die einen Witz aus der tatsächlichen Zeremonie gemacht hatten. Als sie Jon ansah, zeigten Cathys Augen, ohne daß sie es merkte, ihre Gefühle.
»Jon, ich...«, wollte sie sagen, aber etwas in seinem Gesicht hielt sie von dem Bekenntnis, das sie gerade machen wollte, zurück. Statt dessen entschloß sie sich, diese Gelegenheit zu nutzen, um nochmals ihre völlige Unschuld zu erklären. »Ich wußte wirklich nicht, daß du im Gefängnis warst. Ich hätte dich niemals verprügeln lassen. Bitte glaub mir.«
Jons Augen wurden kühl.
»Ich denke, daß ich mich klar ausgedrückt habe: Über diese Sache wird nicht mehr geredet. Du brauchst diese lächerlichen Versuche zur Versöhnung nicht mehr zu machen. Ich habe die Tatsache, daß ich mit dir verheiratet bin, akzeptiert, und du brauchst keine Angst zu haben, daß ich mich an dir rächen werde, egal, was du mir angetan hast. Du bist vollkommen sicher vor mir.«
Der schneidende Ton seiner letzten Worte tat Cathy weh. Sie holte tief Luft und versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten. Ich darf auf keinen Fall weinen, sagte sie sich streng. In den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft waren ihr immer sehr schnell die Tränen gekommen.
»O Gott, du wirst alles versuchen, nicht wahr?« sagte Jon wütend und wandte seinen Blick von dem verdächtigen Glanz in ihren Augen ab.
»Natürlich werde ich das«, antwortete Cathy ärgerlich. »Verheiratet zu sein, ist eine traurige Angelegenheit. Ich möchte sie doch ein wenig erfreulicher gestalten!«
»Du Hure«, stieß Jon zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Auf Cathys Lippen legte sich ein zufriedenes Lächeln. Sie konnten beide gleichermaßen widerlich miteinander umgehen, dachte sie rachsüchtig. Wenn er glaubte, daß sie seine Türmatte spielen würde, hatte er sich aber getäuscht! Sie war entschlossen, das mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Der Rest der Fahrt verlief in völliger Schweigsamkeit. Nur das Klappern der Pferdehufe auf dem dreckigen Straßenpflaster war zu hören.
Jon kehrte schließlich aus den trüben Gedanken, in die er sich zeitweilig verloren hatte, zurück, um dem Fahrer den Weg zu einer bestimmten Straße zu erklären.
»Wir sind da«, sagte er dann lakonisch zu Cathy.
Cathy setzte sich hoch und war sofort bereit, alles zu vergessen, was vorher zwischen ihnen vorgefallen war, denn sie war sehr gespannt auf ihr neues Heim. Die Straße wand sich zwischen zwei Reihen hoher Eichen hindurch. Zu beiden Seiten erstreckten sich weite, grüne Felder. In beträchtlicher Entfernung konnte Cathy die undeutlichen Umrisse eines zweistöckigen Backsteinhauses ausmachen. Beim Näherkommen hielt sie den Atem an. Es war schön! Ein stattliches Herrenhaus mit großen, weißen Säulen vor dem Eingang. Die Veranda erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses, und über der Eingangstür aus Eichenholz befand sich ein schönes, geschwungenes Glasfenster. Breite Treppenstufen führten auf die Veranda. Auf beiden Seiten der Treppe standen Magnolienbäume mit großen, weißen Blüten.
Die Kutsche hielt auf der runden Einfahrt vor dem Haus. Jon machte eine Bewegung, als wolle er gerade herunterspringen, hielt jedoch inne, als eine Frau herankam und ihn anstarrte. Jon blickte sie auch an, und sein Gesicht wurde merkwürdig hart. Dann entstieg er der Kutsche.
»Guten Morgen, Isobeile«, sagte Jon mit ausdrucksloser Stimme. Cathys Augen wanderten von dem breiten Rücken ihres Ehemannes zurück zu der elegant gekleideten Frau auf der Veranda. Die Frau war recht hübsch. Sie hatte schwarze Haare und blitzende Augen. Ihre Figur, die in einem kurzen Seidenkleid steckte, war sehr üppig. Die Haut in ihrem Gesicht war jedoch von kleinen Linien gezeichnet, und ihr roter Mund trug einen nörglerischen Zug. Sie ist ziemlich alt, dachte Cathy, älter als Jon. Sie hatte plötzlich einen Verdacht wer diese Frau sein könnte.
»Jon. « Die Frau beantwortete Jons Begrüßung mit einem Nicken. Ihre unverschämten Augen wanderten auf
eine Weise über seinen großen Körper, die nicht weiter auffällig war. Sie hatten sich jedoch geweitet, als sie wieder auf seinem Gesicht ruhten, und Cathy biß sich auf die Lippen. »Du hast dich verändert, mein Liebling. «
»Du auch, Isobeile«, antwortete Jon mit fester Stimme. Endlich erinnerte er sich wieder an Cathy und zog sie sehr vorsichtig aus der Kutsche. Cathy warf ihm einen giftigen Blick zu. Er lächelte ein wenig über den Ärger in ihren Augen.
»Und wen haben wir denn da? « Ihre großen Augen verengten sich, als sie Cathy musterte. Cathy sah die Frau hochmütig an. Ihr besitzergreifendes Verhalten gegenüber Jon hatte sie extrem irritiert.
»Das ist meine Frau«, sagte Jon kühl und trug Cathy mühelos auf seinen Armen, während er anfing, die Treppe hochzusteigen. Am Ende der Treppe hielt er an. »Cathy, dies ist Isobelle, meine Stiefmutter. «
Cathys Verdacht hatte sich bestätigt. Dies war also die Frau, die Jon als Teenager bewundert hatte und die ihn mit dem Betrug an seinem Vater so brutal desillusioniert hatte. Cathy mußte sich sehr zusammennehmen, um ein paar höfliche Worte zu murmeln, was die Frau nicht einmal mit einer Antwort würdigte.
»Na, Jon? « fragte Isobelle unverschämt. »Ging es nicht anders? «
Jons Mund wurde angesichts der Häßlichkeit dieser Frau hart, und Cathy fühlte, daß ihre eigenen Wangen rot wurden. Ob es ihr gefiel oder nicht, die letzte Bemerkung hatte ziemlich getroffen. Aber niemals würde sie Jons Stiefmutter diesen Sieg lassen. Also zwang sie sich
zu einem höflichen Lächeln, das fest auf ihren Lippen klebte, während Jon über die Veranda schritt. Isobelle folgte den beiden in die Eingangshalle.
»Wenn ein Mann so etwas wie Cathy sieht, unternimmt er sofort alles, was in seiner Macht steht, um es zu erlangen. Oder hast du schon vergessen, wie so etwas ist?«
Jons Antwort war beiläufig, aber sie hatte die Frau getroffen, was deutlich an ihrer plötzlich roten Gesichtsfarbe zu sehen war. Sie wollte gerade zu einer Antwort anheben, verbiß sich ihre Worte aber, als Petersham in die Eingangshalle gerannt kam.
»Ah, Petersham«, sagte Jon gelassen. »Ich habe mich schon gefragt, wo du geblieben bist. Ich sehe, daß meine -äh - Anweisungen nicht durchgeführt wurden.«
»Es tut mir leid, Kapitän, aber sie hat darauf bestanden, zu bleiben. Sie sagte, sie wolle die neue Braut kennenlernen.«
Petershams Augen hatten sich entschuldigend auf Cathy gerichtet. Sie lächelte ihn an.
»Natürlich wollte ich deine Frau sehen, Jon«, sagte Isobelle mit gespielter Fröhlichkeit. »Ich nehme doch an, daß sie immerhin meine Stief-Schwiegertochter sein wird. Ich werde sie meinen Freunden vorstellen. Als Petersham hier heute auftauchte und diese lächerliche Geschichte erzählte, daß du das Haus für deine Familie willst, mußte ich das mit eigenen Augen sehen. Es ist so schwer, sich dich als Familienvater vorzustellen.«
»Nun, da du jetzt gesehen hast, daß ich tatsächlich Familienvater bin, wirst du uns nun entschuldigen. Meiner Frau geht es nicht so gut, und sie braucht Ruhe. Petersham, hast du ein Zimmer vorbereitet?«
»Die beste Suite, Kapitän.«
Jon wandte sich ab, um zur Treppe zu gehen, aber Isobelle ergriff seinen Arm. Cathy starrte die Frau eisig an, aber die ignorierte sie einfach und lächelte Jon anbiedernd an. Cathy wurde sich des plötzlichen Bedürfnisses bewußt, dieser Frau ihr kunstvoll bemaltes Gesicht mit den Nägeln zu zerkratzen.
»Ich nehme ein Haus in der Stadt, Jon. Du mußt bei mir vorbeikommen, wenn du deine Frau untergebracht hast. Wir können über alte Zeiten reden.«
»Vielleicht, Isobelle. Ich nehme an, daß du die Haussklaven mitgenommen hast?«
»Sie gehören mir.« Isobelle zuckte mit den Achseln und ließ ihre leuchtend roten Nägel über Jons Ärmel laufen. Angesichts der Intimität dieser Handlung mußte Cathy die Zähne zusammenbeißen. »Dein Vater hat sie mir gegeben, bevor er starb. Du hast Glück, daß du das Haus bekommst. Du bist schließlich nie mehr hierher zurückgekehrt.«
»Nein, ich kam nie zurück, richtig«, antwortete Jon kühl und drehte sich um. Cathys Arm legte sich fester um seinen Nacken, als er mit ihr die Treppe hochstieg. Petersham war direkt hinter ihnen.
»Du kannst selbstverständlich die Kutsche, die draußen steht, benutzen, um in die Stadt zu fahren«, sagte Jon mit einem letzten Blick über seine Schulter zu Isobelle.
»Du bist zu liebenswürdig, mein guter Jon«, schnurrte die Frau zurück. »Vergiß nicht, bei mir vorbeizukommen. Ich weiß, wie... einsam... ein Mann sein kann, wenn seine Frau sich in den besonderen Umständen befindet.«
Cathy schnappte hörbar nach Luft, als sie diese direkte Einladung vernahm. Jons Kiefer wurden hart. Er betrachtete das entrüstete Mädchen in seinen Armen, nachdem Isobelle gegangen war.
»Du wirst nicht zu ihr gehen«, sagte Cathy ihm mit einem verletzten Unterton, wobei sie nicht wollte, daß Petersham es hörte. Sie war jedoch unfähig, ihren Ärger zurückzuhalten.
»Gibst du mir Befehle, Weib?« Jetzt sah er sie wirklich eiskalt an. Cathy nickte, und in ihren Augen brannte immer noch die Wut über Isobeiles Unverschämtheiten.
»Tu das nicht«, sagte Jon, wobei eine gewisse Brutalität in seiner Stimme lag. »Erinnere dich daran, daß du hier nur geduldet bist. Du hast kein Recht, mich über meine Handlungen auszufragen, weder jetzt noch in Zukunft.«
Cathy sah ihn an, und der Schmerz, den seine Worte verursacht hatten, durchdrang sie wie ein Messer.
»Ich würde nicht einmal im Traum darauf kommen, danach zu fragen, was du tust, Mann.« Cathy betonte das letzte Wort und machte sich so über Jon lustig, der immer >Weib< zu ihr sagte.
»Du brauchst dann aber auch nicht danach zu fragen, was ich tue.«
»Das würde ich nicht unbedingt sagen«, antwortete Jon grimmig.
Petersham überholte ihn und öffnete die Tür zu der Suite, was ihrem Streit ein Ende setzte. Cathy sah ihren Mann nur ärgerlich an, während er sie in die Mitte des großen Bettes legte.
»Ich bin sicher, daß du es hier bequem haben wirst.« Jons Stimme war distanziert, und Cathy wußte, daß er diese Worte nur sagte, weil Petersham anwesend war.
»Sicher«, antwortete sie mit gleicher Kälte und war fest entschlossen, sich bei diesem Spiel um höfliches Desinteresse nicht geschlagen zu geben. Bei ihrem Tonfall fingen Jons Augen an zu glitzern, und der warnende Muskel bewegte sich auf seiner Wange. Seine Wut schien jetzt kurz vor der Explosion zu sein. Bevor er jedoch antworten konnte, fing Petersham, der am Fenster stand, an zu sprechen.
»Kapitän, Frau Martha ist mit dem Rest der Sachen angekommen. Wollen Sie, daß ich danach sehe? «
»Ich werde das selbst tun. Ich muß sowieso wieder zurück in die Stadt. Du bleibst bei Miß Cathy, bis Martha hier heraufkommt, und dann kannst du mal überprüfen, was von den Ställen übriggeblieben ist. Wenn ich mich richtig an meinen Vater erinnere, dürfte dort nicht mehr viel los sein. «
»Werden wir hier eine Weile bleiben, Kapitän? « fragte Petersham ruhig.
»Für eine Weile«, sagte Jon kurz und verließ den Raum, ohne Cathy eines weiteren Blickes zu würdigen. Cathy biß sich auf die Zunge, um nicht hinter ihm her zu rufen. Er hatte gesagt, daß er zurück in die Stadt mußte -natürlich zweifelsohne, um diese Frau zu treffen! Er war ein lustvoller Mann, und sie wußte, daß er seit Monaten keine Frau mehr gehabt hatte. Wenn er zu ihr ging, würde sie ihm das nie verzeihen, dachte Cathy. Und wenn schon, machte sich eine kleine Stimme in ihr lustig, du wirst es ja sowieso nicht erfahren. Wer sollte dir davon erzählen?
Während der nächsten zehn Tage nagten die Verdächtigungen an Cathy wie ein Krebsgeschwür. Jon war fast nie zu Hause, und wenn er da war, war er kurz angebunden und hatte keine Zeit. Cathy konnte nicht wissen, ob er Isobelle oder irgendeine andere Frau traf, aber es war mehr als wahrscheinlich. Es gab schließlich nicht mehr viel, was ihn jetzt noch davon abhielt. Obwohl sie seine Frau war, war er nicht mehr durch das ursprüngliche Band der Liebe oder wenigstens des Schuldgefühls an sie gebunden. Er würde genau das tun, was ihm verdammt noch mal gefiel, dachte sie verärgert. Und wenn ihr das nicht paßte, mußte sie eben trotzdem damit klarkommen! Das einzige, was noch ein wenig gegen seine Untreue sprach, war der ständige Zustrom von neuen Sklaven auf das Anwesen. Es war möglich, daß er sich ganz einfach damit beschäftigte, die Arbeitskräfte auszusuchen, die auf Woodham gebraucht wurden, um den Ort in eine erfolgreiche Baumwollplantage zu verwandeln. Cathy hatte von Petersham über diesen Plan gehört. Der Kapitän hatte sich entschlossen, Farmer zu werden, was dem kleinen Diener vollkommen unbegreiflich war. Aber wenn sich Kapitän Jonathan Hale etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann machte er es gründlich. Petersham wäre nicht überrascht gewesen, wenn es schon im kommenden Sommer eine Menge Baumwolle geben würde!
Cathy interessierte sich ziemlich wenig für Baumwolle. Sie war wütend und erschöpf, und wenn sie ehrlich war, vermißte sie Jon. Sie wartete sehnlichst auf die Geburt des Babys, so wie ein Gefangener die Freiheit ersehnt hätte. Sobald ihr Körper wieder ihr selbst gehören würde, würde sich alles ändern. Das schwor sie sich. Sie würde die Liebe ihres Mannes zurückgewinnen.
Martha wurde zur Haushälterin ernannt, und sie wurde zunehmend streitsüchtiger. Sie war den Umgang mit Sklaven nicht gewöhnt und zutiefst mißtrauisch ihnen gegenüber. Sie weigerte sich, die Sklaven auch nur in die Nähe von Cathy zu lassen, weil sie glaubte, daß sie alle einen Aufstand planten und dem Mädchen die Kehle durchschneiden würden, sobald die Gelegenheit dazu da war. Die dauernden Schwierigkeiten, die durch Marthas Verhalten verursacht wurden, kamen Cathys Gesundheit nicht sehr zugute. Sobald sie wieder auf den Beinen war, würde die Organisation der Dienerschaft ein anderes Problem sein, mit dem sie sich beschäftigen mußte.
Das Wetter blieb bis zum ersten Tag im März warm und sonnig. Dann wurde die Monotonie durch einen leichten Schauer unterbrochen. Das sanfte Prasseln an den geschlossenen Fenstern lullte Cathy ein. Sie hatte sich den ganzen Tag über merkwürdig lethargisch gefühlt, und die Bürde, die sie trug, erschien ihr noch schwerer als gewöhnlich. Sie hielt das für normal, weil das Kind jetzt von Tag zu Tag größer wurde.
Jon hatte an diesem Morgen bei ihr hereingeschaut und sich mit kühler Höflichkeit nach ihrem Befinden erkundigt. Er war stadtfein angezogen, und Cathy hatte sein attraktives Äußeres mit Verärgerung wahrgenommen. Er war für ihre ungemütliche Situation verantwortlich, aber er litt überhaupt nicht! Sie muffelte ihn an und sagte kein Wort. Darüber sah er mit offenem Desinteresse hinweg, bedachte sie mit dem spöttischen Zucken einer Augenbraue und ging fort.
Cathy saß an einen Berg von Kissen gelehnt in ihrem riesigen Bett und nahm das Abendessen zu sich. Verstimmt musterte sie ihren Ehering, dessen glitzernde Steine das Licht der Kerze neben dem Bett reflektierten. Jon war ein Schuft, dachte sie bitter. Gerade jetzt konnte er mit einer anderen Frau Zusammensein, sie küssen und sie lieben. Cathys ganzer Körper brannte vor Eifersucht. Wenn Jon dagewesen wäre, hätte sie ihm mit dem größten Vergnügen eine Ohrfeige gegeben.
Wütend stach sie mit ihrer Gabel in ein Stück Huhn und stellte sich dabei vor, daß es Jon wäre. Als sie dann mit grimmiger Zufriedenheit hineinbiß, weiteten sich plötzlich ihre Augen. Eine Menge Flüssigkeit lief über ihre Beine und durchnäßte die Decken und die Matratze. was um Himmels willen... Sie sah verblüfft an ihrem Körper herunter. Sie hatte sich naß gemacht! Dann dämmerte ihr die Wahrheit. Die Zeit war gekommen. Das Baby wollte hinaus!
Sie sah sich nach der Glocke um, die eigentlich auf dem Tischchen neben dem Bett hätte stehen sollen. Sie war nicht da. Bei Martha und diesen verwirrten Haussklaven stand nichts auf seinem Platz. Aber sie brauchte dringend Hilfe. Sie versuchte zu rufen, aber ihre Stimme war schwach, und sie war sich darüber im klaren, daß man sie außerhalb des Zimmers nicht hören konnte. Also biß sie die Zähne zusammen, schwang ihre Füße über die Bettkante und erhob sich vom Bett. Sie mußte sich jetzt keine Sorgen mehr darüber machen, daß sie etwas tun könnte, was die Ankunft des Babys hervorrufen würde. Es war sowieso auf dem Weg!
Ihre Beine waren durch das dauernde Liegen im Bett zittrig, aber es gelang Cathy, sich zur Tür hinüberzuschleppen. Dabei hielt sie sich an den Möbeln fest. Die erste Schmerzwelle traf sie, als sie die Vorhalle betrat. Sie krümmte sich und schnappte nach Luft. Es war jedoch so schnell vorüber, wie es gekommen war. Es war gar nicht so schlimm, dachte sie erleichtert. Vielleicht würde die Geburt des Kindes keine solche Tortur sein, wie sie befürchtet hatte.
Ihr Zimmer war nur drei Türen von der Treppe entfernt. Sie schaffte es bis zum Treppenabsatz. Dort lehnte sie sich über das Geländer und blickte nach unten. Den Abstieg wagte sie nicht. Ein Fall konnte möglicherweise beide, sie selbst und das Kind, töten.
»Martha!« rief sie. Ihre Stimme war bedauernswert schwach. Sie versuchte es wieder. »Martha!«
Eine der Türen, die in die Eingangshalle führten, öffnete sich, und Cathy konnte den beruhigenden Schein einer Lampe sehen, der auf eines der Bücherregale fiel. | Sie wollte gerade wieder rufen, als Jon mit einem anderen Mann in die Halle trat.
»Ich danke Ihnen vielmals, daß Sie vorbeigekommen sind, Bailey«, sagte Jon und schüttelte dem Mann die Hand.
»Es war mir ein Vergnügen, Kapitän Hale«, antwortete der Fremde.
Cathy versuchte, in den Schatten des oberen Flurs zurückzutreten, weil sie keine Aufmerksamkeit erregen wollte, solange dieser fremde Mann anwesend war, aber eine neue Welle des Schmerzes durchfuhr sie, und ihr entschlüpfte ein kleines Stöhnen.
Jon blickte beinahe abwesend die Treppe hinauf. Sobald er Cathy am oberen Treppenabsatz erblickt hatte, gefror sein Gesicht voller Ungläubigkeit.
»Mein Gott!« stieß er hervor und kam die Treppe heraufgerannt, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Cathy spürte, wie sich zwei starke Arme mit unendlicher Zartheit um sie legten. Sie legte ihren Kopf zurück und versuchte, ihn anzulächeln. Diese Bemühung wurde durch einen neuen Schmerz unmöglich gemacht.
»Es ist soweit... ich bekomme das Baby!« stöhnte sie, wobei sie von einer neuen Wehe überrollt wurde.
Jon nickte, und sein Gesicht war weiß unter dem dunklen Teint.
»Ich werde dich tragen«, sagte er mit sehr ruhiger Stimme. »Du mußt nicht einmal deine Arme um meinen Nacken legen. Entspann dich einfach. Es wird alles gut!«
Er hob sie sanft hoch und brachte sie vorsichtig zurück in ihr Schlafzimmer. Vorsichtig legte er sie auf das Bett und ging zur Tür zurück. Sein Ruf nach Martha erschütterte das Haus bis in die Grundfesten.