Das interne Kommunikationssystem der Goliath war beschädigt, und Lanyans Worte erreichten nur wenige Besatzungsmitglieder, aber er sagte trotzdem: »Damit kein Zweifel daran besteht: Wenn wir uns zurückziehen, geben wir die Erde auf, und das kommt nicht infrage.«

125 VORSITZENDER BASIL WENZESLAS

Selbst im Kabinett des Kriegsrats der Hanse, mit gepanzerten Wänden und Wächtern an den Türen, fühlte sich Basil nicht sicher. Wenn die Hydroger General Lanyans Verteidigungslinien durchbrachen, würden sie auf dire t

k em Wege

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zum Palastdistrikt fliegen - eine Hydroger-Salve genügte, um dieses Gebäude zu vernichten.

Basil saß am zentralen Beobachtungstisch. Taktische Experten und TVF-Offiziere empfingen Lageberichte, werteten Echtzeitreporte aus und versuchten, in Hinsicht auf die Schlacht im All auf dem Laufenden zu bleiben. Wenzeslas verbarg die geballten Fäuste unter dem Tisch. »Man kann nicht behaupten, dass dies eine Überraschung ist! Wir hatten jede Menge Zeit, uns darauf vorzubereiten. Die Menschheit hat versagt.«

Der stellvertretende Vorsitzende Cain war noch bleicher als sonst und eilte wie ein grimmiger Geist von Konsole zu Konsole. »Wir hätten nichts anderes tun können, Sir.«

»Wir hätte es wissen sollen!« Basil hob die Stimme. »Alle Menschen in der Terranischen Hanse wussten von der Gefahr - warum haben sie nicht ihr Bestes für mich gegeben? Was jetzt geschieht, ist ihre eigene verdammte Schuld. Sie wussten, was auf dem Spiel stand. Ich habe versucht, sie zu führen, aber ohne Kooperation können meine Pläne nicht erfolgreich sein.

Warum enttäuschen mich die Leute?« Er hob die Fäuste und schlug damit auf den Tisch. »Immer und immer wieder«

Die taktischen Spezialisten vergrößerten die Bilder auf ihren Schirmen und versuchten, die Bewegungen der vielen Schiffe zu verfolgen. »Drei komplette TVF-Kampfgruppen haben gerade die Erde erreicht. Aber sie nehmen General Lanyans Schiffe unter Beschuss.«

»Natürlich - es sind die von den verdammten Soldaten-Kompis übernommenen Schiffe! Die Klikiss-Roboter müssen von Anfang an mit den Hydrogern verbündet gewesen sein.«

Cain legte die Hände auf den Rücken. »Wir wissen nicht genau, was ge hi

sc eht, Vorsitzender. Zuerst schienen die Ildiraner Verrat zu üben, aber dann griffen sie die Kugel

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schiffe an. Nach diesen energetischen Signaturen...« Er deutete auf glühende Flecken. »... sind bereits hunderte von Schiffen vernichtet: TVF-Einheiten, ildiranische Kriegsschiffe und Hydroger-Kugeln.«

Basil konnte mit den vielen Ortungsimpulsen nichts anfangen. Es sah aus, als hätte jemand zwei Wespennester aneinandergeklatscht, um dann aus sicherer Entfernung das Durcheinander zu beobachten. Er wandte sich an einen Kommunikationsoffizier. »Verbinden Sie mich mit General Lanyan.«

»Sir, alle seine Kom-Kanäle sind blockiert. Er...«

»Ich bin der Vorsitzende! Sie können doch wohl einen Prioritätskontakt für mich herstellen, oder?«

»Ja, Sir. Natürlich kann ich das.« Die Finger des Kom-Offiziers huschten über die Tasten, und er sprach in sein Mikro. Das Bild auf einem der Schirme wechselte.

Basil stand auf und wandte sich an den TVF-Kommandeur. »General Lanyan, ich muss wissen, was dort oben bei Ihnen geschieht. Haben die Ildiraner ...«

»Ich bin beschäftigt«, sagte der wie gehetzt wirkende Lanyan unwirsch.

»Sehen Sie nicht, dass wir mitten in einer Schlacht sind?«

»Wir sehen sehr wenig, General. Ich möchte einen vollständigen ...«

»Sie bekommen einen Bericht, wenn dies vorbei ist, Sir.« Lanyan unterbrach die Verbindung.

Basil starrte auf einen leeren Schirm und fühlte sich so, als hätte ihn jemand geschlagen. »Wie kann er es wagen, das Gespräch auf diese Weise zu beenden?«

Cain trat an seine Seite. »Der General muss sich auf den Kampf konzentrieren, Vorsitzender. Ich schlage vor, dass wir unseren sicheren Bunker aufsuchen.«

»Es gibt keine Garantie dafür, dass wir dort vor den Hydrogern geschützt sind. Ich muss im Zentrum des Gesche

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hens bleiben, auf Gedeih und Verderb.« Basil schüttelte den Kopf, als er darüber nachdachte. Selbst wenn er die Zerstörung der Erde und die Vernichtung der Hanse überleben sollte - das Regieren war sein Leben.

Wenn es etwas anderes für ihn gäbe, hätte er sich schon vor langer Zeit in den Ruhestand zurückziehen können. Und da offenbar kein geeigneter Nachfolger für ihn existierte, hatte er keine andere Wahl, als im Amt zu bleiben. Er musste hier bleiben und wenn nötig mit dem Schiff untergehen.

Aber er würde nicht der Einzige sein.

Eine Idee erhellte seine Miene. »Holen Sie König Peter und Königin Estarra.

Bringen Sie auch den Prinzen hierher. Ich möchte sie alle an diesem Ort wissen.«

Cain nickte. »Sie können eine Rede aufzeichnen. Wir stehen zusammen und zeigen der Geschichte das stolze Ende der Erde, wenn es dazu kommt.«

Basil ballte erneut die Fäuste und zwang sich dann, die Finger wieder zu strecken. »Sie werden hier warten, wie wir alle.«

Doch niemand konnte Captain McCammon über das lokale Kommunikationsnetz erreichen. Auch die Wächter vor dem Quartier des Prinzen meldeten sich nicht. Konnte man sich denn auf niemanden im Universum verlassen? Hatten selbst die königlichen Wächter ihre Posten aufgegeben?

Basil bellte den Wächtern vor dem Eingang des Kriegsraums Befehle entgegen. »Gehen Sie zum Flüsterpalast und bringen sie den König, die Königin und den Prinzen hierher!«

Die Uniformierten hörten die Schärfe in der Stimme des Vorsitzenden und liefen los.

Basil beobachtete auch weiterhin den Verlauf der Schlacht im All, doch die vielen Ortungsimpulse, Bilder und eingeblendeten Flugbahnen verwirrten ihn - er konnte nicht fest

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stellen, wer die besseren Chancen hatte, den Sieg zu erringen. Er zählte die Sekunden, während er darauf wartete, dass die Wächter zurückkehrten.

Warum dauert alles so lange?

Schließlich meldete sich ein Wächter per Interkom. »Teilen Sie dem Vorsitzenden mit, dass wir den Königlichen Flügel erreicht haben. Der König und die Königin sind nicht in ihrer Suite. Captain McCammon und einen anderen Wächter haben wir bewusstlos gefunden. Sie scheinen betäubt worden zu sein. Die Schocker der Wächter sind verschwunden.«

Basil sprang auf. »Unmöglich!«

Die zweite Gruppe meldete sich. »Wir haben Ähnliches beim Apartment des Prinzen festgestellt, Vorsitzender. Die Wächter wurden mit Schockern betäubt und in einem Lagerraum untergebracht. Sie sind noch immer sehr benommen. Vom Prinzen fehlt jede Spur. Vielleicht hat jemand ihn und das königliche Paar entführt.«

Basil spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Er hatte fast das Gefühl, selbst von einem Schockstrahl getroffen worden zu sein. Seufzend sank er in seinen Sessel. »Niemand hat sie entführt. Sie sind geflohen.« Es war zu viel! Peter hatte ihn immer wieder herausgefordert. Ganz gleich, was die Hanse für ihn tat, ganz gleich, wie sehr Basil ihm drohte oder wie viel er ihm versprach: Der undankbare Peter sträubte sich gegen alles.

Die Dinge geraten aus den Fugen, weil mich alle enttäuscht haben, dachte Basil. Seine Augen brannten, und es wurde rot vor ihnen. Er hörte ein lautes Geräusch, fühlte stechenden Schmerz im Hals und begriff, dass das Geräusch von ihm kam. Er heulte voller Zorn, brüllte Flüche ... und klappte schließlich den Mund zu. Cain starrte ihn verblüfft an. Die taktischen Experten und Kommunikationsoffiziere hatten sich von den Bildschirmen abgewandt und sahen den Vorsitzenden an, als hätte er den Verstand ve

r

rlo en.

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Verlegenheit erfasste Basil, und er zwang sich, ruhig zu atmen. Völlig reglos stand er da und ließ sein Gesicht wieder zu der üblichen ausdruckslosen Maske werden. Wenn sie alle sterben wussten, so wollte er würdevoll aus dem Leben scheiden.

126 CESCA PERONI

Kommandogruppen der Roamer griffen Dutzende von bekannten Gasriesen der Hydroger an. Für den ersten Schlag mit ihrem eigenen Team flog Cesca einen der großen Wassertanker von Plumas, in Begleitung anderer Tanker mit den Tamblyn-Brüdern an Bord. Auf ihrer Einsatzliste standen die Namen vieler Hydroger-Welten.

Die anderen Gruppen griffen weitere Ziele an, die auf ihren Sternkarten markiert waren. Die groß angelegte Offensive sollte hunderte von feindlichen Planeten gleichzeitig treffen.

Cescas kleine Staffel fiel der Atmosphäre des Gasriesen Haphine entgegen.

Diese kühle, stürmische Welt besuchte sie jetzt zum ersten Mal, doch sie kannte ihre historische Bedeutung. Eine der ersten beiden Himmelsminen, die die Roamer von den Ildiranern gemietet hatten, war hier zum Einsatz gelangt. Außerdem hatte bei Haphine der vierte Hydroger-Angriff auf Menschen stattgefunden - sechstausend Roamer waren dabei ums Leben gekommen.

Jetzt drehen wir den Spieß um, dachte Cesca und wies ihre Gruppe an, die Wental-Fracht freizusetzen und den Hydrogern eine ihrer Welten zu entreißen.

Caleb Tamblyn sprach im Plauderton über die Kom-Verbindung, aber Cesca spürte dennoch seine Anspannung,

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das Bedürfnis, sich von der bevorstehenden Konfrontation abzulenken.

»Der Clan Tamblyn hat es immer bestens verstanden, Wasser dorthin zu liefern, wo es gebraucht wird.«

»Sie könnten sich dies als Routinearbeit vorstellen«, erwiderte Cesca.

Dann strömte ein Teil der Wental-Fracht aus den Tanks. Das lebende Wasser verteilte sich in den dichten blaugrauen Wolken und sank tiefer in den Gasriesen.

Die Stimmen der Wentals in Cescas Frachträumen erklangen in ihrem Kopf. Sie spürte, wie die Elementarwesen durch die Atmosphäre des Riesenplaneten fielen und sich auf den Sieg freuten. »Die Wentals haben bereits damit begonnen, Haphines Transtor aufzulösen, damit die Hydroger hier festsitzen. Der Feind kann nicht entkommen.«

Als hätten sie eine Einladung bekommen, stiegen drei Kugelschiffe aus den Wolken auf, und zwischen den dornartigen Vorsprüngen flackerte Bereitschaftsenergie. Wental-Dämpfe hatten deutliche Korrosionsspuren an den Außenhüllen hinterlassen. Dunstschwaden aus für die Hydroger giftigen Tröpfchen umgaben die drei Schiffe, schienen irgendwie an ihnen festzukleben.

Caleb Tamblyn steuerte seinen Tanker näher an den von Cesca heran.

»Bedeutet das, wir müssen selbst irgendwie mit den Kugelschiffen fertig werden?«

»Sind wir deshalb nicht hierhergekommen?«, fragte Wynn von Bord seines eigenen Schiffes aus.

Torin Tamblyn kam von tief unten empor, vom Rand der Atmosphäre. Er hatte seine Wental-Ladung bereits dem Gasriesen übergeben, und deshalb war sein Schiff leichter, aber es konnte den drei Kugelschiffen trotzdem nicht entkommen. »Sie sind mir auf den Fersen!«, sendete er. »An alle: e

Entw der helft mir oder geht aus dem Weg.«

Torins Brüder änderten den Kurs und fielen ihm mit ihren 346

schwereren Tankern entgegen. Torin versuchte, den blauen Blitzen der Hydroger zu entgehen.

Cescas Tanks waren noch immer mit Wasser von Charybdis gefüllt. Sie spürte, wie die Wentals darin pulsierten, und erkannte plötzlich, dass die Hydroger alle Tanker vernichten wollten. »Ihr Tamblyns - fliegt in verschiedene Richtungen! Mit einem solchen Gegner können Sie es nicht aufnehmen!«

»Sie haben es auf Torin abgesehen!«, erwiderte Caleb. »Ich lenke die Hydroger ab.«

Die Wasserwesen vibrierten in der Hülle des großen Tankers, und Cescas Schiff beschleunigte, sprang zwischen Torin Tamblyns fliehenden Tanker und die aufsteigenden Kugelschiffe. Die Hydroger wussten nicht, mit welchem Gegner sie es zu tun hatten.

Als die drei Kugeln auf sie zurasten, noch immer mit der Absicht, den Tamblyn-Schiffen zu folgen, kehrte ihnen Cesca die untere Seite ihres Tankers zu, wie ein unterwürfiges Tier, das seinen Bauch zeigte. Sie öffnete die Frachtluken, und eine Flut aus Wentals spritzte den Hydrogern entgegen.

Eine Wolke entstand vor den Kugelschiffen, eine Barriere aus Wentals. Die Kugeln flogen hindurch und waren plötzlich von destruktivem Dunst umgeben. Cesca beobachtete, wie die Wasserwesen einen ätzenden Film formten, der sich durch die angeblich unzerstörbare diamantene Außenhülle fraß.

Die Hydroger rasten nach rechts und links. Zwei von ihnen kollidierten und prallten wie Billardkugeln voneinander ab. Cescas Tanker befand sich genau in der Flugbahn des dritten Schiffes.

Als es zur Kollision kam, blitzte es hell, und Chaos umgab Cesca. Eine ganze Horde grausamer Kobolde schien mit Hämmern auf ihren Körper e

schlag

inzu

en. Dann stürzte sie

347

und drehte sich dabei in einem Durcheinander aus Rumpfsplittern, gefrierender Luft und lebendem Wasser.

Die Wentals bewahrten sie vor dem Tod. Cesca hatte nicht beabsichtigt, ihre Unzerstörbarkeit zu testen oder sich selbst und den wertvollen Tanker in Gefahr zu bringen. Sie hatte nur getan, was nötig war. Als sie den Kopf drehte, sah sie die drei Schiffe der Tamblyn-Brüder in der Nähe. Sie schwebte allein, ohne Funkgerät oder irgendeine andere Möglichkeit, mit ihnen zu kommunizieren.

Mit grimmiger Zufriedenheit stellte sie fest, dass sich die Außenhüllen der drei Kugelschiffe aufzulösen begannen. Schließlich platzten die Kugeln, und gewölbte Fragmente glitzerten im Licht der fernen Sonne, fielen in einer weiten Spirale dem Planeten entgegen. Der Wental-Dunst bewegte sich aus eigenem Antrieb und glitt an den Trümmern vorbei zu Haphines Wolken, wo die anderen Wentals den Hydrogern Vernichtung brachten.

Cesca experimentierte ein wenig und fand heraus, dass sie sich bewegen konnte. Allein mit Willenskraft flog sie durchs Vakuum. Caleb, Wynn und Torin Tamblyn mussten geglaubt haben, dass sie bei der Explosion ums Leben gekommen war: Als sich Cesca einem Cockpitfenster näherte und winkte, starrte Caleb sie verblüfft an, schaltete den Kommunikator ein und berichtete seinen Brüdern, dass sie noch lebte.

Sie lächelte und bedeutete ihm, eine Luke zu öffnen, damit sie an Bord kommen konnte. Jetzt hatten sie einen Tanker weniger - aber es gab auch einen Gasriesen weniger, der von den Hydrogern befreit werden musste.

Doch die Liste ihrer Zielplaneten war noch lang.

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127 TASIA TAMBLYN

Tasia hatte nie viel von den Dingen verstanden, die sie durch die transparente Membran ihrer Zelle sehen konnte, aber jetzt schien es draußen noch verrückter zuzugehen als sonst. »Etwas passiert dort, und es sieht nicht nach einer Party aus.«

Kugelschiffe flogen durch die Straßen und verschwanden durch die Barriere, die die schwebende Stadtsphäre umgab. Quecksilberartig schimmernde Hydroger schwammen wie Schwärme aus erschrockenen Fischen; Klikiss-Roboter stapften umher.

»Sie sind immer verrückt gewesen«, stöhnte Keffa. »Warum töten sie uns nicht einfach, damit endlich Schluss ist?«

»Vielleicht wollen sie sehen, wie wir mit Anspannung zurechtkommen«, vermutete Robb.

»Nicht besonders gut«, sagte Belinda. Die verhärmt wirkende Frau hatte Tasia nie ihren Nachnamen genannt.

Nach EAs Zerstörung brodelte noch immer Zorn in Tasia. Sie wünschte sich die Möglichkeit, ein oder zwei Klikiss-Roboter zu zerschmettern. So fremdartig die Hydroger auch sein mochten - die schwarzen, insektenhaften Roboter waren einfach bösartig. Es gefiel den Klikiss-Robotern, Schmerzen zuzufügen, zu dominieren und zu zerstören. Es gehörte zu ihrer Programmierung.

Tasia hatte sich immer auf ihre Hartnäckigkeit und Intelligenz verlassen, auf ihren Roamer-Einfallsreichtum, hatte nie erwartet, dass ein strahlender Ritter angeritten kam und sie rettete. Sie wusste, dass keine heroische Kavallerie - nicht einmal eine TVF-Kommandogruppe - kommen würde, um sie aus diesem Albtraum zu befreien.

Der plötzliche Anblick ihres Bruders Jess auf der anderen Seite der transparenten Membran war so absurd und uner

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wartet, dass Tasia befürchtete, verrückt geworden zu sein. Sie hatte gehofft, mindestens so lange durchzuhalten wie die anderen Gefangenen, bevor sie den Verstand verlor. Trieben die Hydroger irgendeinen grausamen Schabernack mit ihr?

Jess stand in der tödlichen Umgebung und trug nur dünne weiße Kleidung, die an seinem Körper haftete. Beine und Arme waren unbedeckt. Das lange braune Haar wogte, obwohl auf der anderen Seite der Membran ein unvorstellbarer Druck herrschte.

»Shizz, wenn ich schon Wahnvorstellungen habe, so sollten sie wenigstens einen Hauch von Logik enthalten.«

»Was ist das?«, stieß Robb hervor. Als die anderen näher kamen und verblüfft nach Luft schnappten, begriff Tasia, dass sie die Erscheinung ebenfalls sahen. Sie rieb sich die Augen.

»Das ... das sieht wie mein Bruder Jess aus. Aber er kann es unmöglich sein.«

»Das denke ich auch«, sagte Robb. »Er befindet sich mitten im Gasriesen und ist... barfuß.«

Tasia hatte gesehen, wie die Droger die Gestalt ihres Bruders Ross annahmen, und sie vermutete, dass sie sich jetzt in einem neuen Erscheinungsbild präsentierten. Die nachahmenden Fähigkeiten der Fremden mussten sich verbessert haben, denn Jess wirkte sehr lebensecht. Warum spielten die Hydroger immer wieder mit ihren Erinnerungen? Freude verwandelte sich in tiefe Enttäuschung. »Du bist nicht mein Bruder!«, rief Tasia durch die Membran.

Jess näherte sich der Zelle, und sein Gesicht zeigte Entzücken und Triumph. Sein jungenhaftes Grinsen war unverwechselbar und weckte in Tasia viele Erinnerungen an ihre Kindheit. Bei der Imitation von Ross war es den Hydrogern nie gelungen, Emotionen zu zeigen oder den Ge chtsaus

si

druck zu verändern. Dies war eindeutig etwas anderes.

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»Wer zum Teufel bist du?«, fragte Tasia. »Und was willst du?«

Die Stimme der Erscheinung vibrierte durch die dichte Atmosphäre, verstärkt von einer unbekannten Kraft. Es war Jess' Stimme, kein Zweifel.

»Ich bin gekommen, um dich zu retten, kleine Schwester. Erkennst du mich nicht?«

Tasia reagierte mit Sarkasmus. »Mal sehen, dein Haar ist etwas länger ...

oh, und ich sehe zum ersten Mal, wie du in einer superdichten Atmosphäre schwebst und dabei nicht mehr anhast als ein dünnes Hemd und eine Badehose!«

»Soll er uns retten!«, rief Belinda. »Wen kümmert's, wer er ist?«

»Mich«, knurrte Tasia. »Die Droger haben meiner Familie genug angetan.«

Erneut blickte sie durch die Membran, sah Jess an und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Beim Leitstern, er sah wirklich wie ihr Bruder aus! Und sie hasste hasste hasste diesen Ort. »Na schön, ich bin bereit, flexibel zu sein, wenn du uns hier herausholen kannst.«

»Ich bin es wirklich Tasia, aber ich habe mich verändert -so viel dürfte dir klar sein. Die Kraft der Wentals erfüllt meinen Körper. Damit meine ich Wesen, die so mächtig sind wie die Hydroger und Faeros. Ich bin in der Lage, euch von hier fortzubringen. Überall im Spiralarm greifen die Wentals Welten der Hydroger an.«

»Wird auch verdammt Zeit!«, sagte Keffa.

»Jeder Feind der Droger ist mein Freund.« Robb ergriff Tasias Arm. »Komm.

Wir haben längst nichts mehr zu verlieren.«

Die Gefangenen konnten es plötzlich gar nicht mehr abwarten, ihre Zelle zu verlassen. Nur Keffa warnte vor einer Falle. Belinda drängelte und schien durch die Membran springen zu wollen.

»Können wir uns nicht alles von ihm erklären lassen, nachdem er uns weggebracht hat?«

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»Na schön, wir sind praktisch zum Tode verurteilt, seitdem wir uns in dieser verdammten Zelle befinden. Kriegsgefangene sind quasi verpflichtet, einen Fluchtversuch zu wagen.« Tasia sah ihren Bruder an, der in der Hydroger-Stadt stand - ohne irgendetwas, mit dem er die Gefangenen in Sicherheit bringen konnte. »Wie willst du dies bewerkstelligen?«

Mit einer Stimme, die gespenstig und stark klang, erwiderte Jess: »Wentals sind Todfeinde der Hydroger. Sie haben meinen Körper verändert, und dadurch bin ich zu Dingen imstande, die du für unmöglich hältst.«

Tasia lachte. »Shizz, das ist eine Untertreibung!«

»Vertrau mir.« Jess' wentalverstärkte Stimme hallte durch die Zelle. »Ich bin nicht mehr ganz Mensch, aber unter den gegenwärtigen Umständen dürfte das ein Vorteil sein.«

Jess streckte die Arme aus und schloss die Augen. Dunst umgab ihn und verdichtete sich zu Nebel, als Molekül für Molekül Wassertropfen aus der Luft kondensierten. Er beschwor Regen, bis genug lebendes Wasser existierte, um daraus eine Blase zu formen. Die neu geschaffene Kugel wirkte fragil, mit einer Außenhaut so dünn und substanzlos wie die einer Seifenblase. Die Wental-Kugel berührte die Schutzmembran der Zelle und schuf eine Öffnung darin.

»Geht in die Blase«, sagte Jess von draußen. »Ich halte sie zusammen. Beeilt euch - der Kampf um uns herum wird immer schlimmer.«

Tasia hatte bereits mehr als genug absurde Situationen erlebt. Welchen Unterschied machte eine weitere verrückte Sache? Sie gab sich einen Ruck und schob Belinda durch die Öffnung in die Wental-Kugel. »Na los! Ich dachte, ihr wollt weg von hier.«

Der nervöse Keffa verließ die Zelle als Zweiter. Tasia und Robb halfen den anderen Gefangenen und traten dann ebenfalls durch die Lücke in der Me bran. Di

m

e Luft im Innern

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der Wental-Blase roch nach Ozon und Nebel. Jeder Atemzug war eine Wohltat nach der langen Gefangenschaft in der Hydroger-Zelle.

Als Jess durch die Außenhaut der Blase trat, wünschte sich Tasia nichts mehr, als zu ihm zu laufen und ihn zu umarmen. Sie hatte ihn das letzte Mal gesehen, als er an der Mondbasis vorbeigeflogen war und EA eine verschlüsselte Mitteilung über den Tod ihres Vaters gesendet hatte. Doch Jess warnte sie und erklärte, dass eine Berührung für Tasia tödlich wäre.

»Ich verspreche dir mehr als nur ein Dankeschön - sobald wir von hier weg sind.«

Zum ersten Mal seit ihrer Gefangennahme sah Tasia einen Hoffnungsschimmer in den Gesichtern der anderen. Jess' Wasserblase löste sich von der verhassten Zelle, stieg auf und schwebte fort von der Stadtsphäre der Hydroger.

128 KÖNIG PETER

Peter hoffte, dass Basil Wenzeslas durch den Angriff der Hydroger ausreichend abgelenkt war - nur dann konnten sie hoffen zu entkommen.

»Bist du sicher, dass du dieses Schiff fliegen kannst, OX?«

Es zerriss ihm das Herz, ausgerechnet jetzt zu fliehen, denn viele Menschen würden sterben, wenn die Hydroger die Verteidigungslinien durchbrachen.

Basils Entscheidungen hatten Peter in diese schwierige Lage gebracht.

Wenn die Menschheit eine zweite Chance bekam, so durfte sie sich nicht auf die irrationale Regentschaft des Vorsitzenden verlassen. König Peter und Königin Estarra waren ihre letzte Hoffnung.

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Der Lehrer-Kompi stand an den verwirrend komplexen Kontrollen des Triebwerks. Die bunten Schalttafeln enthielten Edelsteine und Kristalle, und von ihnen reichten aderähnliche Gebilde in einen durchsichtigen Polymerblock. »Die Forschungsgruppe hat viele Daten gesammelt, die ich auswerten muss.«

Estarra wirkte sehr erschöpft, hielt ihren Bauch und suchte nach einem Sitzplatz an Bord des fremden Schiffes. Sie lehnte sich an eine der glatten Wandvorsprünge. »Haben die Wissenschaftler genug herausgefunden?«

Die Aufmerksamkeit des Kompi blieb auf die Kontrollen gerichtet, und er zögerte - zum ersten Mal, seit Peter ihn kannte. »Ja, ich habe genügend Daten, um daraus die notwendigen Informationen zu gewinnen. Dieses Triebwerk ist weitaus komplizierter als der ildiranische Sternenantrieb oder die Antriebssysteme der Terranischen Verteidigungsflotte. Wenn ich meine ganze Verarbeitungskapazität nutze, kann ich ein Paradigmen-Overlay schaffen, das mich in die Lage versetzt, dieses Schiff nach Theroc zu fliegen.«

»Ich wusste, dass wir uns auf dich verlassen können, OX«, sagte Estarra.

Der Kompi drehte sich um und sah Peter an. »Da unser Plan so schnell in die Tat umgesetzt werden musste, hatte ich leider keine Gelegenheit, verschiedene Downloads mitzubringen. Wie Sie wissen, sind meine Speicherbänke bereits mit den Daten persönlicher Geschichte gefüllt. Ein Upgrade ist schon seit einer ganzen Weile nötig.«

»Was bedeutet das?«, fragte Peter. »Reicht das Potenzial deiner Prozessoren nicht aus, das Triebwerk zu steuern?«

»Ich habe genug Rechen- und Speicherkapazität. Doch um diese Kapazität dafür zu nutzen, die hiesigen Bordsysteme zu verstehen und zu kontrollieren, muss ich alle meine Erinnerungen löschen.«

»Es sind die Erfahrungen von drei Jahrhunderten!«, ent 351

fuhr es Peter. »Wir machen etwas anderes. Wir finden eine andere Möglichkeit, dieses Schiff zu fliegen. Oder wir verstecken uns hier auf der Erde, bis alles vorbei ist.«

»Nein, König Peter, Sie und die Königin müssen in Sicherheit gebracht werden. Das ist meine Priorität.«

»Dann befehle ich dir, deine Prioritäten zu ändern.«

»Das können Sie nicht. Eine derartige Anweisung hätte ebenso wenig Sinn wie die, den Vorsitzenden Wenzeslas zu töten.« OX richtete seine goldenen Augensensoren auf Estarra. »Auf Theroc sind Sie und Ihr Kind sicher.«

»Wir könnten durch ein anderes Transportal der Klikiss gehen, wie Daniel«, schlug Peter vor.

Estarra richtete einen kummervollen Blick auf ihren Mann. »Es muss Theroc sein, Peter. Mein Volk kann uns schützen. Auf Theroc sind wir in der Lage, die neue Regierung der Erde vorzubereiten.«

Peter wusste, dass sie recht hatte. »An einem anderen Ort müssten wir uns verbergen. Die Menschheit braucht uns.« Er schluckte den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals formte. Er wusste, was OX tun würde. Er wusste auch, dass die Tränen in Estarras Augen ihm galten, ihrem Kind, der Erde... und OX.

»Der Vorsitzende könnte jeden Moment bemerken, dass wir den Flüsterpalast verlassen haben. Wenn Hydroger-Schiffe die Verteidigungslinien durchbrechen, greifen sie zuerst den Palastdistrikt an.

Wir müssen sofort aufbrechen und können nur hoffen, dass dieses Schiff klein genug ist, um beiden Seiten zu entwischen, sobald wir im All sind.«

Mit einer fast optimistisch klingenden Stimme sagte OX: »Ich werde versuchen, einige Erinnerungen an Sie zu bewahren, wenn es der Speicherplatz erlaubt.«

Bevor Peter etwas sagen konnte, um den Kompi aufzuhalten, bevor er in der Lage war, eine andere Lösung für dieses Problem vorzuschlagen, wandte sich OX den Kontrollen zu.

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Er begann mit der Übertragung der Informationen aus den Datenpaketen, die Cain ihm gegeben hatte, überschrieb mit ihnen seine dreihundert Jahre alten Erinnerungen.

Peter dachte traurig an all die Dinge, die der Kompi jetzt verlor. Er opferte einen großen Teil der eigenen Identität, ersetzte Erinnerungen, die ihm lieb und teuer waren, durch kalte Gleichungen. Der Lehrer-Kompi kam einem historischen Schatz gleich. Peter fragte sich, ob die Hanse irgendwann einen Backup-Download zur Sicherung von OX' Erinnerungsdateien vorgenommen hatte. Vermutlich war Basil Wenzeslas nie bereit gewesen, Zeit dafür zu erübrigen. Er hätte es für irrelevant gehalten.

Nach einem langen, unerträglichen Moment wandte sich OX ihnen mit verändertem, gelöstem Gebaren zu. »König Peter, Königin Estarra ...« Seine Stimme war klanglos. »Ich bin bereit. Möchten Sie jetzt losfliegen?«

Peter und Estarra wussten, dass sie gerade einen ihrer wenigen Freunde im politischen Sumpf der Hanse verloren hatten. »Ja«, antwortete Peter bedrückt. »Bitte bring uns fort.«

Der Kompi fixierte seinen Blick auf die Kontrollen, auf funkelnde Kristalle und zackenartige Ausbuchtungen in diamantenen Gerüsten. Energie summte durch das kleine Hydroger-Schiff. Die Öffnungen in der Außenhülle schlossen sich, und die Kugel stieg auf, schwebte durch die Nacht.

129 BENETO

Zwanzig Schlachtschiffe der Verdani kamen aus der kalten Leere des Alls und hielten auf die Erde zu. Benetos menschliche Vorfahren hatten diesen Planeten vor Jahrhunderten

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mit einem Generationenschiff verlassen und sich eine neue Heimat erhofft.

Niemand von ihnen hätte erwartet, dass es mit der Erde einmal so zu Ende gehen würde.

Beneto mochte kein Mensch mehr sein, aber er wollte nicht zulassen, dass die Zivilisation der Erde vernichtet wurde. Sein alter Körper war vor Jahren auf Corvus Landing gestorben, und im Tod hatte sich der Geist dem Bewusstsein der Verdani hinzugesellt. Jetzt war er Teil dieses unglaublichen, organischen Raumschiffs und zusammen mit den hunderten von anderen Baumschiffen stark genug, den alten Feind zu besiegen.

»Seit zehntausend Jahren warten die Verdani auf diese Schlacht«, teilte er über Telkontakt allen grünen Priestern und Piloten mit. »Und diese Schiffe sind unsere größten Waffen. Jetzt müssen wir unsere Feinde auslöschen, was schon vor langer Zeit hätte geschehen sollen.«

Benetos hölzerner Körper war mit dem Kernholz verbunden. Seine Arme waren kilometerlange Zweige, und die Wurzeln bildeten einen Schweif, wie die Nesselfäden einer Qualle. Der steife, feste Verdani-Leib war stärker und massiver als alles, worauf ihn seine Phantasie vorbereitet hatte. Er sah das Chaos der Schlacht um die Erde und hoffte, dass die gewaltigen Bäume den Kampf zugunsten der Menschheit entscheiden konnten. Mit nur einem Gedanken lenkte er sein dorniges Saatschiff mitten in den Kampf hinein.

Hunderte von Kugelschiffen waren bereits vernichtet worden, aber mit den zahllosen Waldaugen seines Schlachtschiffs sah Beneto, dass noch immer viele Schiffe der Hydroger übrig geblieben waren - genug, um die Erde zu verheeren, wenn sie die Verteidigungslinien durchbrachen. Und die noch einsatzfähigen Schiffe der TVF schienen sich gegenseitig unter Beschuss zu ne

e

hm n.

Die zwanzig als Piloten fungierenden grünen Priester 353

sahen ihre Ziele und einigten sich instinktiv darauf, wer wen angreifen würde. Die riesigen fliegenden Bäume wichen Jazer-Strahlen von TVF-Schiffen aus, pflügten durch Trümmerwolken und die energetischen Druckwellen explodierender ildiranischer Schiffe, schrammten an den gewölbten Fragmenten auseinandergebrochener Hydroger-Kugeln vorbei.

Mit dem von Solimar installierten Kommunikationssystem versuchte Beneto, General Lanyan von seinen Absichten zu informieren, aber das Durcheinander war so groß, dass vermutlich niemand zuhörte.

Die Hydroger bemerkten die Baumschiffe und erkannten ihren Todfeind.

Ihre Kugelschiffe wandten sich von den TVF-Einheiten ab, setzten Eiswellen und blaue Blitze gegen die Neuankömmlinge ein.

Mit dem Baumschiff verbunden fühlte Beneto so etwas wie Schmerz, als die äußere Borke verbrannte und Feuer oder Eis die Zweige traf. Dann kam er nahe genug an einen Gegner heran, um die dornigen Äste um ein Kugelschiff zu schlingen.

Die Hydroger setzten sich mit der gleichen Waffe zur Wehr, mit der die Fremden den Weltbaumhain auf Corvus Landing zerstört hatten - dort war Beneto gestorben. Er erinnerte sich an Furcht und Schmerz, an den Tod. All die Bäume, all die Kolonisten! Sein Baumschiff spürte den kalten Tod der Eiswellen, die mehrere dicke Äste trafen und erstarren ließen. Doch mit den anderen drückte er immer fester zu, bis erste Risse in der Außenhülle des Kugelschiffes entstanden ... bis es schließlich zerbarst.

Neunzehn andere Schlachtschiffe der Verdani umschlangen Kugeln der Hydroger und zerdrückten sie mit unwiderstehlicher Kraft.

Die Schiffe der Terranischen Verteidigungsflotte kämpften noch immer gegeneinander, und von der großen ildiranischen Flotte war nur das gschiff übrig. Nach wie

Flag

vor

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existierten hunderte von Kugelschiffen, die versuchten, die Erde zu erreichen. Selbst zwanzig Verdani-Schlachtschiffe genügten nicht, um sie aufzuhalten.

Aber sie mussten es versuchen. Beneto und die anderen Baumschiffe flogen den zahlreichen Hydroger-Kugeln entgegen. Erneut streckte er die dornigen Arme seines Baumschiffs, schlang sie um eine weitere Kugel und drückte zu, bis sie zerbrach.

Die anderen neunzehn grünen Priester, Piloten der Verdani, griffen den Feind ebenfalls an.

130 ADAR ZAN'NH

Das Flaggschiff der Solaren Marine hing antriebslos im All. Eine nahe Explosion hatte das Triebwerk schwer beschädigt. Mit unerschütterlicher Entschlossenheit reparierte der Sensortechniker des Adar defekte Konsolen, tauschte durchgebrannte Schaltkreismodule aus und besorgte sich Ersatzteile aus sekundären Systemen, die nicht mehr gebraucht wurden. Schließlich gelang es ihm, die Funktion eines taktischen Schirms wiederherzustellen, und daraufhin konnte Zan'nh beobachten, wie sich die Schlacht entwickelte, an der sein Schiff nicht mehr teilnahm.

Gewaltige Baumschiffe setzten den Hydrogern zu. So etwas hatte Zan'nh nie zuvor gesehen, und er fragte sich, wer oder was solche monströsen lebenden Gebilde schaffen konnte. So viele Mächte hatten sich hier eingefunden, um gegen die Hydroger zu kämpfen, aber selbst die kolossalen Baumschiffe konnten nicht alle restlichen Kugelschiffe blockie e

r n. Die Hydroger hatten eine unglaublich große Streitmacht gegen die TVF geschickt... oder war es ihre Absicht

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gewesen, gleichzeitig die Solare Marine zu vernichten? Je mehr Zan'nh darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien es ihm.

Mit seiner engen Verbindung zum Weisen Imperator fühlte er im Thism Wellen des Todes. Zahllose Bewohner von Ildira starben - das Massaker war für ihn wie ein die Nerven zerreißendes Schrillen. Nach der Kehrtwendung der Solaren Marine bei der Erde nahmen die Hydroger offenbar grausame Rache. Sie mussten sofort von dem Verrat erfahren haben. Zan'nh fühlte, dass der Weise Imperator noch lebte, aber er vermutete, dass der Prismapalast angegriffen wurde. Hatten die sechzig Kugelschiffe am Himmel über Mijistra das Feuer eröffnet?

Und er saß hier fest, ohne die Möglichkeit, in den Kampf einzugreifen. Das Deck des Flaggschiffs war zur Seite geneigt. Zan'nh ließ den Blick über die niedergeschlagenen Besatzungsmitglieder schweifen, hämmerte dann mit der Faust aufs Kommandogeländer. Er fühlte sich hilflos. Er hatte seinen Teil bereits geleistet... und es war nicht genug gewesen.

»Wir haben getan, was wir konnten, Adar«, sagte der taktische Berater. »Wir haben vierzehnmal so viele Hydroger erledigt wie Adar Kori'nh bei Qronha 3. Nie zuvor haben Ildiraner so viele Feinde vernichtet.«

Zan'nh triumphierte nicht. Das Licht flackerte, und immer wieder sprühten Funken aus beschädigten Konsolen. »Es war nicht genug. Wir haben nicht genug Schiffe mitgebracht.« Dieser Fehler verurteilte das Ildiranische Reich zum Untergang.

»Wenn wir mehr Schiffe mitgebracht hätten, wären nicht genug zurückgeblieben, um Ildira zu schützen«, erwiderte der Taktiker.

Zan'nh hob die Hand. »Unsere Aufgabe war es, Ildira zu schützen! Wir sollten den Hydrogern einen fatalen Schlag

354

versetzen. Wenn wir sie hier nicht besiegen, werden sie alle unsere Welten zerstören, eine nach der anderen.« Er senkte die Stimme. »Vielleicht legen Kugelschiffe Mijistra in diesem Augenblick in Schutt und Asche! Fühlen Sie nicht, wie viele sterben?«

Von Robotern übernommene TVF-Schiffe feuerten auch weiterhin auf die anderen, die unter der Kontrolle von Menschen standen. Baumschiffe der Verdani vernichteten zahlreiche Kugelschiffe, aber die Hydroger näherten sich immer mehr der Erde.

»Adar!« Der Sensortechniker sah von den Anzeigen auf, als könne er seinen Augen nicht trauen. »Mehr Schiffe treffen ein - hunderte!««

Zan'nh spürte, wie ihm das Herz schwer wurde. Führten die Klikiss-Roboter und Soldaten-Kompis Verstärkung heran? Oder waren es weitere Kugelschiffe? »Funktionieren unsere Kom-Systeme?«

Wie als Antwort entstand ein Bild auf dem Schiff-zu Schiff-Schirm und zeigte das besorgte Gesicht eines älteren Ildiraners. »Adar, hier spricht Tal Lorie'nh. Bitte bestätigen Sie, dass Sie mich hören. Wir orten keine einsatzfähigen Schiffe der Solaren Marine.«

Zan'nh beugte sich vor. »Ich höre Sie, Tal Lorie'nh! Wir sind hier.«

Der ältere Offizier lächelte dünn. »Der Weise Imperator dachte, dass Sie vielleicht Hilfe brauchen.«

»Er hat eine volle Kohorte mitgebracht!«, rief der Sensortechniker.

Hunderte von Kriegsschiffen. Zan'nh hielt sich am Kommandogeländer fest, um das Gleichgewicht zu wahren. »Wir haben die Schlacht für verloren gehalten.«

»Noch nicht, Adar. Es gibt eine letzte Möglichkeit.« Lorie'nh wandte sich mit e

Anw isungen an seine sieben Quls, die sie an ihre sieben Septars weitergaben.

355

Lorie'nh war einst Zan'nhs Vorgesetzter gewesen, aber der ältere Offizier wünschte sich keinen höheren Rang. Es hatte ihn überrascht, als er zum Tal befördert worden war -dies verdankte er seinem tüchtigen Personal, zu dem auch der junge Zan'nh gehört hatte.

Voller Kummer begriff der Adar, dass diese im letzten Moment zur Erde geschickte Kohorte nicht zum Plan gehörte. Dies waren keine leeren, automatisierten Schiffe wie die anderen, doch der Weise Imperator hatte sie trotzdem entsandt. Bei der Planung dieses verzweifelten Einsatzes war sich Zan'nh darüber klar gewesen, dass es möglicherweise einen hohen Preis zu zahlen galt. Er hatte sein Gewissen beruhigt, indem er sich auf die von Sullivan Gold und den anderen menschlichen Technikern installierten Fernsteuerungssysteme verließ. Es war nicht seine Absicht gewesen, hunderte oder tausende von Besatzungsmitgliedern aufzufordern, sich zu opfern. So viele zerrissene Fäden im Thism

Er sah Lorie'nh auf dem Schirm an. »Tal, sind Sie und Ihre Subcommander für dies bereit? Haben Sie die Crews wenigstens auf ein Minimum reduziert?«

Lorie'nh lächelte schief. »Die Kriegsschiffe haben Besatzungen in voller Stärke an Bord.« Die Kohorte beschleunigte, als sie den Rand des Schlachtfelds erreichte.

Zan'nhs Herz schmerzte. Hatte Adar Kori'nh seinen Manipel mit der gleichen Entschlossenheit in die Atmosphäre von Qronha 3 gesteuert?

»Zählen Sie nicht unsere Toten, Adar«, sagte Lorie'nh. »Wenn wir jetzt versagen, stirbt unser ganzes Volk.«

Das stimmte, wie Zan'nh wusste. »Ich wünsche Ihnen eine sichere Reise zur Lichtquelle.«

Lorie'nh nickte knapp. »Mögen wir uns dort eines Tages wiedersehen.«

Dreihundertdreiundvierzig Kriegsschiffe rasten den rest 356

liehen Hydroger-Kugeln entgegen. Mit glänzenden Augen beobachtete Zan'nh, wie die verzierten Schiffe vorbeiflogen - es war der schönste Anblick seines Lebens.

131 KÖNIGIN ESTARRA

OX ließ das kleine Kugelschiff der Hydroger aufsteigen. Der Himmel über der Erde war leer und dunkel; die Touristenzeppeline und Transporter befanden sich in ihren Hangars. Nur einige wenige Fenster leuchteten im Flüsterpalast, den Estarra und Peter nun für immer hinter sich zurückließen.

Estarra hielt sich an Peter fest. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir so weit kommen.«

Das Schiff stieg höher, und als die Erde zu einer blauen Kugel wurde, die sich schutzlos im All drehte, wusste Estarra: Es zerriss Peter das Herz, sein Volk in dieser schwierigen Lage zu verlassen. Er kam sich wie ein Feigling vor, weil er die Erde ausgerechnet in diesem Moment verließ. Aber wenn sie blieben, würde Basil irgendeine Möglichkeit finden, sie beide zu töten.

Unter den gegenwärtigen Umständen nützte es nichts, wenn der König auf der Erde blieb. Und selbst wenn die Schlacht hier verloren ging: Es würde nicht das Ende der menschlichen Zivilisation sein, begriff Estarra.

»Peter, die Menschheit ist mehr als nur die Erde. Wir haben uns weit über die ursprünglichen Grenzen hinaus ausgebreitet. Das hat der Vorsitzende Wenzeslas vergessen. Er hat die Verbindungen zu Theroc, den Roamern und den Kolonien der Hanse abgebrochen.« Estarra sah ihren Mann mit großen braunen Augen an. »Von Theroc aus können wir als König und Königin regieren und allen Menschen helfen, 356

sich hiervon zu erholen. Ganz gleich, was auf der Erde geschieht, ob Sieg oder Niederlage: Der Vorsitzende hätte dir nie erlaubt, der Regent zu werden, den die Menschheit braucht. Dies ist unsere einzige Chance.«

Peter nickte und wusste, dass sie recht hatte. »OX, bring uns so schnell wie möglich fort.«

Der Lehrer-Kompi flog das Schiff schweigend. OX hatte zwar seine Erinnerungen verloren, dafür aber genug Daten aufgenommen, um ein Experte für dieses fremde Schiff zu werden. »Ich orte zahlreiche Hindernisse auf allen möglichen Flugbahnen voraus«, sagte er mit emotionsloser Stimme. »Ich werde versuchen, ihnen auszuweichen.«

Estarra sah durch die transparenten Wände und beobachtete die Schlacht.

Bei den »zahlreichen Hindernissen« handelte es sich um die Trümmer hunderter oder sogar tausender von Raumschiffen: ildiranischer Kriegsschiffe, Hydroger-Kugeln und Einheiten der Terranischen Verteidigungsflotte. Ihr kleines Kugelschiff war kaum mehr als ein Sandkorn inmitten all der Schlachtschiffe, die miteinander kollidierten und sich gegenseitig unter Beschuss nahmen.

Das Schlachtfeld im All unweit der Erde hatte sich ausgedehnt. Der Kampf fand überall statt, und Estarra sah keine Möglichkeit, ihm auszuweichen.

OX wählte den besten Kurs und beschleunigte, flog direkt ins Durcheinander hinein. Eine weitere Flotte verzierter ildiranischer Kriegsschiffe war gerade eingetroffen, bestehend aus hunderten von Raumern.

»Was machen wir, wenn man auf uns feuert?«, fragte Estarra. »Immerhin ist dies ein Hydroger-Schiff.«

»Die Forscher haben einfache Kommunikationsgeräte und Kontrollen an Bord eingebaut. Ich kann versuchen, Mitteilungen auf den Standardfrequenzen des Militärs zu senden, um darauf hinzuweisen, dass wir kein Feind sind.« OX betätigte die Kontrollen und sendete entsprechende Signale.

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»Falls man uns glaubt«, sagte Estarra. »Falls man uns überhaupt bemerkt.«

»OX, du solltest nicht darauf hinweisen, dass wir an Bord sind. Es wäre mir lieber, Basil noch länger im Unklaren zu lassen.« Peter beugte sich vor und faltete die Hände.

»Ich habe Ihre Identifikation aus der Sendung entfernt«, sagte der Kompi.

»Vermutlich ist sie nur wenigen Personen an Bord der TVF-Schiffe aufgefallen. Die Einheiten der Terranischen Verteidigungsflotte sind sehr beschäftigt. General Lanyan hat gerade versucht, die von Robotern kontrollierten Schiffe mit einem Killkode außer Gefecht zu setzen, aber offenbar haben die Soldaten-Kompis die betreffenden Systeme neu konfiguriert. General Lanyan scheint sehr zornig darüber zu sein, dass sein Plan nicht funktioniert.«

Das kleine Kugelschiff wich Trümmern aus und änderte immer wieder den Kurs. Die Massenträgheit hätte Estarra und Peter an die Wände geworfen, wenn die Kugel nicht mit leistungsstarken Absorbern ausgestattet gewesen wäre.

Einige TVF-Schiffe schössen auf die kleine Kugel, was zeigte, dass sie nicht zugehört hatten. Ein Jazer-Strahl streifte das Hydroger-Schiff und versetzte es in Rotation, doch OX brachte es schnell wieder unter Kontrolle.

Dann sah Estarra etwas Unglaubliches im interplanetaren Schlachtfeld.

»Sieht nur, Peter! Das sind ... Bäume. Riesige Bäume aus dem Weltwald -

Nahton hat uns davon erzählt!«

Schlachtschiffe der Verdani griffen die Hydroger an, schlangen dornige Äste um ihre Kugeln und zerdrückten sie. Estarra presste die Hände an die gewölbte Wand und blickte ins Chaos hinaus. Zwanzig riesige Bäume hielten auf das Zentrum des Kampfes zu, und das kleine Kugelschiff beschleunigte. Aber es war nicht schnell genug.

Eins der kolossalen Baumschiffe kam genau auf sie zu. »Den Kurs ändern,

, rie

OX!«

f Peter. »Wir sollten dem Ding besser keine Gelegenheit geben, uns cke

zu pa

n.«

357

»Ich versuche, ihm auszuweichen, König Peter.« Der Kompi betätigte die kristallenen Kontrollen, und ihre kleine Kugel begann mit Ausweichmanövern. Doch das dornige Baumschiff kam immer näher und breitete die Äste aus.

»Ich glaube nicht, dass es ein Feind ist«, sagte Estarra. »Der Baum kommt von Theroc.«

»Vielleicht ist er kein Feind, aber wir sind an Bord eines Hydroger-Schiffs, und jene Bäume zerstören eine Kugel nach der anderen.« Peters blaue Augen waren weit aufgerissen.

»Soll ich Königin Estarra in meiner Sendung identifizieren?«, fragte OX.

»Ja!«, erwiderte Estarra sofort. »Sag, dass ich... eine Tochter von Theroc bin, aber lass meinen Namen unerwähnt.«

Mit verblüffender Schnelligkeit packte das organische Schiff die kleine Kugel und schloss dicke Äste um sie. Estarra sah, dass die sich überlappenden goldenen Schuppen der Borke eine dicke Panzerung bildeten. Speerartige Dornen kratzten über die glatte Außenhülle des kleinen Kugelschiffs, und die Äste begannen damit, Druck auszuüben.

OX klang nicht besorgt, obgleich seine Hände über die Kontrollen flogen.

»Ich bitte um Entschuldigung, König Peter. Ich bin nicht in der Lage, uns aus dem Baumschiff zu lösen.«

Estarra stand noch immer an der durchsichtigen Wand und beobachtete den Baum. Er wirkte vertraut, war aber auch anders als die Weltbäume, die sie als Mädchen erklettert hatte. Jene Bäume waren friedlich und neugierig gewesen, hatten nur Wissen aufnehmen wollen. Diesen Schlachtschiffen der Verdani hingegen ging es um Zerstörung. Oder wollte der Baum das kleine Kugelschiff schützen?

Knarrende Worte kamen aus dem Kom-System an Bord der Kugel.

Erstaunt hörte Estarra eine Stimme, die wie Gesang klang und an die sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte. »Estarra... Schwester.«

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»Beneto!« Sie sah Peter an, eilte dann zum Kom-System. »Es ist Beneto. Er befindet sich in dem Baumschiff.« »Ich bin das Baumschiff.«

Beneto war auf Corvus Landing gestorben. Aber Sarein und Nahton hatten Estarra von seiner Wiedergeburt als Avatar des Weltwalds erzählt: ein hölzerner Mann, ausgestattet mit Benetos Gedanken und Erinnerungen.

»Beschädige unser Schiff nicht, Beneto«, sagte Estarra.

»Du bist im Innern einer Hydroger-Kugel?« Seine Stimme klang nicht mehr menschlich.

»Wir fliehen von der Erde. Der Vorsitzende trachtet uns nach dem Leben, und deshalb wollen wir nach Theroc.« Estarra veränderte die Einstellungen des Kommunikators, um ihren Bruder besser zu verstehen. »Ich wünschte, ich könnte dir alles erzählen, Beneto. Wie gern ich dich wiedersehen würde!«

»Kann er uns helfen?«, fragte Peter.

»Wir müssen nach Theroc, Beneto«, sagte Estarra mit Nachdruck. »Komm mit uns.«

»Das geht nicht. Der Kampf findet hier statt. Die letzte Schlacht. Ich gehöre jetzt zu diesem Saatschiff. Wir sind eins.« Die Äste hielten das kleine Kugelschiff sanft und nicht mehr bedrohlich fest. »Heute bringen wir den Hydrogern eine vernichtende Niederlage bei, aber zuerst sorge ich dafür, dass du in Sicherheit bist, kleine Schwester.«

Das Baumschiff entfernte sich aus dem Kampfgebiet. Energieblitze trafen es und verbrannten Blattwedel, aber Benetos riesiger Baum hielt die kleine Kugel fest und schützte sie auch weiterhin. Als sie weit genug von den letzten angreifenden Hydrogern entfernt waren, gaben die dornigen Äste das kleine Kugelschiff frei.

»Ich werde dich vermissen, Beneto!«, rief Estarra ihrem Bruder nach.

»Ich bewahre meine Erinnerungen an dich und Theroc.

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Sie werden mir tausend Jahre Gesellschaft leisten, während ich durchs Universum reise.«

OX betätigte wieder die Kontrollen und nahm Kurs auf Theroc. »Ich habe damit begonnen, neue Erinnerungen zu speichern«, sagte der Kompi. Peter lächelte.

Estarra sah durch die transparente Hülle, als das Kugelschiff schneller wurde. Das gewaltige Baumschiff, das ihr Bruder war, schrumpfte in der Ferne und warf sich wieder den Hydrogern entgegen.

132 DENN PERONI

Als Denn Peroni mit einigen Roamer-Schiffen das Sonnensystem der Erde erreichte, regte sich Unbehagen in ihm. Nach seiner Verhaftung und der gegen ihn erhobenen falschen Anklage hatte er nicht erwartet, einmal hierher zurückzukehren. Glücklicherweise hatte ihn König Peter befreit, bevor man ihn zum Sündenbock machen konnte.

Ich habe meine Schuld bezahlt, dachte Denn.

Kotto Okiah flog den vordersten der elf spinnenartigen Frachter neben Denns Sturer Beharrlichkeit. Die Schiffe waren kaum mehr als Gerüste für den Transport von Ekti-Tanks und eigneten sich nicht dafür, Wental-Wasser zu Gasriesen der Hydroger zu tragen. Allerdings konnten sich die dünnen, rohrförmigen Beine gut um Stapel aus dünnen, rechteckigen Gegenständen schließen, die wie riesige Kartenspiele aussahen.

Auf der Grundlage von Okiahs Blaupausen hatten Dutzende Roamer-Fabriken und Produktionsanlagen der Hanse hunderttausende von e

ch

infa

en, flexiblen Matten hergestellt. Die Roamer waren zornig wegen der Tiwi-Übergriffe, und

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die Hanse-Kolonien fühlten sich im Stich gelassen. Aber als sie vom geplanten Droger-Angriff auf die Erde erfuhren, beschlossen sie, etwas zu unternehmen.

»Dies ist Ihr Werk, Kotto. Möchten Sie den Anfang machen?«

»Oh, ich brauche keine besonderen Lorbeeren. Die Türklingeln erledigen alles von allein.«

Denn lachte leise. »Ich rechne nicht damit, dass uns die Große Gans Orden verleiht, ganz gleich, was wir hier zustande bringen.«

Die Roamer sahen das Feuerwerk der Schlacht, bevor sie sich der Erde näherten. Denn beobachtete alles. Grüne Priester in den Hanse-Kolonien hatten auf die gewaltigen Schlachtschiffe der Verdani hingewiesen, aber weder Denn noch seine Begleiter waren auf den Anblick der zwanzig riesigen Bäume vorbereitet, die eine Hydroger-Kugel nach der anderen packten.

Er sah TVF-Schiffe, die gegeneinander kämpften, Moloche, die auf andere Moloche feuerten. Fand eine Art Bürgerkrieg statt? Dann fiel ihm ein, dass Soldaten-Kompis einen großen Teil der Flotte unter Kontrolle gebracht hatten. Vielleicht waren die Roboter zurückgekehrt, um es der TVF zu zeigen. Die Tiwis schienen alle zu verärgern ...

Die prächtig geschmückten ildiranischen Kriegsschiffe waren natürlich auf den ersten Blick zu erkennen. Denn hatte Ildira mehr als einmal besucht, um Handelsbeziehungen mit dem Weisen Imperator zu knüpfen, und die Sture Beharrlichkeit war von solchen Schiffen eskortiert worden. Hunderte von ildiranischen Raumern waren bereits mit Kugelschiffen kollidiert, aber die Hydroger verfügten noch immer über eine große Streitmacht. Als sich die übrig gebliebenen Kugeln sammelten, formierten und erneut angriffen, be e

m rkte Denn hunderte von weiteren ildiranischen Schiffen. Sie flogen in perfekter Formation, beschleunigten und

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bereiteten sich offenbar auf einen Kamikazeangriff vor. Hunderte von Schiffen, an Bord jeweils mindestens tausend Ildiraner. Alle bereit, sich zu opfern.

Doch das war nicht nötig, wenn die Türklingeln wie vorgesehen funktionierten.

»Wir müssen etwas tun, Kotto.«

»Unsere Frachter fliegen mit Höchstgeschwindigkeit. Wir sind in zehn Minuten da.«

»Es scheint, uns bleiben keine zehn Minuten mehr. Die Ildiraner haben bereits mit dem Beschleunigungsmanöver begonnen.« Denn wartete keine Antwort ab und ging auf Sendung. »Ich rufe die Solare Marine! Hier spricht Denn Peroni von den Roamern. Erinnern Sie sich an mich? Ich bin mehrmals bei Ihrem Weisen Imperator zu Gast gewesen. Hört mich jemand?« Die ildiranischen Schiffe hielten weiterhin auf die Hydroger zu und schienen nicht an Gesprächen interessiert zu sein. Denn hob die Stimme und sprach drängender. »Bitte hören Sie! Wir haben eine neue Waffe für den Kampf gegen die Hydroger mitgebracht. Es ist nicht nötig, dass Sie sich opfern.«

Kotto öffnete ebenfalls einen Kom-Kanal. »Geben Sie uns die Möglichkeit, Ihnen zu zeigen, was wir im Ärmel haben. Beim Leitstern, es ist weitaus wirkungsvoller als zu versuchen, so viele Kugelschiffe durch Kollisionen zu zertrümmern.«

»Und tausenden bleibt dadurch der Tod erspart«, fügte Denn hinzu. »Geben Sie uns nur einige Minuten.«

Eine tiefe Stimme antwortete. »Hier spricht Adar Zan'nh. Tal Lorie'nh, Sie haben meine Erlaubnis, den Angriff abzubrechen. Ich kenne diese Roamer -

lassen Sie uns sehen, was sie vorhaben.« Denn hörte Erleichterung in den Worten des Adars.

»Bestätigung, Adar«, sagte Lorie'nh. Die ildiranischen Kriegsschiffe änderten den Kurs und flogen in einem weiten

360

Bogen fort von den Hydrogern. »Ich gebe den Menschen gern Gelegenheit, ihre Heimatwelt selbst zu verteidigen.«

»Es ist nicht unbedingt meine Heimatwelt«, brummte Denn. »Aber wir helfen der Erde trotzdem.«

Eine raue Stimme kam aus dem Lautsprecher des Kom-Systems. »Roamer!

Was zum Teufel habt ihr hier verloren? Wenn ihr uns in die Quere kommt, schieße ich euch selbst ab.«

»Wir möchten Ihnen nur den Einfallsreichtum der Roamer zeigen, General.

Von Großzügigkeit ganz zu schweigen.«

Denns Sture Beharrlichkeit und die elf Frachter gaben ihre Ladung frei.

Jedes Schiff transportierte tausende von dicht aufeinandergestapelten Resonanzmembranen - elektrostatische Entladungen trennten sie voneinander. Kottos Türklingeln waren wie ein Schneesturm im All, der den Hydrogern entgegentrieb.

Die meisten von ihnen verfehlten ihr Ziel, aber es hafteten genug an Außenhüllen von Kugelschiffen fest. Kaum war das geschehen, begannen sie zu vibrieren, bis sie durch Zufall den richtigen Resonanzton fanden - mit dramatischen Folgen. Die großen Luken der Kugeln öffneten sich, und superdichte Atmosphäre entwich in den Weltraum.

Zuerst jubelten Kotto und Denn, doch dann stießen sie erschrockene Schreie aus, als die Droger-Schiffe plötzlich außer Kontrolle gerieten. Sie rasten durchs All, dicht an den Frachtern der Roamer vorbei, kollidierten miteinander und zerbarsten. Gegen diese Art von Angriff konnten sich die Hydroger nicht verteidigen.

Es kam einem Massaker gleich.

Die zahlreichen ildiranischen Schiffe, die zuvor abgedreht hatten, näherten sich langsamer. Denn dachte daran, dass die Ildiraner an Bord bestimmt erle cht

i

ert und zufrieden waren.

361

Doch die Zerstörung der Kugelschiffe bedeutete noch kein Ende der Schlacht. Moloche und Mantas der Terranischen Verteidigungsflotte feuerten noch immer auf die von Robotern übernommenen Raumschiffe.

Denn gab einem Einfall nach und setzte sich mit den Ildiranern in Verbindung. »Wenn Sie einige Schiffe erübrigen können, Adar ... Ich glaube, General Lanyan braucht Hilfe.«

Tal Lorie'nhs Kohorte stürzte sich sofort in den Kampf. Ildiranische Kriegsschiffe identifizierten die übernommenen TVF-Raumer und eröffneten das Feuer. In den Kom-Kanälen des terranischen Militärs hörte Denn den Jubel von Soldaten.

Erneut kam General Lanyans Stimme aus dem Kom-System. »Roamer, identifizieren Sie sich. Wer sind Sie?«

Denn konnte der Versuchung nicht widerstehen. »Wir sind die Leute, die gerade eure Ärsche gerettet haben. Vergesst das nicht. Wir sind Roamer und stolz darauf.«

»Ich kann kaum glauben, dass Sie das für die TVF getan haben«, sagte der General.

Denn hörte mehrere Clan-Piloten lachen. »Wir haben es nicht für Sie getan, General. Wir haben es trotz der TVF getan - für König Peter.« Er lächelte, als er daran dachte, wie dumm der Vorsitzende dadurch dastand. »Wir machen uns jetzt wieder auf den Weg, um Ihre Gastfreundschaft auf keine zu harte Probe zu stellen.«

Lanyan klang verlegen. »Warten Sie, bis wir hier aufgeräumt haben. Lassen Sie sich auf den Rücken klopfen.«

»Oh, lieber nicht, General«, erwiderte Denn. »Roamer scheinen bei Ihnen nicht sicher zu sein.« Er öffnete einen privaten Kom-Kanal zu Kotto und den Piloten der anderen Frachter. »Geben wir den Tiwis eine Zeit lang Gelegenheit, darüber nachzudenken.«

Ohne ein weiteres Wort an Hanse oder TVF verließen die Roamer das Sonnensystem der Erde.

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133 SIRIX

An Bord des übernommenen TVF-Moloch analysierte der Klikiss-Roboter die Situation. Die derzeitigen Ereignisse wichen sehr von seinen Erwartungen ab.

Sirix und die anderen Roboter hatten den Plan der Hydroger gekannt und beabsichtigt, an der Vernichtung der Heimatwelt der Menschen teilzunehmen. Von umprogrammierten Soldaten-Kompis und unabhängigen Klikiss-Robotern geflogen, hätten diese militärischen Schiffe angesichts der desorganisierten Reste der Terranischen Verteidigungsflotte eine unaufhaltsame Streitmacht darstellen sollen.

Sirix musste sich eingestehen, schwere Fehler gemacht zu haben. Er hatte nie damit gerechnet, dass riesige Baumschiffe in den Kampf eingreifen würden. Er hatte es für unmöglich gehalten, dass Menschen sich so wirkungsvoll gegen einen überlegenen Gegner verteidigen konnten. Die dritte unangenehme Überraschung waren die Roamer gewesen, die eine wirkungsvolle Waffe gegen die Kugelschiffe einsetzten.

Darüber hinaus hatte Sirix in allen seinen Berechnungen keine Gefahr in den Ildiranern gesehen. Vor vielen Jahren hatte der Weise Imperator als Teil der Vereinbarung mit den Klikiss-Robotern geschworen, nie intelligente Maschinen zu schaffen. Nach dem Bruch des Abkommens hatte Sirix nicht damit gerechnet, dass ein Mischlingsmädchen mit telepathischen Kräften den Ildiranern half, mit den Hydrogern zu verhandeln. Er hatte auch nicht erwartet, dass sich die Solare Marine gegen weit überlegene Kugelschiffe wenden würde. Der Weise Imperator Jora'h hatte sich einfach über das Bündnis hinweggesetzt, obwohl er wusste, dass die Hydroger Vergeltung üben würden. Ein solches Verhalten war unlogisch unve

und

rnünftig.

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Jetzt war es Sirix nicht mehr möglich, die ursprünglichen Ziele zu erreichen. Das ärgerte ihn.

Die von Robotern übernommenen Schiffe waren genauso beschaffen wie jene unter dem Befehl von General Lanyan. Die entführten Mantas und Thunderheads waren weitaus zahlreicher als die TVF-Schiffe, und diesmal hatten sie die Killkodesysteme vorsorglich deaktiviert. Diesen hinterhältigen Trick konnte General Lanyan nicht noch einmal benutzen.

Mit Bildern inzwischen toter Admiräle hatte Sirix gehofft, die TVF-Flotte täuschen zu können und dann das Feuer zu eröffnen. Aber Menschen hatten die erstaunliche Fähigkeit, in Gesicht und Verhalten selbst kleinste Details erkennen zu können. Die Aufnahmen menschlicher Kommandeure stammten aus TVF-Aufzeichnungen, doch irgendwie durchschauten die überlebenden Soldaten die List.

Misstrauische menschliche Raumschiffkommandanten stellten den holographischen Nachbildungen Fragen, deren Antworten nicht in den TVF-Datenbanken gefunden werden konnten. Sie fragten nach Meinungen über Sportmannschaften oder Klatsch über Berühmtheiten und Medienstars. Weder die Klikiss-Roboter noch die Soldaten-Kompis konnten schnell genug oder richtig antworten. Auf diese Weise gelang es den echten TVF-Schiffen, ihre Gegner zu identifizieren.

Sirix hatte dieses Geschmeiß unterschätzt. Simulationen und Analysen genügten nicht, um chaotische biologische Intelligenzen richtig zu verstehen.

Von seinem beschädigten Moloch aus verteilte General Lanyan Ziellisten der von Robotern kontrollierten Schiffe. Eine dritte Kohorte ildiranischer Kriegsschiffe fügte ihre Waffen den Resten der Terranischen Verteidigungsflotte hinzu. Baumschiffe der Verdani setzten ihre Angriffe auf die wenigen noch verbliebenen Hydroger fort, die den Türklingeln der Roamer entgangen waren.

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Was ein einfacher Sieg hätte sein sollen, verwandelte sich in eine verheerende Niederlage.

Sirix hatte bereits ein Drittel der übernommenen Schiffe verloren - und er brauchte sie, um die anderen Welten von Menschen zu säubern. Er musste sich jetzt zurückziehen, um in der Lage zu sein, die früheren Klikiss-Welten unter Kontrolle zu bringen. Das war seine Priorität.

Angesichts der unausweichlichen Niederlage beschloss Sirix, den Rest seiner Schiffe zu retten. Andernfalls geriet die größere Mission in Gefahr.

Er beobachtete die Vernichtung der letzten Kugelschiffe und gelangte zum einzigen logischen Schluss. In schneller Maschinensprache übermittelte er seine Anweisungen den anderen von Robotern kontrollierten Schiffen.

»Rückzug. Rettet unsere militärischen Schiffe. Beendet den Kampf.«

Sirix wiederholte die Sendung, um sicher zu sein, dass die Soldaten-Kompis ihn verstanden. Mit ihrer extrapolierenden Programmierung mussten sie inzwischen die gleichen Schlüsse gezogen haben wie er. »Zieht euch zurück.«

Mit einem präzisen Manöver, das sogar den Adar der Solaren Marine beeindruckt hätte, drehten die übernommenen TVF-Schiffe ab, beschleunigten und flogen in Richtung interstellares All.

134 JESS TAMBLYN

Die Stadtsphäre der Hydroger schrumpfte in dunstiger Ferne, als Jess die Wental-Blase durch die Atmosphäre von Qronha 3 steuerte. Die Kuppeln, Pyramiden und Türme der Fremden waren noch zu sehen, aber ein lebe

e

ndig r Nebel verdichtete sich über der bizarren Metropole. Wentals waren

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bis zum Kernbereich des Gasriesen vorgestoßen und näherten sich der Stadtsphäre. Kugelschiffe rasten vorbei, setzten Eiswellen und blaue Blitze gegen ihren nicht greifbaren Feind ein, ohne damit etwas auszurichten.

»Ich hätte nicht gedacht, dass wir so leicht entkommen«, sagte Tasia.

Robb Brindle gab einen erstickten Laut von sich. »Du nennst dies leicht, Tamblyn? Vielleicht hast du dir den Kopf angestoßen...«

»Uns erwartet mehr«, sagte Jess. »Verlasst euch drauf.«

Hydroger und Wentals kämpften ringsum, und unter solchen Umständen hatte niemand damit gerechnet, dass die Gefahr von unten kam. Tasia kniete, blickte durch die transparente Hülle und rief: »Shizz, Jess - Klikiss-Roboter verfolgen uns! Es sind ziemlich viele.«

Ein Schwärm schwarzer Roboter kam aus der Hydroger-Stadt - sie öffneten ihre Rückenschilde, breiteten Flügel aus und aktivierten Antriebssysteme.

Wie ein Schwärm metallener Heuschrecken verfolgten sie die kleine Wental-Blase.

Furcht erschien in Smith Kef fas Gesicht, als sich die Klikiss-Roboter näherten, ihre mehrgelenkigen Gliedmaßen ausgestreckt. »Sie kommen, um uns zu töten. Verdammte Maschinen! Lasst uns in Ruhe.«

Der erste schwarze Roboter kam heran und kratzte mit mechanischen Klauen über die feuchte Membran. Mithilfe seiner Flüssigkeitskontrolle schloss Jess den Riss sofort wieder und stabilisierte die schützende Außenhülle, aber weitere Roboter näherten sich. Die Wental-Blase flog bereits mit Höchstgeschwindigkeit nach oben; sie konnte den vielen Klikiss-Robotern nicht entkommen.

Jess wandte sich an die Stimmen der Elementarwesen in seinem Kopf und rief um Hilfe, doch die Wentals antworteten: Wir können nicht helfen. Der Kampf hat begonnen, und die Hydroger sind ein erbitterter Feind.

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Ein weiterer Klikiss-Roboter stieß gegen die Blase und hielt sich irgendwie mit den Klauen an ihr fest. Die Membran schloss sich sofort wieder und verhinderte, dass die superdichte Atmosphäre des Gasriesen eindrang.

Aber der Roboter schob sich nach und nach durch die Hülle - es sah wie die Geburt eines schwarzen Monstrums aus.

Belinda kreischte. Keffa stieß einen wilden Schrei aus, stieß sich ab und sprang dem Roboter entgegen. Die Wucht des Aufpralls trug sowohl ihn als auch die schwarze Maschine mit einem hohl klingenden Plopp durch die Membran. Der enorme Druck außerhalb der Blase zerquetschte Keffa in einem Sekundenbruchteil. Der Roboter drehte sich und trieb fort, schien die Orientierung verloren zu haben.

Jetzt waren nur noch sechs Gefangene übrig, und mehr Roboter kamen heran. Die Wental-Blase stieg weiterhin auf, den oberen Schichten der Atmosphäre entgegen, aber nicht schnell genug. Die schwarzen Roboter schwärmten höher, schlugen mit ihren Flügeln und schalteten ihre Antriebssysteme auf Vollschub.

Jess sah keine Möglichkeit, die Klikiss-Maschinen abzuwehren, und er wandte sich erneut mit einer dringenden Bitte um Hilfe an die Wentals. Die Roboter sind nicht unsere primären Feinde, lautete die Antwort.

»Derzeit sind es meine primären Feinde! Wenn ihr uns nicht helft, sterben wir.« Nach einer langen Pause erklärten sich die Wentals widerstrebend bereit, Hilfe zu leisten.

Schimmernder Wasserdampf kondensierte aus der feuchten Atmosphäre.

Lebendiger Nebel bildete sich rings um die fliegenden Roboter, einzelne Schwaden, die zuerst etwas Kokonartiges hatten und sich dann zu Wasserblasen verdichteten. In wenigen Momenten waren die schwarzen Maschinen von etwas umgeben, das nach großen Regentropfen aussah.

Die Klikiss-Roboter bewegten ihre Gliedmaßen und Flügel in dem Versuch, sich zu befreien, doch plötzlich ge

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froren die Wasserkokons zu Eis und stürzten wie große Hagelkörner in die Tiefe.

Tasia und Robb riefen den Robotern Verwünschungen nach. Die anderen Gefangenen saßen verblüfft da. Belinda hatte die Augen geschlossen, und ihre Lippen bewegten sich lautlos - sie schien die Sekunden zu zählen, bis sie endlich in Sicherheit waren.

Jess steuerte die Wental-Blase durch die höchsten Schichten der Atmosphäre, und allmählich wurde die Luft dünner. »Wir haben fast das All erreicht.«

Doch bevor das kleine Wental-Schiff Qronha 3 ganz verlassen konnte, nahmen sechs bereits stark korrodierte Hydroger-Kugeln die Verfolgung auf. »Shizz, haben die Droger derzeit keine größeren Probleme?«, fragte Tasia.

»Sie sehen in uns einen Feind, von dem sie glauben, dass sie ihn zerstören können«, erwiderte Jess. »Haltet euch fest!« Er begann mit Ausweichmanövern.

»Hältst du dies noch immer für einfach, Tamblyn?« Robb presste beide Hände auf den Bauch und schien sich übergeben zu müssen.

Die sechs Kugelschiffe folgten der Blase und kamen näher, als wollten sie das Wental-Schiff zwischen sich zerquetschen. Jess versuchte, die Blase zu beschleunigen, aber die Hydroger schlossen zu ihr auf. Er konnte nicht allen sechs Kugeln ausweichen - sie würden die Blase gleich erreicht haben.

»Wir hätten es fast geschafft«, stöhnte Tasia. »Wir hätten es fast geschafft!«

Die letzten Schichten der Atmosphäre von Qronha 3 strichen an der Wental-Blase vorbei, und sie sprang ins All. Die Wolkenmeere des Gasriesen und die Schlachtfelder darin blieben hinter ihr zurück.

Kalter, leerer Weltraum erstreckte sich vor der Blase ohne Hindernisse.

Doch die sechs Kugelschiffe verfolgten die Flie

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henden noch immer, obgleich ihre Außenhüllen zerfressen waren und kurz vor dem Platzen standen. Jess wich mehreren blauen Blitzen aus und versuchte vergeblich, weiter zu beschleunigen.

Es gab keine Fluchtmöglichkeit, und deshalb zwang er die Blase wieder nach unten und steuerte sie am Rand der Atmosphäre entlang. Unter ihnen drehte sich der gewaltige Gasriese, und dunkle Flecken breiteten sich in seinen Wolken aus, Zeichen des Kampfes.

Und dann stieg ein Wunder hinter der Wölbung des Planeten auf, von der Sonne angestrahlt: ein Durcheinander aus Zweigen und Dornen, riesige Äste, die aus gepanzerten Stämmen ragten. Es waren sieben der neuen Verdani-Schlachtschiffe, bei deren Erschaffung Jess mitgeholfen hatte.

Und sie wollten fliehende Hydroger-Schiffe abfangen.

Jess hielt mit der Wental-Blase auf die Baumschiffe zu.

»Was machst du da, Jess?«, entfuhr es Tasia. »Sieh dir jene Dinge an!«

»Sie sind wunderschön, nicht wahr?«

Die Hydroger folgten der kleinen Blase noch immer. Sie schienen nicht zu verstehen, welche Gefahr ihnen von den Baumschiffen drohte, bis es zu spät war.

Die fliegenden Bäume streckten ihre langen, dornigen Zweige und packten die bereits beschädigten Kugeln. Blaue Blitze zuckten durchs All, zusammen mit Eiswellen, aber die Baumschiffe ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie schlangen ihre Äste um die Kugeln und drückten zu. Es dauerte nicht lange, bis die Hydroger-Schiffe zerbarsten, völlig lautlos im Vakuum des Alls. Trümmerstücke fielen Qronha 3 entgegen, und Jess dachte dabei an zerstörte Himmelsminen. Die Baumschiffe wandten sich von den zerstörten Kugeln ab, stiegen höher über den Gasriesen und suchten nach anderen Zielen.

366

Mit den befreiten Gefangenen setzte Jess den Flug fort, und endlich waren sie in Sicherheit. So eng es in dem Wasserblasenschiff auch sein mochte: Tasia und die anderen hätten alles ertragen, um den Hydrogern zu entkommen.

Jess stöhnte, als ein TVF-Schiff über dem Planeten erschien. Es handelte sich um einen großen Scout, kein Kampfschiff. Nach einem angespannten Moment erkannte Jess das Schiff und seinen Piloten. »Conrad Brindle, ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie zur Erde zurückkehren sollen.«

»Ich bin gekommen, um zu helfen«, sendete der Pilot.

Robb griff aufgeregt nach Tasias Arm. »Ist das mein Vater? Was macht er hier?«

»Wenn er eine richtige Toilette und eine Koje zum Schlafen anzubieten hat, will ich zu ihm«, sagte Tasia. »Shizz, selbst die Nahrungspackungen der TVF

erscheinen mir derzeit sehr verlockend.«

»Mal sehen, was ich tun kann«, erwiderte Jess. Das Scout-schiff näherte sich der Wental-Blase, und Jess sendete: »Hier sind einige Leute, die gern an Bord Ihres Schiffes kommen würden, Commander Brindle. Sie gehören eher zu Ihnen als zu mir.«

»Niemand weiß mehr, wohin wir gehören«, sagte Tasia.

»Wir gehören weit weg von diesem Albtraum«, warf Robb ein.

»Da stimme ich dir zu, Brindle.«

»Ich habe Platz für sie alle«, sagte der Pilot des Scoutschiffs. »Ich kann sie zur Erde bringen ... oder wohin sie wollen.«

366

135 EHEMALIGER PRINZ DANIEL

Als die lähmende Wirkung des Schockers nachließ, versuchte Daniel, seinen widerspenstigen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Gefühl beim Transfer durch das Transtor ... Er hatte nie erwartet, jemals so etwas zu spüren. Sein Leib schien sich zusammengefaltet zu haben und dann für einen Augenblick geflogen zu sein... Anschließend war er aus einem anderen Tor gefallen, auf einer weit entfernten Welt.

Daniel hatte im Palastdistrikt einen regelrechten Albtraum erlebt, als er von Peter und Estarra zum Dimensionstor gezerrt worden war, und das plötzliche helle Sonnenlicht schmerzte in seinen Augen. Er konnte es gar nicht abwarten, es ihnen heimzuzahlen. Sie mochten König und Königin sein, aber sie hatten kein Recht, ihm so etwas anzutun - ihm. Bald würden sie abgesetzt sein, und dann war er der neue König. Niemand durfte einen zukünftigen König auf diese Weise behandeln.

Daniel rollte sich auf dem unebenen Boden zur Seite, tastete mit tauben Händen umher und versuchte aufzustehen. Der Himmel zeigte ein staubiges Braun, und die Luft roch schrecklich, nach Schmutz, nassem Gras und schleimigem Schlamm, sogar nach Kot. Was war dies für ein Ort?

Seine Muskeln zuckten noch immer, als Daniel auf Hände und Knie kam, nach Luft schnappte und sich auf die Fersen setzte. Er blickte sich um, und der erste Eindruck, den er gewann, offenbarte ihm große Distanzen. Er befand sich an einem Hang, und der Horizont war weit, weit entfernt.

Daniel sah hohes Gras, quadratische Kornfelder und kleine menschliche Gestalten, die sich in einem weiten, fruchtbaren Tal bewegten. Bunte Fe ghäus

rti

er bildeten eine kleine Stadt, die in einem nostalgischen Videostreifen vielleicht malerisch gewirkt hätte.

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Verwitterte Klikiss-Türme ragten über der Ebene auf, nach all den Jahrtausenden kaum mehr als Stummel, wie verfaulte Zähne. Daniel konnte den Planeten nicht identifizieren, aber die Bilder von Klikiss-Kolonialwelten, die er betrachtet hatte, sahen für ihn alle gleich aus. Er hatte nie beabsichtigt, eine zu besuchen.

Hinter ihm ragte das Transportal auf, die einzige Konstruktion weit und breit. Daniel stützte sich daran ab, als er auf die Beine kam und Schmutz von der Kleidung strich. Er trug einen Schlafanzug und darüber einen Morgenmantel -nicht unbedingt die Aufmachung, in der er gesehen werden wollte. Schlimmer noch: Er hatte seine Blase entleert. Das war ungebührlich für einen zukünftigen König und auch für einen Prinzen.

Empört rief Daniel nach königlichen Wächtern und dem Vorsitzenden.

Irgendjemand würde ihn hören. Er rieb sich die Muskeln und bekam seinen Körper allmählich wieder unter Kontrolle.

»Hallo?«, rief er erneut. »Warum antwortet niemand?«

Er winkte mit den Armen und weckte die Aufmerksamkeit der dunkel gekleideten Arbeiter, die im Tal das Land bestellten. Die ferne Gruppe kam näher, schien es aber nicht besonders eilig zu haben. Daniel seufzte schwer und stapfte den Leuten entgegen.

Als er sich ihnen näherte, stellte er fest, dass sie alle schmutzige landwirtschaftliche Werkzeuge trugen: Harken, Hacken und Spaten. Einer führte sogar ein Pferd zum Pflügen! Sie sahen verschwitzt aus in ihrer einfachen Kleidung. Jeder Mann trug einen Hut mit breiter Krempe; das Haar war zerzaust und ungepflegt. Vielleicht hatten sie keinen Friseur gefunden, als sie aufgebrochen waren, um diese Welt zu besiedeln.

Als die Männer herankamen, hätte sich Daniel fast übergeben. Nie zuvor hatte er so starken Körpergeruch wahrge

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nommen. Offenbar bemerkten die Bauern ihn überhaupt nicht.

Wenigstens schienen sie friedlich und freundlich zu sein und lächelten im Schatten ihrer Hüte.

»Willkommen auf Glück«, sagte einer von ihnen. »Wir haben nicht mit Besuchern gerechnet, freuen uns aber, dass du dich uns anschließen möchtest.«

»Es liegt mir fern, mich euch anzuschließen. Ich bin das Opfer eines abscheulichen Verbrechens und verlange eure Hilfe. Ich bin Prinz Daniel und werde bald König der Terranischen Hanse sein. Ihr seid mir gegenüber zu Loyalität verpflichtet.« Daniel hatte damit gerechnet, dass die Männer nach Luft schnappten und sich ehrfürchtig verbeugten. Stattdessen sahen sie ihn neugierig an und stellten sich so schnell vor, dass er sich ihre Namen nicht merken konnte.

»Wir sind Neo-Amische«, sagte der Anführer der Gruppe. Er hieß Jeremiah Huystra. »Wir haben diese bukolische Siedlung als eine Bastion der alten Traditionen gegründet, um dem Paradies einen Schritt näher zu sein.«

Daniel fragte sich, wie jemand auf den Gedanken kommen konnte, diesen schmutzigen, primitiven Ort als Paradies zu bezeichnen. »Ich bestehe darauf, das ihr mich besonders gut behandelt. Ich bin euer Prinz.« Er deutete zum Transportal der Klikiss. »Schickt mich zum Flüsterpalast zurück, wohin ich gehöre.«

Jeremiah und die anderen Neo-Amischen zuckten mit den Schultern. »Oh, wir verwenden das Ding nicht mehr. Niemand von uns weiß, wie man damit umgeht, und wir möchten es auch gar nicht benutzen. Schon seit einer ganzen Weile bekommen wir keine Lieferungen von der Hanse mehr, und vermutlich ist auch nichts mehr zu erwarten. Aber darin sehen wir einen Segen, denn wir sind hierhergekommen, um in Frieden zu leben.«

Daniel begann zu verstehen. Er blinzelte mehrmals und sah sich auf der primitiven Welt um, die jemand ausgerech

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net Glück genannt hatte. Es steckte ein Plan von Peter und Estarra dahinter! Sie wussten, dass er hier festsitzen würde, ohne Hoffnung auf Rückkehr.

Wie erneut von einem Schocker getroffen sank er zu Boden und schluchzte.

Er ballte die Fäuste, schlug damit auf den harten Boden.

Jeremiah Huystra legte ihm eine starke Hand auf die Schulter. »Verzweifle nicht. Du hast nichts zu befürchten.« Er reichte ihm eine einfache Hacke.

»Du bist bei uns willkommen. Wir können immer einen weiteren Arbeiter gebrauchen.«

136 ADAR ZAN'NH

Nach den letzten Explosionen herrschte gespenstische Ruhe im All, das zu einem Friedhof für Raumschiffe geworden war.

Im Kommando-Nukleus seines Flaggschiffs stellte Adar Zan'nh fest, was ihm geblieben war. Ein großer Teil der Solaren Marine existierte nicht mehr.

Zwei volle Kohorten waren vernichtet, aber das Eingreifen der Roamer hatte Tal Lorie'nhs Flotte vor der Zerstörung bewahrt - hunderttausenden von ildiranischen Soldaten war der Tod erspart geblieben.

Die gemeinsamen Anstrengungen hatten gerade so ausgereicht. Überall im Spiralarm erlitten die Hydroger eine Niederlage nach der anderen. Sie hatten nicht damit gerechnet, an so vielen Fronten gegen so viele Feinde antreten zu müssen. Selbst die Ildiraner hatten nicht so viele Verbündete erwartet.

Trotzdem hörte Zan'nh die schmerzvollen Schreie der 369

vielen Toten und Verletzten auf Ildira. Er wollte unbedingt wissen, was dort geschehen war.

Er musste jetzt Kraft und Stärke zeigen, um dies zu überstehen. In der Stille nach der Schlacht blickte er ins schwarze All. Die Angehörigen seiner Minimalbesatzung gaben sich alle Mühe, das Triebwerk zu reparieren, doch schließlich kam der Chefmechaniker mit schmutzigem Gesicht und berichtete: »Wir können die Reparatur nicht beenden, Adar. Der Schaden ist zu groß.«

Zan'nh nickte. »Beschaffen Sie sich die benötigten Ersatzteile aus den Wracks der anderen Schiffe. Ich setze mich mit Tal Lorie'nh in Verbindung und bitte ihn um Hilfe.«

Als er Lorie'nh sein Anliegen vortrug, erklang überraschenderweise die Stimme von General Lanyan. Er hatte vergessen, dass die TVF ebenfalls auf der ildiranischen Kommandofrequenz senden und empfangen konnte. »Ich weiß, dass ihr Typen von der Solaren Marine gern unter euch bleibt, aber wir könnten euch schnell helfen. Immerhin haben wir den Sternenantrieb vor zweihundert Jahren von Ildiranern erhalten. Wir verwenden praktisch die gleiche Technik wie Sie.«

Zan'nh erinnerte sich daran, dass der Feind ohne die Ter-ranische Verteidigungsflotte und die Hilfe von Sullivan Gold und Tabitha Huck bei der Automatisierung all der Kriegsschiffe nicht besiegt worden wäre.

»General Lanyan, wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Ihre Techniker uns helfen können.«

»Kein Problem.«

Eine knappe Stunde später landete Lanyans Shuttle im Hangar des Flaggschiffs. Zan'nh und zwei Besatzungsmitglieder begrüßten ihn; die anderen Ildiraner setzten ihre Arbeit fort. Als der General zusammen mit gut ausgerüsteten Technikern aus dem Shuttle stieg, blieb der Adar steif e

steh n. Er erinnerte sich deutlich daran, wie sehr dieser Mann 369

ihn verflucht hatte, davon überzeugt, dass die Ildiraner Verrat übten.

Der Oberkommandeur des terranischen Militärs richtete keine Vorwürfe an den Adar, sondern ergriff seine Hand und schüttelte sie so sehr, dass Zan'nhs Ellenbogen schmerzte. »Es war alles ein Trick, ein verdammter Trick! Sie haben mich und meine Soldaten getäuscht. Für einige Momente hätte ich mir fast in die Hose gemacht, aber dann haben Sie es den Drogern ordentlich gezeigt!«

»Ich entschuldige mich dafür, nicht mitteilsamer gewesen zu sein, General.

Ich hatte meine Anweisungen. Wir mussten den Plan vor den Hydrogern geheim halten, gingen aber davon aus, dass Sie entsprechende Informationen von den grünen Priestern bekommen hatten.«

»Nein, wir wussten nichts. Und wir haben auch nicht mit dem Eingreifen der Roamer gerechnet. Es ist alles gut ausgegangen, aber ich habe noch immer das Gefühl, vollkommen überrumpelt worden zu sein.«

»Wie ich schon sagte, General: Wir dachten, die Hanse weiß Bescheid.

Haben Sie nicht mit Ihren grünen Priestern gesprochen?«

»Ich fürchte, nein.«

Zan'nh erklärte, dass die Automatisierung der Kriegsschiffe mithilfe von Technikern der Hanse durchgeführt worden war, erfreute den General dann mit der lang ersehnten Besichtigungstour durch ein Schiff der Solaren Marine. Die TVF-Spezialisten trafen sich mit ildiranischen Technikern, um mit ihnen zusammen festzustellen, was repariert werden konnte. Lanyan sprach davon, Fachleute für den »alten« Sternenantrieb mitgebracht zu haben - im Lauf der letzten beiden Jahrhunderte hatten die Menschen jene Technik verbessert. »Und was wir nicht reparieren können, ersetzen wir. An Ersatzteilen mangelt es nicht. Dort draußen haben wir den te

größ n Schrottplatz im ganzen Spiralarm.«

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Eine Nachricht von Tal Lorie'nh traf ein. »Adar, meine Kohorte ist für die Rückkehr nach Ildira bereit. Wenn Sie uns begleiten möchten ... Wir können Ihr Flaggschiff hier zurücklassen und uns später mit einer vollen Reparaturmannschaft darum kümmern.«

General Lanyan hatte von seinen Technikern bereits einen Bericht erhalten. »Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir die wichtigsten Reparaturen in einigen Tagen erledigen.«

Zan'nh zögerte. Er wollte so schnell wie möglich zum Prismapalast zurück, um zu erfahren, was mit den Wachschiffen der Hydroger geschehen war. Er wusste, dass sein Vater noch lebte - den Tod des Weisen Imperators hätte er wie einen Schrei im Thism gehört -, und er wusste auch, dass die Hydroger besiegt waren, obgleich viele tausend Ildiraner den Tod gefunden hatten.

Zan'nh dachte über seine Möglichkeiten nach und traf dann eine Entscheidung. »Nein, danke, Tal. Ich behalte eins Ihrer Kriegsschiffe hier.

Fliegen Sie mit den anderen nach Mijistra und erstatten Sie dem Weisen Imperator Bericht. Ich kehre bald heim, an Bord meines Flaggschiffs.«

137 KÖNIGIN ESTARRA

Im Telkontakt mit den Schlachtschiffen der Verdani verbunden, verfolgten grüne Priester die Schlacht im Spiralarm, die Siege bei vielen Gasriesen der Hydroger und den Kampf um die Erde. Alle neuen Saatschiffe der Verdani hatten ihre Wurzeln aus dem Waldboden gezogen, sich den anderen rie g

si en Bäumen im All hinzugesellt und mit ihnen gegen den alten Feind gekämpft.

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Theroc blieb ohne Verteidigung zurück.

Die Ankunft eines kleinen Hydroger-Schiffes sorgte für erhebliche Unruhe.

Es raschelte in den Wipfeln der Weltbäume, als sie Vorbereitungen dafür trafen, sich mit Samen-Projektilen zu verteidigen. Grüne Priester versammelten sich. Mutter Alexa und Vater Idriss standen nebeneinander auf einem hohen offenen Balkon der Pilzriff-Stadt und blickten besorgt gen Himmel.

Doch das kleine Kugelschiff griff nicht an. Es schwebte über einer Lücke im dichten Blätterdach, sank dann tiefer und landete dort, wo sich Benetos Baumschiff aus dem Boden gelöst hatte.

Die Luke öffnete sich, und es entwich keine superdichte Atmosphäre, sondern normale Luft. König Peter und Königin Estarra verließen das kleine Schiff, begleitet von einem sehr förmlichen Lehrer-Kompi.

»Wir sind zu Hause!«, rief Estarra glücklich.

Es war so lange her. Estarra nahm all die schönen Details ihrer Welt auf: die Farbe des Himmels, den hellen Sonnenschein, die Erhabenheit der großen Weltbäume, die zwei Angriffe der Hydroger überlebt hatten. Die Gerüche waren frisch und wundervoll: der Duft von Blumen, das Öl dunkelgrüner Blätter und die von den Weltbäumen ausgehenden warmen Moschusaromen.

In den Jahren nach dem schrecklichen Angriff, bei dem Estarras Bruder Reynald ums Leben gekommen war, hatten die Bewohner von Theroc hart gearbeitet, um alle Wunden ihrer Welt zu heilen. Tote Bäume waren fortgebracht und Schösslinge gepflanzt worden. Das Wasser des Wental-Ko-meten hatte neues Leben geschaffen, und darunter verschwanden die alten Narben.

Estarra hielt sich an Peters Arm fest und lächelte voller Freude. »Erst jetzt wird mir klar, wie sehr ich Theroc ver

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misst habe. Ich kann es gar nicht abwarten, dir meine Welt zu zeigen.«

Peter strich ihr übers Haar und war mehr an Estarras Glück interessiert als daran, die Fragen der Theronen zu beantworten, die sich ihnen neugierig näherten. »Du hast oft über Theroc gesprochen, und ich habe Bilder gesehen ... Aber Worte und Bilder werden dieser Welt nicht gerecht. Es ist der perfekte Ort für uns.«

»Ein Ort, an dem wir bleiben können, an dem unsere Familie sicher ist.«

»Und ein Ort, an dem wir in Ruhe leben und der Menschheit helfen können, einen neuen Weg zu finden - ohne den Vorsitzenden. Das ist meiner Meinung nach das Beste.«

Celli eilte herbei und zog einen breitschultrigen grünen Priester an der Hand mit sich. Estarra stellte verblüfft fest, dass ihre kleine Schwester nicht nur älter geworden war, sondern auch viel reifer wirkte. »Meine Güte, Celli!«

Die junge Frau starrte auf Estarras Bauch. »Du bist schwanger! Bekommst du gleich ein Baby?«

Estarra lachte. »Es dauert noch eine Weile.« Sie klopfte auf ihren Bauch.

»Es sind erst sechseinhalb Monate. Ich wage gar nicht daran zu denken, wie viel dicker ich noch werde.«

Celli schien Peter erst jetzt zu bemerken und stellte sich ihm vor. Dann riss sie die Augen auf, als sie ihn erkannte. »Sie ... sind der König.«

»Und du musst Estarras kleine Schwester sein.« Peter wandte sich an seine Frau. »Du hast mir erzählt, dass sie sich Kondorfliegen gehalten hat, nicht wahr?«

»Oh, damals war ich noch klein!«

Estarra richtete einen neugierigen Blick auf den jungen Mann, der offenbar der Freund ihrer Schwester war, und Celli stellte ihn vor.

Peter reckte den Hals und sah zum grünen Blätterdach hoch. »Sind alle Bäume so ... groß!«

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Celli lachte. »Sie hätten die Schlachtschiffe der Verdani sehen sollen!«

»Oh, wir haben sie gesehen - aus nächster Nähe.«

Idriss und Alexa kamen, mit exotischem Kopfschmuck aus Käferschalen, Kleidung aus Kokonfasern und Schellackwesten. Sie waren voller Freude, wirkten aber auch verwirrt. »Wir sind glücklich, dich wieder zu Hause zu wissen, Tochter«, sagte Alexa. »Aber bitte erklär uns, was geschieht. Nahton schickt gelegentlich Nachrichten von der Erde, nennt jedoch nicht viele Details. Selbst wenn die Hydroger bei der Erde besiegt wurden: Vielleicht kommen sie hierher und ...«

»Die Hydroger sind kein Problem mehr, Mutter Alexa«, sagte Solimar, und alle grünen Priester in der Nähe nickten. »Davon sind die Schlachtschiffe der Verdani überzeugt. Der Krieg scheint gewonnen zu sein. Der Feind ist geschlagen.«

»Und wir sind dem Vorsitzenden entkommen«, sagte Estarra atemlos. »Er hat versucht, uns umzubringen. Auch das ungeborene Kind.« Nahton hatte bereits von der Gefahr für das königliche Paar berichtet.

Alexa verstand die Konsequenzen. »Ihr seid also im Exil.«

Peter klang sehr ernst. »Es herrscht Chaos in der Hanse, und geleitet wird sie von einem Wahnsinnigen. Der Vorsitzende lehrte mich die Pflichten und Verantwortung des Regierens, aber er selbst hat sie vergessen.«

Idriss sah von einer Seite zur anderen. »Was ist mit Sarein? Hat sie euch begleitet? Sie sollte hier sein, bei ihrer Familie.«

Estarra runzelte die Stirn und fühlte Schmerz. Sarein hatte ihnen wichtige Hilfe geleistet, letztendlich aber beschlossen, beim Vorsitzenden zu bleiben.

»Nein, sie befindet sich noch auf der Erde.« Die Königin umarmte ihre Eltern, von tiefer Dankbarkeit erfüllt. »Es gab für uns keinen anderen Ort.«

Tränen rannen über Alexas Wangen. »Ihr müsst hier bei 372

uns bleiben. Wir schützen euch.« Sie hob einen mahnenden Zeigefinger.

»Vergiss die Politik. Ich bestehe darauf, dass unser erstes Enkelkind hier auf Theroc geboren wird.«

138 WEISER IMPERATOR JORA'H

Nach zehntausend Jahren des Wartens und der Vorbereitungen auf das Unvermeidliche war plötzlich alles vorbei. Die Ildiraner begannen damit, die Scherben zu kitten.

Jora'h stand im Licht der sechs Sonnen und ließ den Blick über die lädierte Stadt schweifen. Sechzig Kugelschiffe waren vom Himmel gestürzt, lagen auf den Straßen und Hügeln. Seit Tagen zeigten sich keine Feinde an Mijistras Firmament, aber die letzten Kohorten der Solaren Marine schirmten wachsam den Planeten ab.

Nira stand neben dem Weisen Imperator, stumm und ernst, die eine Hand liebevoll auf der Schulter ihrer Tochter. Ganze Heere von ildiranischen Arbeitern waren mit schwerem Gerät dabei, die Trümmer der Kugelschiffe fortzuschaffen.

»Es hätte schlimmer kommen können, Jora'h«, sagte Nira, als sie die Verwüstungen beobachtete. »Viel schlimmer.«

»Ich weiß.«

Jora'h hatte noch immer keine klaren Vorstellungen von allen Schäden im Reich. Die schmerzvollen mentalen Echos im Thism waren überwältigend gewesen. Als die Kugelschiffe wie ein Hagel aus diamantenen Asteroiden vom Himmel gestürzt waren, hatte eine Schockwelle Jora'h erfasst und fast zu einer Überladung seiner Fähigkeit geführt, Botschaften des Schmerzes zu e pfang

m

en. Der Weise Imperator befand sich im Zentrum: Leben und Tod von vielen Milliarden Ildiranern führten direkt zu ihm.

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Angehörige des Mediziner-Geschlechts behandelten Verletzte und bargen Leichen aus den Trümmern. Salber zählten die Toten und bereiteten sie vor.

Jora'h hatte die letzten Schreie der Sterbenden gehört und gefühlt, wie die Fäden im Thism rissen. Aber es wäre noch weitaus schrecklicher gewesen, wenn die Hydroger die ganze Stadt zerstört hätten und anschließend das ganze Ildiranische Reich.

Nira spürte seinen Kummer. »Dein Wagnis hatte Erfolg.«

»Es war nicht nur mein Wagnis. Es betraf uns alle. Und ohne dich und Osira'h hätte ich es nicht schaffen können.« Mit Adar Zan'nhs Kriegsschiffen die Hydroger anzugreifen, hätte das Schicksal aller Ildiraner besiegeln können, aber Jora'h hatte beschlossen, den hellen Seelenfäden zu folgen, der Lichtquelle und dem Pfad der Ehre. »Ich hoffte, meine letzten Momente mit dir zu verbringen, Nira.«

Sie sah ihn an und lächelte. »Vielleicht wirst du das. Aber bis dahin dauert es noch eine ganze Weile.«

Jora'h schlang die Arme um sie und seine Tochter, drückte sie fest an sich.

Eine kleine Familie, ein Mikrokosmos des Ildiranischen Reichs. Der Weise Imperator war der Vater seines ganzen Volkes, doch nie zuvor hatte ein ildiranisches Oberhaupt eine solche Familie gehabt.

Hoch oben kam ein weiteres Kriegsschiff vom klaren Himmel herab. Im Gegensatz zu den anderen Einheiten der Solaren Marine, die in der Nähe von Ildira patrouillierten, wies dieses Schiff deutliche Spuren eines Kampfes auf. Die Hülle war an vielen Stellen geschwärzt und beschädigt; Finnen und Segel hingen lose. Aber das Schiff konnte fliegen, und es war zurückgekehrt.

»Adar Zan'nh kehrt heim.« Jora'h lächelte. »Ich habe Neuigkeiten, über die er sich sehr freuen wird.«

Später, als der Adar seinem Vater im Eingang des Prismapalastes gegenübertrat, trug Zan'nh eine makellose Uniform - selbst nach alldem, was seine Schiffe hinter sich hat

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ten. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, als er sich verbeugte und den Weisen Imperator mit an die Brust gepresster Faust begrüßte. Jora'h hielt sich nicht mit irgendwelchen Förmlichkeiten auf und umarmte seinen Sohn. »Du hast das Unmögliche geschafft! Ich bin stolz auf dich und die ganze Solare Marine.«

Der Adar blieb ernst. »Ich habe zwei Kohorten verloren, Herr. Das Reich ist sehr geschwächt.«

Jora'h blieb unerschütterlich in seinem Optimismus. »Die Hydroger sind besiegt, und das Reich besteht noch. Die Solare Marine wurde vor zehntausend Jahren gegründet, um mit dieser Gefahr fertig zu werden. Wer sind jetzt unsere Feinde?«

»Trotzdem, Herr, wir dürfen nicht ohne Verteidigung bleiben und müssen sofort damit beginnen, die Solare Marine zu verstärken.«

»Ja, und aus diesem Grund bin ich bereit, deine Pflichten zu modifizieren.

Beim Verlust von Thor'h habe ich dich gebeten, mein nächster Erstdesignierter zu sein. Du bist loyal und gewissenhaft, und deshalb warst du einverstanden. Aber das war nie deine Bestimmung.«

»Es ist meine Bestimmung, dir zu dienen, Weiser Imperator, in jeder Form, die du für angebracht hältst.«

Mit dieser Antwort hatte Jora'h gerechnet. »Hiermit befreie ich dich von deinen Pflichten als Erstdesignierter, Adar Zan'nh. Von jetzt an befehligst du die Solare Marine, ohne von anderen Dingen abgelenkt zu sein, wenn das deinem Wunsch entspricht.«

»Ja, Herr! Aber wer soll der neue Erstdesignierte sein?«

Jora'h sah auf Osira'h hinab, die still zwischen ihm und ihrer Mutter stand.

»Daro'h kommt als Nächster. Er ist jetzt mein ältester adlig geborener Sohn.

Ich hole ihn zum Prismapalast, damit er an deiner Stelle zum de

Erst signierten wird.« Ein bittersüßes Gefühl begleitete diese Worte. »Das 374

Reich braucht ihn jetzt mehr als Dobro. Ich habe ihm bereits eine Nachricht geschickt. Das Zuchtprogramm ist beendet, und jene Splitter-Kolonie kann wieder offen sein.«

Jora'h schlug vor, dass der Adar und seine Soldaten ruhen sollten, aber davon wollte Zan'nh nichts wissen. Der Adar verließ den Prismapalast und wollte sofort damit beginnen, die Solare Marine zu reorganisieren. Der Weise Imperator lächelte und ließ ihm seinen Willen.

Nach dem Gespräch mit Zan'nh bestellte Jora'h Sullivan Gold und Tabitha Huck zu sich. Es wurde Zeit für die vollständige Wahrheit. Für seine Abstammungslinie schien Geheimniskrämerei typisch zu sein, aber auf Niras Drängen hin war er entschlossen, dies zu ändern.

Er musterte die beiden Menschen, die nach all den Zerstörungen noch immer erschüttert wirkten. »Als Sie sich bereit erklärten, uns zu helfen, versprach Ihnen der Adar, dass Sie nach dem Sieg über die Hydroger nach Hause zurückkehren können«, sagte Jora'h. »Die Menschheit misstraut uns vielleicht. Unsere beiden Völker müssen große Hindernisse überwinden, bevor wir uns von vergangenem Verrat erholen können.«

»Ich bin kein Diplomat und kann nur für mich selbst sprechen«, erwiderte Sullivan. »Aber vielleicht bin ich in der Lage, das eine oder andere gute Wort einzulegen. Wenn wir wieder zu Hause sind.«

»Mir scheint, ohne die vielen ferngesteuerten Kriegsschiffe sähe es jetzt schlecht für die Erde aus«, fügte Tabitha hinzu. »Möglicherweise hält man Ihnen das zugute.«

Nira lächelte. »Als grüne Priesterin bin ich gern bereit, Ihren Angehörigen Nachrichten zu übermitteln.«

Sullivan strahlte. »Oh, das wäre wundervoll. Ein Brief an meine Lydia ist überfällig. Sie wird sich sehr freuen zu erfahren, dass ich noch lebe.«

375

139 KOLKER

Selbst nach der Wiederherstellung der Verbindung zum Weltwald blieb Kolker wortkarg. Nie zuvor hatte er sich so verwirrt und unsicher gefühlt.

Nach dem Verlust des Schösslings hatte er sich so sehr nach dem Telkontakt gesehnt, doch jetzt, da er wieder möglich war, fühlte er sich noch immer allein und verloren. Das wichtigste Ziel seines Lebens schien einfach verschwunden zu sein. Kolker war nicht in der Lage gewesen, mit seinem engen Freund Yarrod oder sonst jemandem darüber zu sprechen.

Mehr als nur interstellare Entfernungen schienen ihn von den anderen grünen Priestern zu trennen. Sein innigster Wunsch war in Erfüllung gegangen, und doch fehlte etwas.

Den neuen Schössling konnte er berühren, wann er wollte - insbesondere jetzt, nach dem Sieg über die Hydroger -, aber Kolker mied den Kontakt. Er wollte die Leere in seinem Innern verstehen, bevor er eine neue Verbindung mit den Weltbäumen herstellte. In seiner Hilflosigkeit entschied er, mit Tery'l zu sprechen. Vielleicht konnte ihm der alte Ildiraner des Linsen-Geschlechts einen anderen Blickwinkel anbieten. Er schien immer so viel Vertrauen in seinen Glauben zu haben.

Kolker begab sich zu den üblichen Meditationsorten, konnte den Alten aber nicht finden. Voller Sorge fragte der grüne Priester andere Ildiraner, bis man ihn schließlich in einen beschädigten Teil von Mijistra schickte, wo Verwundete in einem hastig errichteten Lazarett behandelt wurden.

Dort wanderte Kolker zwischen den Krankenbetten umher, wo sich Ärzte um die Verletzten kümmerten. Junge, engagierte Angehörige des Linsen-Ge hl

sc echts sprachen mit jenen, die dem Tod nahe waren, und halfen ihnen, die See

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lenfäden zu finden, die sie zur Ebene ewigen Lichts bringen würden. Kolker rechnete damit, dass auch Tery'l den Sterbenden Beistand leistete.

Aber sein alter Freund lag ebenfalls in einem Bett, inmitten der Schwerverletzten. Tery'l hatte die anderen Angehörigen des Linsen-Geschlechts fortgeschickt und sie angewiesen, sich jenen zu widmen, die ihre Hilfe am dringendsten brauchten. »Ich bin zufrieden«, hatte er ihnen gesagt. »Ich weiß über alle Dinge Bescheid, von denen ihr mir erzählen könnt. Ich habe nichts zu befürchten.«

Kolker eilte zu dem übel zugerichteten alten Ildiraner. Tery'l trug Verbände an Kopf und Brust, und mit trüben Augen blickte er zum hellen, wolkenlosen Himmel auf. Er konnte den grünen Priester kaum erkennen, aber er wusste trotzdem sofort, wer ihn besuchte. »Ah, mein menschlicher Freund! Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, um mit mir zu sprechen.«

Seine Lippen formten ein schwaches Lächeln. »Aber wenn Sie mehr Erleuchtung suchen, sollten Sie sich an jemanden wenden, dem mehr Zeit bleibt als mir.« Der alte Ildiraner versuchte zu lachen, aber es wurde nur ein Krächzen daraus.

Kolker sank auf die Knie. »Was ist passiert? Wo waren Sie?«

»Ich befand mich in der Nähe der Springbrunnen, wo die Prismen das Licht verstärken. Es war hell, warm und wunderschön.« Tery'l lächelte. »Die Leute brachten sich in Sicherheit, aber ich konnte nicht schnell genug laufen. Trümmer trafen mich, als die Kugelschiffe abstürzten. Jetzt sind von meinen Seelenfäden nur noch Fransen übrig.«

Kolker berührte den alten Ildiraner an der Stirn. »Ihre Wunden werden heilen. Die Hydroger sind besiegt, und die Ärzte kümmern sich um Sie. Es gibt keinen Grund, warum Sie sich nicht erholen sollten.«

»Zeir ist der Grund. Dieser Körper hat zu lange gelebt.

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Ildiraner haben ein längeres Leben als Menschen, aber irgendwann erreicht auch unser Körper seine Grenzen.« Tery'l blickte wieder nach oben.

»Ich habe in meinem Leben viel Gutes getan. Als Angehöriger des Linsen-Geschlechts habe ich meinem Volk geholfen. Ich hoffe, dass unsere Diskussionen zumindest interessant für Sie waren, vielleicht sogar zum Nachdenken anregend.«

»Ja, das waren sie.« Kolker erzählte vom erneuerten Telkontakt und davon, wie er sein Selbst durch die Verbindungen des Weltwalds schickte. »Ich habe es mir so sehr gewünscht, doch als es endlich wieder so weit war ...

Aus irgendeinem Grund genügt mir der Telkontakt nicht mehr.«

»Was geschieht mit grünen Priestern, wenn sie sterben?«, fragte Tery'l.

»Wenn wir wissen, dass unsere Zeit gekommen ist, übergeben wir unsere Seele dem Bewusstsein des Weltwalds. Wir verbinden uns im Telkontakt, und der Körper stirbt inmitten der Bäume.« Kolker schüttelte den Kopf, und seine Stimme wurde rau. »Wenn ich hier ohne einen Schössling gestorben wäre, hätte ich mich für immer verloren.

Früher habe ich Menschen bemitleidet, die keine grünen Priester waren.

Ich wusste, dass ihre verbale und schriftliche Kommunikation nicht annähernd so präzise und detailliert war wie die Übermittlung von Gedanken durch die Bäume. Aber inzwischen ist mir die Exklusivität des Telkon-takts klar. Er vereint nicht die Menschheit, nur eine Handvoll grüner Priester. Das genügt nicht.«

»Vielleicht ist das alles, was Sie haben«, sagte Tery'l.

»Aber so muss es nicht sein! Wenn Menschen miteinander verbunden wären, so wie die Ildiraner im Thism, könnten wir einander verstehen, besser zusammenarbeiten und stärker werden. Dann gäbe es bei uns keine Fraktionen, Feinde und Bürgerkriege.«

»Offenbar haben Sie wirklich von uns gelernt, mein 376

Freund. Seit Jahrtausenden gab es bei uns Ildiranern keine inneren Kämpfe, abgesehen von der Hyrillka-Rebellion -und die ging auf ein fehlerhaftes Thism zurück.«

»Ich wünschte, ich könnte Teil dieses Netzes sein, Tery'l.« Kolker fühlte Verzweiflung in seinem Herzen. »Ihr Thism fasziniert mich so sehr. Wenn ich mich ihm doch nur öffnen könnte...«

Der alte Ildiraner ergriff Kolkers Hand und drückte verblüffend fest zu. »Sie verstehen bereits mehr als Sie wissen. Es tröstet mich, dass Sie hier sind, aber noch mehr tröstet es mich, dass mein ganzes Volk bei mir ist, alle Ildiraner, die sich gegenseitig helfen und unterstützen.«

»Derzeit sollten Sie vor allem an sich selbst denken, daran, stark zu sein.«

»Ich bin stark. Und wir alle denken an uns. Wie sonst könnte ich in Zufriedenheit überlebt haben, als mein Sehvermögen nachließ? Das Thism half mir.« Mit der anderen Hand griff Tery'l nach dem kleinen, glänzenden Medaillon, das er immer am Hals trug. Als er es löste, fing die prismatische Scheibe das Licht ein und schimmerte in allen Farben des Regenbogens.

»Dies ... dies gibt Ihnen vielleicht mehr zum Nachdenken.«

Kolker nahm das Geschenk entgegen, ohne zu verstehen. »Was ist das?«

»Ein Symbol.«

Die Facetten schienen voller Licht zu sein, das in einen Gravitationsschacht gesaugt wurde. Es funkelte, kündete von Möglichkeiten. »Es hat also keine Funktion?«

»Symbole haben viele Funktionen. Es hängt ganz von Ihnen ab.«

Kolker erinnerte sich daran, dass Tery'l sein Medaillon oft berührt hatte -

angeblich half es ihm dabei, sich mit der Lichtquelle zu verbinden.

uche

»Bra

n Sie es nicht selbst?«

Der alte Ildiraner schien zu wissen, dass sein Leben zu 377

Ende war. Ganz bewusst übergab er sich dem Tod und starb, ohne Kolkers Hand loszulassen.

Der grüne Priester blieb lange Zeit an Tery'ls Seite. In seinem Kummer dachte er an all die Dinge, von denen ihm Tery'l erzählt hatte, ließ sich von ihnen Hoffnung geben. Er blickte auf die Facetten des Medaillons hinab, beobachtete Linien aus gebrochenem Licht. Was hatte der alte Ildiraner darin gesehen? Hatte er dieses Medaillon benutzt, um den Wegen durch das Thism zu folgen? Selbst im Tod war Tery'l durch die Verbindung zu seinem Volk getröstet worden.

Schließlich erhob sich Kolker und kehrte benommen zum Prismapalast zurück, zu Sullivan Gold, Tabitha Huck und den anderen.

Er hatte jetzt eine Mission. Zwar wusste Kolker nicht, wo er beginnen sollte, aber er begann damit, sich auf die neue Arbeit vorzubereiten.

140 PATRICK FITZPATRICK III.

Mit der von seiner Großmutter »ausgeliehenen« Raumjacht machte Patrick bei fernen Außenposten der Hanse Halt und kaufte Rumpfanstrich, um die zu auffälligen Kennungen verschwinden zu lassen. Er änderte die Registrierungsnummer und das automatisch ID-Signal. Als er der Jacht den neuen Namen Gypsy gab, Zigeuner, dachte er dabei an die dunkelhaarige Zhett.

Er war allein und weit von den Geschehnissen im Spiralarm entfernt.

Patrick hatte nicht damit gerechnet, dass die Suche nach den Roamern einf c

a h sein würde, aber wenigstens kannte er einige Orte, wo er mit der Suche beginnen konnte.

377

Nach einigen einsamen Tagen erreichte er Osquivel. Er hoffte kaum, bei dem Ringplaneten irgendeinen nützlichen Hinweis zu finden, und eine geheime Nachricht von Zhett erwartete er gewiss nicht. Den Bericht der TVF-Untersuchungsgruppe hatte er bereits gelesen. Techniker des Militärs hatten sich die Trümmer angesehen, Maschinenteile und die Reste von Habitaten untersucht. Spezialisten der TVF hatten sich bemüht, aus den gewonnenen Daten eine Vorstellung von den Kellum-Anlagen zu gewinnen.

Patrick sah darin eine Ironie. Wer sind jetzt die Plünderer!

Beim Flug durch die Ringe erwachten düstere Erinnerungen in ihm. Die Schlacht bei Osquivel war das schrecklichste Erlebnis seines Lebens: zahllose Hydroger-Kugeln, die auf TVF-Schiffe feuerten und sie in Schrott verwandelten; Einheiten des terranischen Militärs, die in Panik flohen, beschädigte Schiffe und Rettungskapseln zurückließen ... unter ihnen seine eigene.

Seltsamerweise sahen Osquivels Wolkenbänder jetzt anders aus und schienen von innen her zu glühen. Sie wirkten heller und nicht mehr so unheilvoll. Patrick fragte sich, was einen ganzen Gasriesen verändert hatte.

Der Schatten der Hydroger schien von Osquivel genommen zu sein.

Er ließ die Gypsy zwischen den Ringen treiben, hielt Ausschau und überlegte. Zhett hatte ihn einmal an Bord einer Greifkapsel mitgenommen, bei einer Tour zu den Schmelzern und Erzprospektoren, zu kleinen Treibhauskuppeln, Recyclinganlagen und Wohnkomplexen. Jetzt war alles still und leer. Auf einem der Lagerasteroiden hatte er Zhett überlistet und ihre Gefühle verletzt - sie war davon überzeugt gewesen, dass er sich in sie verliebt hatte.

Was sie jetzt wohl von ihm dachte? Zhett Kellum war eine feurige junge Frau mit starken Gefühlen. Sicher verabscheute sie Demütigungen.

Be immt hat

st

te sie ihn verflucht!

Manchmal zweifelte Patrick an seinem Verstand. Wie 378

dumm von ihm, die Jacht zu stehlen, seine einflussreiche Großmutter zu verlassen und sogar von der Terranischen Verteidigungsflotte zu desertieren, nur um Zhett zu suchen. Und wenn er sie fand ... Konnte er etwas anderes von ihr erwarten als Verachtung? Wenn er ihr jetzt gegenübergetreten wäre - vermutlich hätte sie ihn angespuckt.

Trotzdem musste er sie suchen. Ihm blieb keine Wahl.

Vielleicht konnte er für seinen Verrat büßen und Zhett zeigen, dass er sich verändert hatte und sein Verhalten aufrichtig bedauerte. Vielleicht gab sie ihm dann eine zweite Chance.

Von Osquivel aus flog Patrick zum Regierungszentrum der Roamer namens Rendezvous - oder dem, was davon übrig war. Admiral Stromos Kampfgruppe hatte dort ganze Arbeit geleistet.

Er hatte Bilder von dem großen Asteroidenkomplex gesehen. Die Roamer hatten einen Haufen lebloser Felsbrocken in ein blühendes Handels- und Regierungszentrum verwandelt. Und dann war die TVF gekommen, um all das zu zerstören. Die vielen Explosionen hatten den Asteroiden ein neues Bewegungsmoment gegeben, und in der kurzen Zeit nach dem sinnlosen Angriff waren sie immer weiter auseinandergetrieben.

Patrick schnitt eine Grimasse, als er die Szene sah. Dieser Komplex war das politische Äquivalent des Flüsterpalastes auf der Erde oder des Verwaltungszentrums der Hanse gewesen. Roamer hatten die TVF nie provoziert, soweit er wusste. Sie waren ihrerseits provoziert worden und hatten daraufhin ein Handelsembargo verhängt - zu Recht. Statt nach einer friedlichen Lösung zu suchen und eine Verständigung mit den Roamern anzustreben, hatte der Vorsitzende die Situation eskalieren lassen und vollständige Kontrolle angestrebt. Vielleicht hätte sich Maureen Fitzpatrick an seiner Stelle ebenso verhalten.

379

Kein Wunder, dass die Roamer die Tiwis verachteten.

Patrick flog langsam durch das Trümmerfeld und versuchte sich vorzustellen, wie phantastisch dieser Ort einst gewesen war. Er dachte daran, was man den Roamern alles angetan hatte ... Umso erstaunlicher war es, dass sie die TVF-Überlebenden nicht einfach dem All überlassen hatten. Patrick verdankte den Roamern sein Leben.

Erneut ließ er sein kleines Schiff treiben. Er hatte viel Zeit zum Nachdenken, und es gab viele Dinge, über die er nachdenken musste. Und er hielt an seiner Entschlossenheit fest, die Suche nach Zhett fortzusetzen und alles in Ordnung zu bringen, wenn er sie fand. Es würde nicht leicht sein, aber in seinem Leben hatte es zu viele leichte Aufgaben gegeben, dank seiner Familie. Diesmal musste er ganz allein zurechtkommen.

Patrick berechnete den nächsten Kurs und flog weiter.

141 RLINDA KETT

Die Unersättliche Neugier driftete tagelang im offenen All. Für Rlinda war es die schönste Zeit seit langem. »Ich habe ganz vergessen, wie viel Freude man mit ein bisschen Zurückgezogenheit haben kann.«

Auch BeBob beklagte sich nicht. Sie hielten die Neugier so warm, dass sie den halben Tag auf Kleidung verzichten konnten - und das war oft der Fall.

Rlinda ließ das Licht dämmrig, der Stimmung wegen. BeBob hatte sie oft genug nackt gesehen, vor, während und nach ihrer stürmischen Ehe.

Rlinda war gewiss nicht eines der pheromonisierten Models, aber er schien sich an ihr nie satt zu sehen.

BeBob löste sich von ihr und wollte zur Kombüse der 379

Neugier gehen, um sich einen Snack zu besorgen, aber Rlinda hielt ihn fest.

»He, hiergeblieben. Ich möchte noch ein wenig länger schmusen.« Sie schmiegten sich wieder aneinander.

»Dies ist eindeutig besser als die kalten Hütten auf Plumas«, sagte BeBob.

»Dies ist besser als alles auf Plumas.« Nach einigen Minuten seufzte Rlinda.

»Irgendwann sollten wir die Reparaturen zu Ende bringen.«

»Na schön, na schön. Wenn du für den Schutzanzug bereit bist, helfe ich beim Austausch weiterer Komponenten.«

»Ich habe nicht gesagt, dass ich es so eilig habe.«

Nach der Flucht vom Eismond hatten Rlinda und BeBob beschlossen, es ruhig angehen zu lassen und sich zu entspannen. Die Tamblyn-Brüder hatten die Unersättliche Neugier behalten wollen und alle für die Reparatur notwendigen Teile an Bord bereitgelegt. Rlinda und ihr Exmann arbeiteten zusammen, ließen sich Zeit, beendeten schließlich die Instandsetzung und testeten die Systeme. Die Neugier bekam von ihnen die Pflege, die sie seit einer ganzen Weile brauchte.

Die meisten Gourmet-Spezialitäten waren aus dem Frachtraum verschwunden. Ein großer Teil ihrer besten Vorräte und Handelswaren war bei der Flucht vor der TVF verloren gegangen, als Rlinda den Hauptfrachtraum geöffnet hatte. Sie sprach für sich selbst und bestimmt nicht für BeBob, als sie sagte: »Lieber öffne ich im Vakuum des Alls meinen Raumhelm, als von Standard-Nahrungspackungen zu leben.«

»Oh, sie sind gar nicht so übel, wenn man sich an sie gewöhnt hat.«

Während der Arbeit stellte sich immer wieder die Frage, wohin sie nach Bee digung d

n

er Reparaturen fliegen sollten. Ihre Vorräte waren begrenzt; früher oder später mussten sie

380

in die Zivilisation zurückkehren. Der Treibstoff für den Sternenantrieb wurde allmählich knapp, was bedeutete, dass sie nicht einfach von Sonnensystem zu Sonnensystem fliegen konnten. Sie sprachen darüber, sich auf irgendeinem Asteroiden niederzulassen und dort ein neues Leben zu beginnen, aber sie wussten beide, dass so etwas nicht auf Dauer gut gehen konnte.

Rlinda justierte die Navigationskonsole, und anschließend tänzelte sie in der niedrigen Schwerkraft zu BeBob, mit einer Eleganz, auf die eine Ballerina stolz gewesen wäre. »Stellen wir fest, wohin wir nicht fliegen können«, sagte sie. »Eine Rückkehr zur Hanse kommt nicht infrage. Die TVF würde uns festsetzen, sobald wir in Sensorreichweite kommen.«

»Die Gastfreundschaft der Roamer möchte ich nicht unbedingt in Anspruch nehmen«, erwiderte BeBob. »Und im Ildiranischen Reich kenne ich kein geeignetes Ziel.«

Rlinda strich sich mit dem Finger über die Unterlippe. Als ihr schließlich eine Alternative einfiel, erschien ihr die Wahl so offensichtlich, dass sie sich darüber wunderte, nicht sofort darauf gekommen zu sein. »Theroc ist ein hübscher Ort. Friedlich, mit reichlich frischen Lebensmitteln und vielen netten Leuten. Und Theroc ist von der Hanse unabhängig.«

»Klingt gut«, sagte BeBob.

Rlinda überprüfte die Ekti-Tanks, rief Sternenkarten auf den Navigationsschirm und lächelte. »Wir haben genug Treibstoff für den Flug dorthin. Was meinst du?«

BeBob schenkte ihr ein jungenhaftes Grinsen. »Solange ich mit dir zusammen bin, mein Schatz, bin ich glücklich.«

»Hör auf mit dem Unsinn und gib mir eine klare Antwort.«

»Na schön. Ja.«

380

142 KONIGIN ESTARRA

Nach nur zwei Tagen bereiteten die Theronen eine Übergangszeremonie vor.

Estarra hatte gehofft, dass man ihr Zeit geben würde, sich auszuruhen und wieder einzugewöhnen, aber Mutter Alexa und Vater Idriss wollten sich schon seit Jahren in den Ruhestand zurückziehen und freuten sich über die Gelegenheit dazu.

Nach Reynalds Tod hatten sie wieder die Regierungsverantwortung übernommen, davon überzeugt, dass sie nur für kurze Zeit ihre alten Pflichten wahrnehmen mussten. Beneto war als hölzerner Golem nach Theroc gekommen, als Sprecher für den Weltwald, aber nicht als jemand, der das theronische Volk regieren konnte. Sarein hatte zu erkennen gegeben, die nächste theronische Mutter werden zu wollen, doch sie war eine Marionette der terranischen Regierung. Als sie begriffen hatte, dass ihr ehrgeiziger Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde, war sie sofort zur Hanse zurückgekehrt.

Estarra, Königin der Hanse, war die Nächste in der Thronfolge.

Daheim und in Sicherheit schlief Estarra so gut wie seit Jahren nicht mehr.

Durch die offenen Pilzriff-Fenster kamen die würzigen Aromen von Epiphyten-Blumen und das Flüstern zufriedener Weltbäume. Peter und Estarra umarmten sich und dösten selbst dann noch, als längst heller Sonnenschein in ihr Zimmer fiel.

Celli weckte sie voller Aufregung angesichts der bevorstehenden Zeremonie. »Heute werdet ihr Mutter und Vater von Theroc. Ich habe schon befürchtet, ihr würdet alles verschlafen.«

»Sollte euer Volk mich nicht erst kennenlernen? Ich bin hier noch immer ein Fremder.« Peter schüttelte den Kopf

381

und verstand noch immer nicht, warum Alexa und Idriss davon ausgingen, dass ihm die neue Rolle gefallen würde. »Ich bin das Sprachrohr der Terranischen Hanse gewesen. Ich musste schreckliche Anweisungen erteilen, die viel Leid verursachten. Wissen hier alle, dass Basil hinter den meisten üblen Dingen stand? Ich befürchte, dass mir die Theronen noch nicht vertrauen.«

Estarra schlang ihm von hinten die Arme um die Brust und presste den weit vorgewölbten Bauch an sein Kreuz. »Nahton kennt dich gut, Peter, und alle grünen Priester wissen, was Nahton weiß. Er ließ sich nie in Hinsicht auf die Dinge täuschen, die du tun musstest.«

Celli lachte laut. »Außerdem scheint Estarra dich für geeignet zu halten.«

Sie duzte den König jetzt; immerhin gehörte er zur Familie. »Wir haben sie auserwählt, unsere nächste Mutter zu sein, und du bist zufälligerweise Teil der Vereinbarung.«

Später versammelten sich alle im großen Audienzsaal des Pilzriffs.

Festtische standen in den Zimmern und auf Plattformen. Ein Bankett aus frischem Obst, essbaren Blumen und den saftigsten Insektensteaks präsentierte den Gästen die Vielfalt des Weltwalds.

Estarra erinnerte sich an den Tag, als sie zum ersten Mal Hühner- und Rindfleisch im Flüsterpalast probiert hatte. Damals hatte sie sich fremd gefühlt, aber Peter hatte versucht, ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Jetzt zeigte sie sich dafür erkenntlich, obwohl der König nicht annähernd so scheu war wie sie damals. Sie fragte sich, ob ihm die sich verpuppenden Larven schmecken würden, gebacken in ihren eigenen Kokons. Ihr Magen knurrte, und Estarra merkte, wie sehr sie sich nach theronischen Gerichten gesehnt hatte.

Doch zuerst mussten sie ihre Rollen spielen. Und es galt, etwas sehr Wichtiges zu verkünden.

381

Als Estarra und Peter im Thronsaal zu den großen Sesseln gingen, nahmen Idriss und Alexa ihren Kopfschmuck ab und gaben dem König und der Königin ihren Segen. »Ich präsentiere euch eure neuen Regenten, Vater Peter und Mutter Estarra von Theroc!« Die Leute jubelten. Grüne Priester berichteten durch den Telkontakt vom Geschehen und empfingen Grüße durch die Schösslinge auf vielen anderen Welten.

Estarra wusste, dass sie erst am Anfang der wichtigsten Arbeit standen.

Die menschliche Zivilisation musste sich ändern, beginnend bei der Regierung.

An Bord des kleinen Kugelschiffes, während des Flugs nach Theroc, hatten Estarra und Peter lange Gespräche geführt. Die Erde mochte den Angriff der Hydroger und die Rebellion der Soldaten-Kompis überstanden haben, aber die Hanse war ruiniert. Der Vorsitzende Wenzeslas hatte seine Verbündeten verprellt, unnötige Konfrontationen provoziert und Kolonien im Stich gelassen, die Hilfe brauchten. Basil führte nicht zusammen, sondern trennte, und damit war er nicht geeignet, der Menschheit eine Perspektive zu geben.

»Nach all dem, was geschehen ist, Peter ... Wir müssen wirklich König und Königin sein, nicht nur Paradestücke.«

Peter dachte an all die verpassten Gelegenheiten. »Wir werden so stark sein, wie wir von Anfang an hätten sein sollen.«

Gemeinsam hatten sie einen atemberaubenden Plan entwickelt, ihn mit Estarras Eltern besprochen und per Telkontakt Mitteilungen und Vorschläge an die verwaisten Hanse-Kolonien geschickt. Die Reaktion bestand aus Zustimmung.

Jetzt wurde es Zeit, alles offiziell zu machen.

Als alle für die Krönungszeremonie versammelt waren, sprach Peter zu den Theronen. Er war der Große König der Hanse und jetzt auch Vater von Theroc. Yarrod wartete

382

neben der mit Blumen geschmückten Bühne, berührte einen kleinen Baum und gab Peters Worte im Telkontakt weiter. Alle sollten sofort Bescheid wissen.

»Die Erde hat den Angriff der Hydroger überstanden, doch die Hanse ist gefallen«, verkündete Peter. »Schon vor der Invasion der Hydroger war die Hanse durch Gier, Arroganz und Korruption geschwächt. Viele von Ihnen haben dies erfahren müssen, besonders jene Kolonisten, die auf Nachschublieferungen der Hanse angewiesen waren, und die Roamer-Clans, die einfach nur deshalb unterdrückt wurden, weil sie faire Behandlung verlangten.«

Neben Peter fügte Estarra hinzu: »Alle Kolonien, die die Charta der Hanse unterzeichneten, waren mit den Bedingungen einverstanden, und die Hanse ging ihnen gegenüber bestimmte Verpflichtungen ein. Als der Vorsitzende Wenzeslas jene Kolonien im Stich ließ, brach er den Vertrag.«

Peter nahm ihre Hand. »Mit der Unterzeichnung der Charta schworen die Kolonien ihrem König Treue. Ich bin der König. Ich habe den Flüsterpalast verlassen und bin nicht mehr auf der Erde, aber das Zentrum der Regierung ist bei mir, wo auch immer ich mich aufhalte. Hier auf Theroc werde ich zusammen mit der Königin einen neuen Regierungssitz gründen.«

Einige der Zuhörer waren überrascht. Als Theronen hatten sie nie zur Hanse gehört. »Aber es wird eine andere Regierung sein als das fehlgeschlagene Projekt der Terranischen Hanse«, versicherte ihnen Estarra. »Die Zeit ist gekommen, die Gräben zwischen den verschiedenen Gruppen der Menschheit zu überwinden.«

»Wir schlagen die Gründung einer neuen Konföderation vor, die vereint und stark ist«, fuhr Peter fort. »Wir laden alle Theronen ein, sich uns anzuschließen, zusammen mit den im Stich gelassenen Hanse-Kolonien und allen ungerecht verfolgten Roamer-Clans. Wir werden unsere Re ourc

ss

en teilen und uns nach den acht Jahren Krieg gegenseitig beim Wie

383

deraufbau helfen. Dies sind enorme Veränderungen, aber ich bin fest davon überzeugt, dass es der richtige Weg für uns ist.«

Estarra sah, dass einige Theronen nickten. Bestimmt brauchten sie Zeit, um alle Konsequenzen zu verstehen. »Als die Caülie die Erde verließ, wollten unsere Vorfahren unabhängig sein. Sie gründeten die Kolonie auf Theroc, und König Ben gewährte ihnen Unabhängigkeit. Über viele Jahre hinweg hat die Hanse versucht, Theroc aufzunehmen, doch wir haben uns immer gesträubt.«

Peter ließ den Blick seiner blauen Augen durch den Raum schweifen. »Die von uns vorgeschlagene Konföderation würde es den verschiedenen Kolonien und Gruppen erlauben, ihre Unabhängigkeit und Identität zu behalten, und gleichzeitig bekommen wir dadurch die zahlenmäßige Stärke, die wir brauchen. Wir werden zusammen für das gemeinsame Wohl handeln.«

»Müssten wir nicht mit militärischen Repressalien rechnen?«, rief jemand.

Estarra wusste, dass die früheren Hanse-Kolonien vor allem dies fürchteten.

»Von der TVF ist nicht mehr viel übrig. Die Flotte hat nicht genug Schiffe, um die verlorenen Kolonien zu kontrollieren.« Peter sah vom offenen Balkon zum üppig grünen Wald. »Wenn wir alle zusammenhalten und uns auf gewisse Bedingungen gegenseitiger Hilfe einigen, sind wir stärker als die wenigen Schlachtschiffe, die den Hydroger-Krieg überstanden haben.«

Grüne Priester gaben die Botschaft weiter. Bei den Theronen im Saal schienen die Neuigkeiten gut anzukommen.

Peter streckte die Hände aus. »Natürlich müssen noch viele Einzelheiten geklärt werden. Die Clan-Oberhäupter und Kolonie-Gouverneure haben vermutlich ihre eigenen Sorgen und fürchten, von einer anmaßenden Re e

gi rung übernommen zu werden. Angesichts des derzeitigen geschwäch-te

ustands de

n Z

r Menschheit liegt unsere größte Kraft in

383

Einheit. Estarra und ich bieten Ihnen eine realisierbare Alternative zur Terranischen Hanse.«

Estarra nahm seine Hand. »Wir laden Repräsentanten der einzelnen Menschheitsgruppen ein, nach Theroc zu kommen und hier mit uns die Einzelheiten zu besprechen. Wenn wir uns einig sind, können wir auch eine Verfassung beschließen. Unsere Unterschiede sollen uns nicht mehr trennen, sondern stärker machen.«

Peter richtete einen ernsten Blick auf Yarrod. »Bevor die Gespräche beginnen, muss klar sein, dass der Vorsitzende der Hanse kein legitimes Regierungsoberhaupt mehr ist. Geben Sie dies durch den Telkontakt weiter. Sagen Sie allen grünen Priestern, was hier geschehen ist. Der König und die Königin herrschen nun von Theroc aus, nicht von der Erde. Der Vorsitzende hat keine Machtbasis mehr.«

Estarra sah Begeisterung bei den Theronen. Idriss und Alexa waren sehr stolz auf ihre Tochter. Auch Celli applaudierte voller Enthusiasmus.

Estarra fühlte eine Bewegung im Bauch - hatte das Kind getreten? War es ein Omen? Sie nahm auf dem verzierten Thron Platz, schlang die Arme um den Bauch und wusste ihr ungeborenes Kind in Sicherheit.

143 VORSITZENDER BASIL WENZESLAS

Tagelang trafen Berichte über Tod und Zerstörung ein, und Basil fühlte sich zwischen Euphorie und Enttäuschung hin und her gerissen. Er hatte sich in seinem Penthouse-Büro niedergelassen, von wo aus er den ge häftig

sc

en Palastdistrikt sehen konnte, als die Sonne aufging.

384

Die Bevölkerung der Erde hatte überlebt. Basil hätte es kaum für möglich gehalten.

Das genaue Ausmaß der Verluste kannte er noch nicht, aber zweifellos standen schwere Zeiten bevor. Nie zuvor war die Terranische Hanse der völligen Vernichtung so nahe gewesen. Seit dreißig Jahren führte Basil den Vorsitz, und in dieser Zeit waren Macht und Einfluss der Hanse immer größer geworden. Jetzt war sie schwächer als jemals zuvor.

Während er darauf wartete, dass General Lanyan von den Resten der Verteidigungsflotte zurückkehrte, kamen sein Stellvertreter Cain und die recht eingeschüchtert wirkende Sarein ins Büro.

Als Sarein ihn ansah, bemerkte er in ihren Augen eine Mischung aus Liebe, Furcht und noch etwas anderem. Seit dem Mordanschlag bei Prinz Daniels Bankett verhielt sie sich seltsam. Oder hatte sie sich auch schon vorher seltsam verhalten? Basil hatte die ehrgeizige junge Frau nie ganz verstanden und sich in dieser Hinsicht auch keine besondere Mühe gegeben.

Er war zu beschäftigt - und daran würde sich in naher Zukunft nichts ändern. Erneut verfluchte er den Umstand, dass Pellidor tot war. Er bezweifelte, ob er jemals wieder einen so fähigen und vertrauenswürdigen Sonderbeauftragten finden würde.

Eldred Cains Gesicht war steinern und ausdruckslos, als er Platz nahm. Es fiel Basil auch schwer, seinen geisterhaften Stellvertreter zu verstehen. Die Menschheit brauchte Basil Wenzeslas mehr als jemals zuvor. So viel stand fest.

Schließlich führten Wächter den General herein. Lanyan wirkte erschöpft.

Seine Uniform war zerknittert, und die blutunterlaufenen Augen lagen tief in den Höhlen. Vermutlich hatte er seit Tagen nicht geschlafen und sich nach der Schlacht mit hunderten von sekundären und tertiären Problemen be sst.

fa

Wie wir alle, dachte Basil.

384

Mit der Terranischen Verteidigungsflotte stand es nicht zum Besten. Trotz der Hilfe der Ildiraner war es den Hydrogern und Klikiss-Robotern gelungen, zahlreiche TVF-Schiffe zu vernichten. Die von den Soldaten-Kompis übernommenen Einheiten waren noch immer irgendwo dort draußen und den Resten des Hanse-Militärs weit überlegen. Die Roboter konnten jederzeit zurückkehren und der Erde den Todesstoß versetzen.

Und die verdammten Roamer. Basil wusste nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Erwarteten sie von ihm, dass er ihnen ein Dankesschreiben schickte? Oder einen Geschenkekorb? Wenn sie über so wirkungsvolle Waffen gegen die Kugelschiffe verfügten, warum hatten sie sie dann nicht viel früher der Hanse zur Verfügung gestellt?

Eine seltsame Kraft erfüllte den Vorsitzenden und erlaubte es ihm, sich über die Anstrengungen der vergangenen Tage hinwegzusetzen.

Es wurde Zeit, zur Sache zu kommen. Wie immer. Das hielt die menschliche Zivilisation in Gang, trotz widerspenstiger Könige und verwöhnter Prinzen, die verschwanden, wenn es brenzlig wurde. Unter anderen Umständen wäre Basil bereit gewesen, König Peter einfach zu ignorieren, aber Peter hatte ihn herausgefordert, und das konnte er nicht hinnehmen.

Der General wandte sich mit einem müden Lächeln an den Vorsitzenden.

»Trotz der gewaltigen Verluste, die wir erlitten haben: Es ist ein Sieg. Von der TVF ist nur noch wenig übrig, aber wir haben die Hydroger geschlagen, vielleicht sogar vernichtend.« Er schüttelte den Kopf. »Wer hätte ein solches Manöver von der ildiranischen Solaren Marine erwartet? Und wir sind auch den Roamern zu Dank verpflichtet. Spezialisten untersuchen ihre geheimen Waffen, damit wir sie nachbauen können.«

»Wir brauchen sie gar nicht, wenn die Hydroger endgültig 385

geschlagen sind«, sagte Basil. »Gegen andere Ziele lässt sich damit vermutlich nichts ausrichten.«

»Und dann die riesigen Baumschiffe von Theroc«, warf Sarein ein. Ihre Stimme klang seltsam verbittert. »Es ist eine große Überraschung, dass mein Volk sich solche Mühe machte, der Erde zu helfen - obwohl wir tatenlos zusahen, als Theroc angegriffen wurde.«

»Das könnte man auch von den Roamern sagen«, warf Cain ein.

Basil richtete einen finsteren Blick erst auf seinen Stellvertreter und dann auf Sarein. »Dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt, alte Fehden und Differenzen aufzuwärmen.« Er nahm an seinem Schreibtisch Platz, legte die Hände auf die Tischfläche und saß gerade. »Wir müssen schnell handeln.

Nach der Schlacht werden ganze planetare Bevölkerungen schockiert sein.

Es könnte zu Chaos in den Straßen kommen, zu Anarchie. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen strenge Maßnahmen ergreifen, um die Kontrolle aufrechtzuerhalten. Es wird enorm viel Arbeit erfordern, die alte Macht der Hanse wiederherzustellen.«

Cain räusperte sich. »Auf der Basis unseres letzten Gesprächs haben wir bereits Prioritäten festgesetzt und Verantwortung verteilt. Jetzt sind wir für den nächsten Schritt bereit.«

Basil versuchte, seine Kopfschmerzen zu vertreiben. »In den nächsten Wochen verschaffen wir uns einen detaillierten Überblick über den angerichteten Schaden und die übrig gebliebenen Kapazitäten - aber es muss alles streng vertraulich bleiben.« Er sah Lanyan und Cain bedeutungsvoll an. »Unter keinen Umständen darf die Bevölkerung erfahren, wie schwer wir getroffen sind.«

Sie nickten, und Basil freute sich darüber, zur Abwechslung einmal volle Kooperationsbereitschaft zu sehen. Wenn ihn alle seine Mitarbeiter voll unterstützt hätten, wäre ihnen

386

sicher das eine oder andere erspart geblieben. »Wir beschaffen uns die notwendigen Ressourcen von den Kolonien. Die Hanse muss ihre ganze Kraft bündeln, neue Kriegsschiffe bauen, neue Handelsbeziehungen schaffen und die Verbindungen zwischen den Planeten verstärken, auf dass die Hanse neu erblüht. Und die Anstrengungen müssen weitaus größer sein als jene, die die Menschheit in den vergangenen Jahren unternommen hat.«

Es waren gute Worte, aber Basil wusste, was sie bedeuteten: hohe Steuern und sehr magere Jahre. Und jetzt waren Peter, Estarra und Daniel verschwunden. Er kniff die grauen Augen zusammen und sah Sarein an.

»Hast du wirklich keine Ahnung, wo sich deine Schwester und der König aufhalten? Tage sind vergangen! Wir brauchen einen starken Sprecher, der das Volk vorbereitet und einen Kontakt mit den Kolonien herstellt.« Er fragte sich, ob er auf seine unerwartete Alternative zurückgreifen musste.

»Ich ... ich weiß nicht, wo sie sind, Basil. Nachdem ich ihr das zerstörte Treibhaus gezeigt hatte, habe ich nicht mehr mit Estarra gesprochen.«

Sarein versuchte ganz offensichtlich, ihren Abscheu zu verbergen. »Sie wurde streng bewacht, wie du weißt - zu ihrem eigenen Schutz.«

Basil schnitt eine Grimasse. War das Sarkasmus? Zu den vielen unglaublichen Dingen, die während des Angriffs der Hydroger geschehen waren, gehörte das Verschwinden des kleinen Kugelschiffs. Er hatte seinen Stellvertreter Cain mit Ermittlungen beauftragt, aber in den letzten Tagen war viel passiert, und deshalb stand diese Sache nicht an erster Stelle auf Cains Prioritätenliste.

Ein Sekretär erschien in der Tür des Penthousebüros. »Ein grüner Priester möchte Sie sprechen, Vorsitzender.«

»Schicken Sie ihn herein. Vielleicht bringt er Neuigkeiten.« Basil lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Wird auch Zeit, dass er kommt und Bericht erst t

a tet.«

386

Nahton kam stolz herein, groß, dünn und entschlossen. Der Sonnenschein des Morgens fiel durch die hohen Fenster. Der grüne Priester sah einige Sekunden nach draußen und wandte sich dann an den Vorsitzenden.

»Nun, worum geht's?«, fragte Basil.

»Als eine Gefälligkeit Ihnen gegenüber hat man mich gebeten, Ihnen eine Botschaft von König Peter und Königin Estarra zu bringen, Vorsitzender Wenzeslas.«

Basil sprang auf. »Wo sind sie? Ich verlange, dass sie sofort zum Flüsterpalast zurückkehren.«

»Der König und die Königin haben ihren Thron nach Theroc verlegt. Von dort aus werden sie eine Konföderation der Menschen gründen und einen neuen Regierungssitz leiten.«

Basil lachte kurz - es klang fast wie ein Bellen. »Das ist lächerlich! Und es lenkt uns in einer Zeit ab, in der wir alle am gleichen Strang ziehen müssen.«

»Wir ziehen alle am gleichen Strang, Vorsitzender. Allerdings ohne Sie.«

Nahtons Stimme war neutral; er überbrachte nur eine Nachricht. »Den Theronen gefällt die neue Konföderation, und sie haben beschlossen, ihr beizutreten. Die grünen Priester auf den früheren Hanse-Kolonien haben den betreffenden Siedlern Beitrittsverhandlungen angeboten.

Repräsentanten sind bereits ausgewählt und unterwegs.«

»Frühere Hanse-Kolonien? Was soll das heißen? Jene Welten ...«

Nahton unterbrach ihn. »Dreiundsechzig von Ihnen im Stich gelassene Planeten haben die Charta der Hanse für null und nichtig erklärt und beschlossen, Mitglied der Konföderation zu werden.«

»Das ist eine Kriegserklärung!«, entfuhr es Lanyan.

»Es ist eine angemessene und völlig legale Reaktion. Seit Beginn des Hydroger-Kriegs hat die Terranische Hanse ihre Kolonien von Ve orgungsli

rs

eferungen abgeschnitten, ihnen

387

Proviant und medizinische Ausrüstungen vorenthalten. Sie haben den Schutz durch die Terranische Verteidigungsflotte zurückgezogen. Mit anderen Worten, Vorsitzender: Die Hanse ist ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen, und deshalb gilt die Charta nicht mehr. Die meisten Kolonien sehen in der neuen Konföderation den besten Garanten für ihr Überleben.«

»Es sind Kolonien der Hansel«, beharrte Basil.

»Es waren Kolonien der Hanse, Vorsitzender. Darüber hinaus haben Repräsentanten von fünfzehn Roamer-Clans ihren Beitritt erklärt.

Vermutlich wird die Sprecherin zu der Überzeugung gelangen, dass die Konföderation im besten Interesse der Menschheit liegt. Die Roamer lehnen den Handel mit der Hanse weiterhin ab, doch um guten Willen zu zeigen, haben sie erklärt, alle Kolonien, die sich der Konföderation anschließen wollen, mit Ekti zu versorgen.«

General Lanyan brachte keinen Ton hervor. Nur Cain blieb gelassen.

Basil Wenzeslas starrte den grünen Priester an. »Gehen Sie zu Ihrem Schössling und schicken Sie König Peter eine Mitteilung. Sagen Sie ihm, dass ich seine sofortige Rückkehr zur Erde anordne!«

»Ich bedauere, Sir. Der Telkontakt-Kommunikationsdienst steht dem Vorsitzenden und anderen Repräsentanten der Hanse nicht mehr zur Verfügung.«

»Das können Sie nicht machen.« Basils Gedanken rasten, und seine Haut fühlte sich an, als stünde sie in Flammen. »Schicken Sie die Mitteilung! Sie sollen neutral sein. Sie sind ein grüner Priester. Sie ...«

»Ich befolge die Anweisungen von König Peter und Königin Estarra, wie alle grünen Priester. Wir lassen uns von Ihnen nichts befehlen. Weder Sie noch irge d

n ein Repräsentant der Terranischen Verteidigungsflotte oder der se

Han können Mitteilungen per Telkontakt versenden.«

387

Für einen Moment dachte Basil daran, Nahton zu foltern oder ihn sogar hinzurichten, wenn er ihm nicht gehorchte. Sarein saß verblüfft da und schüttelte den Kopf. »Er hat recht, Basil. Niemand kann einen grünen Priester zwingen, eine Telkontakt-Nachricht zu senden.«

Lanyan kochte. »Bis wir in der Lage sind, Schiffe zu schicken und die Einhaltung der Charta-Bestimmungen zu erzwingen, ist alles unter Dach und Fach!«

»Die Konföderation besteht bereits.« Nahton lächelte kühl. »Wenn der Vorsitzende Wenzeslas seinen Rücktritt erklärt und sich die Reste der Terranischen Hanse auflösen, kann auch das Volk der Erde beitreten. Alle Mitglieder der neuen Konföderation müssen dem König treu sein.«

Basil hätte den Namen am liebsten gespuckt. »Dem König? Peter war nie ein richtiger König!«

Sarein saß wie erstarrt, blinzelte und sah den wütenden, hilflosen Vorsitzenden an. »Vielleicht doch, Basil. Mehr als du ahnst.«

144 DESIGNIERTER DARO'H

Die letzten ausgebrannten Gebäude der Dobro-Kolonie waren abgerissen und die Trümmer fortgeschafft worden. Die Feuersbrünste auf den Hügeln hatten schwarze Hänge hinterlassen. Der bald kommende Regen würde einen neuen grünen Teppich wachsen lassen, ein Zeichen der Verjüngung wie der Bau von neuen Gebäuden in der ildiranischen Siedlung.

Die schreckliche Revolte hatte keine fatalen Wunden auf Dobro geschaffen.

Alle

Wunden heilen, auch wenn manche Narben hinterlassen, dachte Daro'h.

Er ging die Straße hi

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nunter, roch noch immer Ruß und vergossenes Blut in der Luft. Bestimmt dauerte es noch eine ganze Weile, bis dieser unangenehme Geruch verschwand.

Daro'h hatte sein Versprechen gehalten und den Menschen all die Dinge angeboten, die sie brauchten, um eine eigene Siedlung zu bauen. Doch nach vielen Diskussionen beschlossen die Menschen, sich an einem anderen Ort niederzulassen, vielleicht auf dem fruchtbaren südlichen Kontinent. Benn Stoner und die anderen wollten ihre neuen Heimstätten weit von den Ildiranern entfernt gründen, die sie so lange Zeit gefangen gehalten hatten. Später - nach einigen Jahren oder Generationen - waren sie vielleicht bereit zu vergeben, und dann konnten sie so bei den Ildiranern leben, wie es sich ihre Vorfahren, die ursprünglichen Kolonisten der Burton, gewünscht hatten.

Was Daro'h selbst betraf... Er würde bald zum Prismapalast zurückkehren.

Voller Aufregung sah er seinen neuen Pflichten als Erstdesignierter entgegen. Jemand anders würde seinen Platz auf Dobro einnehmen. Im Gegensatz zu einigen seiner Brüder hatte Daro'h noch keine adlig geborenen Söhne. Unter diesen Umständen hätte Udru'h vielleicht erneut zum Dobro-Designierten werden können, aber die Menschen wären bestimmt nicht bereit gewesen, das hinzunehmen.

Daro'h blieb vor der früheren Residenz des Designierten stehen. Zwei Wächter waren an der Tür postiert und hielten Udru'h praktisch gefangen.

Am kommenden Abend wollten Menschen und Ildiraner zusammenkommen. Daro'h wusste nicht, ob er es eine Debatte oder ein Verfahren nennen sollte. Udru'h würde Gelegenheit bekommen, sich zu verteidigen. Die Menschen konnten ihre Anklagen vorbringen, und Daro'h würde die Strafe verhängen, die sie verlangten. So hatte es der Weise Imperator entschieden.

Udru'h sah noch immer sehr mitgenommen aus und hatte 389

Flecken auf der Haut, als er an den Wächtern vorbei zu Daro'h trat. »Heute Abend wird über mein Schicksal entschieden, und dann hat dieses Warten ein Ende. Vielleicht empfinden die Menschen Scham. Ob sie davor zurückschrecken, eine harte Strafe zu verlangen?« Seltsame Geister schienen ihn hinter seinen Augen heimzusuchen. Daro'h war nicht sicher, ob der frühere Designierte wollte, dass man ihm verzieh.

Er schauderte. »Du warst mein Mentor und ich der neue Designierte. Wenn dies einige Jahre früher geschehen wäre, befände ich mich nun an deinem Platz.«

Udru'h zuckte mit den Schultern. »Wir werden sehen, ob meine guten Absichten die schlechten Erinnerungen überwiegen. Verbrechen müssen bestraft werden, so oder so. Das weiß ich jetzt.«

Plötzlich fühlte Daro'h unerwartete Hitze am Rücken und in seinem Bewusstsein. Die Luft wurde heiß, und der Geruch von Qualm und verbrannten Knochen gewann an Intensität. Die bis dahin stoischen Wächter blickten alarmiert gen Himmel.

Drei in Flammen gehüllte schimmernde Ellipsoide fielen der Siedlung wie Kometen entgegen.

»Faeros«, sagte Udru'h. »Was machen sie hier?«

Daro'h hatte die feurigen Erscheinungen nie aus solcher Nähe gesehen. Er konnte nicht feststellen, ob es Schiffe oder lebende Wesen waren. Tausende von Faeros waren dem Kampf gegen die Hydroger zum Opfer gefallen. Warum kamen sie jetzt nach Dobro? Was wollten sie?

Die pulsierenden Faeros näherten sich und strahlten heller. Daro'h fürchtete zu erblinden, wenn er sie weiterhin beobachtete, aber er konnte den Blick einfach nicht von ihnen abwenden. Die Feuerbälle schwebten he n und ve

ra

rharrten über der Residenz des früheren Designierten. Udru'h zuckte zusammen, als etwas laut in seinem Kopf erklang.

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Das Thism in Daro'h fühlte sich plötzlich nach überhitzten Drähten an, die durch Nerven und Gedanken brannten. Die starken, seidenen Seelenfäden wurden in die Länge gezogen und verknotet, schmolzen dahin ...

Eine Stimme donnerte durch Daro'hs Selbst, ein donnernder Schrei, der nicht einmal ihm selbst galt. »Udru'h, du hast mich verraten. Wegen dir habe ich alles verloren und versagt.«

Der frühere Designierte wankte und presste beide Hände an den Kopf.

»Aber jetzt bin ich stärker als jemals zuvor«, fuhr die donnernde Stimme fort. »Ich sehe die Lichtquelle nicht mehr - ich bin die Lichtquelle.«

Schockiert erkannte Daro'h die zornige Stimme - sie gehörte dem wahnsinnigen Designierten. Am Ende der Rebellion war Rusa'h mit seinem Schiff in Hyrillkas Sonne geflogen. Offenbar lebte er noch und ... weilte jetzt bei den Faeros.

Udru'h schüttelte den Kopf und hielt sich Augen und Ohren zu, aber die Stimme erreichte ihn durchs Thism. »Viele Faeros sind umgekommen. Jetzt soll durch dich ein neuer entstehen. Lass dich von deinem Verrat verzehren.«

Daro'h wich entsetzt zurück, als Udru'hs Gesicht zu glühen begann. Der frühere Designierte öffnete den Mund zu einem Schrei, und Rauch kam heraus. Die Haut wurde weiß, und plötzlich ging Udru'h in Flammen auf.

Feuer leckte aus Augen, Mund und Ohren, schließlich auch aus den Knochen der Finger.

Daro'h beobachtete das Geschehen wie gelähmt.

Eine einzelne Flamme verbrannte Udru'hs gesamte physische Existenz, wurde zu einer Kugel, stieg auf und verschwand im nächsten Feuerball der Faeros.

Vom früheren Designierten blieb nur ein dunkler Fleck auf dem Boden ck. Glasige

zurü

Spuren markierten die Stelle, wo die Hitze seines Körpers die rd

E e geschmolzen

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hatte. Daro'h sah auf, und seine Haut fühlte sich halb versengt an.

Sechs weitere Faeros-Feuerbälle kamen vom Himmel herab und gesellten sich den anderen über Dobro hinzu.

145 ORLI COVITZ

Diesmal war Orli an der Reihe, Essen zur Kaserne beim Klikiss-Transportal zu bringen. Es konnte nicht schaden, gutnachbarliche Beziehungen zu den fünfzehn Soldaten zu pflegen, die noch immer auf Llaro stationiert waren.

Die Roamer-Gefangenen, Crenna-Kolonisten und ursprünglichen Siedler hatten beschlossen, in den zurückgebliebenen Soldaten »Beschützer« zu sehen und keine Gefängniswärter oder Babysitter. Angesichts des Durcheinanders in der Hanse fanden sich auch die Roamer damit ab, dass sie zunächst einmal auf Llaro bleiben mussten. Die TVF-Angehörigen hatten ebenso wenig Möglichkeit, den Planeten zu verlassen. Sie saßen auf dieser Welt fest, während im Rest des Spiralarms Chaos herrschte.

Von durchs Transportal kommenden Kurieren wussten die Llaro-Kolonisten, dass Soldaten-Kompis einen großen Teil der TVF übernommen hatten. Orli fürchtete, dass die von Robotern kontrollierten Schlachtschiffe auch hier angreifen konnten so wie auf Corribus. Und niemand hatte eine Erklärung dafür, warum die rätselhaften Faeros gekommen waren und einen der patrouillierenden Remoras zerstört hatten. Orli fühlte sich nicht besonders sicher.

Wenn jetzt etwas passierte, waren die fünfzehn Soldaten Llaros einzige Ve e

rt idigung. Deshalb wechselten sich die Kolonisten damit ab, für sie zu e

koch n, wobei sie frische

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Lebensmittel von den Feldern verwendeten. Es war besser, sich alle Möglichkeiten offen zu halten und gut miteinander zurechtzukommen.

Orli und Mr. Steinman wanderten mit den Körben am Hügelhang empor.

»Meine Beine werden zu steif, um jeden Tag diesen Weg zu gehen«, sagte der ältere Mann.

Orli war an Mr. Steinmans Klagen gewöhnt. »Sie gehen ihn nicht jeden Tag.

Und wenn Sie ganz allein auf dem Planeten wären, so wie Sie es wollten, müssten Sie mehr arbeiten, um am Leben zu bleiben. Das Haus, in dem Sie jetzt wohnen, ist tausendmal besser als der wacklige Schuppen, den wir zusammen gebaut haben.«

»Ich war stolz auf den Schuppen.«

»Ich auch.« Orli lächelte. Die ganze Siedlung schien sie adoptiert zu haben.

Sie hatte ein eigenes Quartier in einem der Multifamilienhäuser und fand Zeit genug, auf ihren Synthesizerstreifen zu spielen. Die Kolonisten hörten ihren Melodien gern zu, und deshalb saß sie abends oft in den Ge-meinschaftsbereichen und spielte.

Die TVF-Soldaten winkten zum Gruß, als sie die beiden Besucher kommen sahen. Orli und Steinman übergaben die Körbe mit einem freundlichen Lächeln. Die Soldaten sahen sich den Inhalt an und nickten anerkennend, als sie frisches Brot und Gemüse fanden.

»Wir sollten uns unbedingt mehr Bewegung verschaffen«, sagte einer der Soldaten. »In der TVF habe ich nie so gut gegessen! Wenn es so weitergeht, nehme ich so sehr zu, dass die Uniform nicht mehr passt.«

»Wende dich an die Frau eines Kolonisten«, spottete einer seiner Kameraden. »Vielleicht kann sie die Nähte erweitern.«

»Die Frauen dieser Kolonisten? Sie würde mich dazu überreden, es selbst zu machen.«

»Zu Recht«, warf Orli ein. »Es kann nicht schaden, allein zurechtzukommen.«

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Der Soldat lachte schallend. »Hör sich einer das Mädchen an!«

Hinter ihm erklang ein Summen wie von statischer Elektrizität. Die Wächter kamen rasch auf die Beine, als das Transportal aktiv wurde.

»Etwas ist hierher unterwegs!«

»Es ist nicht angekündigt worden ... He, vielleicht kommt die Ablösung für uns.«

»Träum schön weiter.«

Weitere TVF-Soldaten kamen aus der Kaserne - jede Unterbrechung der Monotonie war ihnen recht. Jemand, der durch das Transportal kam, brachte vielleicht gute Nachrichten oder zumindest frische Vorräte.

Schlieren bildeten sich in der trapezförmigen Steinfläche, und zwei Gestalten traten hindurch. Zwei Fremde. Die TVF-Soldaten griffen nach ihren Waffen und wechselten unsichere Blicke. »Wer sind Sie? Identifizieren Sie sich!«

Orli sah eine ältere, hohlwangige Frau mit zerrissener Kleidung und zerzaustem Haar. Ihr Gesicht zeigte etwas Gehetztes. Neben ihr ging ein silberner Kompi, ein Freund-lich-Modell mit großen gelben Augensensoren.

Der kleine Kompi stellte seine Begleiterin und sich selbst vor. »Dies ist Margaret Colicos, und ich bin DD.« Für Orli klang der Name der Frau vage vertraut.

Margaret wirkte seltsam verwirrt und desorientiert, als sie den Blick auf Orli, Mr. Steinman und dann die TVF-Soldaten richtete. »Es ist lange her, seit ich zum letzten Mal Menschen gesehen habe.«

»Was ist mit Ihnen passiert, Ma'am?«, fragte Orli. »Woher kommen Sie?«

Im Transportal flackerte es erneut, und weitere Gestalten erschienen hinter Margaret.

»Es tut mir leid. Ich wollte dies nicht.« Margarets Stimme klang hohl und erschüttert. »Von jetzt an wird alles anders sein... alles.«

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Hinter ihr kamen Dutzende von vielbeinigen Geschöpfen durch die trapezförmige Wand.

Die großen, käferartigen Wesen hielten scharfe, modern wirkende Waffen in ihren Klauen. Das ledrige Ektoskelett war schwarz und segmentiert.

Fremde Intelligenz glühte in den glatten Augen. Den ersten Geschöpfen folgte eine zweite Gruppe aus zwanzig Kreaturen, dann eine dritte und vierte.

Die TVF-Soldaten wichen erschrocken zurück, hoben ihre Waffen und zielten.

»Nicht schießen!«, rief einer der Männer. »Sie sind uns hundert zu eins überlegen!«

Steinman hielt sich so an Orlis Arm fest, als könnte sie ihn schützen.

Margaret Colicos stand wie benommen neben DD. »Über Jahrtausende hinweg haben sich die Klikiss erholt und fortgepflanzt. Jetzt sind sie wieder zum Schwärmen bereit und wollen ihre Welten zurückhaben.«

Wellen von Klikiss, die ein wenig anders aussahen und offenbar verschiedenen Subgattungen angehörten, flogen durchs Transportal.

Hunderte waren bereits durchs Steintrapez gekommen und schwärmten auf Llaro aus.

»Die Klikiss kehren mit der Absicht zurück, sich an ihren Robotern zu rächen, die vor zehntausend Jahren das Ende ihrer Zivilisation herbeiführten.«

Llaro-Siedler liefen umher, riefen und versuchten, sich irgendwie zu verteidigen. Doch die Klikiss griffen nicht an, stellte Orli fest. Noch nicht.

Margaret drehte sich zum Transportal um. »In diesem Moment kommen Klikiss durch die Transportale aller ihrer Welten. Sie fordern ihr souveränes Territorium zurück.«

Orli beobachtete, wie ein besonders großes Insektenwesen das Transportal ie

pass rte, ein Klikiss mit langen Dornen, gewölbten Stacheln und fleckiger e

Panz rung. Die za

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ckigen Kopfkämme wirkten bedrohlich. Dieses Geschöpf war noch viel eindrucksvoller als die anderen Klikiss.

Es wandte sich an Margaret und sprach mit klickenden, zirpenden Lauten, die sonderbar melodisch klangen. Der kleine Kompi DD übersetzte, und seine fröhliche Stimme bildete einen seltsamen Kontrast zum unheilvollen Inhalt der Botschaft. »Die Brüterin ist zornig darüber, so viele Menschen auf den Welten der Klikiss zu sehen.«

Margarets leerer Blick strich über die Kolonie auf Llaro. »Verlasst den Planeten. Oder die Klikiss bringen euch alle um.«

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