Das Buch

Endlich glaubt die Terranische Verteidigungsflotte eine wirksame Waffe gegen die Hydroger gefunden zu haben: gepanzerte, von Robotern gesteuerte Raumschiffe, die mit den Kugeln der Hydroger kollidieren. Doch die in den Tiefen von Gasriesen lebenden Wesen holen zum Gegenschlag aus. Sie kündigen das alte Stillhalteabkommen mit dem Ildiranischen Reich auf und drohen dem Weisen Imperator mit der Vernichtung all seiner Welten, falls er sie nicht bei der Zerstörung der Erde unterstützt. Um sein eigenes Volk zu retten, beugt sich Imperator Jora'h der Erpressung. Er ahnt nicht, dass sich in der Zwischenzeit eine mächtige Allianz gegen die Hydroger zusammengefunden hat. Neben den geheimnisvollen Faeros, die immer mehr Kugelschiffe zerstören, hat auch der Weltwald auf Theroc die riesigen Baumschiffe der Verdani herbeigerufen. Und der von den Wentals veränderte Jess Tamblyn setzt mithilfe der Roamer‐Tanker die wiedererstarkten Wasserwesen über den Hydroger‐Welten aus. Plötzlich rebellieren jedoch sämtliche Soldaten‐Kompis auf den Schiffen der TVF und töten die menschliche Besatzung. Ein Großteil der Flotte wird von Robotern übernommen. Und dann greifen diese Schiffe an der Seite der Hydroger die Erde an ...

Kevin J. Andersons große SAGA DER SIEBEN SONNEN:

Bd. 1: Das Imperium

Bd. 2: Der Sternenwald

Bd. 3: Sonnenstürme

Bd. 4: Gefallene Sonnen

Bd. 5: Von Feuer und Nacht

Der Autor

Kevin J. Anderson ist einer der meistgelesenen SF‐Autoren unserer Zeit. Die Auflage seiner Bücher, darunter zahlreiche »Star Wars«‐und »Akte X«‐Romane, beträgt weltweit über 20 Millionen Exemplare. Gemeinsam mit Brian Herbert schrieb Anderson auch »Die Jäger des Wüstenplaneten«, die faszinierende Fortsetzung von Frank Herberts großem Epos »Der Wüstenplanet«. Weitere Informationen zum Autor und seiner SAGA DER SIEBEN SONNEN finden Sie unter: www.wordfire.com.

KEVIN J. ANDERSON

Von Feuer und Nacht

Roman

Titel der am

n

erikanischen Origi alausgabe

OF FIRE AND NIGHT

Für DEB RAY, die eine gute Freundin war ‐ lange bevor sie zu einem treuen Fan wurde

DANKSAGUNG

Die Saga wächst, und damit wird auch die Liste der Personen länger, die mich unterstützen. Für ihre Hilfe danke ich Louis Moesta, Diane Jones, Catherine Sidor und Geoffrey Girard. Das offizielle Redaktionsteam ‐ Jaime Levine, Devi Pillai, Ben Ball»und Melissa Weatherill ‐ hat wie immer ausge‐

zeichnete Arbeit geleistet. Stephen Youll und Chris Moore schufen wundervolle Covers für die amerikanischen und britischen Ausgaben.

Meine Agenten John Silbersack, Robert Gottlieb und Kim Whalen von der Trident Media Group sorgen dafür, dass die Saga der Sieben Sonnen die Aufmerksamkeit bekommt, die sich jeder Autor erhofft. Und wie immer danke ich meiner Frau Rebecca Moesta: Sie hilft mir mehr, als sie ahnt, beim hreiben und au

Sc

ch dabei, den Verstand zu bewahren.

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WAS BISHER GESCHAH

Der gewaltige Krieg zwischen den Hydrogern und Faeros ließ das Feuer von Sonnen erlöschen und zerstörte Planeten. Die Menschheit entwickelte neue Waffen und suchte neue Bündnisse, um auf dem galaktischen Schlachtfeld zu überdauern.

Die vom Vorsitzenden Basil Wenzeslas geleitete Hanse wies die Terranische Verteidigungsflotte (TVF) an, weitere Klikiss‐Fackeln einzusetzen, jene Superwaffe, mit der sie vor acht Jahren unabsichtlich den Hydroger‐Krieg ausgelöst hatte. Die TVF baute auch gepanzerte »Rammschiffe« für Kamikaze‐Einsätze. Die Besatzungen dieser Schiffe bestanden aus entbehrlichen Soldaten‐Kompis und einem menschlichen Kommandanten (unter ihnen die Roamerin Tasia Tamblyn).

An der Heimatfront häuften sich die Probleme und veranlassten den Vorsitzenden Basil Wenzeslas, impulsive und oft falsche Entscheidungen zu treffen. König Peter und Königin Estarra rebellierten gegen Basils Autorität, was zunehmende Feindschaft zwischen dem Vorsitzenden und dem königli‐

chen Paar bewirkte. Als Basil der Königin einen Schwangerschaftsabbruch befahl, weil das ungeborene Kind nicht in seine Pläne passte, ließen Estarra und Peter die Information über den Zustand der Königin an die Medien durchsickern, mithilfe des stellvertretenden Vorsitzenden Eldred Cain. Die Öffentlichkeit reagierte mit großer Freude, und deshalb konnte Basil Estarra nicht zu einem Abbruch der Schwangerschaft zwingen. Aber er bestrafte sie, indem er Estarras geliebte Delfine tötete.

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Der verzogene und ungehorsame Prinz Daniel, von Basil als nächster König ausgewählt, entkam aus dem Flüsterpalast. Nach einem ziemlich großen Skandal wurde der Prinz gefasst und gezwungen, sich öffentlich zu entschuldigen. Um ihn daran zu hindern, noch mehr Ärger zu machen, gab Basil Anweisung, ihn mit speziellen Medikamenten in ein künstliches Koma zu versetzen.

Der Krieg der Hanse gegen die Hydroger lief schlecht, und deshalb schickte Basil Wenzeslas die Streitkräfte der Hanse gegen die Roamer; die Weltraumzigeuner mussten als Sündenböcke für die Misserfolge der Hanse herhalten. Ein Großangriff vernichtete das »Rendezvous« genannte Regierungszentrum der Roamer, und die Clans flohen in alle Richtungen.

TVF‐Schiffe überfielen verborgene Roamer‐Basen und brachten die Gefangenen zum unbewohnten Klikiss‐Planeten Llaro.

Sprecherin Cesca Peroni verbarg sich in einem Stützpunkt auf Jonah 12. Die dortigen Schürfer fanden unter dem Eis Höhlen mit schlafenden Klikiss‐

Robotern, die sie ungewollt aktivierten, woraufhin sich die Roboter sofort daran machten, den Stützpunkt der Roamer zu vernichten. Es gelang Cesca, die heimtückischen Roboter auszuschalten, doch bei einem Flucht ch

versu

zusammen mit dem jungen Piloten Nikko Chan Tyler stürzte das Schiff ab.

Cescas Geliebter Jess Tamblyn war von den elementaren Wasserwesen namens Wentals körperlich verändert worden und führte eine Gruppe von Freiwilligen, die Wental‐Wasser zu neuen Planeten brachten. Zusammen mit den Verdani (dem Weltwald auf Theroc) waren die Wentals uralte Feinde der Hydroger, die sie vor langer Zeit fast ausgelöscht hatten. Indem er den Wentals zu neuer Größe verhalf, schuf Jess einen weitere ti

n mäch gen

Verbündeten im Kampf gegen die Fremden aus den Tiefen von Gasries n e .

ss fl

Je

og zu den Wasserminen auf Plumas, wo seine Onkel das Geschäft übernommen hatten. Vor vielen Jahren war

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Jess' Mutter Karla hier in eine Gletscherspalte gefallen und gestorben. Mit seinen Wental‐Kräften barg Jess den vom Eis erhaltenen Körper, in der Hoffnung, seine Mutter gemäß den Traditionen der Roamer beisetzen zu können. Er brachte sie zu seinen überraschten Onkeln und begann damit, das Eis um Karla zu schmelzen. Bevor er damit fertig werden konnte, wies ihn eine dringende Nachrichten darauf hin, dass Cesca auf Jonah große Gefahr drohte ‐ Jess machte sich sofort auf den Weg. Er fand Nikkos abgestürztes Schiff, nahm es in sein Wental‐Schiff auf und flog weiter, um

die schwer verletzte Cesca zu retten.

Die Roamer‐Clans fanden neue Wege des Überlebens. Cescas Vater Denn Peroni gründete eine unabhängige Handelsbasis auf Yreka, einer vom Nachschub durch die Hanse abgeschnittenen Kolonie. Denn flog auch zum Ildiranischen Reich und traf sich mit dem Weisen Imperator, um direkte Handelsbeziehungen mit den Ildiranern zu knüpfen.

In den Ringen des Gasriesen Osquivel unterhielten Del Kellum und seine hübsche Tochter Zhett einen Komplex aus Roamer‐Werften. Die TVF hatte dort vor kurzer Zeit eine gewaltige Schlacht gegen die Hydroger verloren, und inmitten der Trümmer fand Zhett ein kleines intaktes Hydroger‐Schiff.

Ihr Vater wandte sich sofort an den genialen Roamer‐Wissenschaftler Kotto Okiah und beauftragte ihn mit der Untersuchung. Kotto fand genug über das kleine Schiff heraus, um eine neue Waffe gegen die Hydroger zu entwickeln:

»Türklingeln«, die die Luken eines Kugelschiffs öffneten. Mit solchen Türklingeln machte sich Kotto auf den Weg nach Theroc, dem voraussichtlich nächsten Angriffsziel der Hydroger.

Die Roamer retteten auch eine Handvoll TVF‐Soldaten, deren Rettungskapseln von der fliehenden Flotte zurückgelassen wurden, und zahlreiche neue Soldaten‐Kompis. Sie programmierten die Roboter für die Arbeit in den Werften,

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und Zhett kümmerte sich um die TVF‐Gefangenen. Ihre besondere Aufmerksamkeit galt dem aufsässigen Patrick Fitzpatrick III. Wegen der Feindseligkeiten zwischen Roamern und Hanse konnten die Gefangenen nicht zurückgeschickt werden. Fitzpatrick und seine Kameraden, unter ih‐

nen Dr. Kiro Yamane (ein Spezialist für Soldaten‐Kompis), suchten nach einer Möglichkeit zur Flucht. Während sich Fitzpatrick und Zhett näher kamen, fand Yamane einen Weg, die Soldaten‐Kompis in den Werften verrückt spielen zu lassen. Als Teil eines Fluchtplans vereinbarte Fitzpatrick ein Rendezvous mit Zhett, überwältigte sie und stahl ein Schiff ‐damit wollte er entkommen, während die außer Rand und Band geratenen Kompis die Aufmerksamkeit der Roamer ablenkten. Doch die Soldaten‐Kompis verursachten weitaus größere Schäden als von Yamane vermutet; systematisch zerstörten sie die Roamer‐Anlagen.

Fitzpatricks einflussreiche Großmutter Maureen war eine frühere Vorsitzende der Hanse. Nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Enkel bei Osquivel im Kampf gefallen war, rief sie die Familienangehörigen der anderen Gefallenen zusammen und flog zum Ringplaneten, um dort ein Ehrenmal zu errichten. Sie war verblüfft, als sie dort die Roamer‐Werften entdeckte, in denen wegen der Soldaten‐Kompis großer Aufruhr herrschte.

Als sich die Lage zuspitzte, erschien Fitzpatrick und verärgerte seine Großmutter, indem er für den Kellum‐Clan sprach. Er vereinbarte einen Waffenstillstand, indem er den TVF‐Schiffen das von Kotto untersuchte kleine Hydroger‐Schiff überließ. Als die TVF‐Flotte mit den befreiten Gefangenen heimkehrte, setzten sich Zhett und die anderen Roamer ab.

Fitzpatrick zweifelte daran, Zhett jemals wiederzusehen.

General Lanyan, Kommandeur der TVF, wollte ein Exempel statuieren. Da mer weniger Rekru

im

ten zur Verfügung standen, blieb ihm nichts anderes übrig, als eine große

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Zahl von Soldaten‐Kompis produzieren zu lassen (alle mit Klikiss‐

Programmmodulen ausgestattet) und sie auf die Kampfflotten zu verteilen.

Er war angenehm überrascht, als ein Deserteur ‐ Branson »BeBob« Roberts

‐ mit zwei aus einer verheerten Hanse‐Kolonie stammenden Überlebenden zur Erde kam. Die Überlebenden, ein Mädchen namens Orli Covitz und ein alter Mann namens Hud Steinman, erzählten eine haarsträubende Geschichte: Klikiss‐Roboter und Soldaten‐Kompis hatten angeblich ihre Siedlung zerstört. General Lanyan beauftragte eine Einsatzgruppe damit, den Dingen auf den Grund zu gehen, aber er war weitaus mehr daran interessiert, BeBob wegen Desertion vor ein Kriegsgericht zu stellen.

Die Händlerin Rlinda Kett ließ ihre Beziehungen spielen, um BeBob zu helfen, aber es nützte nichts. Das Verfahren fand nur zum Schein statt ‐ das Urteil stand bereits fest. Doch überraschend für sie beide verhalf ihnen der Spion Davlin Lotze zur Flucht. BeBob und Rlinda flohen mit ihrem Schiff, der Unersättlichen Neugier, und Davlin lenkte die Verfolger ab, spiegelte dabei seinen Tod vor. Als Rlinda und BeBob schon glaubten, in Sicherheit zu sein, trafen sie beim Eismond Plumas auf einige Roamer‐»Piraten«. Die Neugier wurde konfisziert, und Rlinda und BeBob wurden in den Eisminen gefangen gehalten, während die Roamer überlegten, was sie mit ihnen anstellen sollten.

Als sich Jess auf den Weg gemacht hatte, um Cesca zu retten, war ihm nicht klar, gewesen, dass er einen Funken Wental‐Energie im teilweise aufgetauten Leib seiner Mutter hinterlassen hatte. Karla wurde wieder lebendig, aber nicht als Mensch. Rlinda und BeBob beobachteten entsetzt, wie sie einen von Jess' Onkeln umbrachte und sich dann den anderen zuwandte.

Auf Theroc schuf der sich erholende Weltwald einen hölzernen Golem aus dem grünen Priester Beneto ‐ er sollte als

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Sprecher fungieren und die Weltbäume auf einen neuen Angriff der Hydroger vorbereiten. Benetos Schwester Sarein, die Hanse‐Botschafterin, traf auf Geheiß des Vorsitzenden Wenzeslas ein und hoffte insgeheim, zur Herrscherin von Theroc aufzusteigen. Als ihr das nicht gelang, brachte sie grüne Priester dazu, auf abgeschnittenen Welten der Hanse ein Kommunikationsnetz zu schaffen.

Als die Hydroger Theroc erneut angriffen, um den Weltwald endgültig zu zerstören, kamen den Verteidigern unerwartete Verbündete zu Hilfe. Kotto Okiah setzte seine neue Türklingel‐Waffe ein und vernichtete damit viele Kugelschiffe. Hinzu kam ein lebender Komet, erfüllt von Wental‐Energie, der die Niederlage der Hydroger besiegelte. Zwar mussten die Fremden aus den Tiefen von Gasriesen abziehen, aber sie wussten jetzt, dass die Wentals nicht etwa ausgestorben, sondern aufs Schlachtfeld zurückgekehrt waren.

Nach dem Kampf empfing der Golem Beneto eine eindrucksvolle Armada aus Verdani‐Schlachtschiffen: gewaltige, dornige Bäume, die gekommen waren, um den Weltwald zu schützen.

Unterdessen setzten die heimtückischen Klikiss‐Roboter ihre Eroberungspläne fort. Als Admiral Stromo Orli Covitz' verheerte Koloniewelt erreichte, fand er dort Hinweise darauf, dass die Roboter tatsächlich hinter dem Angriff steckten!

Tasia Tamblyn führte das Kommando über sechzig Rammschiffe, deren Besatzungen aus Soldaten‐Kompis bestanden, um einer von den Hydrogern angegriffenen Himmelsmine über Qronha 3 zu Hilfe zu kommen. Sullivan Gold, Chef der Himmelsmine, evakuierte seine Leute und rettete auch viele Ildiraner aus einer nahe gelegenen Anlage. Bevor Tasias Schiffe eintrafen, g

flo Sullivan bereits mit den Ildiranern fort, und sie begegneten Einheiten der ildiranischen Solaren Marine. Als Tasias Flotte schließlich den 7

Gasriesen erreichte, wandten sich die Soldaten‐Kompis gegen sie, nahmen Tasia und ihren persönlichen Kompi EA gefangen. Sie schlossen sich mit den Klikiss‐Robotern zusammen und brachten die Rammschiff‐Flotte un ter ihre

Kontrolle, mit der Absicht, sie gegen die Menschheit einzusetzen.

Klikiss‐Roboter hatten auch die wenigen auf der ildiranischen Urlaubswelt Maratha zurückgebliebenen Personen angegriffen. Der Gelehrte Anton Colicos, sein Freund, der Er innerer Vao'sh, und eine kleine Gruppe aus Ildiranern waren auf der Nachtseite des Planeten gestrandet und hatten einen langen Marsch vor sich. Sie wussten nicht, dass die Roboter hinter allem steckten: Die Ildiraner gaben mythischen Geschöpfen die Schuld, den sogenannten Shana Rei, von denen in der Saga der Sieben Sonnen berichtet wurde. Als Anton und seine Begleiter das vermeintliche Refugium Secda erreichten, fanden sie dort ganze Heerscharen von Klikiss‐Robotern vor.

Anton und Vao'sh entkamen mit einem kleinen Schiff und flogen allein fort.

Doch bei Ildiranern führt Einsamkeit zu Wahnsinn. Während des langen Flugs nach Ildira versuchte Anton, Vao'sh beschäftigt zu halten, aber der alte Erinnerer zog sich immer mehr in sich selbst zurück und war £ei ihrer Ankunft kaum mehr ansprechbar.

Ein Bürgerkrieg erschütterte das Ildiranische Reich, ausgelöst vom Hyrillka‐

Designierten Rusa'h und dem Sohn des Weisen Imperators, Thor'h. Durch eine Kopfverletzung war Rusa'h vom telepathischem Thism getrennt, einem geistigen Netzwerk, das alle Ildiraner miteinander verbindet. Voller Größenwahn schuf er ein unabhängiges Thism Netz, begann mit einer blutigen Rebellion und zwang andere Designierte, sich einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Adar Zan'nh schlug mit einer Flotte der Solaren Marine die Rebellion nieder, aber seine Schiffe gerieten unter die Kon 7

trolle des verrückten Designierten, und Zan'nh wurde gefangen g

.

enommen

Als Rusa'h versuchte, seinen Bruder Udru'h, den Dobro‐Designierten, zu konvertieren, glaubte er, einen bereitwilligen Partner zu gewinnen. Er ließ den Designierten‐in‐Bereitschaft Daro'h auf Dobro zurück, brach auf und bereitete eine Falle vor, die das Ende für Rusa'hs Rebellion bedeutete. Der Weise Imperator Jora'h eroberte Hyrillka zurück, und der verräterische Thor'h wurde festgesetzt. Der verrückte Designierte ergriff die Flucht und flog direkt in Hyrillkas primäre Sonne. Kurz vor dem Verbrennen des Schiffes stiegen einige flammende Faeros auf, umgaben das Schiff des Designierten und trugen es in die Sonne.

Die Faeros und Hydroger setzten ihren Krieg fort und brachten eine der sieben Sonnen von Ildira zum Erlöschen. Der Weise Imperator sah die Zeit gekommen, eine spezielle »Waffe« einzusetzen: seine Mischlingstochter Osira'h. Mit den besonderen telepathischen Kräften des Mädchens hoffte Jora'h, einen Kontakt mit den Hydrogern herstellen und einen alten Nichtangriffspakt erneuern zu können. Osira'h hatte inzwischen von ihrer Mutter, der grünen Priesterin Nira, die Wahrheit über das menschlich‐

ildiranische Zuchtprogramm auf Dobro erfahren. Sie fühlte sich hin und her gerissen, nicht sicher, wem sie glauben sollte. Trotzdem erfüllte sie ihre Pflicht und begab sich mit einer gepanzerten Kapsel in die Tiefen von Qronha 3, um dort mit den Hydrogern zu kommunizieren.

Auf Ildira, nach dem Ende des Bürgerkriegs, war der Weise Imperator schockiert, als er von Udru'h erfuhr, dass Nira noch lebte. Jora'h liebte die grüne Priesterin nach wie vor und befahl ihre sofortige Freilassung. Aber als Udru'h die Insel auf Dobro erreichte, wo er Nira gefangen gehalten hatte, uss

m

te er feststellen: Die grüne Priesterin war geflohen und spurlos verschwunden! Bevor Jora'h davon erfuhr,

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kehrte Osira'h mit einer großen Flotte aus Kugelschiffen der Hydroger nach Ildira zurück ‐ sie alle schwebten über dem Prismapalast. Jora'h musste nun n Hy

de

drogern gegenübertreten: Wenn es ihm nicht gelang, ihnen seinen andpun

St

kt überzeugend darzulegen, drohte Ildira die völlige Vernichtung.

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VON FEUER UND NACHT

1 KÖNIG PETER

Ein schwerer Transporter mit dem Logo der Terranischen Verteidigungsflotte landete auf dem Platz des Flüsterpalastes, begleitet von einem Jubel, der fast das Fauchen der Landedüsen übertönte. Eine Ehrenwache schuf einen sicheren Korridor durch die begeisterten Zuschauer in Richtung Shuttle und legte für König Peter und König in

Estarra einen purpurroten Teppich aus.

Das Paar ging im Gleichschritt, und der junge König sprach aus dem Mundwinkel, damit keiner der professionellen Horcher ihn hörte. »Ich habe nur selten Gelegenheit, gute Nachrichten zu verkünden, die nicht vollkommen verlogen sind.«

Beide wussten, dass Basil Wenzeslas sie beobachtete und bei der geringsten falschen Bewegung eingreifen würde, deshalb antwortete Estarra ebenso vorsichtig: »Wir mussten viel zu oft über den Tod von Soldaten sprechen.

Viel besser ist es, zurückkehrende Helden zu begrüßen.«

So lange nach der Schlacht von Osquivel hatte niemand mit überlebenden TVF‐Soldaten gerechnet. Man war davon ausgegangen, dass die vermissten Männer und Frauen von den Hydrogern getötet worden waren. Jetzt traten dreißig im Sonnenschein des Palastdistrikts blinzelnde Überlebende die Ausstiegsrampe herunter und drängten nach vorn, als könnten sie es gar nicht abwarten, die Luft der Erde zu atmen. Die lächelnden Soldaten trugen neue Uniformen, die sie von der Rettungscrew bekommen hatten. Den ericht

B

en zufolge hatten sie bei der ersten Gelegenheit die von den

»Kerkermeistern« ‐ oder waren es »Gastgeber«?, fragte sich 9

Peter ‐ der Roamer stammende Kleidung in die Recycler geworfen.

Die Wächter konnten die begeisterte Menge kaum zurückhalten und ließen ausgewählte VIPs und Angehörige passieren. Während des Rückflugs hatte die frühere Vorsitzende Maureen Fitzpatrick die Namen der Geretteten übermittelt. Aufgeregte Familienangehörige eilten von einem Übe n

rlebende

zum nächsten, bis sie die gesuchte Person gefunden hatten.

Trotz des überschwänglichen Empfangs wusste Peter, wie peinlich es der Hanse war, dass man Überlebende gefunden hatte. Der Kampf der TVF

gegen die Hydroger bei Osquivel war eine absolute Katastrophe gewesen und mit einem hastigen Rückzug beendet worden. Viele verwundete Soldaten waren an Bord von beschädigten Schiffen und Rettungskapseln zurückgelassen worden. Doch ein Haufen Roamer hatte sie gerettet.

Maureen Fitzpatrick und die Familien der Vermissten waren zum fernen Ringplaneten geflogen, um dort ein Ehrenmal zu errichten. Durch Zufall hatten sie dort die Roamer‐Werften entdeckt und die Gefangenen befr n

eie

können.

Zweifellos wäre es möglich gewesen, noch viel mehr Soldaten zu retten, wenn die TVF sie nicht einfach im Stich gelassen hätte. Nach diesem freudigen Ereignis würden die Leute damit beginnen, sich Fragen zu stellen.

Du stehst ziemlich dumm da, Basil, dachte Peter und begriff: l

Bei so chen

Gelegenheiten war der Vorsitzende besonders gefährlich.

»Beachten Sie den Zeitplan«, kam Basils Stimme aus dem kleinen Ohrempfänger. »Dies dauert zu lange.«

Peter drückte Estarras Hand, wandte sich dem Transporter zu und wartete auf das Hauptereignis. Die Menge schien etwas zu ahnen und wurde still.

Mit einem dumpfen Brummen öffnete sich die Frachtluke, und Metall kratzte über

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Metall. Das Licht von Scheinwerfern erstrahlte. Soldaten und Frachtarbeiter bedienten die Kontrollen von Hebegeräten und Antigravs, wirkten dabei wie Tierbändiger, die ein gefesseltes prähistorisches Ungeheuer aus dem Bauch des Transporters holtpi. Ein kleines Schiff der Hydroger.

Roamer hatten es nach der Schlacht in den Ringen von Osquivel gefunden.

Die Kugel durchmaß weniger als zehn Meter, aber die Menge schnappte verblüfft und auch furchterfüllt nach Luft.

Als das kleine Hydroger‐Schiff zu Boden gelassen wurde, näherte sich Maureen Fitzpatrick zusammen mit ihrem Enkel, einem der dreißig Überlebenden, dem königlichen Paar. Sie schüttelte Peter so die Hand, als wäre er ein Geschäftspartner. Als frühere Vorsitzende der Hanse wusste Maureen, wie wenig Macht Peter tatsächlich hatte. Ihr war aber die Notwendigkeit klar, den Schein zu wahren. »Wir mussten die Roamer für dieses Schiff entkommen lassen, Majestät. Ich hoffe, Sie halten das wie ich für einen akzeptablen Preis.«

»Ich bin sicher, dass uns von den Roamern keine besondere Gefahr droht.«

Peter hielt die jüngsten Aktionen gegen sie für eine Vergeudung wichtiger militärischer Ressourcen. Ein weiterer von Basils Fehlern. »Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Jetzt können wir ein intaktes Schiff der Hydroger untersuchen. Ich werde dafür sorgen, dass Sie die verdiente Anerkennung bekommen.«

Es erfüllte Maureen mit tiefer Zufriedenheit, wieder im Rampenlicht zu stehen. Sie sah aus wie eine dickliche Katze, die gerade einen besonders leckeren Kanarienvogel verschluckt hatte.

a

Est rra musterte den stillen Enkel der früheren Vorsitzenden. »Sie wirken zerstreut, Mr. Fitzpatrick. Geht es Ihnen nicht gut?«

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»Entschuldigung. Ich ... habe an jemanden gedacht.«

»All dieses Gerede über die Roamer muss sehr belastend für ihn sein.«

Maureen berührte den jungen Mann am Arm. »Er und die anderen TVF‐

Überlebenden brauchen einen langen Urlaub, König Peter. Hoffentlich kann ich General Lanyan dazu bewegen.«

Wissenschaftler der Hanse eilten in die Sicherheitszone, erpicht darauf, mit der Untersuchung des fremden Schiffes zu beginnen. Der technische Spezialist Lars Rurik Swendsen wirkte wie ein Kind, das sich anschickte, sein größtes Weihnachtsgeschenk auszupacken. »Sehen Sie nur! Es ist perfekt! Wenn alle Systeme funktionieren, sollten wir in der Lage sein, sie für unsere Zwecke nachzubauen. Dies könnte zu einem enormen technischen Durchbruch führen, vergleichbar mit dem Bau von Soldaten‐

Kompis auf der Grundlage von Klikiss‐Robotertechnik. Oder mit den Transportalen der Klikiss. Stellen Sie sich das nur vor!« Der große Schwede wirkte, als würde er jeden Augenblick zu tanzen beginnen.

»Wir haben auch Aufzeichnungen der ersten von einem Roamer‐Techniker durchgeführten Analysen«, sagte Maureen. »Einige der Daten könnten sich als nützlich erweisen.«

Würdenträger kamen, um sich neben dem Hydroger‐Schiff den Medien zu zeigen. In letzter Zeit hatte es viele schlechte Nachrichten gegeben. Die Reporter und Journalisten würden sich auf diese gute Geschichte stürzen, so wie sie zuvor die unbestätigten Meldungen von der Schwangerschaft der Königin verbreitet hatten.

Trotzdem: Das kleine Kugelschiff erinnerte daran, dass die Hydroger jederzeit die Erde angreifen konnten. Peter dachte an Basil, der sich in den Schatten des Palastes verbarg, und dachte: Aber es wäre eine erfrischende wechsl

Ab

ung, mit einem Feind konfrontiert zu werden, der sich nicht davor chtet,

für

einem gegenüberzutreten.

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2 ADMIRAL LEVSTROMO

Der Manta raste durchs All, um überlebende »Dunsel«‐Kommandanten der Rammschiff‐Flotte zu retten. Inzwischen mussten die sechzig Kamikazeschiffe den Drogern bei Qronha 3 einen schweren Schlag versetzt haben.

Der Sternenantrieb des Kreuzers arbeitete mit maximalem Schub.

Schwitzende Techniker und Soldaten‐Kompis überwachten die Systeme und hielten nach Überladungen Ausschau. Admiral Stromo lag siebzehn Stunden hinter seinem Zeitplan ‐ vor dem Start hatte er darauf bestanden, alle Checklisten durchzugehen, als handelte es sich um einen Ausbildungseinsatz und keine eilige Rettungsmission. Aber die Fluchtkapseln sollten über genug Luft, Nahrung und Wasser verfügen, um das Überleben der sechs menschlichen Kommandanten für mindestens einen weiteren Tag zu gewährleisten, vielleicht auch für zwei. Es blieb Stromo also Zeit genug.

General Lanyan wünschte sich eine Gelegenheit, die neuen Rammschiffe der Terranischen Verteidigungsflotte einzusetzen, und deshalb hatte er die Chance sofort genutzt, als die Hydroger die Wolkenmine der Hanse über Qronha 3 angriffen. Die stark gepanzerten Schiffe, deren Besatzungen fast ganz aus Soldaten‐Kompis bestanden, waren für Kollisionen mit den Kugelschiffen des Feinds bestimmt. Für die menschlichen Kommandanten gab es eine Möglichkeit, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, mit Rettungskapseln, die der Manta‐Kreuzer später aufnehmen sollte. Ein perfekter Plan, rein theoretisch.

Der Admiral schlief tief und fest in seiner privaten Kabine und überließ die administrativen Details dem diensthabenden Offizier. Als das Wecksignal erklang, dachte Lanyan, dass einem Gitter‐Admiral einige zusätzliche Stunden Schlaf

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gestattet sein sollten. Er verließ die gepolsterte Koje, rieb sich die Augen und bereitete sich auf den Dienst vor. Man erwartete von ihm, der Truppe ein gutes Beispiel zu geben, aber er wäre viel lieber zu Hause geblieben.

Stromo eignete sich mehr für Verwaltung, Politik und Büroarbeit. Zweifellos gab es andere TVF‐Offiziere, die sich unbedingt einen Namen machen wollten, um schneller befördert zu werden. Wäre einer von ihnen für diese Mission nicht besser geeignet gewesen?

Aber jetzt war er hier. Er hatte seine Befehle und musste die Sache hinter sich bringen, bevor er heimkehren konnte.

Stromo wusch sich das Gesicht mit Wasser aus dem kleinen Becken. Als er sich die Wangen rieb, fühlte er Bartstoppeln, beschloss aber, noch einen Tag zu warten, bevor er eine neue Dosis des Anti‐Bart‐Hormons nahm. Die Tabletten bereiteten ihm Magenbeschwerden, doch noch ärgerlicher a w r es,

sich rasieren zu müssen.

Er zog eine saubere Uniform an, beugte sich dann zum Spiegel vor und erhöhte die Vergrößerungsstufe. Unter dem fleischigen Kiefer zeigte sich ein zusätzliches Kinn, das gut zu seinem wachsenden Bauch passte. Die Augen wirkten verschwollen, aber nicht aus Schlafmangel. Vielle icht sollte

er sich mehr Bewegung beschaffen, sobald er Zeit dafür fand.

Stromo hatte nie beabsichtigt, noch einmal in den Kampf zu ziehen, hatte nicht mit der Notwendigkeit gerechnet. Aber seit dem Beginn des Hydroger‐

Kriegs entwickelten sich die Dinge in seinem Leben kaum mehr so, wie er es sich wünschte. Er wusste, dass man hinter seinem Rücken über ihn lachte und ihn »Bleib‐zu‐Hause‐Stromo« nannte, weil ihm der Schreibtisch lieber war als das Schlachtfeld. Aber irgendwann wurden einem Komfort und Verlässlichkeit wichtiger als Stolz und Ehrgeiz.

glühenden Ziffern

Die

am Schott erinnerten ihn daran, dass ihm nur noch einige Minuten blieben, um die Brücke

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zu erreichen, wenn er von dort aus die Ankunft bei Qronha 3 beobachten wollte. Beim wichtigen Teil dieser lästigen Mission sollte er im Kommandosessel sitzen. Stromo kämmte sein kurzes, eisengraues Haar, atmete tief durch und rückte die Medaillen zurecht ‐ die meisten von ihnen hatte er wegen seines Dienstalters bekommen, oder dafür, weil er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war. Bereit für den Dienst.

Mit langen Schritten ging er durch den Korridor, der Rücken gerade und die Schultern straff, das Kinn nach vorn geschoben, wie bei einem als sportliche Übung dienenden Powerwalk. Er kam an mehreren Soldaten‐Kompis vorbei, nickte ihnen aus reiner Angewohnheit zu und war keineswegs überrascht, als sie den Gruß nicht erwiderten. Dinge wie Höflichkeit und dergleichen waren in der militärischen Programmierung der Soldaten‐

Kompis nicht vorgesehen.

Sie ersetzten menschliche Besatzungsmitglieder und erreichten fast die Größe eines durchschnittlichen Mannes. Arme und Beine waren besonders dick, der Rumpf gepanzert. Eine verstärkte Muskulatur und die synthetische Haut machten die Roboter ausdauernder und kräftiger als menschliche Soldaten, weniger anfällig für Verletzungen. Es kam einer Erlei g

chterun

gleich zu wissen, dass sich so viele von ihnen an Bord befanden.

Stromo betrat die Brücke und ließ seinen Blick über die dortige Crew streichen. Die seltsame junge grüne Priesterin Clydia saß an ihrer Station, berührte den Schössling und schien wie üblich mit offenen Augen zu träumen. Die haarlose Frau trug nur Shorts und ein weites Hemd, weder Schuhe noch Insignien ‐ wenn man von den zahlreichen Tätowierungen auf ihrer smaragdgrünen Haut absah. Stromo hielt grüne Priester für kaum mehr als primitive Wilde, aber er war dankbar dafür, dass ihnen Clydia verzögerungsfreie Kommunikation ermöglichte. Bei anderen Kriegssc ffe hi n

13

nahm die Übermittlung von Nachrichten enorm viel Zeit in Anspruch.

Außer der grünen Priesterin befanden sich ein hochgewachsener ägyptischer Waffenoffizier namens Anwar Zizu, der mit Erscheinungsbild und Verhalten den Eindruck erweckte, aus Eichenholz geschnitzt zu sein, und ein Kommunikationsoffizier auf der Brücke, an den sich Stromo nicht erinnerte, daneben zwei Techniker, die die Kontrollen der Sensoren und Scanner bedienten, und einige Soldaten‐Kompis an den übrigen Stationen.

Als niemand auf seine Ankunft reagierte, räusperte sich Stromo demonstrativ. Eine junge Ensign, die die Navigationsstation übernommen hatte ‐ Terene Mae, wenn er sich richtig an den Namen erinnerte ‐ nahm Haltung an. »Admiral auf der Brücke!«

Commander Elly Ramirez drehte si

ch in ihrem Sessel. »Wir hern uns dem

Qronha‐System, Sir.«

»Dies ist nichts weiter als Routine.« Stromo übernahm den Kommandosessel von Ramirez. »Wir sammeln die Fluchtkapseln ein und fliegen zurück zur Erde. Unterwegs können uns die Dunsel‐Kommandanten einen detaillierten Bericht geben.«

Ramirez lächelte. »Ich freue mich schon darauf, Commander Tamblyn wieder an Bord zu haben, Sir. Es hat sich nie richtig angefühlt, ihren Manta‐

Kreuzer zu übernehmen.«

»Sie haben nur Ihre Befehle befolgt, Commander Ramirez. Als Roamerin eignete sich Tamblyn nicht für unsere jüngsten Missionen.« Stromo wollte nicht noch mehr darüber hören, sah auf den Bildschirm und bemerkte die Scheibe eines Gasriesen. Auf der rechten Seite leuchtete das Zentralg n

estir

des Sonnensystems. »Ist das Qronha 3?«

Einer der Sensortechniker aktivierte einen Filter, der das solare Gleißen dämpfte. »Ja, Sir. In einer knappen Stunde sollten wir in Reichweite sein.«

13

»Irgendwelche Notrufe? Peilsignale von den Fluchtkapseln?«

»Wir sind noch zu weit entfernt, Sir«, sagte Ramírez. »Die Leistung s

de

Kapselsenders ist begrenzt.«

Stromo lehnte sich zurück. »Weitermachen.« Für eine Weile war das Summen des Schiffes friedlich und entspannend, und einmal nickte er kurz ein. Er rieb sich die Augen, kämpfte gegen die Müdigkeit an und hoffte, dass er nicht geschnarcht hatte.

»Noch immer nichts«, sagte der Kommunikationsoffizier.

»Wir sondieren mit den Fernsensoren und suchen mit ihnen nach Trümmern oder Triebwerksspuren«, meldete der Sensortechniker.

Stromo runzelte die Stirn. »Wenn sechzig Rammschiffe mit Droger‐Kugeln kollidiert sind, sollte es zu einem ziemlichen Feuerwerk gekomm e

en s in.

Haben Sie noch keine Residualenergie oder Radioaktivität entdeckt?«

»Nein, Sir. In den oberen Atmosphäreschichten des Gasriesen gibt es schwache Spuren, aber sie scheinen von Komponenten der Wolkenmine zu stammen. Es lassen sich weder Rammschiffe noch ildira e Ein

nisch

heiten

orten.«

Die Falten fraßen sich tiefer in Stromos Stirn. »Es muss doch etwas da

.

sein

Wir sind nur einen Flugtag hinter den Rammschiffen.«

Als sie kurze Zeit später den Gasriesen erreichten, fanden sie dort nichts: keine Fluchtkapseln, keine Hinweise auf Explosionen, keine Wracks.

chen Sie weit

»Su

er«, brummte Stromo. »Sechzig Rammschiffe können doch ht einfach

nic

spurlos verschwinden.«

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3 WEISER IMPERATOR JORA'H

Kugelschiffe der Hydroger schwebten am Himmel von Ildira, dazu bereit, den Prismapalast zu zerstören. Selbst im Licht der sechs verbliebenen Sonnen fühlte sich Jora'h so, als wäre ein schwerer Schatten auf seinen privaten Raum in der Himmelssphäre gefallen.

Er war zu seinem Podium im großen Palast zurückgekehrt und rechnete damit, dass die Hydroger einen Gesandten schickten. Wenn das geschah, stand Jora'h das wichtigste Gespräch in der ildiranischen Geschichte bevor.

Nie zuvor hatte ein Weiser Imperator eine so gefährliche und erschre‐

ckende Krise zu bewältigen. All die Jahrhunderte der Planungen und Intrigen erschienen jetzt völlig unzureichend. Jora'h saß in seinem Chrysalissessel und schauderte angesichts der bitteren Erkenntnis, dass sich das Ildiranische Reich verändern würde.

Seine Tochter Osira'h hatte die Hydroger nach Ildira gebracht, wie von ihm erhofft. Und jetzt?

Dem Weisen Imperator stand eine Konfrontation mit Wesen bevor, die so mächtig waren, dass sie Sonnen erlöschen lassen konnten. Vor zehntausend Jahren hatten sie mehrere Zivilisationen im Spiralarm vernichtet. Was konnte Jora'h solchen Geschöpfen anbieten?

Wir haben dies selbst herausgefordert, dachte er.

Mit Klikiss‐Robotern als Vermittler hatten Hydroger und Ildiraner vor langer Zeit eine Art Nichtsangriffspakt geschlossen, der vor kurzem verletzt worden war, aus Gründen, die Jora'h nicht verstand. Die verräterischen Roboter hatten sich gegen Ildira gewandt und verfolgten nun eigene Ziele.

ch mi

Do

t Osira'h brauchte der Weise Imperator keine anderen Vermittler.

Sie war die Brücke. Jora'h wusste nicht,

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wie das Mädchen die Fremden dazu gebracht hatte, nach Ildira zu kommen, und er verstand auch nicht ganz Osira'hs besondere Fähigkeiten, die ihr offenbar eine Kommunikation mit den Hydrogern gestatteten. Als die Fremden mit ihr aus den Tiefen des Gasriesen aufgestiegen waren, hatte sie ihm eine kurze, schreckliche Nachricht übermittelt: Sie verlangen, dass du ihnen dabei hilfst, die Menschheit auszulöschen. Wenn du nicht einverstanden bist, wird niemand von uns überleben. Worte wie eine krista ie

llene Sense, d

alle seine Hoffnungen zerschnitt...

Ein Kurier eilte in den vom Sonnenschein erhellten Raum. »Adar Zan'nh besteht auf einer Unterredung mit Ihnen, Herr! Sein Manipel aus Kriegsschiffen erwartet Ihre Befehle. Soll er das Feuer auf die Hydroger eröffnen?«

Jora'h nahm das Kommunikationsgerät von dem flink‐füßigen Mann entgegen. Ein Bild seines ältesten Sohns entstand, des Kommandeurs der Solaren Marine. Zan'nh wirkte hohlwangig, aber sein Gesicht brachte auch Pflichtbewusstsein und Entschlossenheit zum Ausdruck. Sein Haarknoten war nach hinten geschoben und geölt; ein Insignienband hielt ihn zusammen. »Mein Manipel ist bereit, Ildira zu verteidigen, Herr. Du brauchst nur den Befehl zu geben.«

Wir werden nicht kapitulieren und uns irgendwo verkriechen, um auf den Tod zu warten. Trotz der Überlegenheit der Kugelschiffe konnte die Solare Marine erheblichen Schaden anrichten. Das sollte auch den

Hydrogern klar

sein.

»Dann käme es zu einem Massaker, Adar. Nein, kein Angriff. Zieh die Kriegsschiffe auf eine sichere Entfernung zurück und halte dich dort in Bereitschaft. Ich rechne bald mit dem Eintreffen eines Gesandte n der

Hydroger. Immerhin sind die Kugelschiffe auf meine Bitte gekomm en.«

Die Worte klangen unmöglich, als er sie aussprach. Wenn Jora'h hier versagte, drohte dem ganzen Ildiranischen Reich der Untergang. Dann würden seine glühenden Knochen nie

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bei denen der Vorfahren ruhen, im Ossarium unter dem Prismapalast. Und seine Seele würde vermutlich blind die Reise zur Sphäre der Lichtquelle antreten.

Mit offensichtlichem Widerstreben bestätigte Zan'nh und unterbrach die Verbindung. Der Kurier nahm das Kommunikationsgerät entgeg , en

verneigte sich förmlich und lief besorgt zum Audienzsaal zurück.

Die kleine Osira'h saß neben Jora'h auf der Treppe und blickte zur gewölbten Decke hoch. Buntes Licht fiel durch die segmentierten Kristallflächen und schien sich zu bewegen, als wäre das Mädchen imstande, nicht nur Gedanken zu beeinflussen, sondern auch das Licht. »De d

r Gesan te

ist unterwegs.«

»Hast du ihn gerufen?«, fragte Jora'h. Er hatte noch keine Zeit gefunden, seine Tochter von ihren Erlebnissen berichten zu lassen. »Kannst du die Fremden beeinflussen?«

Osira'h schenkte ihm ein seltsames, geheimnisvolles Lächeln. »Die Hydroger glauben, dass sie aus freiem Willen handeln. Aber ich denke, da irren sie sich. Ich verstehe sie jetzt besser, und sie verstehen mich. Sie können meine Gedanken lesen, doch das fällt ihnen nicht leicht.«

Die kleine Osira'h wirkte erschöpft, aber in ihren großen Augen schuf das Licht sonderbare Reflexe. Das Gesicht war noch immer kindlich und unschuldig ‐ bis man genauer hinsah. Die Kommunikation mit den Hydrogern musste für dieses kleine Mädchen enorm anstrengend ge wesen

sein; vielleicht hatte es dabei seine Seele verloren.

Jora'h wünschte sich, ebenso stark zu sein. »Ich bin bereit für den Gesandten. Kannst du mir helfen?«

Osira'h blickte in die Ferne. »Der Hydroger wird mit dir sprechen, und du sprichst mit ihm. Ich werde seine Gedanken zu meinen eigenen nehmen, d er wird meine hören.« Ein se

un

ltsames Lächeln umspielte ihre Lippen.

»Ich werde ihm keine Wahl lassen. Als ich eine Brücke geworden bin, 16

sind Verbindungen entstanden. Ich habe mir einen Weg ins Bewusstsein der Hydroger gebahnt und mich ihnen geöffnet. Ich habe dafür gesorgt, dass sie hierherkamen. Ein Teil davon ist Zwang, ein anderer ... Verlockung. Aber ich kann sie nicht zwingen, zuzuhören oder einverstan

»Da

den zu sein.«

s ist

meine Aufgabe.«

Die vielen Weisen Imperatoren vor Jora'h hatten auf diesen Tag hingearbeitet, aber er fühlte sich trotzdem ungenügend vorbereitet. Er fürchtete das, was er den Hydrogern versprechen musste, damit sie die Ildiraner in Ruhe ließen.

Plötzlich zuckte es im Gesicht des Mädchens wie von jähem Schmerz, und dann glätteten sich Osira'hs Züge wieder. »Ich habe dem Gesandten eine akzeptable Route durch den Palast gezeigt. Andernfalls hätte er d el

ie Kupp

der Himmelssphäre durchstoßen. Hydroger mögen keine Hindernisse.«

Jora'h spürte die beunruhigende Präsenz, wie ein Schimmern in der Luft und im Licht. Er stand auf und trat neben Osira'h ‐ er wollte dem Emissär gegenüber nicht schwach erscheinen.

Eine kleine Ambientalzelle schwebte durch den großen Torbogen. Osira'h richtete den Blick darauf, gefangen zwischen zwei gegensätzlichen Kräften.

Im Innern der Zelle bildeten superdichte Gase wogende Schleier, die bestrebt zu sein schienen, den Hydroger zu verhüllen. Das fremde Wesen erweckte den Eindruck, aus flüssigem Metall zu bestehen, das sich zu einer humanoiden Gestalt formte. Es umgab sich mit der Nachbildung eines bestickten Overalls mit vielen Taschen und Reißverschlüssen. Das Gesicht war menschlich, das Haar lang, aber wie aus Quecksilber. Offenbar hatten die Hydroger dieses Erscheinungsbild von einem ihrer ersten Opfer k ert

opi

.

St

Die imme des Gesandten war ein pulsierendes Summen ‐ er schien die tmoleküle zu mani

Luf

pulieren, anstatt

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ein Lautsprechersystem zu benutzen. »Wir sind gekommen. Möchten Sie vernichtet werden?« Es klang nicht nach einer Drohung, sondern wie eine legitime Frage.

Der Weise Imperator stand mit hoch erhobenem Kopf da und sprach ruhig, obwohl er sich von einer jähen Flut erfasst fühlte und nach einer Rettungsleine suchte. »Ich habe Sie hierhergebeten, um über Frieden zwischen Hydrogern und Ildiranern zu sprechen.«

»Der Frieden mit den Ildiranern nützt uns nichts.« Es beunruhigte Jora'h zu sehen, dass sich Osira'hs Lippen synchron zu den Worten bewegten. Sie schien mit dem Gesandten verbunden zu sein. »Unser Krieg galt den Verdani. Jetzt kämpfen wir auch gegen die abtrünnigen Faeros. Und wir haben vor kurzer Zeit erfahren, dass die Wentals zurück sind. Die Ildiraner sind nur ein kleiner Störfaktor für uns.«

Die Hydroger machen sich ebenso schnell Feinde, wie Erstdesignierte Sexualpartnerinnen bekommen, dachte Jora'h. »Wir wissen, dass die Faeros den Hydrogern große Verluste zugefügt haben.«

»Die Verluste der Faeros waren noch größer. Und die Ildiraner werden alles verlieren, wenn sie uns in die Quere kommen.« Der Gesandte sprach in einem völlig gleichgültigen Ton.

»Ich erinnere Sie an unsere alte Übereinkunft, die Sie offenbar vergessen haben«, sagte Jora'h. Er dachte an die erbarmungslosen Angriffe der Hydroger auf ildiranische Kolonien ‐ Angriffe, die keinen Sinn ergaben.

»Nur wegen jener alten Vereinbarung sind wir zu dieser Begegnun ereit

g b

gewesen. Aber die Klikiss‐Roboter sprechen nicht mehr für Sie.«

»Osira'h spricht jetzt für uns. Wir möchten die Friedensbedingungen prechen.« Das

bes

auf der Treppe sitzende Mädchen sah auf, als erwartete es eine Lösung vom Weisen Imperator. Wenn es nur so einfach gewese n wäre!

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»Sie haben nichts, das für uns von Interesse wäre«, erklang die des

Stimme

Hydrogers.

Jora'h überlegte, wie er die Meinung des Gesandten ändern konnte. Er wusste nicht, auf welche Weise es damals den Klikiss‐Robotern gelungen war, die Hydroger von weiteren Angriffen auf die Ildiraner abzubringen.

Wie hatten sie die Fremden aus den Tiefen der Gasriesen überzeugt? Erneut verfluchte Jora'h seine Vorfahren, weil sie so viel geheim gehalten und die Aufzeichnungen in der Saga der Sieben Sonnen

nes

zensiert hatten. Ohne je

Wissen befand er sich jetzt in einer sehr schwierigen Situation.

Der Weise Imperator erinnerte sich an Adar Kori'nhs überraschenden Erfolg ‐ ihm war es gelungen, bei Qronha 3 zahlreiche Kugelschiffe der Hydroger zu zerstören. Vielleicht ließ sich der Tenor der Verhandlungen mit einer Erinnerung an Stärke verändern. Jora'h hob die Stimme und sprach voller Selbstbewusstsein. »Ihre Kugelschiffe haben großen Schaden auf ildiranischen Splitter‐Kolonien angerichtet, und unsere Solare Marine hat viele Ihrer Schiffe zerstört. Solche Entwicklungen nützen weder Ihnen etwas noch uns.«

»Auf Planeten lebende Spezies stören nur und verbreiten verderblichen Einfluss. Sie verstehen nichts. Ihre Streitereien und banalen Konflikte lenken uns von unseren wahren Feinden ab.«

Die Worte gaben Jora'h einen Ansatzpunkt. »Die Menschen setzen weiterhin ihre Klikiss‐Fackeln gegen Planeten der Hydroger ein. Wie viele Ihrer Welten sind bereits vernichtet, und wie viele von Ihnen starben dabei?« Er hob die Hand. »Ich kann dafür sorgen, dass die Menschen ihre Angriffe einstellen.«

»Wir werden dafür sorgen, dass sie aufhören. Indem wir sie auslöschen.«

r Gesa

De

ndte glitt zur gewölbten Wand der Ambientalzelle. »Vor langer Zeit haben wir den Klikiss‐Robo

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tern dabei geholfen, das Volk ihrer Schöpfer zu vernichten. Jene Auslöschung ist ein geeignetes Modell für alle zukünftigen Konflikte.« Ein kalter, metallener Blick durchdrang die Schlieren des superdichten Gases.

»Da wir nach Ildira gekommen sind ... Es wäre durchaus effizient, diese Gelegenheit für die Vernichtung des ildiranischen Volkes zu nutzen.«

4 JESS TAMBLYN

Jess verließ Jonah 12, wo Klikiss‐Roboter einen Stützpunkt der Roamer zerstört hatten. Sein wie Perlmutt glitzerndes Wasser‐Schiff beschleunigte, und das dunkle System blieb rasch hinter ihm zurück. Im Innern des lebenden Raumschiffs befanden sich ein kleines, beschädigtes Sc ff hi und

zwei verletzte Passagiere, einer von ihnen Cesca ‐ sie starb.

Jess schwamm im vitalen Wasser, blickte durch ein Bullauge der Aquarius und sah den arg mitgenommenen Nikko Chan Tyler. Der junge Pilot beugte sich über die Frau, die Jess liebte, konnte ihr aber kaum helfen. Sie lag auf dem Deck, blass und bewusstlos. Beim Absturz der Aquarius hatte sie schwere innere Verletzungen erlitten; es grenzte an ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebte.

Nikko kümmerte sich trotz der eigenen schmerzhaften Wunden um sie und schien in den letzten Stunden um ein Jahrzehnt gealtert zu sein. Der junge Mann hatte sich die Hand verstaucht, und hinzu kamen zahlreiche blaue Fle‐

cken, Abschürfungen und einige gebrochene Rippen ‐ alles Dinge, die sich mit dem Inhalt der Erste‐Hilfe‐Pakete behandeln ließen ‐, aber er war nicht ma

ein

l von Cescas Seite gewichen. Jess wünschte sich verzweifelt, sie selbst berühren zu können, wenn auch nur, um ihre Hand zu halten.

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Doch als er Teil der Wentals geworden war, hatte er viel von seiner Menschlichkeit aufgegeben. Es war die einzige Möglichkeit gewesen, am Leben zu bleiben. Auf keinen Fall wollte er Cesca verlieren! Inzwischen waren die Wentals schon seit einer ganzen Weile Teil seines Körpers ‐ sie hatten ihn grundlegend verändert, obwohl er die mächtigen Fremden immer noch nicht verstand. Jess hatte die Wentals gebeten, eine nahe Roamer‐Basis zu suchen, oder eine Hanse‐Kolonie mit einem medizinischen Zentrum. Aber alle derartigen Einrichtungen waren zu weit entfernt.

Warum halfen die Wentals Cesca nicht? Jess wusste, dass sie dazu imstande waren.

Vor Jahren hatten sie ihn gerettet, mit einer Veränderung seiner Körperchemie. Jess war von ihnen in einen seltsamen Dynamo verwandelt worden, dessen Berührung jeden anderen Menschen töten konnte. Mit seinen neuen Kräften war er imstande, Großes zu leisten und sogar zu ei r ne

wirkungsvollen Waffe im Krieg gegen die Hydroger zu werden.

Doch einige der einfachsten Dinge blieben ihm verwehrt. Was nützten ihm seine neuen Fähigkeiten, wenn er auf das verzichten musste, was er sich am meisten wünschte? Wie sehr er sich danach sehnte, Cesca in den Armen zu halten und ihre Schmerzen zu lindern! Er konnte nicht einmal die kalte, feuchte Stirn der Sterbenden berühren. Aber er wollte ihr wenigstens so nahe wie möglich sein.

Er schwamm durchs warme Wasser, passierte die Luftschleuse der Aquarius und stand tropfnass auf dem Deck. Hauchdünne weiße Kleidung haftete an ihm, und sein Haar bewegte sich wie Tang in der Strömung. Nikko sah voller Hoffnung zu ihm auf und schien zu glauben, dass Jess ein Wunder vollbringen konnte. Doch ein solches Wunder gehörte nic z ht u seinen

Möglichkeiten.

»Ich habe in der medizinischen Datenbank nachgesehen, 19

Jess, aber ich bin einfach nicht in der Lage, ihr zu helfen.« Nikko hob den frisch bandagierten Arm. »Beim Leitstern, ich kann gerade so mit einem verstauchten Handgelenk fertig werden. Cesca hat zahlreiche innere Verletzungen erlitten. Bestimmt gibt es innere Blutungen, und ich nehme an, ein Lungenflügel ist perforiert. Es sieht ziemlich übel aus.«

Mit der unverletzten Hand verabreichte er Cesca ein Stimulans, um die schlimmsten Auswirkungen des Schocks zu neutralisieren. Cesca kam dem Wachsein etwas näher und begann zu husten. Blut schäumte zwischen ihren Lippen. Das Wasser‐Schiff raste mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch den interstellaren Raum, aber Jess wusste: Es konnte nicht rechtzeitig einen Planeten erreichen, auf dem es medizinische Hilfe gab. Cesca wü e sterben, rd

wenn die Wentals ihr nicht halfen.

»Sie muss überleben, Nikko.« Jess ballte die Fäuste und fühlte sich hoffnungslos isoliert. Er konnte Cesca nicht einmal berühren! »Sie ... ist die Sprecherin der Roamer.« Es klang nach einem vernünftigen Grund, aber noch viel wichtiger war der Umstand, dass Jess sie e li bte.

Die Stimme der Wentals erklang hinter Jess' Stirn. Die Frau wird

bald

sterben.

Jess fühlte Ärger, weil sich die fremden Wesen darauf beschränkten, Offensichtliches festzustellen. »Rettet sie.«

Gewisse Dinge können nicht geändert werden.

Jess suchte nach dem Ursprung der Stimme, als wäre ein ganz bestimmter Wental die Quelle des Pessimismus. »Und manche Dinge können geändert werden.« Elementare Kraft ließ seine Stimme so laut von den Wänden der Aquarius widerhallen, dass sich Nikko duckte. »Ich gebe ihr Wental‐Wasser zu trinken, so wie ich es selbst trank! Dann seid ihr in ihrem Körper und n

kön t ihr helfen.«

Allein der Kontakt mit WentalWasser wird sie nicht auf 20

die Weise verändern, wie wir dich veränderten. Es muss ein bewusster Vorgang unsererseits sein.

»Dann fangt damit an. Ihr ahnt nicht, wie viel mir die Frau bedeutet.«

Wir wissen, wie viel sie dir bedeutet. Wir verstehen.

»Warum weigert ihr euch dann, mir zu helfen? Ihr habt mich gerettet, warum nicht auch sie?« Jess verdankte den Wentals alles, aber jetzt hasste er sie fast.

Es war notwendig, dich zu retten. Ohne dich wären wir ausgestorben. Doch diese Frau spielt für unsere Entwicklung keine Rolle.

»Sind die Wentals so egoistisch? Geht es ihnen nur darum; was für sie wichtig ist? Cesca ist für mich wichtig, und wenn ihr Hilfe verweigert...

Woher soll ich dann wissen, dass ihr es so gut meint, wie ihr behauptet?

Vielleicht seid ihr so böse wie die Hydroger, nur verschlagener.« Nie zuvor hatte sich Jess gestattet, über diese Möglichkeit nachzudenken.

Du weißt, dass das nicht stimmt, Jess Tamblyn.

Verzweiflung trieb ihn an. »Ich weiß, dass Cesca sterben wird ‐ und dass sich meine Verbündeten weigern, ihr zu helfen.«

Hilflos und voller Kummer umgab Nikko die reglose Cesca mit Kissen und rückte ihre Decke zurecht. »Warum unterscheidet sich dies von der Art und Weise, wie sich grüne Priester mit dem Weltwald verbinden? Die Bäume machen, was sie wollen; sie haben damit keine Probleme. Sind die Wentals nicht ähnlich?«

Unsere Verbindungen sind nicht mit denen zwischen Verdani und grünen Priestern zu vergleichen. Die Weltbäume sind passiv, ihre Vereinigungen symbiotischer Natur. Die Wentals sind flüssig, unkontrollierbar und pfindlich.

em

Eigennütziges Handeln bringt Verderblichkeit. Als wir dich verert änd

haben, veränderten wir auch uns selbst. Manchmal 20

kommt es dabei zu verzerrten Reaktionen. Du ahnst nicht die zerstörerische Kraft eines verdorbenen Wentals. Die Gefahr ist groß.

»Welche Gefahr?«, fragte Jess. Er dachte nur an Cesca. Sieh nur deine gene ei

Veränderung. Du weißt, wie viel du verloren hast.

»Das alles spielt keine Rolle, wenn ich Cesca verliere.« Eine plötzliche Erkenntnis funkelte in Jess. »Aber wenn ihr sie auf die gleiche Weise rettet wie mich ... Dann ist sie wie ich. Dann bin ich nicht mehr allein. Macht sie zu meiner Artgenossin.«

Eine Zeit lang herrschte Stille, und dann antworteten die Wentals: Wir können sie nicht einfach so verwandeln. Es muss ihre Wahl sein, und unsere, bevor sie sich verändert.

Vor Jess' innerem Auge entstand das Bild eines sturmgepeitschten, leblosen Ozeans ‐ die erste Welt, zu der er die Wentals gebracht hatte. Das ist unsere nächste Welt. Flieg zu unserem primären Meer. Dort entscheiden wir über das Schicksal der Frau.

5 RLINDA KETT

Die wiederbelebte Frau mit der schneeweißen Haut stand in der Wasserminen‐Höhle unter dem Eis von Plumas. Ein seltsames Feuer brannte in ihren nicht mehr menschlichen Augen. Karla Tamblyns Haar knisterte und bewegte sich wie im Wind.

»So was sieht man nicht jeden Tag«, sagte Rlinda Kett mit automatischem, wenn auch gezwungenem Humor. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder reien sollte ‐ sie

sch

wollte nur weglaufen. Die Roamer‐Arbeiter wirkten wie erstarrt.

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Die wieder belebte Frau hatte Andrew Tamblyn getötet. Karla machte einen weiteren, gleitenden Schritt, und unter ihren Füßen schmolz das Eis von Plumas. Ihr Körper schien aufgeladen zu sein. Rlinda verglich ihn mit einem unter hohem Druck stehenden Behälter, der kein Ventil hatte und zu explodieren drohte.

BeBob starrte die Frau mit kindlicher Verblüffung an, und Rlinda zog ihn zur Seite. »Ich schlage vor, wir geben ihr all den Platz, den sie haben möchte.«

Er stöhnte. »Es war keine besonders gute Idee, hierherzukommen.«

»Erscheint dir ein Kriegsgerichtsverfahren mit Todesurteil auf der Erde besser?«

»Dies entspricht nicht unbedingt meiner Vorstellung von einer geeigneten Alternative. Seit unserer Flucht ist alles schiefgegangen. Die Blinder Glaube wurde vernichtet, Davlin kam ums Leben, und wir sind von diesen irren Roamern gefangen genommen worden. Man sollte meinen, dass es in‐

zwischen reicht.« BeBob presste beide Hände an die Stirn. »Und jetzt schickt sich dieses Ungeheuer an, uns alle umzubringen.«

»Normalerweise würde ich für so viel Pessimismus deinen hübschen Hintern versohlen, aber diesmal hast du recht.«

Karla ging mit vorsichtigen Schritten und achtete nicht auf den Toten hinter ihr. Andrew war zu ihr gelaufen, um sie zur Vernunft zu bringen, aber eine Berührung von ihr hatte ihn getötet.

»Was hast du getan, Karla?«, stöhnte Wynn und sah auf seinen toten Bruder hinab.

»Pass auf, komm ihr nicht zu nahe!«, warnte ihn sein Zwillingsbruder Tor in.

Die Frau stapfte weiter und näherte sich dem Rand der Eisfläche; jenseits davon erstreckte sich das stahlgraue

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Meer. Caleb und Wynn nutzten die Gelegenheit, liefen zu Andrew und trugen die Leiche fort. Torin, der leichter zu beeindruckende der beiden Zwillingsbrüder, rief in einem beschwörenden Ton: »Karla, warum machst du das? Erkennst du uns nicht?«

Karla Tamblyn richtete den Blick ihrer glühenden Augen auf die Wohn‐ und Verwaltungskuppeln unter der dicken Decke aus Eis. Ohne zu verstehen, beobachtete sie die Anlagen der Wassermine, die hydrostatischen Pumpen, die Wasser an die Oberfläche brachten, um die Tanks von Raumschiffen zu füllen. Sie blieb in Bewegung, ohne zu antworten, wie angelockt vom kalten Meer. Als sie ins dunkle Wasser sah, erschien so etwas wie Sehnsuch t in

ihrem Gesicht.

BeBob wandte sich an Rlinda. »Glaubst du, die Roamer lasse uns n

jetzt

gehen?«

»Ich glaube kaum, dass das derzeit ihre höchste Priorität ist.«

Jess Tamblyn, ein weiteres Mitglied des Roamer‐Clans ‐Rlinda wusste nicht, wie groß diese Familie war ‐, hatte seine Mutter mithilfe exotischer Kräfte aus dem Eis geholt. Anschließend hatte er Plumas wegen irgendeines Notfalls verlassen, und Karla war allein aufgetaut und wieder lebendig geworden, wie von einem Dämon besessen.

Am Rand des Eises blieb sie stehen und hob die Hände ‐unsichtbare Energie ging von ihnen aus, wie die Kraft der Gravitation. Das Wasser vor ihr bewegte sich, wie von imaginären Händen gekneteter Ton. Von Kraft ld fe ern

erfasst wogte es hin und her.

Hinter Karlas Füßen knackte das Eis und brach ‐ es schien sie nicht zu kümmern. Als sich ein großes Stück vom Rest löste, stand Karla reglos darauf. Ohne einen Ton versank sie im tiefen Ozean. Die ganze Zeit über b sie völlig still und unbewe

blie

gt. Das Wasser schäumte, und Dampf stieg

auf, doch dann kehrte die Ruhe zurück.

22

Rlinda sah sich nach jemandem um, der erklären konnte, was gerade geschehen war. »Passiert hier so etwas oft?«

6 KOTTO OKIAH

Nachdem die Hydroger bei Theroc zum zweiten Mal besiegt worden waren, verließ ein sehr zufriedener Kotto Okiah den Waldplaneten.

Er war von seinem Stützpunkt auf Jonah 12 aufgebrochen, um den Theronen beim Wiederaufbau zu helfen. Anschließend war er zu den Kellum‐Werften bei Osquivel geflogen, hatte dort ein kleines, intaktes Kugelschiff der Hydroger untersucht und dabei eine neue Verteidigungsmöglichkeit entdeckt. Mit seinen »Türklingeln« hatte er sich dann erneut auf den Weg nach Theroc gemacht.

In der Zwischenzeit hatten die Tiwis Rendezvous zerstört, und Kottos Mutter war zusammen mit den Clans verschwunden. Jhy Okiah konnte gut auf sich selbst aufpassen, aber er hätte trotzdem gern gewusst, wo sie sich befand. Bestimmt war sie irgendwo in Sicherheit, zusammen mit Sprecherin Cesca Peroni. Kotto mochte es, wie Sprecherin Peroni ihn anlächelte, wenn er bei der Lösung eines Problems »Roamer‐Einfallsreichtum« zeigte. Auf seine jüngste Erfindung würde sie besonders stolz sein.

Seine Schiffe waren wie die rettende Kavallerie bei Theroc eingetroffen und hatten hunderte von Haftmatten ausgeschleust: Sie vibrierten mit einer Resonanzfrequenz, die die Luken der Kugelschiffe öffnete, wodurch die superdichte Atmosphäre ins Vakuum des Alls entwich. Ein feindliches Schiff h

nac dem anderen war wie ein Kreisel davongeschwirrt. Ganz allein hatte tto den Weltwald gere

Ko

ttet.

23

Nun, vielleicht nicht ganz allein.

»Wir haben die Droger in die Flucht geschlagen, selbst ohne den Wental‐

Kometen, der im letzten Augenblick erschienen ist«, sagte Kotto zu seinen beiden analytischen Kompis KR und GU. Er führte einen ständigen inneren Monolog, und manchmal sprach er Teile davon laut aus. Die immer int s‐

ere

sierten Kompis antworteten so gut sie konnten.

»Wenn der Wental‐Komet nicht gekommen wäre, hätte uns vielleicht die Vernichtung gedroht, Kotto Okiah«, gab KR zu bedenken.

»Wir hatten bereits alle unsere Türklingeln eingesetzt«, fügte GU hinzu. Die Beulen und Schrammen an seinem Polymerkörper erinnerten daran, dass er unabsichtlich die Luke der Hydroger‐Kugel geöffnet hatte. »Wir konnten uns nicht mehr verteidigen.«

Kotto nickte geistesabwesend, als ihr kleines Schiff den Flug fortsetzte. »Ich beklage mich nicht darüber, dass rechtzeitig Verstärkung eintraf. Wie dem auch sei: Wir haben bewiesen, dass es funktioniert, nicht wahr? Unser einziger Fehler bestand darin, nicht genug Türklingeln mitgebracht zu haben. Wir brauchen jede Menge von ihnen.«

Bevor sie nach Theroc aufgebrochen waren, hatte Kotto die Blaupausen kopiert und dann eine bunt gemischte Gruppe aus Roamern mit dem Auftrag losgeschickt, irgendwelche Clan‐Fabrikationszentren zu finden und mehr Türklingeln zu produzieren. Wenn Kotto die Osquivel‐Werften erreichte, wollte er Del Kellum dazu bringen, sie zu tausenden herzustellen.

Von jetzt an brauchte niemand mehr hilflos den Hydrogern ausgeliefert zu sein.

Kotto war kein Politiker wie seine Mutter (er hatte sie nie um ihre Rolle als Sprecherin beneidet), aber er wollte auch die Kolonien der Hanse mit rklingeln v

ersorgen. »Wenn wir der Großen Gans gegen die Droger f

hel en, ist sie vielleicht nicht mehr so sauer auf die Clans«, überlegte er laut.

23

»Was hat eine Geschmacksrichtung damit zu tun, Kotto Okiah?«, fragte GU.

Die Kompis lernten gern, und deshalb erklärte Kotto, was er mit »sauer«

meinte.

»Sie glauben, dass die Terranische Hanse aus Dankbarkeit die Angriffe auf Niederlassungen der Roamer einstellt, wenn wir ihr helfen?«, fragte KR.

»Scheint mir vernünftig zu sein. Es sollte keine Feindschaft zwischen uns geben. Aber für solche Dinge bin ich nicht zuständig. Ich überlasse sie den Profis.« »Ein weiteres Rätsel«, sagte GU.

»Ja, was in der Art.« Kotto flog nach Osquivel und wollte so schnell wie möglich die Untersuchung des kleinen Hydroger‐Schiffes fortsetzen. Ihm waren bereits zwanzig neue Tests für die fremden Systeme eingefallen, und sein besonderes Interesse galt dem Transportal, das er in der Kugel ent‐

deckt hatte. Er überließ das Schiff der Obhut der om

beiden K

pis, machte

sich Notizen und bereitete mit Skizzen die neuen Analysen vor...

Doch als Kotto den Ringplaneten erreichte, blieben seine Kommunikationssignale ohne Reaktion. Alles schien verlassen zu sein.

»Hallo? Wo seid ihr? Ich bringe gute Nachrichten.« Kotto ho fte f , mit diesem

Hinweis eventuellen Zuhörern eine Antwort entlocken zu können. »Hallo?«

Die Werften, die Schmelzanlagen, Erzverarbeitungszentren, Rohstoffasteroiden, Wohnkomplexe, Raumdocks und Konstruktionsgerüste

... Ein großer Teil davon war verschwunden.

KR und GU sendeten weiterhin auf den Frequenzen, die normalerweise von Roamern benutzt wurden. »Vielleicht haben die Hydroger alle getöt t e «,

spekulierte GU.

»Sei kein Pessimist«, erwiderte Kotto und spürte, wie sich bei dieser rs

Vo tellung etwas in ihm zusammenkrampfte.

Als sie vorsichtig durch die Ringe des Gasriesen flogen, 24

fand er keine Spur des kleinen Kugelschiffes, das er in sicherer Entfernung von den Anlagen der Roamer zurückgelassen hatte. »Das k Sc

leine hiff ist

nicht mehr da! Jemand hat es fortgebracht!«

Verwirrt, verärgert und auch besorgt flog Kotto zum zentralen Werftkomplex. Er fand viele Trümmer und nur wenige intakte Strukturen ‐

und kein Anzeichen von Leben. Alles war in eine gespenstische Aura der Leere gehüllt, als hätte jemand die Werften geplündert und sie da eder

nn wi

verlassen.

»Ich stelle Hinweise auf einen Kampf oder einen Unfall fest«, sagte KR.

»Aber der Schaden scheint nicht groß genug zu sein, um alle Anlagen unbewohnbar zu machen.«

»Alles deutet darauf hin, dass die Roamer die Werften absichtli h verl c

assen

haben«, fügte GU hinzu. »Vielleicht hat eine Evakuierung stattgefunden.«

Kotto blickte auf die Anzeigen, als er zwei weitere Male um den Ringplaneten flog. »Es ist niemand da, absolut niemand. Man könnte meinen, Del und seine Leute hätten einfach ihre Sachen gepackt und sich aus dem Staub gemacht.«

Was konnte jemanden wie Del Kellum veranlassen, die Werften einfach so aufzugeben? Steckte die TVF dahinter? Hatte die Große Gans hier ebenso zugeschlagen wie bei Rendezvous? Kotto schnitt eine Grimasse, als er an diese Möglichkeit dachte. Und jemand hatte die kleine Hydroger‐Kugel mitgenommen! Wie sollte er jetzt D

ri

el Kellum, Spreche n Peroni, seine

tter un

Mu

d all die anderen Roamer finden?

nd ich

»U

dachte, es gäbe endlich keine Rätsel mehr.«

25

7 DENN PERONI

Über Jahrhunderte hinweg hatten die Roamer nur mit knapper Not überlebt, und deshalb erwarteten sie nie, dass sich die Dinge genau wie geplant entwickelten. Das Unvorhergesehene geschah mit erschreckender Regelmäßigkeit.

Denn Peroni hatte die Wasserminen von Plumas verlassen und noch immer einen dicken Kopf ‐ er war so sehr betrunken gewesen, dass er sich zusammen mit den Tamblyn‐Brüdern darauf eingelassen hatte, ein Handelsschiff der Hanse zu kapern, mit Pilot und Kopilot an Bord. Voller Verlegenheit über das Ausmaß ihrer kollektiven Dummheit war er fortgeflogen und hatte die Gefangenen zurückgelassen. Früher oder später würden Caleb und seine Brüder merken, dass sie gar nicht wussten, was sie mit Rlinda Kett und Bran‐son Roberts anfangen sollten. Denn war froh, allein an Bord seines Schiffes zu sein, ohne das ständige Gerede und die Schlampigkeit von Caleb Tamblyn.

Er flog mit der Sture Beharrlichkeit von einer Clan‐Siedlung zur nächsten und änderte seine Route, als er Nachrichten empfing ‐ die meisten von ihnen waren alt. Durcheinander und Verwirrung herrschten bei den zornigen Roamern, und bei den Außenposten, die Denn besuchte, bekam er kaum mehr zu hören als Gerüchte, haarsträubende Geschichten und e

jed

Menge Unwissenheit.

Er erfuhr, dass sich seine Tochter Cesca auf einem kleinen Planetoiden namens Jonah 12 befand, auf der anderen Seite des Spiralarms. Als Sprecherin schickte sie Mitteilungen an die Clans und forderte sie auf, nach der Zerstörung von Rendezvous durchzuhalten und Vorbereitungen für den Wiederaufbau zu treffen. Denn machte sich Sorgen um seine Tochter, aber er war sicher, dass Cesca mit den Problemen fertig werden konnte, denen sich die Roamer jetzt gegenübersahen.

25

Er hörte auch Positives. Nikko Chan Tyler hatte gemeldet, dass Golgen frei von Hydrogern war ‐ dort konnte wieder Ekti gewonnen werden! Denn beschloss, diese Nachricht weiterzugeben, bis Cesca eine offizielle Verlautbarung herausgab.

Forreys Torheit war der größte Metallasteroid in einem Gürtel aus kosmischem Schutt, der einen kühlen orangefarbenen Stern vom K2‐Typ umgab. Als sich die Sonne verdichtet hatte, war Masse der primordialen Wolke zum größten Teil in ihr aufgegangen, und für die Entstehung von Planeten war nicht genug übrig geblieben. Doch mit seinen reichen Metallvorkommen ähnelte Forreys Torheit einer reifen Frucht, die darauf wartete, gepflückt zu werden. Zahlreiche Minenschächte durchzogen den Asteroiden.

Kleinere Satelliten aus Stein umkreisten den länglichen Asteroiden, winzige Monde, die Forreys Torheit bei seinen Wanderungen durch den Schuttgürtel eingefangen hatte. Sie umschwirrten ihn wie Motten eine Lampe. Ihre Flugbahnen konnten natürlich berechnet werden, veränderten sich aber immer wieder durch Kollisionen.

Vor hundert Jahren war Karlton Forrey der erste Roamer gewesen, der Geld in eine Schürfanlage investiert und mit dem Abbau der Metalle begonnen hatte. Aber bei der Berechnung der Umlaufbahnen der vielen kleinen Monde war ihm ein Fehler unterlaufen: Es kam zu Kollisionen, und die Steinbrocken schössen wie von einer kosmischen Flinte abgefeuerte Schrotkugeln davon. Einige von ihnen trafen Karltons Wohnschiffe. Die meisten Mitglieder seiner Familie starben, und die gesamte Ausrüstung war ruiniert

e f

. Ein alsche Stelle hinter dem Komma, mit schrecklichen Konse‐

qu

k

enzen. So am der Asteroid zu seinem Namen: Forre

orheit

ys T

.

Als sich die Sture Beharrlichkeit näherte, überprüfte Denn 26

immer wieder seine Berechnungen und bat per Funk um die Übermittlung einer Liste der sicheren Flugbahnen. Kurz darauf geriet er in visuelle Reichweite und bemerkte eine große Gruppe von Roamer‐Schiffen weit außerhalb der Mondumlaufbahnen. Er sah Evakuierungstransporter, zu interstellaren Schiffen umgebaute mobile Schürfanlagen, sogar Komponenten von Raumdocks. Der Anblick verwirrte Denn ‐ es sah nach einer groß angelegten Sache aus, nach der Verlegung eines ganzen Stützpunkts. Aber Forreys Torheit diente doch nur zur Gewinnung o v n

Ressourcen.

Dann nahm er die Clan‐Markierungen an den Schiffen zur Kenntnis. Kellu .

m

»Hier spricht Denn Peroni. Ich befinde mich im Anflug und komme mit Handelswaren und Nachrichten. Ich habe Oscar seit Jahren nicht gesehen.

Wer sind die Besucher? Ist Del Kellum da?«

Der Kommunikationstechniker der Station antwortete ihm. »Ja, nach der Evakuierung von Osquivel hat er alle Flüchtlinge hierhergebracht.«

»Nach der Evakuierung von Osquivel?« Denn konnte es gar nicht abwarten, die Details zu erfahren. »Ich bin in einigen Minuten bei euch, mit einer ganzen Schiffsladung frischer la

chaftlich

ndwirts

er Produkte von Yreka, falls

es jemanden interessiert.«

»Das ist die beste Nachricht des Tages, Sture Beharrlichkeit.«

»Ach, haben Sie gestern was Besseres gehört? Dann sollte ich vielleicht etwas von meinem Getreide für einen anderen Kunden zurückhalten.«

Angesichts von Kellums Flüchtlingen hatte Forreys Torheit viele zusätzliche uler zu s

topfen, und deshalb trennte sich Denn fast von seiner ganzen Handelsware. Die an Entbehrungen gewöhnten Minenarbeiter aus dem Clan 27

Kowalski beschlossen zusammen mit den hunderten von Roamern, die Osquivel verlassen hatten, sich ein Festmahl zu gönnen. Roamer hielten es für richtig, jeden Tag zu genießen, denn es kam zu häufig zu Katastrophen, als dass man davon ausgehen durfte, dass es immer ein Morgen gab.

Kellum freute sich darüber, Denn wiederzusehen. Der kräftig gebaute Mann saß am Tisch, sprach zu laut und verhielt sich so, als leitete er Forreys Torheit, anstatt nur ein Gast zu sein. Denn vermutete, dass er irgendeine Form von Kooperation mit den Kowalskis plante, um Menschen und Material zusammenzuführen.

Del Kellum hatte die Geschichte offenbar viele Male erzählt. »Als die verdammten Tiwis verschwanden, wussten wir: Uns blieben nur einige wenige Tage, bis sie es sich anders überlegen und zurückkehren würden.«

Er beugte sich vor und klopfte auf den Arm seiner Tochter. »Zhett h t Lehr‐

a

geld gezahlt und weiß jetzt, dass man den Tiwis nicht trauen kann.«

Die junge Frau schüttelte ihr dunkles Haar zurück. »Erzähl ihm, was passiert ist, Vater.«

»Wir hatten bei den Werften nur Kurzstrecken‐Schiffe, für interplanetare Flüge bestimmt, ohne einen ildiranischen Sternenantrieb. Wir wussten, dass wir es nicht zu einer anderen Clan‐Siedlung schaffen konnten. Aber verdammt, wir wollten nicht unsere gesamte Ausrüstung zurücklassen. Die Tiwis hätten den Kram demontiert und für ihre eigenen Zwecke verwendet.«

Kellum nahm einen gelben Maiskolben und unterbrach sich kurz, u dar m

an

zu knabbern. Einige Körner blieben in seinem melierten Bart stecken.

»Deshalb beschlossen wir, die Zelte abzubrechen, so viel wie möglich ammenzu

zus

packen und den Kram zu unseren Kometen‐Anlagen hoch im Kuiper‐Gürtel zu bringen. Die

27

Tiwis sind nicht gewitzt genug, dort Ausschau zu halten. Dort oben gibt's reichlich Platz.«

Die anderen am Tisch brummten zustimmend.

»Bei den Kometen‐Anlagen hatten wir viele Langstreckenschiffe und sechs Sternenantriebe für den Einbau in die neuen Konstruktionen. Wir haben einige der großen Schiffe modifiziert und Osquivel aufgegeben. Jetzt sind wir hier in Sicherheit, was wir dem Kowalski‐Clan verdanken.« Kellum sah zu einem bohnenstangendünnen Mann mit eisblauen Augen, buschigen Augenbrauen und einer Krone aus weißem Haar, die einen Ring um den ansonsten kahlen Kopf bildete. »Unsere Freunde von Forreys Torheit bieten uns ihren Schutz an, doch w r möc

i

hten ihre Gastfreundschaft auf keine zu

harte Probe stellen. Ich hoffe, wir fallen euch nicht zur Last, Oscar.«

»Das ist nicht der Fall... noch nicht«, erwiderte Oscar Kowalski. »Aber kein Roamer‐Stützpunkt hat genug Vorräte, um so viele Flüchtlinge länger als nur für kurze Zeit zu versorgen.«

»Falls wir nicht vereinbaren, hier neue Werften einzurichten, brechen wir in einer Woche wieder auf«, sagte Kellum. »Wir sind Roamer und immer unterwegs. Nun, wo ist die Sprecherin? Wir brauchen ihren Rat.«

»Als ich zum letzten Mal von meiner Tochter hörte, war sie auf Jonah 12 und versuchte, die Clans wieder zusammenzubringen«, sagte Denn Peroni. »Ich glaube, Jhy Okiah war ebenfalls dort. Sie bringen die Dinge bestimmt i Ord‐

n

nung.«

»Beim Leitstern, das hoffe ich!« Oscar räusperte sich. »Wir haben jede Menge zu tun!«

Denn beobachtete, wie die Roamer von Forreys Torheit erneut zulangten und die frischen Lebensmittel ganz offensichtlich genossen. »Da Sie den ß

grö ten Teil meiner Fracht von der Sture Beharrlichkeit verdauen... Haben Sie Handels

28

wäre für mich? Ich könnte neue Fracht für mein nächstes Ziel gebrauchen.«

Oscar Kowalski schien im Kopf zu rechnen. »Lassen Sie uns wissen, w e

elch

Metalle Sie brauchen. Wir füllen Ihre Frachträume.«

Kellum betrachtete lächelnd den abgenagten Maiskolben auf dem Teller.

»Verdammt, wir haben sogar eine Ladung Ekti aus den Kometen‐Anlagen.

Was halten Sie davon, damit zu den Ildiranern zu fliegen, Denn? Sie haben doch Handelsbeziehungen mit ihnen geknüpft, nicht wahr?«

»Caleb Tamblyn und ich haben mit dem Weisen Imperator höchstpersönlich verhandelt. Wenn Sie mir die Ladung geben, mache ich mich auf den Weg nach Ildira. Das ist besser, als den Treibstoff der Großen Gans zu verkaufen.« Die abfällige Bezeichnung der Roamer für die Hanse war nicht stark genug, um all die Verachtung zum Ausdruck zu bringen, die für

Denn

sie empfand.

»Erzielen Sie einen guten Preis dafür. Mein Clan braucht Geld für neue Unternehmungen. Ich weiß noch nicht, was wir machen werden, aber eins steht fest: Ich habe keine Lust, noch einmal ganz von vorn mit den Werften zu beginnen. Das war verdammt viel Arbeit.«

Denn lächelte, als ihm etwas einfiel. »Es gibt da eine Möglichkeit, von der ich unterwegs gehört habe. Wie wär's mit einer Himmelsmine?« Er erzählte davon, dass in Golgens Atmosphäre wieder Ekti produziert werden konnte.

Kellum schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Verdammt, das ist eine wundervolle Idee! Unsere große Ausrüstung liegt noch immer in der Kometenwolke bei Osquivel auf Eis ‐ zwei Himmelsminen, die wir seit dem Ultimatum der Droger nicht mehr benutzt haben. Aber ich wusste, dass wir irgendwann zu unserem alten Geschäft zurückkehren würden. Die Produktion von Ekti... Hast du gehört, Zhett? Clan Kellum produziert wieder Treibstoff für den Sternen

29

antrieb!« Er sah seine Tochter an und strahlte. »Wir fliegen nach Golgen, Schatz. Morgen machen wir uns auf den Weg.« Er klopfte sich auf den Bauch. »Nachdem wir dies verdaut haben.«

8 OSIRA'H

Jahrhunderte der Planung hatten zu diesem Treffen des Weisen Imperators mit einem Gesandten der Hydroger geführt. Es erstaunte Osira'h, das Oberhaupt des Ildiranischen Reiches so hilflos und verzweifelt zu sehen. Die Kommunikation, das »Verhandeln«, war vollkommen ei Hatt

nseitig.

e sie

etwas übersehen? Jora'h musste doch einen Plan haben, oder?

Am Himmel über dem Prismapalast, sichtbar durch die bunten Kristallflächen der Kuppel, schwebte die Armada aus Kugelschiffen, die Osira'h aus den Tiefen von Qronha nach Ildira gebracht hatte. Sie hatte den Hydrogern ihr Selbst geöffnet und sie anschließend dahingehend beein‐

flusst, dass es zu dieser Begegnung kam. Noch immer strömten invasive Gedanken der Fremden durch die mentale Verbindung in ihr Bewusstsein und hinterließen hier und dort Schatten von Erkenntnis. Die Hydroger griffen in Osira'hs Gehirn und nahmen sich die Informationen, die sie brauchten, aber sie schienen nicht daran interessiert zu sein, zu verstehen.

Osira'h war in den Gedankenwelten der Hydroger gewesen und wusste, dass sie nicht so auf den Verhandlungsversuch reagieren würden, wie es ihr Vater erwartete. Durch sie hatten die fremden Wesen gesehen, was der Weise Imperator durch dieses Treffen zu erreichen hoffte, und sie waren 29

unbeeindruckt. Osira'h spürte, dass der Gesandte seine Drohungen ernst meinte. Beim Kampf gegen die Faeros mochten die Hydroger große Verluste erleiden, aber sie waren trotzdem bereit, das gesamte ildiranische Volk zu eliminieren, um einen Störfaktor zu beseitigen.

Sie hörte aufmerksam und stumm zu, beobachtete dabei ihren Vater. Osira'h kannte ihn erst seit kurzer Zeit und wusste nicht, was für ein Mann Jora'h war. Sie hatte viele verschiedene Bilder von ihm: Vater, Weiser Imperator, der Geliebte ihrer Mutter, Bruder des betrügerischen Dobro‐Designierten Udru'h.

Von ihrer Mutter hatte Osira'h detaillierte Erinnerungen an Jora'h: herzerwärmende Szenen, voller Liebe und Zärtlichkeit. Doch sie erinnerte sich daran, selbst den Dobro‐Designierten geliebt zu haben, und er hatte sie getäuscht und hintergangen. War auch Nira von Jora'h getäuscht worden?

In der derzeitigen Situation wollte Osira'h ihn nicht als Vater oder Geliebten sehen, sondern als Weisen Imperator, als Oberhaupt von Milliarden Ildiranern. Sie wollte, dass er seine Macht zeigte, die Stärke des Ildiranischen Reichs.

Aber die Hydroger waren viel mächtiger.

Erneut erklang die laute, anklagende Stimme des Gesandten. »Die Ildiraner standen einst in enger Beziehung mit den Faeros, unseren Todfeinden. Beim gegenwärtigen Kampf haben wir bereits eine Ihrer Sonnen ausgelöscht. Das ist nur der Anfang.«

»Wir sind nicht mit den Faeros verbündet«, betonte Jora'h. »Die Faeros greifen Sie an, und die Menschen verwenden Klikiss‐Fackeln, um Ihre Planeten zu verbrennen, aber die Ildiraner nehmen an diesem Krieg nicht teil. Wir haben kein Interesse a

roger‐Planeten. Es gibt ke

n Hyd

ine

Kontroverse zwischen unseren Völkern. Wir sind neut l.«

ra

e verst

»Si

ehen unseren Krieg nicht.«

»Nein, ich verstehe ihn tatsächlich nicht! Aber ich weiß, 30

dass wir in ihn hineingezogen worden sind, obwohl wir das nicht wollten.«

Der Gesandte zögerte und schien nach einem Namen zu suchen. »Ihr ... Adar Kori'nh zerstörte viele unserer Kugelschiffe.«

Osira'h setzte sich abrupt auf. Die Hydroger hatten diesen Namen ihren Erinnerungen entnommen, was zeigte, dass sie die Ildiraner besser verstanden, als sie zugaben.

Es überraschte auch den Weisen Imperator, wie viele Informationen die fremden Wesen von seiner Tochter bekamen. »Adar Kori'nh hat Ildiraner gegen grundlose Angriffe der Hydroger verteidigt.« Jora'h trat einen Schritt näher an die Ambientalzelle heran, und seine Stimme wurde härter. »Dabei haben Sie einen Eindruck davon gewonnen, wozu unser Militär imstande ist. Die Solare Marine hat tausende von Raumschiffen. Unterschätzen Sie uns nicht. Wir könnten Ihnen sehr großen Schaden zufügen.«

Die Empörung des Gesandten wogte durch Osira'hs Bewusstsein. »Und wir können Ihr Volk vernichten.«

»Ja, das könnten Sie. Aber wenn Sie diesen Weg wählen, würden wir Sie schwächen ‐ vielleicht genug, um den Faeros die Möglichkeit zu geben, Sie zu besiegen. Sind Sie bereit, das zu riskieren? Welchen Sinn hätte es?« Als der Gesandte schwieg, fuhr Jora'h in einem drohenden Tonfall fort: »In den zehntausend Jahren seit dem letzten Konflikt mit Ihnen haben unsere Wissenschaftler und Techniker neue Verteidigungssysteme entwickelt. Es wird Ihnen nicht leicht fallen, mit uns fertig zu werden.«

Osira'h musste sich zwingen, weiterhin zu schweigen. Sie wusste, dass sich die Ildiraner im Lauf der Jahrhunderte kaum geändert hatten und alle Aufzeichnungen des Krieges vor zehn Jahrtausenden aus der Saga entfernt rden w

wo

aren. Das Volk des Weisen Imperators hatte überhaupt keine Vor‐

bereitungen für den Kampf gegen die Hydroger getroffen.

30

Das einzige neue Verteidigungssystem war sie selbst, Osira'h. Sie versuchte vergeblich, die Enttäuschung über ihren Vater und sein Volk zu verbergen.

Auf Dobro waren die Leben so vieler Menschen geopfert worden. Nur für dies?

So sehr sie auch danach trachtete, sich nichts anmerken zu lassen: Die Hydroger entnahmen ihrem Selbst das Wissen. Der Gesandte würdigte Osira'h keines Blickes. »Ihre Täuschungsversuche sind armselig. Wir glauben Ihnen nicht. Sie haben keine neuen Verteidigungssysteme gegen uns entwickelt.«

Unruhe erfasste das Mädchen. Jora'h sah seine Tochter so an, als fühlte er sich von ihr verraten.

Aber Osira'h war ebenfalls aufgebracht. Der Weise Imperator musste etwas geplant haben, bevor er sie zu den Hydrogern geschickt hatte. Er hätte wenigstens Adar Zan'nh und seine Kriegsschiffe rufen können. Mit einem massiven Angriff wäre es bestimmt gelungen, die Kugelschiffe am Himmel zu zerstören, auch wenn es hohe Verluste für die Solare Marine bedeutet und Mijistra vermutlich in Schutt und Asche gelegt hätte.

Der Gesandte verlor immer mehr das Interesse an dem Gespräch. Er schien enttäuscht zu sein und sprach in einem abfälligen Ton. »Wir wollen keine Zeit damit vergeuden, uns leere Drohungen von Ildiranern anzuhören. Die Wentals sind nicht ausgerottet, wie wir glaubten, und die Menschen belästigen uns nach wie vor. Ein größerer Krieg verlangt unsere Aufmerksamkeit.«

Jora'h trat die Treppe hinunter und blieb direkt vor der Ambientalzelle stehen. Seine Stimme war fest, aber Osira'h spürte die Furcht in ihm. »Vor langer Zeit haben wir vereinbart, gegenseitig auf Feindseligkeiten zu verzichten. Eine solche Abmachung müssen wir auch jetzt treffen, wie im letzten Krieg. Es könnte Sie vor einer Niederlage im Kampf gegen die Faeros bewahren.«

31

»Sie können nichts für uns tun. Wir brauchen keine ildiranische Hilfe. Wir sind stark genug gegen die Faeros ‐ ob Sie gegen uns kämpfen oder nicht.«

Osira'h fühlte ein Tauziehen im Kopf ‐ auf der einen Seite der Hydroger, auf der anderen der Weise Imperator. Sie beschloss, aktiv zu werden, fügte dem Selbst des Gesandten einen eigenen Gedanken hinzu und verlangte von m ih ,

eine Alternative für die Auslöschung des ildiranischen Volkes anzubieten.

Die Gestalt in der Ambientalzelle schwankte kurz und sagte dann: »Alle Felsbewohner stören das Lied des Universums. Unnötige Noten müssen entfernt werden, doch zuvor gilt es, dissonante Töne zu eliminieren.« Der Hydroger zögerte, als ihm etwas einzufallen schien. »Ildiraner können uns nicht gegen die Faeros helfen, wohl aber gegen andere unbedeute e nd

Felsbewohner.«

Jora'h beobachtete den Gesandten und wartete auf eine Erklärung.

»Unter den Felsbewohnern sind die Menschen unsere größten Feinde.«

Dunstschwaden umwogten den Hydroger. »Helfen Sie uns dabei, sie alle zu vernichten. Dann schenken wir Ihren Welten vielleicht keine Beachtung.«

Osira'h war nie auf der Erde oder Theroc gewesen, hatte nie andere Menschen kennengelernt als die Nachkommen der Burton‐Kolonisten auf Dobro. Aber ihre Mutter stammte aus jenem Volk! Im mentalen Äther sendete sie dem Hydroger ein scharfes Nein!, doch er wehrte es ab.

Jora'h erbebte. »Die Menschen haben uns nie geschadet! Sie sind unsere

Verbündeten.«

»Die Menschen sind Feinde der Hydroger. Sie können nicht mit beiden verbündet sein. Wählen Sie.«

Osira'h starrte ihren Vater an, aber seine Aufmerksamkeit galt allein der recklichen Wahl, die er tr

sch

effen musste ‐ er war zwischen Ehre und

Überleben hin und her gerissen. Sie

32

hob den Blick zur Kuppel der Himmelssphäre und stellte fest, dass die Kugelschiffe tiefer sanken. Mit einer so tödlichen Armada konnten die Hydroger Mijistra vernichten, bevor Adar Zan'nh in der Lage war, mi s t einer

Flotte einzugreifen.

Doch die Auslöschung der Menschheit ... Osira'h hätte ihren Vater am liebsten gebeten, das Anliegen der Hydroger abzulehnen. Sie wusste so wenig über sein wahres Wesen. Ihre Erfahrungen beschränkten sich auf die Zuchtlager, auf den Unterricht des Designierten Udru'h, und auf Niras Erin‐

nerungen. Sie wusste, dass die Ildiraner viele Geheimnisse hüteten und o t f

logen, direkt und indirekt. Der Verrat schien ihnen leicht zu fallen.

Würde ihr Vater nachgeben und sich bereit erklären, ein anderes Volk zu vernichten, um das eigene zu retten? Jetzt musste er Farbe bekennen und zeigen, ob er an Prinzipien festhielt oder sich durch Drohungen dazu bringen ließ, Freunde zu verraten. Osira'h versuchte, seine Gedanken mit ihren eigenen zu beeinflussen: Wie stark sind deine Überzeugungen, Vater?

Bist du eine gute Person, oder bedeutet

dir Ehre ebenso wenig wie dem

Designierten Udru'h?

Das Oberhaupt des Ildiranischen Volkes musste einen anderen Weg finden.

Osira'h hatte ins Bewusstsein der Hydroger gesehen. Sie kannte die starren Denkmuster der Fremden und ihre gewaltige Feuerkraft. Trotzdem glaubte sie, dass sich ein wahrer Weiser Imperator dem Feind gegenüber beha t up en

sollte. Würde Jora'h seine Tochter enttäuschen?

In einem neuen Bilderstrom sah Osira'h, wie ihre Mutter diesen Mann in den Armen gehalten, seinen Versprechungen zugehört und auf seine liebevollen Worte reagiert hatte. War das alles gelogen gewesen? Der Mann, den Nira geliebt hatte, würde sich nie einer Drohung beugen, das nicht mal in Erw

ein

ägung ziehen. Osira'h dachte an Theroc, sah in der von Freude geprägten Vergangenheit ihrer Mutter

32

die großen Weltbäume, die Kameradschaft von grünen Priestern und die Geheimnisse des Weltwalds. Dann stellte sie sich vor, wie all das vernichtet wurde, durch Jora'hs Schwäche.

Der Weise Imperator stand vor dem Gesandten der Hydroger, während hunderte von Kugelschiffen am Himmel über ihm schwebten, und rang mit sich selbst. Offenbar sah er keinen Ausweg. Schließlich senkte Jora'h den Blick und flüsterte: »Um jeden Preis.«

9 DOBRO-DESIGNIERTER UDRU'H

In seiner Residenz außerhalb der umzäunten Zuchtlager blickte der Dobro‐

Designierte mit gerunzelter Stirn auf seinen bewusstlosen »Gast« hinab. Der in Ungnade gefallene Thor'h lag im Koma, verursacht von einer Überdosis Schiing.

Wegen seiner Rolle bei der grässlichen Hyrillka‐Rebellion hätte der junge Mann eigentlich viel Schlimmeres verdient, dachte Udru'h, als er das schlaffe Gesicht betrachtete. Wir alle müssen die Konsequenzen unserer vergangenen Unüberlegtheiten ertragen, aber für dich gibt es einen leichten Ausweg.

Sein idealistischer Schützling Daro'h stand voller Unbehagen in dem hellen Raum. »Thor'h war der Erstdesignierte. Das Ildiranische Reich hätte einmal ihm gehört.« Daro'h sah zu seinem Mentor auf, dessen Platz er einnehmen würde, sobald ihn der Designierte für bereit hielt. »Warum hat mein Bruder e

so twas getan? Warum hat er das Thism unseres Vaters verlassen und versucht, das Reich zu zerstören?«

33

»Er wollte es nicht zerstören, sondern neu erschaffen. Manche Männer sind fehlgeleitete Fanatiker, die an falschen Idealen und Überzeugungen festhalten. Andere sind egoistisch und gieren nach Macht. Wieder andere sind einfach nur Narren.« Udru'h lächelte freudlos. »Der Erstdesignierte war alles zugleich.«

Der junge Mann lag reglos wie eine Leiche auf dem schmalen Bett. Udru'h hoffte, dass der Verräter in Albträumen schreckliche Qualen litt oder an Schuldgefühlen angesichts seiner Taten erstickte, doch Thor'hs Gesicht zeigte weder Ehre noch Frieden. »Im Gegensatz zu meinem Bruder Rusa'h hatte Thor'h keine Entschuldigungen für sein Verhalten.«

»Du siehst mildernde Umstände beim verrückten Designierten? Aber du hast ihn selbst verraten und seine Rebellion beendet! Was ist mit den vielen Ildiranern, die er in den Tod getrieben hat?«

»Der Hyrillka‐Designierte zeigte nach seiner Kopfverletzung klare Persönlichkeitsveränderungen. Er litt an Wahnvorstellungen und glaubte, einen neuen Weg zur Lichtquelle zu sehen. Um ihn zu beschreiten, war er bereit, das Blut aller Ildiraner zu vergießen, die sich nicht seinem Thism anschließen wollten. Er war verrückt. Warum sonst hat er sein Schiff in Hyrillkas Sonne gesteuert?« Udru'h sah voller Abscheu auf Thor'h hinab.

»Aber der Erstdesignierte wusste genau, was er tat. Deshalb verachte ich ihn. Es wäre besser gewesen, wenn ihn der Konflikt das Leben gekostet hätte. Auf diese Weise bleibt er ein Schandfleck in der ildi‐ranischen Psyche.«

Udru'h wusste: Zukünftige Erweiterungen der Saga der Sieben Sonnen würden mit großer Vorsicht formuliert sein. Ildiraner des Erinnerer‐

Geschlechts würden großen Takt zeigen und die Fakten korrekt derg

wie

eben, die Helden und Schurken aber so schildern, dass Würde und Erhabenheit

34

des Reiches erhalten blieben. Was auch immer die niederen Geschlechter glaubten: Die Wahrheit war flexibel.

»Zum Glück weiß niemand, dass er hier ist«, sagte Daro'h.

»Und wir werden ihn so mit Schiing behandeln, dass er keinen neuen Kontakt mit dem Thism herstellen kann. Er verdient es nicht länger, Teil davon zu sein.« Trotz des hinterhältigen Verrats hatte es Jora'h nicht fertiggebracht, die Hinrichtung seines Sohns anzuordnen. Stattdessen hatte er Udru'h angewiesen, Thor'h zu verstecken und dafür zu sorgen, dass er nie wieder das Thism fühlte. Auf dem Planeten Dobro mangelte es nicht an dunklen Geheimnissen.

Der Designierte‐in‐Bereitschaft Daro'h hatte nicht empört auf die Nachricht von den genetischen Experimenten mit den Nachkommen der Burton‐

Kolonisten reagiert. Er war auch klug genug gewesen, auf naive Verurteilungen zu verzichten. Er verstand die Gründe, die hinter dem geheimen Projekt steckten, und akzeptierte sie. Daro'h versuchte nicht, den Weisen Imperator und seine Vorgänger im Nachhinein zu kritisieren. Er war ein gescheiter junger Mann, trotz seiner behüteten Jugend im Prismapalast.

Udru'h war sehr stolz auf ihn.

Laute Stimmen erklangen im Hauptteil der Designierten‐Wohnstätte. Daro'h sah hoffnungsvoll auf. »Vielleicht hat jemand die vermisste grüne Priesterin gefunden.«

»Das bezweifle ich, obwohl dies viele meiner Probleme lösen würde.«

Als Udru'h dem Weisen Imperator enthüllt hatte, dass seine geliebte Nira noch lebte, war er der Ansicht gewesen, diese Angelegenheit schnell hinter sich bringen zu können. Er hatte versprochen, die grüne Priesterin aus ihrer Isolation zu holen, aber sie war geflohen und spurlos verschwunden. Udru'h te Jor

hat

a'h zu oft belogen ‐ er konnte nicht zum Prismapalast zurückkehren und sagen, dass er nicht wusste,

34

wo sich Nira befand. Er musste sie finden, und zwar möglichst schnell.

Er ließ den komatösen Thor'h in seinem Zimmer zurück und eilte zusammen mit Daro'h durch den Flur. Ein aufgeregter Kurier wartete mit glitzernden Augen neben vier Beratern und einem Ildiraner des Wächter‐

Geschlechts. »Designierter Udru'h! Adar Zan'nh hat mich mit einem Bericht hierhergeschickt. Hunderte von Kugelschi

der Hy

ffen

droger schweben am

Himmel über Mijistra!«

Daro'h schnappte nach Luft. »Greifen sie an?«

»Nein, das Mädchen Osira'h ist bei ihnen. Meine Gruppe brach mit dem schnellsten Schiff auf, um diese Meldung zu bringen. Osira'h hat einen Erfolg erzielt. Dobro ist erfolgreich gewesen!«

Udru'h fühlte, wie ein schweres Gewicht von ihm wich, als der Kurier seinen Bericht beendete. Jora'h musste noch immer eine Vereinbarung mit den Hydrogern treffen, um jeden Preis ‐ aber die jahrhundertelange harte Arbeit hatte sich ausgezahlt. All die Mühen, die er in das Mischlingsmädchen investiert hatte, waren nicht umsonst gewesen. Osira'h war ihrer Aufgabe gerecht geworden! Udru'h vermisste sie, aber er hatte das Notwendige getan. Wenn sie ohne Erfolg geblieben wäre, hätte er ihren Bruder Rod'h auf die gleiche Mission geschickt, und nach ihm die anderen Mischlingsgeschwister, bis jede Chance genutzt war.

Als der Wächter den Kurier hinausführte, begriff Udru'h, dass die neue Entwicklung ihm eine zweite Chance gewährte. Die vielen Hydroger‐Schiffe über dem Prismapalast bedeuteten, dass der Weise Imperator mit ganz anderen Dingen beschäftigt war. Dadurch bekam Udru'h mehr Zeit r di fü

e

Suche nach der grünen Priesterin!

»Wir müssen diese Gelegenheit nutzen, Daro'h. Während der Weise Imperator abgelenkt ist, setzen wir die Suche nach der grünen Priesterin fort. Wenn wir uns beeilen, brau‐

35

chen wir ihm vielleicht nie ihr Verschwinden mitzuteilen, Finde sie!«

»Aber wir sind bereits auf der Insel gewesen ...«

»Nimm eine gründliche Suche auf dem ganzen südlichen Kontinent vor, wenn es notwendig ist. Ergreife alle erforderlichen Maßnahmen ‐ wir dürfen auf keinen Fall aufgeben. Ich habe den Weisen Imperator oft genug enttäuscht.« Udru'h senkte die Stimme. »Er ist nicht bereit gewesen, Thor'h zu töten. Aber wenn ich ihm sage, dass ich Nira erneut verloren habe, ordnet er bestimmt meine Hinrichtung an.«

10 KÖNIGIN ESTARRA

Nachdem die Schwangerschaft bekannt geworden war, wollte die Öffentlichkeit mehr von Estarra sehen. Um die zunehmend besorgter werdende Bevölkerung abzulenken, erlaubte Basil Wenzeslas der Königin, sich gelegentlich der Öffentlichkeit zu zeigen. Er sah in Estarra nicht mehr als ein Mittel, um die Kooperation des Königs zu erzwingen. Sie o h ffte, dass

er sie weiterhin unterschätzte.

Estarra fand Nahton in einem der von Drahtgeflecht umgebenen Schmetterlingspavillons auf dem Dach. Der grüne Priester des königlichen Hofs stand allein im Sonnenschein und ließ sich von den Schmetterlingen umschwirren, deren Flügel bunt und metallisch glänzten. Als sie ihn sah, erinnerte sich Estarra daran, dass sie auf Theroc zusammen mit Beneto einen aus seinem Kokon schlüpfenden Wurm beobachtete hatte. Ihr fielen auch Rossias Schilderungen seiner Begegnung mit eine c

m schre klichen

ver ein.

Wy

Nahton war ihre einzige Quelle für Nachrichten von zu 35

Hause. Er erzählte ihr, wie es ihren Eltern ging, ihrer Schwester Celli, und dass der Wald eine hölzerne Kopie ihres Bruders Beneto geschaffen hatte.

Sarein war kürzlich von Theroc zurückgekehrt, aber Estarra hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen. Außerdem berichtete sie nur von Dingen, die Nahton bereits in allen Einzelheiten geschildert hatte.

Der grüne Priester war groß und still. Tätowierungen zeigten sich in seinem langen Gesicht und an den Schultern. Ihre Muster wiesen auf die Ausbildung hin, die er abgeschlossen hatte, bevor er zur Erde gekommen war. »König n i

Estarra! Es ist mir immer eine Freude, ein Kind Therocs zu sehen.«

»Eine noch größere Freude wäre es für uns beide, Theroc wiederzusehen.

Es ist so viel Zeit vergangen.« Hübsche orangefarbene und gelbe Schmetterlinge flogen zu Estarra, angelockt von ihrem Parfüm und e d m

Geruch des Hautöls.

Sie vermisste den Weltwald und die Pilzriff‐Stadt. Estarra fühlte das Gewicht der Menschheit auf ihren Schultern, und in drei Monaten würde ihr Kind zur Welt kommen ‐ in dieser Situation wünschte sie sich zurück in die Arme ihrer Mutter. Sie dachte an die getöteten Delfine, an die zahlreichen verborgenen Drohungen, die ihrem und Peters Leben galten, daran, dass der Vorsitzende ihr Baby hatte töten wollen, weil es nicht in seine Pläne passte. Vater Idriss und Mutter Alexa konnten ihr vom fernen Planeten Theroc aus nicht helfen. Sarein befand sich hier auf der Erde, und sie mochte Estarras letzte Zuflucht sein, aber die Königin fragte sich besorgt, wo die Loyalitäten ihrer Schwester lagen.

Da sie sich an niemanden sonst wenden konnte, sprach sie mit Nahton über die Dinge, die sie bewegten. Ihre Worte beunruhigten den Mann mit der gr nen Ha

ü

ut, überraschten ihn aber nicht. »Ich bin ein grüner Priester, ein Sohn Therocs. Meine Loyalität liegt beim Weltwald, und dann bei Ihnen, 36

Estarra ‐ und beim König. Der Vorsitzende hingegen ... Basil Wenzeslas hat mein Vertrauen nicht gewonnen.« Er schenkte Estarra ein aufmunterndes Lächeln. »Seien Sie guten Mutes. Etwas Erstaunliches ist bei Theroc geschehen. Beneto hat sie gerufen. Jahrtausende waren sie unterwegs, riesige ...«

Nahton unterbrach sich, als der blonde Pellidor aufs Dach trat. Seine Wangen waren gerötet, und der Gesichtsausdruck zeigte eine Mischung aus Ärger und Ungeduld. »Königin Estarra, Sie begeben sich in Gefahr, wenn Sie allein unterwegs sind.«

»Bei Nahton droht mir gewiss keine Gefahr.« Pellidors angebliche Besorgnis um ihr Wohlergehen war ebenso falsch wie Estarras Lächeln. Hatt e er

gelauscht?

»Unsere Besorgnis gilt nicht dem grünen Priester. Ich bringe Sie zum Königlichen Flügel zurück. Jetzt sofort.«

»Danke dafür, dass Ihnen so viel an meiner Sicherheit liegt.« Sie sprach knapp und schneidig, ließ keinen Zweifel daran, dass sie Pellidor kein Wort glaubte. Mit einem leisen Schnauben ging sie an ihm vorbei. Estarra wusste, dass er die Delfine getötet hatte, auf Geheiß des Vorsitzenden.

Bevor sie das Dach verließ, sah sie noch einmal zum grünen Priester. Ihre Blicke trafen sich, aber Estarra wagte es nicht, ihn ganz offen zu fragen, welche Nachricht er ihren Eltern daheim schicken würde. Pellidor und Basil Wenzeslas konnten Nahton nicht an der telepathischen Kommunikation mit Theroc hindern ‐ es sei denn, sie entfernten alle Schösslinge aus dem Flüsterpalast. Sie hätte ihn auch gern gefragt, welche wundervolle Überraschung Beneto nach Theroc gebracht hatte.

Pellidor nahm den Arm der Königin. Die Berührung erfüllte sie mit Abscheu, d es

un

kostete sie große Mühe, seine Hand nicht fortzustoßen, als er sie in Palast zur

den

ückbrachte.

37

11 CELLI

Als die majestätischen Schlachtschiffe der Verdani nach ihrer langen Reise auf Theroc landeten, starrten die Bewohner des Planeten voller Ehrfurcht.

Celli ergriff die Hand ihres Freunds Solimar und drückte so fest zu, dass sie ihm fast die Finger brach. Die langen Schatten der riesigen Bäume bra n

chte

dem Wald Stille.

Das nächste Baumschiff füllte den größten Teil des Himmels. Als es tiefer sank, neigten sich die unteren Zweige wie dünne, zarte Beine dem Boden entgegen. Die anderen wölbten sich nach oben, in Richtung All. Die krummen, blattlosen Äste endeten in riesigen Dornen, länger und schärfer als der tödlichste Speer. Ganz unten am Stamm des Baumschiffs zeigte sich eine runde, gepanzerte Knolle mit langen Wurzelranken, die wie Sensorantennen aussahen. Diese umhertastenden Ranken berührten n de

Boden der fast vergessenen Heimat und bohrten sich behutsam hinein.

In der Ferne setzte ein zweites dorniges Schiff zur Landung an, und ein drittes im zerstörten Teil des Weltwalds. Und es kamen noch mehr, Dutzende, bis schließlich fast zweihundert Schiffe der Verdani auf Theroc gelandet waren.

Celli sah zu den enormen Ästen auf und fühlte die Erhabenheit einer organischen Konstruktion, die noch eindrucksvoller war als die auf Theroc wachsenden Weltbäume. Als ihre Augen brannten, begriff sie, dass sie zu blinzeln vergessen hatte.

Beneto schien zu wissen, was geschah; er zeigte keine Furcht. Cellis hölzerner Bruder stand so reglos auf der Lichtung unweit der Pilzriff‐Stadt, al hä

s

tten seine Füße Wurzeln geschlagen. Das glatte, gemaserte Gesicht wirkte zufrieden, als er nach oben sah. »Sie werden über Theroc wachen.«

37

Beneto richtete seinen Blick auf Celli. Eine seltsame Mischung aus Blut und Saft floss nun durch seinen künstlichen Körper. »Dieser Krieg geht weit über Theroc und die Erde hinaus, weit über die Menschen und Ildiraner. Er kann nur mithilfe vieler Verbündeter gewonnen werden. Zum Glück haben sich die Hydroger viele mächtige Feinde geschaffen.« Er deutete zum Wald: Nach dem Regen, den der verdampfende Komet geschaffen hatte, zeigte sich dort viel neues Grün. »Die Wentals haben sich uns bereits angeschlo n,

sse

und dadurch sind wir stärker.«

So viel war klar. Monatelang hatten die Theronen hart gearbeitet, beim Kampf gegen die Hydroger getötete Weltbäume fortgeschafft und neue Schösslinge gepflanzt. Das Ergebnis dieser Bemühungen: Das Leben des Weltwalds explodierte geradezu, nachdem er das Wasser des Wental‐

Kometen empfangen hatte.

Solimar stand neben Celli und hielt noch immer ihre Hand. »Beim ersten Krieg trafen Wentals und Verdani auf die weit überlegene Macht der Hydroger. Sie wurden fast ausgelöscht. Doch dann wandten sich a uch die

Faeros gegen ihren Feind.«

»Die Loyalitäten der Faeros sind sehr wechselhaft«, sagte Beneto.

»Manchmal kämpfen sie auf der gleichen Seite wie wir, aber deshalb sind sie noch keine Verbündeten. Damals zog sich unser Feind in die Tiefen von Gasriesen zurück, und wir hielten ihn für endgültig besiegt. Aber nachdem sich die Hydroger jahrtausendelang versteckt haben, sind sie wieder stark geworden.«

Das hölzerne Gesicht wirkte traurig. »Manchmal ist es leichter, eine Sache unerledigt zu lassen, aber so etwas ist nie klug. Die Weltbäume und ihre Verbündeten dürfen diesen Fehler nicht wiederholen.«

Welt

Die

bäume erzitterten im Schatten der gewaltigen Verdani‐Schiffe, und zahlreiche Gedanken zogen durch das

38

Gemeinschaftsbewusstsein. Celli spürte Jahrtausende von Zorn, Furcht und Schmerz.

Der Gesichtsausdruck des Golems veränderte sich. »Die Hydroger kämpfen bereits gegen die Faeros; sie können nicht auch im Kampf gegen die Wentals und Verdani bestehen. Jetzt, da die Baumschiffe hier sind, gehen wir in die Offensive.«

12 ADMIRAL LEV STROMO

Zwei Tage lang suchte der Manta‐Kreuzer nach Hinweisen auf die Rammschiffflotte, nach Fluchtkapseln mit menschlichen Kommandanten oder Trümmern von Hydroger‐Schiffen. Die Crew erwartete von Stromo, dass er wusste, was es zu tun galt, aber auf so etwas war er nicht vorbereitet. Die ursprüngliche Einsatzorder war klar genug. Nehmen Sie alle Fluchtkapseln an Bord, die Sie finden können, und kehren Sie heim. Berichten Sie, welche Schäden die Rammschiffe angerichtet haben. Doch jetzt urde w

plötzlich alles kompliziert.

Von der Brücke des Manta aus hatte Clydia dem grünen Priester im Flüsterpalast eine telepathische Nachricht geschickt, und Nahton gab die Anfrage weiter. Abgelenkt von der Ankunft eines kleinen Hydroger‐Schiffes und dreißig TVF‐Überlebender der Schlacht bei Osquivel, übermittelte der Vorsitzende Wenzeslas eine wenig hilfreiche Antwort: »Setzen Sie die Suche fort und warten Sie auf weitere Anweisungen.«

Die Nähe des pastellfarbenen Gasriesen verunsicherte Stromo. Vor kurzer Zeit hatten die Hydroger dort eine Himmelsmine der Hanse und vielleicht alle sechzig Ramm

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schiffe vernichtet. Ein einzelner Manta hatte nicht die geringste Chance gegen sie.

Stromo drehte den Kommandosessel und sah zur grünen Priesterin. »Noch immer keine Nachricht vom Vorsitzenden? Wie lange sollen wir hier warten?«

Clydia blickte auf die fedrigen Blattwedel ihres Schösslings und streichelte den kleinen Baum wie ein Tier. Als sie aus dem Telkontakt zurückkehrte, brauchte sie einige Sekunden, um sich zu sammeln. »Der Vorsitzende rät Ihnen, das Kommunikationssystem auf die folgende Frequenz einzustellen, mit maximalem Empfang.« Die grüne Priesterin nannte Zahlen. Zwar saß sie an den Kom‐Kontrollen, wusste aber nicht, wie ma

edient

n sie b

e.

»Was soll das bezwecken?«, fragte Stromo.

Elly Ramirez bot ihm keine Antwort an, eilte aber zu den Kommunikationsanlagen, um sie zu rekonfigurieren.

»Leiten Sie eventuelle Signale durch einen Descrambler«, sagte Clydia. »Der

Vorsitzende glaubt, dass Sie eine Nachricht empfangen könnten.«

Stromos Verwirrung wuchs. »Es gibt hier keine bewohnten Welten, es

und

sind auch keine Raumschiffe in der Nähe. Woher sollten Signale komme ?«

n

»Offenbar gibt es an Bord eines Rammschiffs einen Zuhörer‐Kompi, der Commander Tamblyn überwachen und Informationen über die Roamer gewinnen sollte.« Ramirez sah auf, empört von den Worten der grünen Priesterin. »Sie sollten in der Lage sein, die Überwachungssoftware zu akti‐

vierten. Wenn der Kompi in Reichweite ist, können Sie vielleicht herausfinden, wohin die Rammschiffe verschwunden sind.«

Der Admiral sah sich nervös um. »Noch immer k

ur von den

eine Sp

dr

Hy ogern? Was ist, wenn sie die Signale empfangen und uns bemerken?«

»Es handelt sich um niederenergetische Sendungen für 39

Spionagezwecke, Sir. Die Signale bleiben Teil des kosmischen Hintergrundr

ie vo

auschens, bis s

n unseren speziellen Algorithmen

entschlüsselt werden. Sie sind dafür bestimmt, nicht entdeckt zu werden.«

»Die Signale sollen von den Roamern nicht entdeckt werden, aber wer weiß, wozu die Hydroger in der Lage sind? Wir sollten besser wachsam bleiben

und bereit sein, uns beim ersten Anzeichen von Gefahr abzusetzen.«

Als Ramirez mit der Rekonfiguration fertig war, zeigte der Hauptschirm nicht mehr den Gasriesen, sondern Statik ‐ es sah aus, als wäre der Kreuzer plötzlich in einen Strahlensturm geraten. Die empfangenen Signale wurden verstärkt, und elektronische Filter beseitigten die Störungen, woraufhin erste Bilder entstanden.

Stromo riss verblüfft die Augen auf.

Auf dem großen Bildschirm erschien eine Gruppe von Menschen, die sich in einer sonderbaren Zelle befanden ‐ihre Wände schienen aus funkelnder Gelatine zu bestehen. In unmittelbarer Nähe der Imager, von denen die Bilder stammten, saß eine zerzauste, recht mitgenommen wirkende Tasia Tamblyn. Der junge, dunkelhäutige Mann neben ihr erschien Stromo vertraut. Brindle. Ja, so lautete sein Name: der Freiwillige, der kurz vor der Schlacht von Osquivel mit einer gepanzerten Kapsel die Tiefen des Gasriesen aufgesucht hatte, um dort zu versuchen, mit den Hydrogern zu kommunizieren. Robb Brindle! Aber wie zum Teufel kam ein junger Mann, der bei Osquivel auf der anderen Seite des Spiralarms verschwunden war, hierher an den Rand des Ildiranischen Reichs?

Stromo sah eine kleine Gruppe deprimiert und schwach wirkender Menschen. Befanden sie sich noch an Bord eines Rammschiffs? Waren es e

Kri gsgefangene? Und wer hatte sie gefangen genommen? Dies war alles so verwirrend. »Woher kommen die Signale? Finden Sie die Rammschiffe!«

40

»Es ergibt keinen Sinn, Admiral.« Ramirez sah auf. »Die Signale scheinen aus dem Innern des Gasriesen zu kommen. Aus seinen Tiefen.«

»Unmöglich! Niemand kann dort unten überleben.«

Die beiden Sensortechniker überprüften ihre Anzeigen. »Bestätigung, Admiral. Die Signale kommen tatsächlich aus dem Innern von Qronha «

3.

Ein Klikiss‐Roboter trat ins Bild. Die käferartige Maschine bewegte ihre spitz zulaufenden Gliedmaßen auf eine eindeutig drohende Weise. Die Gefangenen versuchten, vor ihr zurückzuweichen.

Nach allem, was Stromo auf der Hanse‐Kolonie Corribus gesehen und von dem überlebenden Mädchen Orli Covitz gehört hatte, stand er den schwarzen Robotern sehr argwöhnisch gegenüber. »Was zum Teufel macht das Ding dort unten?«

Die beiden Soldaten‐Kompis auf der Brücke des Manta‐Kreuzers erstarrten plötzlich. Stromo richtete einen verärgerten Blick auf sie. »Was ist los mit ihnen?«

»Überprüfen Sie ihre Stationen, Ensign Mae«, sagte Ramirez.

Mae verließ ihre Navigationskonsole und kontrollierte den nächsten Kompi, um festzustellen, ob es zu einem störenden Feedback gekommen war.

s

»E

ist alles in ...«

Beide Soldaten‐Kompis bewegten sich verblüffend schnell. Der nächste wandte sich Mae zu, streckte die metallene Hand aus und schloss sie um den Hals der Frau. Noch bevor Mae versuchen konnte, sich zu befreien, packte die andere Hand des Kompi ihren Kopf und drehte ihn ‐ mit einem deutlich hörbaren Knacken brach das Genick.

Gleichzeitig sprang der andere Soldaten‐Kompi zum zweiten Sensortechniker ‐ Stromo erinnerte sich noch immer nicht an seinen men. Er r

Na

ammte eine polymerummantelte Hand so heftig gegen das Brustbein des Mannes, dass

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das Herz des Menschen regelrecht explodierte. Der Techniker sank zu Boden, und Blut quoll aus dem aufgeplatzten Brustkorb.

Es waren keine zwei Sekunden vergangen. Admiral Stromo saß wie erstarrt da und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Die anderen Personen auf der Brücke wurden von Panik erfasst. Clydia stieß fast ihren Schö ssling

um, hielt ihn im letzten Moment fest.

Die beiden Soldaten‐Kompis wandten sich von ihren ersten Opfern ab und näherten sich Stromo und Ramirez ‐sie schienen es auf die ranghöchsten Offiziere abgesehen zu haben. Ramirez sprang zum Kommandosessel ß

, stie

den Admiral zur Seite und versuchte, ein Seitenfach zu öffnen.

Während der erste Kompi wie ein Asteroid auf Kollisionskurs herankam, warf sich Sergeant Zizu gegen den zweiten. Trotz der größeren Masse s de

Roboters schaffte er es, den Kompi umzustoßen.

Ramirez gelang es schließlich, das Fach zu öffnen. Rasch holte sie einen Schocker daraus hervor, eine zur Betäubung dienende Waffe. Sie stellte sie auf maximale Emissionen ein, zielte auf das Gesicht des ersten Kompi und drückte ab. Ein Impuls traf den Roboter, eigentlich nicht dazu bestimmt, Schaltkreise zu beeinflussen, aber er brachte die Programmierung durcheinander.

Der zweite Kompi stand wieder, stieß Zizu beiseite und näherte sich dem Admiral. Stromo krabbelte vom Kommandosessel fort.

Ramirez zögerte nicht. Mit kaltem Zorn in den Augen richtete sie ihren Schocker auf den Kompi, drückte erneut ab und nahm den Finger nicht mehr vom Auslöser. Der Schockstrahl traf den Kern der Maschine, und mirez feuerte weiter, bis Rau

Ra

ch und Funken aus den zerstörten

Schaltkreisen kamen. Nur einen Meter entfernt brach der 41

Soldaten‐Kompi zusammen und blieb liegen: ein Haufen aus Metall und Polymeren.

Der erste Kompi geriet wieder in Bewegung, als seine Systeme einen Reset durchführten. Er orientierte sich, fand sein Ziel und hielt darauf zu. Sergeant Zizu löste den Metallstuhl von einer Brückenstation und schmetterte ihn dem Roboter mit einem wütenden Schrei auf den Kopf, der sich daraufhin mit einem Ruck zur Seite neigte ‐ mehrere Kabel lösten sich. Zizu schlug erneut zu, und dann noch einmal. Der Kompi erbebte, ging zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Stromo wich zur anderen Seite der Brücke zurück, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß. »So etwas ist nicht möglich!«, brachte er keuchend und völlig fassungslos hervor. »Es ist einfach nicht möglich.«

Die Besatzungsmitglieder sahen zu den beiden Toten. Ramirez erholte sich als Erste und überprüfte den zweiten Kompi, um sicher zu sein, dass von ihm keine Gefahr mehr drohte. Ihr Gesicht war gerötet, die Stirn gerunzelt.

»Admiral, erinnern Sie sich daran, dass König Peter uns vor den Soldaten‐

Kompis und der Klikiss‐Programmierung warnte? Er versuchte, die ik

Fabr

zu schließen.«

Stromo wischte sich die Stirn ab. »Das war nur ein falscher Ala ll

rm. A es

funktionierte bestens. Es gab überhaupt keine Probleme.«

»Ich glaube, wir haben es hier eindeutig mit einem Problem zu tun, Admiral.«

»Vielleicht sind diese beiden Soldaten‐Kompis Einzelfälle«, sagte Stromo, obwohl er selbst nicht daran glaubte. Ramirez warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der hart an Insubordination grenzte.

»Eben haben wir einen Klikiss‐Roboter auf dem

irm gesehe

Bildsch

n«, sagte

u. »Vielleic

Ziz

ht hat er irgendein Signal gesendet.«

Stromo rechnete mit einem entsprechenden Vorschlag 42

von Ramirez und kam ihr zuvor. »Äußerste Vorsicht, Commander.« Er gab seiner Stimme einen besonders festen Klang. »Wir deaktivieren alle Soldaten‐Kompis, bis wir wissen, was hier passiert ist. Es d

wäre umm,

irgendwelche Risiken einzugehen.«

»Genau diese Worte habe ich mir von Ihnen erhofft, Admiral.«

Doch als Stromo die Hand nach den Kontrollen des Bord‐Interkoms ausstreckte, warnte ihn Ramirez. »Wollen Sie wirklich, dass die Kompis erfahren, was wir vorhaben? Vielleicht schalten sie dann in den Verteidigungsmodus um. Ich schlage vor, wir schicken Einsatzgru en los, pp

mit dem Auftrag, die Soldaten‐Kompis zu isolieren und zu deakti en.«

vier

Stromo nickte und wusste, dass er selbst daran hätte denken sollen.

»Hoffentlich bleibt uns genug Zeit.«

13 TASIA TAMBLYN

Tasia freute sich riesig darüber, dass Robb Brindle noch lebte. Allerdings bedauerte sie, dass ihr Wiedersehen ausgerechnet an diesem Ort stattfand, in einer Blase tief im Innern des Gasriesen, umgeben von nicht menschlichen Feinden. In der Hölle konnte es kaum ungemütlicher sein.

Und doch... Robb lebte!

Tränen rannen ihr über die schmutzigen Wangen. Für einen Moment war die Freude so stark, dass sie Zorn, Furcht und Verwirrung verdrängte. Eins nach dem anderen. Tasia umarmte den jungen Mann, der nicht nur ihr mera

Ka

d gewesen war, sondern auch ihr Freund und Geliebter. Sie umarmten sich wortlos, mit zitternden Muskeln und schwe 42

rem Atem. Schließlich rümpfte Tasia die Nase. »Shizz, du stinkst.«

Robbs Grinsen wirkte so ungeschickt, als hätte er lange Zeit keine Gelegenheit mehr gehabt, es zu üben. »Weißt du, wann ich zum letzten Mal duschen konnte? Dies ist nicht unbedingt eine Ferienanlage auf Relleker. Ich habe einmal Bilder von Relleker gesehen, bin aber nie dort gewesen ...« Er sprach nicht weiter. Tasia fragte sich, wie er bei Verstand geblieben war, an diesem schrecklichen Ort, ohne Hoffnung auf Flucht. Es muss grauenhaft gewesen sein, dachte sie und glaubte, dass sie so etwas nicht so gut überstanden hätte.

Robb deutete auf seine sechs Gefährten, die ebenso mitgenommen aussahen wie er. »Wie lange ist es her? Bei all den Klikiss‐Robotern, die hier herumlaufen, sollte man meinen, dass einer von ihnen eine Uhr oder einen Kalender hätte!«

Tasia rechnete im Kopf, wie viel Zeit seit ihrer letzten Begegnung vergangen war. »Fast zwei Jahre.«

Als die Gefangenen das hörten, stöhnten einige von ihnen. Robb schluckte und hob dann mit erzwungener Zuversicht das Kinn. »Es fühlte sich nach einer Ewigkeit an. Kein Wunder, dass wir alle so mies aussehen.«

Tasia strich mit den Fingern über ihr kurzes, den Vorschriften entsprechendes Haar. »Ich schätze, mir bleibt genug Zeit, mich einzugewöhnen.«

Als man sie und ihren Zuhörer‐Kompi EA von Bord des gekaperten Rammschiffs gebracht und in einer kleinen Blase in die Tiefen des Gasriesen Qronha 3 transferiert hatte, war sie sicher gewesen, dass ihr der Tod bevorstand. Als sie dann die Stadtsphäre der Hydroger gesehen hatte, eine vollkommen wirr erscheinende Anordnung zahlreicher unterschiedlicher geometrischer Formen ... Erst dadurch war ihr das ganze Ausmaß der mden Zivili

fre

sation klar geworden. Wie viele solche Städte gab es in den Gasriesen des

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Spiralarms? Wie viele hatte die Hanse mit ihren Klikiss‐Fackeln verbrannt, absichtlich oder nicht? »Kein Wunder, dass ihnen der Schaum a f u den

Lippen aus flüssigem Metall stand.«

Klikiss‐Roboter hatten Tasia und ihren Kompi durch sonderbar durchlässige Wände in der Hydroger‐Stadt geführt. »Wohin bringe s,

n sie un

EA?«, hatte Tasia gefragt.

»Ich weiß es nicht, Tasia Tamblyn. Aber wenn wir meinen Datenkern mit neuen Erinnerungen füllen wollen, so ist dies eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.«

»War das ein Versuch, humorvoll zu sein? Es klang ganz nach meinem alten EA.«

Die Klikiss‐Roboter hatten sie in diese seltsame Zoo‐Kammer gebracht, in der sich sieben andere Gefangene befanden. Offenbar führten die Hydroger

‐ oder die schwarzen, käferartigen Maschinen ‐ seit einiger Zeit gewisse

»Experimente« durch.

Tasia hatte Robb trotz der zerrissenen Kleidung und des langen, zerzausten Haars sofort wiedererkannt und sich an den Tag erinnert, an dem er mit der gepanzerten Kapsel zu den Hydrogern aufgebrochen war. »Es ist wunderschön, wunderschön ...«, hatte er gemeldet, und dann war die Ver‐

bindung zu ihm abgebrochen. Vermutlich hatten sich seine Worte auf ei ne

Stadtsphäre der Hydroger bezogen.

»Warum hat man uns gefangen genommen, Brindle?«, fragte Tasia. »Was haben die Fremden mit uns vor?«

»Sie wollen uns alle umbringen«, sagte ein Gefangener, der besonders schlimm aussah. Sein Name lautete Smith Keffa. »Verdammte Klikiss‐

Roboter! Verdammte Droger!«

Sie alle waren ausgemergelt, und ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Ohne jede Hoffnung lebten sie in diesem kleinen Raum. Jeder von ihnen hatte eine chicht

Ges

e zu erzählen, und als Tasia ihnen zuhörte, wurde ihr das Herz schwer. Ihre Mitgefangenen konnten sich die Zeit nur dadurch ver 44

treiben, miteinander zu reden, und Tasias Ankunft schien für sie eine willkommene Unterbrechung der endlosen Monotonie zu sein.

Niedergeschlagen hörte sie, dass keiner der anderen Dunsel‐

Kommandanten gefangen genommen worden war. Sie schien als Einzige von ihnen überlebt zu haben. Vielleicht hatten die Klikiss‐Roboter Tasia wegen EA am Leben gelassen...

»Es werden immer wieder neue Gefangene hierhergebracht, aber es gab mehr von uns«, sagte Robb. »Einer starb bei einem Fluchtversuch. Andere kamen bei schrecklichen Experimenten ums Leben.«

»Die Droger und Klikiss‐Roboter zwangen uns, dabei zuzusehen!« Keffa hob Hände und Arme, zeigte Narben, die von tiefen Wunden zurückgeblieben waren ‐ doch er sagte nicht, was man mit ihm angestellt hatte. Einige der Gefangenen stöhnten, andere kauerten sich zusammen und starrten i ns

Leere.

Robb rückte etwas näher an Tasia heran und legte ihr den Arm um die Schultern. Tiefe Trauer lag in seinem Gesicht. Endloses Leid hatte ihm den jungenhaften Charme genommen. »Es tut mir sehr, sehr leid, dass du hier bist, Tasia.«

Mit dem Ellenbogen gab sie ihm einen Stoß in die Rippen und staunte noch immer über das Wiedersehen, trotz der Umstände. »Ja, ich habe dich ebenfalls vermisst, Brindle.«

Er griff in eine schmutzige Tasche und holte ein braunes Geflecht aus dünnen Blättern hervor. »Ich habe noch immer den Weltbaumwedel, den mir der grüne Priester gegeben hat, bevor ich bei Osquivel in die gepanzerte Kapsel gestiegen bin.« Er rollte ihn zwischen den Fingern, aber die kleinen Blätter waren längst trocken und tot. »Hat mir nicht viel genützt. Manchmal habe ich den Wedel wie ein grüner Priester in der Hand un

gehalten

d dir

d meinen Eltern imagin

un

äre Briefe geschickt...«

Ta a

si betrachtete die welken Blätter und erinnerte sich 44

daran, wie Rossia, der hinkende grüne Priester mit den großen Augen, den Blattwedel Robb wie einen Talisman gegeben hatte. »Ich glaube, die Droger mögen die Weltbäume nicht sehr.«

»Nein. Irgendwie glaube ich, dass es mir diese Blätter ermöglicht haben, bei klarem Verstand zu bleiben. Angenehme Erinnerungen sind das Einzige, das uns hier ein wenig Halt gibt.« Robb schüttelte den Kopf. »Aber diesen Albtraum möchte ich mit niemandem teilen. Nicht mit dir, und nicht einmal mit meinem schlimmsten Feind.«

Tasia lehnte sich an ihn. »Auch nicht mit Patrick Fitzpatrick III.?«

Robb lachte leise und heiser. »Was ist aus ihm geworden? Ist er n och immer

ein Idiot?«

»Er lebt nicht mehr.« Tasia berichtete von der Schlacht bei Osquivel, nachdem Robbs Kapsel in den Tiefen des Gasriesen verschwunden war.

»Fitzpatrick fiel beim Kampf, zusammen mit vielen anderen guten Soldaten.«

Es gab so viel zu erzählen ‐ so viele Dinge waren geschehen, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Leider würde Tasia mehr als genug Zeit haben, Robb und die anderen auf den neuesten Stand zu bringen. Zuerst erzählte sie den Gefangenen von den neuen Rammschiffen, die nach Qronha 3 geschickt und von den verräterischen Soldaten‐Kompis en

übernomm

worden waren.

»Die entsprechende Programmierung enthielten sie von Anfang an«, meldete sich EA zu Wort. »Die Klikiss‐Roboter haben sie aktiviert.«

Eine der schwarzen Maschinen näherte sich der durchsichtigen Wand, und Tasia beobachtete, wie sie die Membran durchdrang. Smith Keffa wich entsetzt zurück. Robb gab sich Tasia gegenüber mutig und sagte: »Ich schätze, das Ding ist nicht gekommen, um mit uns Schach zu spielen.«

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Der Roboter sprach so, als wollte er die Gefangenen verhöhnen. »Ein Manta‐

Kreuzer ist über Qronha 3 erschienen. Wir haben die Soldaten‐Kompis an Bord angewiesen, ihn zu übernehmen. Die Programmierung wird jetzt systemweit aktiviert.«

»Systemweit?«, wiederholte Robb. »Was soll das heißen?« »Damit sind alle

Soldaten‐Kompis gemeint, überall im Spiralarm.«

Zorn quoll in Tasia empor. »Die Menschen haben den Klikiss‐Robotern nie etwas getan. Was zum Teufel habt ihr vor?«

»Wir werden euch alle auslöschen.«

Tasia stand auf und stemmte die Hände in die Hüften ‐ es war ihr gleich, wie lächerlich dies vor dem großen schwarzen Roboter wirkte. »Na wunderbar.

Die TVF erklärt den Roamer‐Clans den Krieg, und jetzt versuchen Klikiss‐

Roboter, die Menschheit

rnic

zu ve

hten. Shizz! Sieht denn heutzutage

niemand mehr, wer seine wa ren F

h