29

Große Schwestern sind das Unkraut im Rasen des Lebens.

Charles M. Schulz

»Die Süd-Flottille bittet bereits um weitere Prisenkommandos.« Isham blätterte seine Unterlagen durch. »Sie schicken uns die Boote mitsamt den Überlebenden her, die sie aufgegriffen haben. Den ankommenden Booten geht der Treibstoff aus. Das war’s dann mit den Prisenkommandos. Sie haben zu wenig Leute.«

»Nicht weiter verwunderlich.« Steve hatte den Ausführungen nachdenklich gelauscht. »Es gab von Anfang an zu wenig Personal. Lieutenant Kuzma, wie ist der Status des Ausbildungsprogramms?«

»Die erste Gruppe hat die Ausbildung abgeschlossen. Soweit man Skipper und Techniker in drei Tagen ausbilden kann. Wir bereiten eine weitere Klasse vor. Ich möchte allerdings noch einmal darauf hinweisen, Sir ...«

»Sie können mich um alles bitten, nur nicht um Zeit, Lieutenant«, wiegelte Steve ab. »Sobald die Boote hier ankommen, teilen Sie die Neuen ein. Als Crewmitglieder, nicht als Captains, bis sie sich ein wenig eingewöhnt haben. Dann packen Sie die Reste zusammen und schicken sie als Prisenkommandos zur Flottille. Was das Tanken angeht ... Die neuen Skipper sollen sich am Super-Max Treibstoff abzapfen. Wenn sie es nicht schaffen, von einem Schiff im Hafen aufzutanken, wird es ihnen auf dem Wasser erst recht nicht gelingen. Das ist sozusagen die Abschlussprüfung. Mr. Zumwald, Sie wollten kurz über den Plan zur Atlantiküberquerung sprechen?«

»Da Sie alle mehr um die Ohren haben als ein einarmiger Tapezierer, habe ich mich mit den Sub-Skippern unterhalten, um ein wenig Insiderinformationen aus ihnen rauszukitzeln. In der näheren Umgebung sind neun U-Boote unterwegs. Es sieht derzeit so aus: Ein Flügel ... ja, die Bezeichnung habe ich mir ausgedacht ... wird aus den Flottillen der kleinen Boote bestehen. Er bildet einen Teil des Bogens. Die Submarines komplettieren ihn, wobei eins von ihnen zurückbleibt, um sich um Sicherheitsfragen zu kümmern.

Der Bootsflügel wird in zwei Flottillen unterteilt, jede mit eigener Megajacht und einem Versorgungsschiff. Die Boote tanken bei der Megajacht und/oder beim Versorgungsschiff auf. Sie rotieren im Laufe der Zeit wie in einer Spirale nach innen und gabeln dabei hoffentlich Überlebende auf. Wenn sie das Versorgungsschiff erreichen, gehen die Überlebenden an Bord und überschüssige Vorräte werden umgeladen. Wenn nötig, erfolgt ein Auftanken. Danach geht die Crew bei Bedarf einen Tag lang fischen, ehe sie sich bei der Flottille wieder am Ende der Schlange einreiht.

Die Megajacht und das Versorgungsschiff holen sich, wenn erforderlich, am Tanker Treibstoff-Nachschub. Beide werden vor der Abfahrt randvoll betankt.

Jedes der Boote braucht mindestens einen Navy-Soldaten zur Räumung von Jachten. Eine weitere Gruppe wird sie dann aufsammeln und in Einsatzbereitschaft versetzen.

Die Divisionen verfügen jeweils über ein Boot mit Räumungsexperten. Das ist dann eine ziemlich schnelle Jacht oder eins der schnellen Versorgungsboote mit einem Zodiac und einigen Marines an Bord. Auf dem Boot des Flottillen-Chefs hält sich neben ihm auch der Befehlshaber der Marines auf. Sie erhalten ebenfalls eins der Zodiacs zur Räumung größerer Wasserfahrzeuge wie Tanker und Frachter. Sie werden dem Hauptflügel in einer Entfernung von etwa 40 oder 50 Meilen folgen.

Das Boot wird von einer weiteren Jacht begleitet, die Personal für die Überwachung und Bergung mitführt. Das sind unsere ›Prisenkommandos‹. Wenn wir auf ein lohnendes Ziel stoßen, schicken wir sie in einem Zodiac hin, um es zu bergen. Der U-Boot-Flügel verfügt über einen ähnlichen Verband, der abweichend vermutlich aus vier bis sechs Jachten und den meisten Zodiacs besteht. Sobald ein U-Boot einen möglichen Kandidaten sichtet – aus irgendeinem Grund nennen sie das einen ›Sierra‹ –, flitzen die Jungs von der Sicherheit oder die Marines mit einem Zodiac los und überprüfen das. Wenn sich das Aufsammeln lohnt, nehmen sie den Fund entweder direkt mit oder retten die Überlebenden, was sich eben ergibt ... das gewohnte Spiel. Wenn sie eine Jacht finden, schicken wir Kuzmas Coasties zum Einsammeln rüber. Wenn es etwas Größeres ist, das wir behalten möchten, rückt eine Crew mit Erfahrung vom Führungsschiff aus.

Das Führungsschiff ist die Boadicea. Sie übernimmt den Überschuss von den Megajachten, wenn deren Lagerflächen zu vollgestopft sind. Die Kommandogruppe bleibt hinter der Hauptlinie zurück, vielleicht 60 Meilen. Wir können die Flüchtlinge mithilfe der rotierenden Jachten hinbringen. Dort werden sich auch die Grace und der Tanker aufhalten, außer wenn sie vorprescht und Vorräte auf die anderen Schiffe schafft.

Gott steh uns bei, sollten wir auf einen dieser verdammten Kreuzfahrtdampfer treffen. Dann geht unser Plan den Bach runter. So weit die Kurzfassung. Der Teufel wird im Detail stecken und es stellt sich die Frage, ob wir auf dem Ozean alles am Laufen halten können.«

»Darf ich etwas dazu anmerken, Sir?«, fragte Lieutenant Kuzma.

»Klar«, erteilte ihm Steve das Wort.

»Eine Seeversorgung zählt ... nicht gerade zu den leichtesten Manövern der Welt, Sir.« Kuzma war bei dem Gedanken etwas unwohl.

»Eine Seeversorgung ist verflucht gefährlich und ohne erfahrene Mannschaft grenzt sie sogar an Wahnsinn«, pflichtete Steve bei. »Die einzige Alternative, Lieutenant, besteht in der direkten Fahrt nach Gitmo. Alle Boote, die wir uns holen, schaffen die Überfahrt ohne aufzutanken, so viel ist sicher. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich zwischen Ausgangspunkt und Ziel noch Überlebende in Rettungsbooten aufhalten. Da die Wahrscheinlichkeit, Menschen zu retten, mit jeder verstreichenden Sekunde sinkt, will ich alles daransetzen, sie zu finden. Die Zeit, die diese Rettungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, steigert zwangsläufig auch den Verbrauch an Treibstoff und Vorräten. Und das wiederum hat zur Folge, dass eine Seeversorgung unvermeidlich wird. Mindestens einmal, vielleicht sogar häufiger.

Daher, Lieutenant, müssen wir uns entscheiden, ob wir ein Umladen auf dem Meer wagen oder auf die Such- und Rettungsmaßnahmen verzichten. Ich möchte Sie nicht vor die Wahl stellen, entweder mit unerfahrenen Crews eine gefährliche Aktion auf dem offenen Meer durchzuführen oder einen der wichtigsten Befehle Ihres Dienstverhältnisses zu missachten. Das wäre grausam. Außerdem ist die Entscheidung bereits gefallen. Ich möchte anmerken, dass vier Menschen, davon zwei weibliche Teenager, ohne weitere Erfahrung als das Besteigen eines Segelbootes in Virginia, nicht nur eine Seeversorgung von einem Frachter aus durchgeführt haben, und das auf dem offenen Meer, sondern sie haben sich auch selbst beigebracht, wie man Pumpen umrüstet, damit sie das Wasser absaugen und die Treibstofftanks leer pumpen können.

Lieutenant, wenn Sophia, Faith, Stacey und ich es geschafft haben, dann bringen es diese Crews ebenfalls fertig. Wird es einfach? Nein. Werden sie Fehler machen? Jede Menge. Werden wir eins der Boote verlieren? Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Wahrscheinlich sogar mehr als nur eins. Ich möchte Sie bitten, dass Sie sich nach der Ausbildung der Klassen in Ihrer Freizeit darüber Gedanken machen, wie dieses Prozedere so sicher wie möglich ablaufen kann. Ich möchte auch noch eine Anmerkung zu Ihren Klassen machen: Lassen Sie niemanden bestehen, der die ›Leeseite‹ nicht findet.«

»Okay, was heißt das denn?«, fragte Zumwald.

»Das ist die windabgewandte Seite«, erläuterte Steve. »Wenn ein kleineres Boot an ein größeres Boot heranfährt, macht man das gewöhnlich auf der Leeseite. Dort ist das Wasser ruhiger. Wenn jedoch starker Wind herrscht, kann das größere Boot das kleinere gewissermaßen überrollen. Man muss bei der Kalkulation ebenfalls berücksichtigen, dass wir die gesamte Seeversorgung unverzüglich abbrechen müssen, wenn ein Sturm aufzieht. Ich habe mich für diese Jahreszeit entschieden, weil der südliche Teil des Atlantiks im Augenblick ziemlich ruhiges Gewässer ist. Hinter meinem Wahnsinn steckt Methode, Lieutenant Kuzma.«

»Das ist mir bewusst, Sir.«

»Wenn es einen Zwischenfall gibt und Sie sich denken: ›Das hab ich doch gleich gesagt‹, dann dürfen Sie mir den Gefallen tun, es für sich zu behalten. Ich weiß, dass etwa die Hälfte aller potenziellen Probleme auftreten können und auch werden. Ich habe mich als Kommandant der Squadron damit abgefunden, im Interesse der Durchführung dieser Mission. Es ist meine Entscheidung und ich trage dafür die Verantwortung. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich darauf, die am wenigsten wahnwitzige Entscheidung zu treffen. Wir haben nicht zufällig schon ein Speedboat gefunden?«

»Noch nicht«, verneinte Isham.

»Wenn wir eins auftreiben, gehört es mir. Ja, dabei spielt auch Gier eine Rolle. Der eigentliche Grund ist jedoch, dass ich durchdrehe, wenn ich die gesamte Reise auf dem Linienschiff absolviere. Bisher habe ich noch nicht mal die Hälfte der Mitglieder der Squadron kennengelernt und ich werde mich an die Spitze setzen. Wenn es sein muss, auch in einem Schlauchboot, aber vorzugsweise in einem Wasserfahrzeug, das für lange Strecken auf dem offenen Meer konstruiert wurde.«

»Ich werde es mit notieren«, sagte Isham. »Dem Commander ein Offshore-Boot zum Drogenschmuggel besorgen.«

»Ich meine es ernst. Ich werde mich nicht die ganze Überfahrt auf dem Liner verkriechen. Das ist Ihre Aufgabe, Jack.«

»Ich bleibe auf dem Liner.« Isham nickte. »Sie bekommen Ihr Schnellboot. Wenn wir eins in die Finger kriegen ...«

Isham trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und dachte nach. Er mochte Smith nicht besonders. Er hatte inzwischen gelernt, ihn zu respektieren, was bei ihrem ersten Aufeinandertreffen noch nicht der Fall gewesen war. Aber er konnte ihn nach wie vor nicht leiden.

Andererseits mochte er auch die Leute nicht, die für ihn arbeiteten und dabei nur einen Teil ihrer Aufgabe erledigten. Er gestand sich selbst keine Nachlässigkeiten zu. Er hatte den Job angenommen und erledigte ihn, seiner Meinung nach sogar verdammt gut. Er hatte darüber nachgedacht, dem Kerl auf subtile Weise einen Strick zu drehen, aber es war die Mühe nicht wert. Außerdem gab es keinen anderen Spielplatz für seine Ambitionen. Isham hatte mit den Jungs im Hole gesprochen, und die Wolf Squadron war offenbar die einzige Gruppierung ihrer Art, die sich weltweit formierte. Sie überwachten den Funkverkehr und beobachteten den Globus mit ihren Satelliten. Es gab nicht mehr viele Lebenszeichen. Zumindest kein intelligentes und zivilisiertes Leben. Der Kerl von der Satellitenüberwachung hatte versichert, dass er diesen Beruf schon seit über 20 Jahren ausübte und sich niemals hätte vorstellen können, dass die Welt signaltechnisch dermaßen finster werden könnte.

Das war zugleich die Antwort auf die Frage, die ihn derzeit am meisten beschäftigte. Die Flottillen würden nicht von selbst auf ein Speedboat stoßen, wenn die Lage sich nicht grundlegend änderte. Also musste er jemanden mit der gezielten Suche beauftragen ...

Er tippte in die Tasten und stellte eine Verbindung zur Boise her.

»Boise, ich brauche eine direkte Leitung zu Master Sergeant Doehler im Hole ...«

»Puerto de las Nieves«, sagte Doehler und blickte dabei auf einen seitlich angebrachten Monitor. »Ich hatte es früher schon bemerkt. Für Ihre Flottille, die sich östlich an der Küste vorarbeitet, ist es nicht weit dorthin. Quasi auf der anderen ›Straßenseite‹ vor Santa Lucía de Tirajana.«

»Wo genau?«, fragte Isham.

»Werfen Sie einen Blick aus Ihrem Fenster, Sir. Sie haben ja eins. Eine große Insel jenseits der Meerenge südöstlich von Santa Cruz de Tenerife. Etwa 40 Meilen östlich von Ihrer derzeitigen Position.«

»Okay. Buchstabieren Sie den Namen ...«

»Ich könnte Ihnen auch einfach eine E-Mail schicken ...«

»Wir steuern durch die Meerenge.« Lieutenant Chen deutete mit dem Daumen aus dem Bullauge. »Zu einem Ort mit dem Namen Puerto de las Nieves. Drei große Jachten und, was am wichtigsten ist, ein Speedboat.«

»Oooh«, staunte Sophia. »Wer bekommt das?«

»Ihr Vater. Er braucht es offensichtlich, um damit bei der Überfahrt in der Squadron herumzufahren. Tja ... Pläne ...«

»Nun, eins spricht definitiv für unsere Arbeit.« Sergeant Major Barney sah sich um. »Wir bekommen wirklich ein paar schöne Fleckchen Erde zu Gesicht.«

Puerto de las Nieves bedeutete übersetzt ›Hafen der Klippen‹. Hohe Steilküsten vulkanischen Ursprungs ragten 50 bis 100 Meter weit über das kristallklare Wasser.

»Ein ziemlich hinterhältiger Hafen.« Sophia biss sich auf die Unterlippe. »Nicht so sehr der Jachthafen, aber wenn man an diesen Vorsprüngen vorbeifährt, lauern da bestimmt ein paar fiese Felsen.«

»Wir halten auf den Fähranleger und den Innenhafen zu. Die First Division übernimmt den Innenhafen. Ich steige in ein RHIB und nehme mir die Untiefen vor. Könnte verzwickt werden. Second Division, Vorbereitungen einleiten, um den Fähranleger vom Hafendamm aus anzugreifen, Waffen auf das Meer gerichtet. First Division wechselt in Bereitschaft.«

»Wird wohl heute Nacht wieder dieses billige Gestampfe geben«, prophezeite der Sergeant Major.

»Ich kann mich ja mal umhören, ob jemand ein wenig Swing oder Jazz in der Sammlung hat, Sergeant Major«, erklärte Sophia bereitwillig.

»So verflucht alt bin ich auch wieder nicht, Ma’am«, grummelte Barney. »Aber wenn Sie schon Rock ’n’ Roll spielen, Ma’am, warum ist es dann kein richtiger Rock ’n’ Roll?«

»Haben Sie ein Beispiel?«

»Beatles. Rolling Stones. The Birds. Von mir aus sogar die Beach Boys oder Jimi Hendrix! Dieser moderne Krempel hat keine Seele, kein Herz!«

»Hätten Sie gern etwas Sahne auf Ihr Gejammer, Sergeant Major?« Sophia lachte schallend. »Wie können Ihnen die Rolling Stones gefallen, aber nicht Avenged Sevenfold? Unter anderem spielen sie besser Gitarre als Peter Frampton, und gegen einen modernen Drummer können die alten Knacker nie im Leben anstinken! Oder hören Sie sich bei Gelegenheit mal DragonForce an. Hinterher werden Sie bestimmt nicht länger behaupten, dass John Bonham da mithalten kann.«

»John Bonham, Ma’am, war ein verfluchtes Genie«, antwortete der Sergeant Major mit stolzgeschwellter Brust.

»Ich sage Ihnen was, Sergeant Major. Ich werde für unsere heutige Party eine Playlist zusammenstellen, die beide Extreme vereint. Danach unterhalten wir uns noch mal über das Thema.«

»Okay, Ma’am!«, brüllte der Sergeant Major über die Klänge von Through Fire and Flames hinweg. »Wie zum Teufel machen die das?«

»Meinen Sie die Gitarre oder die Drums?«, schrie Sophia zurück.

»Beides! Ich spiele Gitarre, aber das ist unmöglich!«

»Ich habe gehört, dass sie sich bei den Konzerten die Finger blutig spielen. Na ja, spielten. Wahrscheinlich sind sie alle tot. Ich hab das bei Guitar Hero aber auch schon geschafft!«

»Was zum Teufel ist ... egal. Wieder eins dieser bescheuerten Videospiele, stimmt’s?«

»Commodore.« Captain Wilkes salutierte. Er trug noch seine volle Montur und stand daher ›unter Waffen‹. »Das letzte Kreuzfahrtschiff ist geräumt. So ziemlich.«

»So ziemlich?« Steve salutierte zurück.

»Wir sind uns sicher, dass wir alle Überlebenden herausgeholt haben«, fuhr Wilkes fort. »Wir sind ebenfalls davon überzeugt, dass es Infizierte in den Kielräumen gibt. Ich bin ein Marine, Sir, aber ich möchte mich trotzdem dagegen aussprechen, meine Männer und Frauen in die Kielräume zu schicken, um ein paar CHUDs zu jagen.«

»CHUDs? Oh, ein neues Akronym?«

»Irgendwann hat man genug davon, sie pausenlos ›Infizierte‹ zu nennen, und Corporal Douglas weist uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hin, dass es sich nicht um lebende Tote handelt. Wir haben es mit ›Zetts‹ versucht, aber er ist uns auf die Schliche gekommen. Der Gunny hat ihm geraten, den Ball flach zu halten, aber mit dem neuen Ausdruck weiß jeder Bescheid ... ›Cannibalistic Humanoid Underground Dweller‹. Wie in dem gleichnamigen Trash-Film aus den 80ern. Sir, das Kreuzfahrtschiff ist geräumt, Sir.«

»Faith hat mal Zylonen vorgeschlagen. Captain, legen Sie Ihre Ausrüstung ab und ruhen Sie sich ein wenig aus. Das gilt doppelt für meine Tochter.«

»Ja, Sir. Sie ist eine echte Bereicherung, Sir. Sie strahlt eine unglaubliche Motivation aus und Motivation in Kombination mit ... einer angeborenen Wildheit legt noch eine große Schippe obendrauf, Sir. Wenn ich sie nur dazu bringen könnte, mal einen zusammenhängenden Satz von sich zu geben ...«

»Darüber unterhalten wir uns später, Captain. Drei Tage Urlaub für die Männer und Junior-NCOs. Entscheiden Sie selbst für die Officers. Wir müssen bei Gelegenheit noch besprechen, wie wir die Marines bei der Überfahrt für die Räumung einteilen. Aber das kann warten, bis Sie morgen nicht mehr so hundemüde sind.«

»Ja, Sir. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht mehr weiß, ob ich zuerst duschen, schlafen oder essen soll.«

»Abtreten, Captain.« Steve winkte ihn aus dem Zimmer. »Ich schlage vor, dass Sie dem Bett den Vortritt lassen.«

Nachdem der Captain gegangen war, nahm Wolf den Telefonhörer in die Hand.

»Funkspruch an alle Flottillen. Morgen Rückkehr nach Santa Cruz.«

»Ja, Sir.«

Er betätigte eine weitere Taste.

»Isham.«

»Die Marines sind fertig. Drei Tage. Setzen Sie das erste Planungsmeeting für morgen Vormittag an.«

»Geht in Ordnung. Ich werde die Boote durchzählen lassen. Ach ja, Ihr Speedboat ist im Anmarsch. Gern geschehen.«

»Oh Gott, was ist denn?« Faith schreckte zusammen, als es an der Tür klopfte. Sie hatte sich auf ihrem Bett ausgestreckt, zu müde, um ein Buch in die Hand zu nehmen. »Niemand da! Wir sind in Santa Cruz beim Shoppen!«

»Mach die Tür auf, Faith«, drängelte Sophia. »Ich war wirklich einkaufen.«

»Nun, es freut mich, dass du Zeit dafür gefunden hast«, brummelte Faith und stand langsam auf. »Warte kurz.«

»Ich hab Geschenke mitgebracht.« Sophia drückte sich an ihr vorbei. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«

»Du?«, nörgelte Faith. »Ich bin ausgepowert, klar?«

»Gut, ein Grund mehr, ins Spa zu gehen. Geht mir nicht anders. Ich sehne mich nach einem Whirlpool. Da ist ein neuer Badeanzug für dich drin.«

»Ich mag das Spa nicht, Schwesterherz. In Spas passieren üble Dinge.«

»Dieses Spa ist völlig harmlos. Da steht ein Whirlpool rum und es gibt einen Masseur namens Eduardo, der ist tierisch heiß. Los, schlüpf in den Badeanzug. Du hast zehn Minuten.«

»Und wieso bildest du dir ein, dass du mich herumkommandieren darfst? Ich kann und werde mich auf dein Gesicht setzen, bis du zu flennen anfängst.«

»Ich hab meinen Dienstgrad zwei Wochen länger als du, Faith. Und ich muss wohl nicht extra drauf hinweisen, dass ich viel klüger bin als du. Das sollte als Erklärung reichen. Zieh jetzt gefälligst den Badeanzug an. Ich bin gleich zurück.«

Faith packte den Beutel aus und betrachtete den Inhalt mürrisch. Dummerweise sah der Anzug wunderschön aus und sie wusste genau, dass sie darin eine tolle Figur machte.

»Ich hasse dich, Schwesterherz.«

»Wir durchqueren also gerade die malerische Stadt Puerto de las Nieves ...« Sophia trank einen Schluck Wein.

Faith musste zugeben, dass der Whirlpool der schäbigen kleinen Wanne in ihrer Kabine den Rang ablief. Und der Badeanzug saß wie angegossen.

»Wirklich malerisch. Ein hübsches Plätzchen. Kaum Infizierte. Noch keine Überlebenden, bisher. Wir haben uns nicht aufgeteilt, sind nur in einem Konvoi aus Fiats und Toyotas rumgekurvt. Du kennst das ja ... was sich eben auftreiben lässt.«

»Kenn ich, ja«, kommentierte Januscheitis und hob die Flasche Bier an die Lippen. »Ich nehme an, es ist nicht gut gelaufen?«

»Tja, wir hatten die Stadt geräumt. Die verdammten MG-Schützen haben die Infizierten bis zum Himmel gestapelt. Allerdings gab es noch zwei kleinere Nachbarstädte. Du weißt ja, wie diese Seemöwenschwärme Infizierte anziehen.«

»Wie Seemöwen das halt so tun«, fügte Lieutenant Volpe seinen Senf hinzu.

»Wir biegen also um eine Ecke, und da steht ... jetzt ohne Scheiß ... eine ganze Mauer aus Zombies.« Sophia nahm noch einen Schluck. »Ich fahr in einem winzigen Toyota RAV4 voran, Rusty zielt oben mit dem Singer durchs Schiebedach, und mir fällt nichts Besseres ein als ›Kurbelt die Fenster hoch!‹. Aus irgendeinem Grund kommt mir ›Feuer eröffnen!‹ gar nicht erst in den Sinn. Ich brüll also Folgendes: ›Kurbelt die Fenster hoch! Rückzug!‹ Und dann schreie ich ins Funkgerät: ›Kurbelt die Fenster hoch! Rückzug!‹ Und dann fällt mir plötzlich ein, dass oben aus meinem Schiebedach ein Kerl mit einem Maschinengewehr rausschaut, und das aus gutem Grund ...«

»Und da behaupte noch mal jemand, du wärst die Intelligente von uns beiden.« Faith schüttelte den Kopf.

»Hat er das Feuer nicht eröffnet, Ma’am?«, fragte Januscheitis nach.

»Kein Rang im Spa«, ermahnte ihn Faith. »Jan schuldet uns einen Vierteldollar. Außer wenn eine Fantastilliarde Zetts darin lauert. Dann geht der Rang in Ordnung.«

»Nein, er hat das Feuer nicht eröffnet.« Sophia ließ die Hand ins Wasser klatschen. »Denn der Sergeant Major hatte allen eine Heidenangst eingejagt. Außerdem, es war Rusty. Er ist nicht gerade der Cleverste. Ich stammle also so was wie ›Äh, Rusty?‹ – ›Ja, Ma’am‹ – ›Sie können das Feuer eröffnen.‹ – ›Oh, ich danke Ihnen!‹ Eigentlich war es nicht mal eine richtige Mauer. Nur so um die 20. Rusty hat so ziemlich alle erwischt. Den Bodenkampf und diesen Mist überlass ich euch Marines.«

»Das mit Specialist McGarity tut mir leid, Miss.« In Januscheitis’ Stimme schwang aufrichtiges Bedauern mit. »Er war ein guter Mann.«

»Das war er.« Sophia ließ sich einen Schluck Wein schmecken. »Himmelherrgott, passen Sie beim An-Bord-Gehen auf.«

»Ha!«, machte Faith auf sich aufmerksam. »Passen Sie besser auf, wo Sie in den Kielräumen hintreten. Ich glaub noch immer, dass Pag ihn geschubst hat.«

»Echt?« Sophia war es leid, ihren einzigen Verlust zu diskutieren. Sie vermisste Anarchy, und dieser Grund war so gut wie jeder andere, nicht weiter darauf einzugehen.

»Die Kielräume auf diesen Kähnen sind riesig.« Lieutenant Volpe breitete die Arme aus. »Ich glaube nicht, dass sie vorher schon mit Abwasser gefüllt waren, aber jetzt ist das so. Und mit Öl und gelegentlich findet man darin Zetts. Corporal Douglas hat es sich übrigens zum Ziel gesetzt, das Wort ›Zombie‹ aus unserem Wortschatz zu verbannen. Das ist keine Zombieapokalypse. Das sind keine Zombies. Das sind keine lebenden Toten und sie ernähren sich nicht überwiegend von Gehirn.«

»Der Gunny hat ihm gedroht, wenn er noch einmal hinter seinem Rücken mit den Augen rollt, will er sie ihm mit einem Löffel rausschaben und sie ihn aufessen lassen«, erzählte Januscheitis. »Das war unmittelbar nachdem der Gunny das Z-Wort in den Mund genommen hatte.«

»Es gab einen kleinen ›Zwischenfall‹ in den Frachträumen.« Faith grinste. »Sie hatten gerade erst eine Decksluke aufgestemmt, um den Bereich dahinter zu checken, da ist Derek ... ausgerutscht. Wobei, genauso gut kann ihm auch jemand einen Stoß in den Rücken verpasst haben.«

»Er hat sich nicht verletzt«, spielte Januscheitis die Sache herunter. »Er war einfach von Kopf bis Fuß mit Öl und Fäkalien verschmiert. Als er ins Wasser klatschte, wurde ihm das Zeug unter die Ausrüstung gespült. Und es stinkt bestialisch.«

»Seitdem hält er wegen der Sache mit den Zombies den Mund«, sagte Faith. »Gott sei Dank.«

»Ach, ich kann es kaum erwarten, endlich wieder auf einen Segeltörn zu gehen.« Sophia legte sich ins Wasser zurück. »Überlebende suchen, ein wenig angeln, ein paar kleine Boote räumen ... einfach den Autopiloten einschalten und losfahren!«

»Wir üben inzwischen, wie man von den Zodiacs aus an Bord geht«, meinte Faith. »Das machen wir wahrscheinlich, bis wir in der Hölle landen und von dort aus schon wieder auf dem Rückweg sind. Während du auf deiner Flybridge in der Sonne brutzelst.«

»Du kannst natürlich auch auf deinem Zodiac braun werden. Blöderweise wirst du dabei zu Tode geschüttelt. Viel Spaß.«

»Ich hasse dich. Ich hasse dich wirklich.«