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Wenn böse Männer aufeinandertreffen, müssen sich die guten verbünden. Andernfalls droht ihnen unweigerlich der Niedergang, von niemandem bedauert, in einem verachtenswerten Kampf.
Edmund Burke
Robert ›Rusty‹ Fulmer Bennett III. war keiner der Kerle, die einfach nur rumsaßen, wenn sie sich nützlich machen konnten. Doch er befand sich nach wie vor nicht in bester Verfassung.
Als er zusammen mit seinem Freund Ted an Bord des Kreuzfahrtschiffs Voyage under the Stars gegangen war, hatte er 152 Kilogramm gewogen, ohne Klamotten. Als ihn das Rettungsteam der Wolf Squadron aufgriff, war Ted längst zu einem Zombie geworden und Rusty wog nur noch 53 Kilo, über und über mit Dekubitalgeschwüren bedeckt, und hatte die meiste Zeit über bewusstlos in seiner verdreckten Schlafkoje gelegen. Bei einem Zwei-Meter-Riesen, der zur Fettleibigkeit neigte, boten 53 Kilo ernsthaft Anlass zur Sorge. Die einzige Krankenschwester, die Wolf bisher aufgetrieben hatte – auf einen Arzt konnten sie bislang nicht zurückgreifen –, bezeichnete sein Überleben als kleines Wunder.
Er befand sich also definitiv nicht in bester Verfassung, als er das Personalbüro der Wolf Squadron betrat. In den vier Wochen seit seiner Rettung hatte er rund neun Kilo zugelegt, nicht gerade viel. Für ein Muskelaufbautraining fehlte ihm die Kraft. Er war sich nicht sicher, ob er es als ›Räumungsspezialist‹ schaffen konnte, aber er brannte darauf, Zombies zu töten.
Er notierte seinen Namen auf dem Klemmbrett, nahm Platz, öffnete eine kleine Box mit Sushi und kaute schmatzend.
»Sie schaffen sich immer noch Gewicht auf die Rippen, was?«, fragte der Typ neben ihm.
»Ich hätte nie gedacht, dass mir Sushi mal schmeckt.« Bennett bot ihm eine der Rollen an. »Inzwischen schmeckt alles wie das beste Essen der Welt. Außer Hummus. Ich wäre schon glücklich, wenn ich nie wieder Hummus essen müsste.«
»Sie sollten mal die Augäpfel von Fischen probieren.« Der Mann nahm den Snack entgegen und nickte. »Mmmm ... Thunfisch ist viiiiel besser als roher Delfin. Brad Stevens.«
»Rusty Bennett. Eigentlich Robert Fulmer Bennett der Dritte. Aber alle nennen mich Rusty. Echt jetzt, Sie haben Flipper gegessen?«
»Nicht Flipper, ark, ark, ark. Ein deutlich kleineres Exemplar, das aber so ähnlich aussah. Hey, wenn man nichts anderes erwischt ... Es gab Zeiten, da hätte ich selbst die Rosette eines Delfins mit Kusshand verspeist.«
»Ich hätte die Rosette einer Rosette verspeist.« Rusty lachte.
»Sie sind dürr wie eine Bohnenstange. Wie viel Gewicht haben Sie verloren?«
»90 Kilo. Ich war ein ziemlicher Koloss, als wir eingeschlossen wurden.«
»Oh.« Stevens zuckte zusammen. »In einer der Kabinen auf der Voyage?«
»Richtig. Das ist einer der Gründe, warum ich etwas beitragen möchte. Jedes Mal, wenn ich in eine verdammte Kabine gehe, hab ich Angst, dass sich hinter mir die Tür schließt und nie wieder aufgeht.«
»Und ich dachte, ich sei schon abgemagert. Ich fass es nicht, dass man Sie zur Arbeit eingeteilt hat.«
»Hat man nicht. Ich bin aus eigenem Antrieb hier. Mir kann ja kaum was Schlimmeres passieren, als dass sie mich wieder wegschicken ...«
»Stevens ...?«
»Sie sind nach wie vor in ziemlich schlechter Verfassung, Mr. Bennett.« Die Lady musterte ihn tadelnd. Wie die meisten Frauen, die er zu Gesicht bekommen hatte, war sie schwanger.
»Ich möchte mich wirklich gern nützlich machen«, erwiderte Rusty. »Und ich muss aus dieser elenden Kabine raus, Ma’am. Ich habe Albträume, dass die Tür nicht mehr aufgeht.«
»Ich habe diesen Job auf der Grace angenommen, weil es das größte Schiff ist, das ich finden konnte.« Ein Lächeln trat auf ihre Lippen. »Stellen Sie sich einen Albtraum vor, in dem Sie mitten in einem Tropensturm auf einer Rettungsinsel stranden und an Schwangerschaftsübelkeit leiden, während Sie gleichzeitig verhungern.«
»Verstanden, Ma’am. Ich bin handwerklich begabt. Aber ich bin kein Mechaniker oder so was in der Art. Ich kann schießen. Ich hab mein ganzes Leben lang geschossen. Und ich will gegen Zombies kämpfen, Ma’am.«
»Sie werden die medizinischen Anforderungen, die an das Räumungspersonal gestellt werden, niemals erfüllen. Man muss bei der Räumung Unmengen von Ausrüstung mit sich rumschleppen.«
»Ich habe von einer 13-Jährigen gehört, die das schafft, Ma’am«, widersprach Rusty. »Wenn sie das kann ...«
»Sie dürfen Shewolf nicht mit einem normalen 13 Jahre alten Mädchen vergleichen.« Die Frau musste unwillkürlich lachen. »Sie haben das Video noch nicht gesehen, stimmt’s?«
»Nein, Ma’am«, gab Rusty zu. »Ich bin noch nicht rumgekommen, nicht viel.«
»Wenn Sie in die Lounge kommen, finden Sie wahrscheinlich jemanden, der es Ihnen zeigt. Shewolf war die erste Person, die bei der Voyage an Bord ging. Sie hätte es nicht tun sollen, aber so ist es nun mal gelaufen. Die Dallas hatte einige der Zombies mit dem Maschinengewehr umgenietet, aber als sie hochgeklettert ist, sind noch mehr davon aufgetaucht. Sie ist trotzdem über die Reling geklettert. Ein Marine hat sie begleitet, in etwas besserer Verfassung, als Sie es gerade sind ... nicht viel, aber ein wenig. Der Mann sollte ihr folgen, kam aber die Sturmleiter nicht hoch. Das ist einer der Gründe, warum das Räumungspersonal in bestmöglicher körperlicher Verfassung sein sollte. Momentan sind die meisten Kopien ... Kennen Sie den Song von Chumbawamba? ›I get knocked down, but I get up again ...‹?«
»Schon mal gehört. War aber eher vor meiner Zeit.«
»Sehen Sie sich das Video an.« Die Frau sah auf ihren Bildschirm. »Da Sie wissen, dass sie überlebt hat, war das gerade ein Spoiler. Nun ja ... Sie können Schwester Schoenfeld natürlich überreden, Ihnen eine Freigabe zu erteilen. Ich schlage allerdings zunächst eine leichtere Aufgabe für Sie vor. Ich schätze, Sie sind kein Fan von engen Räumen ...«
»Es macht mir nichts aus, solange ich weiß, dass sich die Tür am Ende wieder öffnet, Ma’am.«
»Wenn man auf einem kleinen Boot ist, laugt einen das körperlich aus, aber wir brauchen Leute dafür. Dazu sind nicht viele Menschen bereit, weil man auf den kleinen Kähnen ordentlich durchgeschüttelt wird. Aber ...«
»Ma’am. An der frischen Luft auf einem kleinen Boot ... Das klingt himmlisch, Ma’am.«
»Haben Sie einen stabilen Magen?«
»Äh, ja ... ziemlich stabil.«
»Ich trag Sie in die Liste ein.« Sie ließ den Zeigefinger entschlossen auf die Tastatur krachen. »Da Sie keine besonderen Fähigkeiten vorweisen können, die derzeit dringend gebraucht werden, haben Sie eine Woche Zeit, es sich zu überlegen. Danach können Sie entweder die Boote schrubben oder sie kommen zu den Lahmen und Faulenzern in den Frachtraum. Zu denen, die nicht helfen wollen.«
»Boote schrubben?«, wunderte sich Rusty.
»Na, irgendjemand muss doch die Boote reinigen, die von den Zombies verwüstet wurden.«
»Ich will nicht schon wieder ein Boot putzen.« Sophia blieb stur. »Ich hab das schon hinter mir. Lieber werd ich auf einem Zehn-Meter-Kahn durchgerüttelt.«
Sophia ›Seawolf‹ Smith gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Wolf Squadron. Trotz ihrer 15 Jahre zählte sie bereits zu den Anteilseignern und nicht zum untergeordneten Personal. Außerdem war sie als Bootsführerin der zehn Meter langen Worthy Endeavor ein Mitglied des Kapitänsgremiums. Der Kahn war in den vergangenen sechs Monaten auf See ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden, zuvor hatten sich bereits die Zombies darüber hergemacht. Aber trotzdem war es ihr Boot.
»Musst du nicht«, beruhigte sie Fred. »Vor allem du musst das nicht.«
Fred Burnell diente als Vessel Preparation and Assignments Officer auf der Grace Tan. Das gewaltige Versorgungsschiff hatte offene Decks in der Mitte und am Heck. Dort lagen vier Cabin-Cruiser-Jachten vor Anker, zur Wartung und in verschiedenen Stadien der Reparatur und Umrüstung. Da sie sich allesamt in fahrbereitem Zustand befanden, lag das Hauptaugenmerk darauf, sie zu reinigen.
»Die Zeiten ändern sich«, seufzte Burnell. »Wir haben jetzt Teams, die sich darum kümmern. Aber die Zehn-Meter-Jachten werden ausgemustert. Sie sind einfach zu klein und verfügen über eine zu geringe Reichweite.«
»Nun, was kommt auf mich zu?«, wollte Sophia wissen.
»Du erkennst mich nicht wieder, oder?« Burnell hatte den Ansatz eines Lächelns im Gesicht.
»Nein.« Sophia runzelte die Stirn. »Tut mir leid. Sollte ich?«
»Nein. Ich denke, wenn man einen Schiffbrüchigen gesehen hat, kennt man alle. Die Endeavor hat mich aus einem kleinen Schlauchboot gefischt. Sagen wir einfach mal, ich schulde dir was, auch wenn du nichts mehr davon weißt. Da draußen wartet eine ausgesprochen schöne 20 Meter lange Hatteras Custom auf dich. Die Zombies haben sie nicht allzu sehr rangenommen. Es hielten sich nur einige unter Deck auf. Die Reparaturen sind fast abgeschlossen. Gute Motoren, wenig gefahren ...«
»Ich weiß das zu schätzen. Tut mir leid, wenn ich eben etwas unfreundlich zu dir gewesen bin.«
»Kein Problem. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich war, als damals das Nebelhorn getrötet hat. Oh, du brauchst zwei Leute für die leichten Räumaktionen und Deckarbeiter. Ist ein größerer Kahn.«
»Dann werd ich wohl schnorren gehen müssen. Was passiert bis dahin?«
»Unterstützung für die Räumung der Iwo Jima. Ich schätze, du weißt, wie das geht.«
»Hoffentlich besser als bei der Voyage.«
»Okay, okay, echt jetzt?« Faith ›Shewolf‹ Smith war erst 13, aber schon genauso groß wie ihr Vater. Mit fast 1,80, einem schlanken Körper und der Statur eines weiblichen Bodybuilders klebte ihr das blonde Haar in der sengenden Hitze klatschnass am Hals.
»Das sagst du oft«, stellte Sergeant Thomas Fontana fest.
Der 32 Jahre alte schwarze Special Forces Sergeant hatte sie lieb gewonnen ... Na ja, man konnte sie nicht gerade seinen Schützling nennen, nachdem sie ihm die Feinheiten des Nahkampfs gegen die Infizierten beigebracht hatte. ›Partner‹ war der passendere Ausdruck, und doch fiel es ihm schwer, mit einer 13-Jährigen zusammenzuarbeiten, selbst wenn sie noch so gut Zombies tötete.
»Der Mittelteil dieses Schiffes fehlt.« Faith zeigte darauf. »Da ist ein riesiges klaffendes Loch in der Mitte des Rumpfs. Unterhalb der Wasserlinie!«
Die Vierergruppe musterte die USS Iwo Jima, einen Amphibious Assault Carrier mit den Abmessungen eines Flugzeugträgers aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Kombination aus Flugzeugträger, Truppentransporter und Schwimmdock war, wenn auch nicht so gewaltig wie die Voyage under the Stars, doch enorm groß. Vor allem, wenn man von der Wasserlinie aus in das höhlenartige Tiefdeck blickte.
»Da fehlt nichts«, erklärte Fontana. »Da kann gar nichts fehlen, weil da nie etwas war.«
»Das ist das Brunnendeck.« Ihr Vater, Steve John Smith, war 1,83 Meter groß, hatte sandblondes Haar und einen drahtigen Körper. Er war zwar auf dem Papier der Commander der Wolf Squadron und sogar von der U. S. Navy dazu bestimmt worden, nahm aber trotzdem an den Räumungsaktionen teil. Es gab nur vier Personen für die schwierigeren Einsätze, und er besaß Talent dafür. Außerdem polierte es sein Image auf, und bei dieser Schwadron waren starke Persönlichkeiten gefragt. »Offenbar legen hier die Landungsboote an und ab.«
»Das macht es nicht weniger bescheuert. Die fluten das Schiff mit Wasser? Das ist doch total idiotisch.«
»Die gute Nachricht ist, dass das Brunnendeck offen ist«, meinte ihr Vater. »Wir müssen keine Sturmleiter bis zum Flugdeck raufklettern.«
»Das Tor achtern wurde heruntergelassen, als wir das Schiff verließen, Sir«, merkte Lance Corporal Joshua ›Hooch‹ Hocieniec an.
Hocieniec komplettierte den Vierertrupp, der erst kürzlich die Räumung des Kreuzfahrtdampfers Voyage under the Stars abgeschlossen hatte, dem zweitgrößten Super Cruise Liner der Welt. Größer als jeder andere Passagierdampfer der Geschichte, konnte man ihn am besten als schwimmendes Disneyland oder einfach nur als gigantischen Riesenkahn beschreiben. Die Iwo Jima war ebenfalls imposant, aber sie war zum Glück nicht die Voyage. Die einzigen Schiffe auf dem Meer, die die Voyage an Größe übertrafen, waren Supertanker, bei denen es nur relativ kleine Bereiche gab, in denen sich Zombies einnisten konnten. Und die Supercarrier. Die Militärs aus dem Jackson Hole in den Rocky Mountains hatten hinter vorgehaltener Hand angedeutet, dass sie gern einen von denen geräumt sähen. Steve hatte ihnen diesbezüglich eine glatte Abfuhr erteilt: »Nicht bevor wir deutlich mehr Marines haben.«
Hocieniec war der einzige Überlebende der Iwo, den sie bisher aufgelesen hatten. Da draußen gab es sicherlich noch mehr, aber auf allen Rettungsinseln des amphibischen Angriffsschiffs, die ihnen untergekommen waren, hatten sie lediglich Leichen vorgefunden. Die wenigen Menschen, die sie von der Voyage als potenzielle Verstärkung aufgenommen hatten, befanden sich weiterhin in viel zu schlechter Verfassung, um ihnen eine Hilfe zu sein. Mit etwas Glück stießen sie irgendwann auf weitere lebende Marines. Es hatte sich herausgestellt, dass Menschen enorm erfinderisch waren, wenn es nur die kleinste Chance aufs Überleben gab.
»Da, schaut mal.« Faith deutete nach vorn. »Ein Begrüßungskomitee.«
Zombies waren bei Weitem nicht so erfinderisch. Aber relativ unverwüstlich. Offenkundig brauchten sie nur frisches Wasser. Das stand auf dem Meer nur in begrenztem Umfang zur Verfügung, wobei ihre Vorstellung von ›frisch‹ in etwa der eines Hundes entsprach. Und wenn einer von ihnen aufgrund der Verunreinigungen starb, nun ja, dann fraßen ihn die restlichen Infizierten einfach auf.
Darum warteten mindestens 30 Zombies auf dem Deck eines Hovercrafts, das sich im Schiff befand, auf sie. Dummerweise ziemlich genau die Richtung, die sie einschlagen mussten. Zum Glück war das Achterdeck unten und das Meer ruhig. Sehr ruhig.
Sie hatten die Iwo Jima absichtlich in den Rossbreiten der Sargassosee ›geparkt‹. Die Sargassosee – das einzige Meer, das nicht an Landmassen angrenzte – war von den verschiedenen Strömungen des Nordatlantiks umgeben, jedoch nicht von ihnen beeinflusst. Die Rossbreiten waren im Gegensatz dazu eine Zone, in der stets wenig bis gar kein Wind wehte und in der äußerst selten Stürme aufzogen. Aufgrund der beständigen Ruhe hatten sie frühere Forscher als Fluch empfunden. Die Bezeichnung ›Rossbreite‹ verdankten diese Gefilde dem Umstand, dass man dort notfalls seine Pferde aufessen musste, um nicht zu verhungern.
Dieser Fakt verlieh der Region im Zusammenspiel mit der sie umschlingenden Golftangente ihren Namen, und das bedeutete, dass das Angriffsschiff dort bleiben würde. Außer den winzigen Wellen, die von entfernten Stürmen verursacht wurden, war das Gebiet überwiegend ruhig – eine willkommene Abwechslung nach dem Sturm, den sie bei den Bermudas hinter sich gelassen hatten.
Seit sie Kontakt zum Hole in Omaha hatten, dem ›Center for Strategic Armaments Control‹, wusste die Wolf Squadron, dass die meisten Überwasserschiffe der Navy sowie ein Großteil der bedeutenden kommerziellen Wasserfahrzeuge vorübergehend ›geparkt‹ worden waren. Die Machthaber hatten vor dem Niedergang die Auffassung vertreten, dass sie sich auf diese Weise unmöglich oder zumindest nur schwer finden ließen und nicht von Orkanen oder anderen Stürmen davongeblasen werden konnten. Die kommerziellen Schiffe hatten sich überwiegend in die normalerweise nicht befahrenen Gewässer zurückgezogen, um der Seuche aus dem Weg zu gehen und möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Soweit sie wussten, hatte die Seuche fast alle erwischt.
Am Horizont wartete ein Supertanker voll mit Rohöl aus Liberia. In der üblicherweise verlassenen Zone tummelten sich unzählige Schiffe mit H7D3-Infizierten.
»Wisst ihr«, sinnierte Faith, »wenn wir das Teil zum Laufen bringen, müssen wir es in Galactica umtaufen, klar?«
»Aua.« Fontana grinste. »Massenhaft Geek-Punkte.«
»Wie bitte?«, wunderte sich Hooch.
»Warte mal«, plapperte Faith dazwischen. »Werden aus den Infizierten dann ... wie hießen die noch? Zylonen?«
»Oh Mann!« Fontana prustete los.
»Bei allem gebührenden Respekt, Staff Sergeant ...« Hocieniec kratzte sich am Kopf. »Wovon zum Teufel redet ihr?«
»Soll ich die Zylonen mit meiner Barbie-Knarre wegpusten?« Faith fuchtelte mit ihrem USCG M4 herum.
Faith mochte das M4 nicht. Der Name Barbie-Knarre war eine Beleidigung, kein Kompliment. Sie mochte auch keine Barbiepuppen, und zwar nur aus dem schlichten Grund, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser Puppe aufwies. Am meisten hasste sie beim M4 die verwendete Munition, die Nato-Vollmantelgeschosse vom Kaliber 5,56 Millimeter.
Es kursierte eine Legende beim Militär, dass man die 5,56er entwickelt hatte, um den Gegner zu verletzen, um dem Feind eine größere logistische Last aufzuerlegen. Die Wahrheit war, dass es sich dabei um ein leichtes Projektil mit hoher Geschwindigkeit handelte, das dem M16, dem Vorgänger des M4, offenbar die Fähigkeit verlieh, im Vollautomatik-Modus exakt zu treffen. Das geringe Gewicht der Kugel ermöglichte es Infanteriesoldaten zudem, mehr Munition bei sich zu führen und sie leichter in großen Mengen an Kampfschauplätze zu transportieren. Und ja, sie verursachte keinen Overkill wie die 308er des M14 und unterschied sich deutlich von der rohen Gewalt eines .30-06 im Zweiten Weltkrieg. Nach Auffassung der auf Technologie fixierten Flachwichser aus dem Verteidigungsministerium und der Generäle der Vietnam-Ära richtete sie gerade genug Schaden an.
Faiths Meinung zu diesem Thema ließ sich mit einem Satz aus einem Online-Comic zusammenfassen, den sie vor der Seuche gern gelesen hatte: »Es gibt keinen Overkill. Es gibt nur ›Feuer eröffnen‹ und ›Ich muss nachladen‹.« Die erste Waffe, die sie zur Zombieräumung verwendet hatte, war eine sogenannte Saiga gewesen, eine Variante der AK47, die Schrotflintenkugeln im Kaliber 12 verschoss. Ein Zombie, der damit getroffen wurde, stand nicht mehr auf. Wenn ihr das Magazin ausging und sie keine Zeit zum Nachladen hatte, wechselte sie zu ihrer Heckler & Koch .45 USP. Zombies, die von einer .45 ACP getroffen wurden, standen ebenfalls selten wieder auf. Und dann gab es da noch ihre AK-Spezialanfertigung, die mit der ursprünglichen 7,62x39-Millimeter-Munition bestückt wurde – ebenfalls ein passabler Zombiekiller.
Bis sie eines Tages, noch vor der Räumung eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt, aus Mangel an Nachschub auf die M4s mit den 5,56-Millimeter-Geschossen zurückgreifen mussten, die sie von einem Cutter der Küstenwache geplündert hatten. Da legte ihr für gewöhnlich sonniges Temperament eine Talfahrt ein. Sie konnte es überhaupt nicht leiden, Zombies vier- oder fünfmal treffen zu müssen, ehe sie endgültig niedergestreckt waren und reglos auf dem Boden liegen blieben.
»Wir könnten aber auch ... na ja ... ein Maschinengewehr benutzen«, schlug Fontana vor.
»Nein. Davon haben wir nur etwa 30 Stück. Fahrt die Toy rückwärts an diesen Pott ran, und dann schießen wir sie nacheinander ab«, erklärte Faith.
»Ich dachte, du magst Maschinengewehre?«
»Die ganze Sache mit der Gurtzuführung ist so altmodisch. Ich bin immer noch davon überzeugt, es handelt sich um einen Konstruktionsfehler, dass man den Abzug loslassen muss.«
»Wir arbeiten an einigen, bei denen das nicht mehr der Fall ist«, sagte Steve.
»Wie denn? Ich meine, das geht doch nur mit Kühlmittel und ...«
»Kühlmittel.« Steve nickte. »Ich habe eine Werkstatt auf der Grace auf ein wassergekühltes Browning angesetzt.«
»Die Ummantelung wird eine Heidenarbeit«, fachsimpelte Hocieniec. »Und die Sache mit der Pumpe ...«
»Seit dem Ersten Weltkrieg hat sich die Technologie erstaunlich weiterentwickelt, Hooch. Stell dir gespulte Kupferrohre und eine Elektropumpe vor. Darüber unterhalten wir uns später. Schießen wir sie mit gezieltem Feuer ab oder mähen wir sie mit dem 240er nieder? Die Querschläger machen mir wie immer am meisten Sorgen. Wenn wir das 240 einsetzen, wird es selbst bei diesem leichten Wellengang eine Menge Querschläger geben.«
»Wir könnten bei der Dallas anfragen, ob sie das noch einmal für uns erledigen«, schlug Faith vor.
»Das ist gar keine so schlechte Idee.« Steve dachte darüber nach. Der Schiffskörper des U-Boots bestand aus dickem, hochfestem Stahl, den kleine Feuerwaffen kaum durchschlagen konnten. »Dallas? Ihr hört wie immer mit?«
»Wolf, die Dallas hört euch.«
»Wir haben mal wieder ein Zombieproblem beim An-Bord-gehen. Haben Sie Lust auf eine kinetische Räumung?«
»Wir haben keine 7,62er mehr, Wolf. Bleibt dran ...«
»Wir warten.«
»Sie haben damals die Ladung für uns abgesetzt«, erinnerte Fontana. »Weißt du noch?«
»Wenn das während der Räumung der Voyage war, lautet meine Antwort: Ich kann mich nur verschwommen daran erinnern.«
»Wolf, die Boise kommt zu euch. Dauert etwa 20 Minuten. Ihr solltet vielleicht eure Boote aus der Umgebung abziehen.«
»Roger«, bestätigte Steve. »Squadron Ops, ist das angekommen?«
»Roger, Commodore. Geben wir weiter.«
»Zieht sie seitlich weit zurück«, befahl Steve. »Am besten etwa fünf Meilen. Stacey!«
»Bin schon unterwegs!« Stacey Smith gab auf der Tina’s Toy Vollgas und entfernte sich vom angreifenden Schiff.
»Okay.« Fontana rieb sich die Hände. »Die Dallas stand die ganze Zeit über mit uns in Kontakt. Dann hat die Charlotte den Cutter der Küstenwache abgeschleppt. Und jetzt stellt sich heraus, dass die Boise in Reichweite wartet. Wie viele schnelle Angriffs-U-Boote umkreisen uns eigentlich?«
»Die zunehmende Stationierung nuklearer Wasserfahrzeuge in diesem Sektor beweist mir, dass Sie Zugang zu Impfstoff haben!«
General Marshall Sergei Kazimov war der leitende Kommandant der Russian Strategic Forces oder – wie er selbst häufig betonte – der gesamten Sowjetunion. Außerdem drohte er unverhohlen damit, »alle amerikanischen Städte in Schutt und Asche zu legen«, wenn die »abtrünnigen Streitkräfte der angelsächsischen Hemisphäre« nicht unverzüglich seine »gesamten Mannschaften« impften.
Jedes Mal, wenn er den Begriff ›nukleare Wasserfahrzeuge‹ in den Mund nahm, musste sich Frank Galloway, seines Zeichens National Constitutional Continuity Coordinator, zusammenreißen, um nicht hysterisch loszukichern. Der General konnte das W einfach nicht vernünftig aussprechen.
»Mr. Smith hat erklärt, dass er über weniger als 40 Dosen Primer und Booster verfügt. Die begrenzte Anzahl unserer Navy-Truppen, die das Impfverfahren und die Quarantäne durchlaufen haben, bestätigt diese Aussage.« Galloway betonte das nicht zum ersten Mal. Wenn man mit den Russen verhandelte, lief es immer so ab. Man wiederholte die Wahrheit so lange, bis sie einlenkten oder sich die Faktenlage änderte. »Unsere nuklearen Asserfa... Wasserfahrzeuge in diesem Gebiet erfüllen lediglich den Zweck, die Wolf Squadron bei den Räumungsoperationen zu unterstützen.«
»Sie lügen!«, brüllte Sergei. »Wolf lügt!«
»Ich wünschte, das täte er.« Galloway seufzte. »Ich wünschte, er könnte sofort mit der Herstellung des Impfstoffs beginnen. Solange er nicht über mehr Räumungspersonal verfügt und einen Landstützpunkt mit den geeigneten Apparaturen räumen kann, ist das allerdings ein Ding der Unmöglichkeit ...«
»Sie werden uns mit Impfstoff versorgen oder ich werde Sie zur Hölle jagen!«
»Und wir werden Vergeltung üben.« Galloway unterdrückte einen weiteren Seufzer. »Mit dem, was wir noch haben. Das ist übrigens viel, viel mehr als das, was Sie noch haben. Sie werden tot sein, ich könnte tot sein. Es wird dann radioaktives Ödland geben, dort, wo einst Städte gewesen sind, in denen nicht infizierte Menschen lebten. Was bringt das? Konzentrieren wir uns lieber auf die eigentlichen Herausforderungen. Wolf ist aktuell unsere einzige Chance, die Welt wieder in einen lebenswerten Zustand zu versetzen.«
»Danke, Boise«, funkte Steve zurück.
»Gern geschehen, Wolf Squadron«, gab der Kommandant der Boise zurück. »Greifen Sie gern auch bei künftigen Räumungsanforderungen auf unsere Dienste zurück.«
Das Team hatte die Ausrüstung angelegt, während die Boise die Zombies aus der Distanz mit ihrem M240 umgemäht hatte. Jetzt näherten sie sich dem Brunnendeck des Angriffsschiffs in einem Schlauchboot mit Mittelkonsole.
Das Equipment spielte bei Auseinandersetzungen mit Zombies eine entscheidende Rolle. Kampftruppen hielten sich in der Regel bereits für ausreichend gerüstet, doch die ›biologische Räumung unter extremen Gefahren im Nahkampf‹, wie es im Army-Sprech hieß, stellte die Beteiligten vor ganz besondere Herausforderungen.
Jeder der vier trug mehrere Schichten Kleidung übereinander, Feuerwehr-Bunkerausrüstung, Atemschutzgeräte, Helme und so viele Waffen und Räumungswerkzeuge, dass es grotesk angemutet hätte, wären sie nicht schon mehr als einmal als unentbehrlich in Erscheinung getreten. Es gab keinen Quadratzentimeter ungeschützte Haut, in den man auf irgendeine Weise hineinbeißen konnte. Sie schwitzten und mühten sich damit ab. In den Rossbreiten herrschte besonders große Hitze, weil sie sich direkt in der tropischen Zone befanden.
Es bedeutete außerdem, wie Faith und Hooch bereits unter Beweis gestellt hatten, dass sich die Zombies wie ein Rudel Hunde auf einen stürzen konnten und man trotzdem weiterkämpfen konnte. Besonders Faith vergrößerte ihre Sammlung an Stichwaffen ständig, wenn sie bei einem Einsatz auf ein gutes Messer stieß.
»Jeder prägt sich ein, wo wir angelegt haben.« Faith verließ das Schlauchboot.
»Jeder denkt daran, etwas zu trinken«, fügte Fontana hinzu. »Und warum darfst du schon wieder als Erste an Bord gehen?«
»Ich sehe halt am besten aus. Kommt ihr jetzt, oder was?«
»Faith, wir müssen dir dringend beibringen, dich wie eine Lady auszudrücken.« Fontana lachte.
»Oha, da lebt noch einer.« Ein Zombie kam über den Laufsteg auf Faith zugewackelt. Sie feuerte, verfehlte ihn und schoss noch einmal. Die zweite Kugel traf den Untoten, aber er geriet lediglich kurz ins Stolpern und wankte danach weiter in Faiths Richtung.
»Dämliche Barbie-Knarre ...!«