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Ich, [Name], schwöre hiermit feierlich (oder bestätige), mich an die Verfassung der Vereinigten Staaten zu halten und sie gegen alle Feinde zu verteidigen, im Inneren wie im Äußeren. Dass ich ihr wahren Glauben bezeuge und Treue schwöre. Dass ich diese Verpflichtung aus freiem Willen leiste, ohne geheimen Vorbehalt oder Absicht der Umgehung. Und dass ich die Aufgaben der Behörde, der ich beitrete, gut und treu erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe.
Diensteid der United States Uniformed Services
»Also, Captain, was jetzt?« Galloway, der NCCC, hatte seine Finger zu einem nach oben geschlossenen Dreieck zusammengelegt. Steve fühlte sich dabei unweigerlich an Dr. Evil aus den Austin Powers-Filmen erinnert.
Die Räumung der Iwo Jima war abgeschlossen. Sie hatten 43 Angehörige der Flotte und 16 Marines gefunden, wobei Gunny Sands und Lieutenant Volpe die dienstältesten waren. Es gab zwei Navy Full Lieutenants, darunter Pellerin, und Angehörige verschiedenster anderer Dienstränge. Keine Chiefs. Die Rangältesten waren drei PO1s. Keine Piloten, ein paar Luftfahrt-Besatzungsmitglieder, sowohl Marines als auch Navy.
Es waren nicht gerade viele, wenn man sich vor Augen führte, dass die komplette Besatzung ursprünglich aus 1200 Navy-Mitgliedern und fast 2000 Marines bestanden hatte.
»Es gibt verschiedene Optionen, Sir«, antwortete Steve. »Soll ich meine Pro-und-Kontra-Argumente darlegen oder einfach meinen favorisierten Plan schildern?«
»Der wichtigste Punkt ist der Impfstoff«, stellte Galloway klar. »Die U-Boote schlagen sich ... überraschend gut. Aber sie werden nicht unbegrenzt einsatzfähig bleiben.«
»Die Besatzungen der U-Boote nehmen in meinen Überlegungen eine bevorzugte Stellung ein, Sir. Es gibt eine ganze Reihe von Materialien, die wir für die Impfstoffherstellung benötigen. Das haben wir schon diskutiert, ich weiß. Dafür ist Guantanamo Bay mein bevorzugtes Ziel. Die Krankenstation der Basis sollte laut den uns vorliegenden Unterlagen und Berichten von Überlebenden über die notwendigen Geräte und Utensilien verfügen. Mit der Ausrüstung in Gitmo können wir den Impfstoff hoffentlich produzieren.«
»Sie wollen also nach Gitmo?«, hakte Commander Freeman nach.
»Vorerst würde ich lieber davon Abstand nehmen, Commander. Der Hauptgrund ist die anhaltende Anfälligkeit meiner Truppen bei einem Sturm. Ich verfüge fast ausschließlich über kleinere Schiffe. Obwohl die Crews eine Menge Erfahrung auf dem offenen Meer gesammelt haben, bin ich nicht davon überzeugt, dass sie etwa einem Wirbelsturm gewachsen sind. Auf dem offenen Meer kann man versuchen, ihm auszuweichen, aber ...«
»Ich bin ein Naval Officer«, versetzte Freeman trocken. »Ich bin mir der Naturgewalten des Ozeans bewusst, Captain, und auch der Launen von Wirbelstürmen. Bei allem Respekt.«
Zwischen ihnen herrschte ein angespanntes Verhältnis. Freeman war noch kein Kapitänsamt verliehen worden, technisch gesehen handelte es sich bei ihm allerdings um den Chief of Naval Operations – und damit um Steves Vorgesetzten.
»Das sind in der Kurzfassung meine Argumente gegen eine Reise nach Gitmo, Mr. Under Secretary. Ich weiß, dass meine U-Boot-Crews langsam verhungern. Andererseits betreiben sie erfolgreichen Fischfang und bekommen eine ausreichende Vitaminzufuhr, um vorläufig einer Mangelernährung vorzubeugen. Ich sorge mich vor allem um die, bei denen entscheidende Systeme ausgefallen sind und die jetzt vor dem Ufer einsamer Inseln liegen. Vor allem dort, wo häufig Tropenstürme aufziehen. Ich wollte zu einem späteren Zeitpunkt mit den U-Boot-Kapitänen und Commander Freeman ein Brainstorming zu diesem Thema durchführen.
Aber zurück zu meinem schwerwiegendsten Grund: Ich möchte die Squadron ungern einem Orkan aussetzen. Die Saison ist Ende November vorbei. Dann stellt die Fahrt nach Gitmo diesbezüglich kein Problem mehr dar und wir können dort eine Räumungsoperation in die Wege leiten. Das sind nicht einmal mehr zwei Monate. Ich werde mir einen Überblick verschaffen, welche Boote wahrscheinlich nicht mehr so lange durchhalten, und für diese über andere Optionen entscheiden. Mein aktueller Plan sieht eine Neuausrichtung für eine dynamische Erkundung auf dem Meer sowie Räumungs- und Rettungsoperationen in Bereichen mit wenig Stürmen und die Erprobung der Räumungsverfahren von Küstenzonen vor, nachdem das Personal neu eingeteilt wurde ...«
»Schöne Uniform, Schwesterherz«, lobte Sophia.
Faith trug Marine-Pattern-Camouflage, das Soldaten liebevoll sowohl als MarPat als auch als MarCam bezeichneten. Außerdem trug sie einen Beutel mit Ersatzkleidung bei sich.
Die No Tan Lines war wieder in die Main Squadron eingereiht worden, um technische Wartungsarbeiten durchzuführen und die Vorräte aufzufrischen. Aktuell herrschte daran allerdings kein Mangel. Wenn überhaupt, würden sie eher etwas abladen. Die Flottille hatte den Angebotsüberschuss auf den Versorgungsschiffen gebunkert. Ihre ›guten Sachen‹ gab Sophia allerdings nicht freiwillig ab.
»Danke.« Faith warf Sophia den Beutel zu. »Für dich.«
»Für mich?« Der Beutel war proppenvoll.
»Wir haben den offiziellen Wink des CO der Alex erhalten, dass wir dir eine Uniform heraussuchen sollten. Ich wurde damit beauftragt, im Uniformlager der Iwo nach deiner Größe zu schauen. Es sind auch Einsatzstiefel drin. Dann erhielt ich einen inoffiziellen Hinweis, dass du ein bestimmtes Kleidungsstück künftig etwas seltener tragen solltest. Du hast wohl getan, was dir möglich war, um zur Steigerung der Moral auf den U-Booten beizutragen, was, Schwesterchen?«
»Oh.« Sophia schnaubte. »Diese glühenden grünen Bastarde!«
»Trau keinem Mann auf einem U-Boot.« Faith kicherte.
»Wie war’s bei dir?« Sophia winkte sie zu sich heran.
»Prima. Annähernd jedenfalls. Es macht irgendwie Spaß, den Marines in den Hintern zu treten.«
»Du trittst Marines in den Hintern?« Paula wurde neugierig. »Erzähl.«
»Sie sind ganz in Ordnung, versteh mich nicht falsch. Aber sie wurden darauf trainiert, die Hadschis im Sandkasten zu bekämpfen. Gegen Zombies auf einem Schiff, da sieht die Sache schon anders aus. Sie sollten zwar auf Gefechte an Bord vorbereitet sein, aber darauf lag wirklich nicht das Hauptaugenmerk.«
»Wir haben dir auch ein Geschenk besorgt.« Sophia schaute sich um. »Paula, wo ist die Kiste mit dem guten Zeug?«
»Gleich hier drunter.« Paula öffnete das Fach unter der Bar.
»Du weißt, dass ich keinen Alkohol trinke? Jedenfalls nicht viel.«
»Ta-daa!« Paula präsentierte ihr triumphierend eine Palette mit Eistee.
»Oh.« Faith atmete durch. »Das ist fast so toll wie das Kaliber 12 auf der Iwo!«
»Gern geschehen.« Paula öffnete den Kühlschrank und holte ihr eine kalte Dose heraus.
»Sind auf ein Boot von jemandem gestoßen, der auch süchtig nach dem Zeug gewesen ist.« Sophia schenkte sich ein Glas Brandy ein. »Prost, Schwesterchen.«
»Auf dich!« Faith nahm einen Schluck. »Ah, der Nektar der Götter.«
»Du bist wirklich bei den Marines?« Paula konnte es kaum glauben.
»Ich hatte eine verkürzte Schulung über die militärische Würde.« Faith verzog das Gesicht. »Sie wollten mich sofort aufnehmen, aber dann wollten sie lieber warten, bis du wieder zum Geschwader gestoßen bist. Da du keine Uniform hast – sie nennen das übrigens ›Accoutrements‹, wie ich inzwischen gelernt habe –, werden wir beide heute Nachmittag vereidigt. Dann lege ich den Amtseid zum Third Lieutenant auf Probe ab.«
»Du bist also Lieutenant auf Probe und ich ein Acting Ensign?« Sophia schüttelte den Kopf. »Was genau ist der Unterschied?«
»Da steig ich selbst nicht durch.« Faith zuckte die Achseln. »Den meisten Militärkram verstehe ich eh nicht.«
»Und wie war’s auf der Iwo?«
»Verglichen mit der Voyage ein Spaziergang in einem verschissenen Park. Erst haben wir das Oberdeck einen Tag lang geräumt. Dann sind wir schnurstracks in die Lebensmittellager rein und fanden dort rund die Hälfte der Überlebenden. Die meisten der Marines – Gunny Sands und einige andere waren die Ausnahme – befanden sich in ziemlich guter Verfassung. Die restliche Zeit über haben wir den Marines die Räumung auf Wolf-Art beigebracht. Als wir dann auf ein riesiges Lager mit 45ern und Doppel-Null-Munition gestoßen sind, war die Sache für mich geritzt. Ach ja, Splittergranaten sind ein klasse Räumwerkzeug für Kajüten.«
»Klingt nach jeder Menge Spaß«, stellte Paula fest.
»Darauf kannst du einen lassen. Allerdings anders als auf der Voyage. Etwas war nämlich völlig anders. Wir sind auf weitaus weniger kürzlich gestorbene Menschen gestoßen. Oder auf Leute, die genauso gut schon hätten tot sein können. Da waren überwiegend Zombies, schon lange tot, oder eben Überlebende in ziemlich guter Verfassung. Die meisten der Leichen, die schon eine Zeit lang herumlagen, waren entweder bis auf die Knochen abgenagt oder zu Mumien geworden. Und es gab weder Kinder noch ein Spielparadies, das sich in einen Horrorfilm verwandelt hatte. Wie lief’s übrigens bei deiner kleinen Rundreise?«
»Hab ’ne nicht infizierte Familie aufgegabelt«, prahlte Sophia stolz.
»Die Lawtons.« Faith wusste bereits Bescheid. »Ihr sollt dann mal zu Dad kommen.«
»Warum?«, fragte Paula.
»Kommt einfach. Er will euch sehen. Er hat ein Geschenk für euch. Für euch alle.«
»Das ist ja nett.« Sophia wirkte ein wenig perplex. »Hast du eine Idee, was das sein könnte? Es ist ja nicht so, dass die auf dem Boot gar nichts hatten, als wir sie gefunden haben.«
»Stimmt.« Faith grinste. »Ich hab das gleiche Geschenk bekommen. Ist aber ’ne Überraschung. Wie auch immer. Da war doch noch ein Abenteuer? Irgendwas mit einem russischen Gangster.«
»Ach das.« Sophia freute sich, dass das Thema zur Sprache kam. »Nicht wirklich ein Gangster. Na ja, grundsätzlich ist wohl jeder wohlhabende Russe ein Verbrecher. Keine große Sache.«
»Warte mal«, hielt Paula dagegen. »Ich fand das ziemlich spannend.«
»Okay, hast ja recht«, gab Sophia zu. »Wir haben noch eine Megajacht gefunden. Ein wenig kleiner als die Alpha. Viele Überlebende.«
»Die große mit dem russischen Namen?« Faith deutete mit dem Kinn in die ungefähre Richtung.
»Lange Geschichte, ein andermal. Irgendeine Idee, was als Nächstes kommt? Ich bin gerade nicht ganz auf dem Laufenden.«
»Retten und Räumen in der unmittelbaren Umgebung, mehr weiß ich auch nicht. Dad hat angedeutet, dass er uns zusammenstecken will. Ich soll allerdings die Operationen ›leiten‹, wie ein guter Officer es eben macht. Hab aber keine Ahnung, welche Operationen.«
»Tja, wir könnten noch jemanden für die Räumungen gebrauchen. Ich weiß nicht, wie das zusammenpasst, aber wir sollen morgen auf die Grace, um uns ›neu auszurüsten‹. Wir wissen allerdings nicht, mit was wir neu ausgerüstet werden.«
»Ich frage mich, wo wir das gute Zeug bunkern werden«, warf Paula ein.
»Das gute Zeug?«, wunderte sich Faith. »Ach ja, die kleinen Extras von den Bergungen.«
»Genau.« Paula lächelte. »Genau die.«
»Ich habe soeben erfahren, dass ich als Naval Officer keinen Anteil mehr erhalte«, sagte Sophia. »Allerdings bleibt die Crew ...«
»Pat und ich bleiben lieber Zivilisten«, erklärte Paula.
»... und wir versorgen uns zuerst einmal aus den ›geretteten Vorräten‹. Was ist also, wenn wir das gute Zeug behalten? Außerdem glaube ich, dass Dad ein wenig für die Bewirtung braucht.«
»Mensch, wir haben da echt tolle Sachen«, sagte Paula. »Kocht Sari noch für ihn?«
»Logisch«, antwortete Faith.
»Sie wird sich freuen, was wir mitbringen.« Sie verzog das Gesicht. »Da wir gerade von Köchen sprechen. Wie geht es Chris? Ihm wollten wir auch ein wenig davon abgeben.«
»Ich bin ihm nur ein paarmal über den Weg gelaufen.« Faith blickte sie fast entschuldigend an. »Hat seine Verlobte verloren, hat seine Verlobte wiedergefunden, hat sie wieder verloren. Gwinn und Rob sind verheiratet. Captain Geraldine hat sie getraut. Es gab eine wirklich schöne Zeremonie auf der Alpha. Gwinn kümmert sich dort aktuell um die Verwaltung. Rob führt Erkundungen und Bergungen durch. Beides gute Leute. Chris wurde dadurch irgendwie zum fünften Rad am Wagen.«
»Ich muss mal vorbeischauen und mich mit ihm unterhalten«, beschloss Paula. »Das muss ihm das Herz gebrochen haben. Ich glaube, ich war die einzige Person auf dem Boot, mit der er über Gwinn gesprochen hat.«
»Wir reden hier über Chris.« Faith wusste nicht genau, was sie sagen sollte. »Er wird sich den Weg aus dem Elend freikochen.«
»Er hat die Fährarbeit erledigt«, klärte sie Sophia auf. »Er war nicht an der Bergung beteiligt. Warum schnürt ihr ihm nicht ein kleines Care-Paket und bringt es ihm vorbei? Mit dem Schlauchboot. Ich werde mitkommen, wenn ich gerade Zeit habe.«
»Einverstanden«, freute sich Paula. »Das ist eine gute Möglichkeit, ein wenig von dem guten Zeug loszuwerden.«
»Nicht vom Grand Marnier«, schränkte Sophia ein. »Zumindest nicht mehr als eine Flasche. Den wollte ich Dad schenken.«
»No Tan Lines, hier Squadron Ops, over.«
»Einen Augenblick«, entschuldigte sich Sophia. »Squadron Ops, hier No Tan Lines, over.«
»Ihr müsst diesen Namen einfach ändern.« Faith zog die Mundwinkel nach unten.
»Du denkst wohl, unserer sei schlecht«, hielt Sophia dagegen.
»Die Lines wurde um 14:30 zum Entladen und Neuausrüsten für ein Rendezvousmanöver mit der Grace Tan eingeteilt. Die Crew wird für die Master-Amtseinführung zur Alpha gebracht, die für 16:30 angesetzt ist. Master wird in angemessener, ich wiederhole, in angemessener Uniform erscheinen. Anschließend Empfang.«
»Ooooh ...« Sophia klang begeistert. »Ich muss für die Aufnahme ein paar Sachen zu Dad bringen.«
»Du hast Zeit, es vorbeizubringen, bevor das Treffen mit der Grace ansteht.« Faith sah auf die Uhr. »Ich hab grad nichts zu tun. Setzt mich damit auf der Alpha ab, ich gebe es Sari.«
»Geht klar.« Sophia betätigte die Sprechtaste des Funkgeräts. »Lines bei der Grace um 14:30, aye. Zeremonie der Amtseinführung, 16:30, aye. Anschließend Empfang, aye.«
»Squadron Ops, out.«
»Das macht mich wirklich stolz, ist dir das klar?« Steve befestigte die Rangabzeichen an der einen Seite von Sophias Kragen, Stacey kümmerte sich um die andere. Es prangten Goldkreise darauf, nicht der einzelne Balken eines Ensign.
»Ich weiß noch immer nicht, warum ich zugestimmt habe«, antwortete Sophia. »Obwohl das noch nicht mal richtig offiziell ist, hat Kuzma uns schon den Arsch wund arbeiten lassen.«
»Ich weiß«, sagte Steve. »Er wollte rausfinden, ob er dich so weit bringt, dass du dich beschwerst. Gratuliere.« Er schüttelte ihr die Hand.
»Das hatte ich mir fast gedacht. Damit komm ich schon klar. Aber meiner Crew gegenüber war es nicht fair.«
»Wir sprechen noch darüber.« Steve trat vor Faith.
»Faith, Marine-Uniformen sollten immer makellos und perfekt aussehen.«
»Stimmt was nicht mit meiner Uniform?« Faith zuckte erschrocken zusammen. Sie konnte es sowieso nicht leiden, vor einer Menschenmenge zu stehen.
»Doch, schon, aber hiermit ist was nicht ›in Ordnung‹.« Steve zeigte ihr die Abzeichen. »Die stammen von der Leiche einer gewissen Midshipman Lin Wicklund von der CIC der USS Iwo Jima. Midshipman Wicklund, die nach der Naval Academy ein Marine Officer werden wollte, wurde mit einer leer geschossenen 45er aufgefunden. Wicklund war, soweit wir das nachvollziehen konnten, der letzte verbleibende Officer, der um die Kontrolle des Schiffes kämpfte. Die Anstecknadeln sind ein wenig verfärbt. Diese Verfärbung darfst du nicht wegputzen.«
»Ja, Sir.« Faith streckte das Kinn nach vorn. »Verstanden, Sir.«
»Sophia wurde schon offiziell vereidigt«, sagte Steve, nachdem er die Nadeln angebracht hatte. »Bei ihr fehlten nur die Rangabzeichen. Bei dir steht die Vereidigung dagegen noch aus. Heb deine rechte Hand.«
»Ich ... sag deinen Namen ...«
»Ich, Faith Marie Smith ...«
»Lieutenant Smith«, wurde sie von ihrem Vater nach Abgabe des Diensteids angesprochen. »Es gibt keine verdammte Stelle in dieser Ansprache, in der es heißt ›Ich bin nur ein Officer, um Zombies zu töten‹. Der Eid eines Marine Officers umfasst, gewissenhaft die Pflicht zu erfüllen, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu verteidigen. Das ist alles. Punkt. Ende. Zudem enthält dieser Eid kein Wort über eine zeitliche Beschränkung. Es ist ein Eid auf Lebenszeit. Verstanden, Lieutenant?«
»Verstanden, Sir.«
»Sie haben ausgesehen, als ob Sie jeden Moment ohnmächtig zusammenbrechen, Ma’am«, stellte Januscheitis fest.
»Ich dachte auch, dass ich tatsächlich zusammenklappe, Staff Sergeant«, gab Faith zu. Der anschließende Empfang entpuppte sich als ein Zusammentreffen aller Ränge bei Häppchen anstelle eines klassischen Abendessens.
»Ich ziehe nicht gern Aufmerksamkeit auf mich.«
»Wirklich, Ma’am?« Januscheitis zog sich einen freien Barhocker heran. »Sie scheinen kein Problem damit zu haben, die Aufmerksamkeit von Zombies auf sich zu ziehen. Setzen Sie sich, LT.«
Isham war es auf wundersame Weise gelungen, einen Großteil der Beschädigungen des Hauptsalons auf der Alpha zu beheben. Obwohl eigentlich nichts zusammenpasste, war es neu angeordnet worden, um anstelle von geplündertem Gerümpel, das von einem Dutzend verschiedener Boote stammte, den Eindruck sorgsam aufeinander abgestimmter Stilrichtungen zu vermitteln.
»Nun, danke sehr, Sir. Gern.«
»Was darf ich Ihnen bringen, Lieutenant?«, erkundigte sich der Barkeeper. Er kam ihr irgendwie bekannt vor. Bei einem Großteil des Personals handelte es sich um Leute, die sie kannte oder zumindest schon einmal gesehen hatte. Es gab einige neue Gesichter. Diese Frischlinge ließen sich auf Anhieb zuordnen: Bootsflüchtlinge verfügten über intensive Bräune, blasse ›Geister‹ aus den Lagerräumen hatten in der Regel ausgemergelte Gesichter.
»Wasser«, antwortete Faith. »Außer ihr habt hier einen richtig guten Saft.«
»Ich fasse es nicht, dass es einen LT gibt, der nur Saft und Wasser trinkt«, platzte es aus Derek heraus. »Dagegen sollte es ein Gesetz geben.«
»Ein Marine Officer sollte allzeit bereit sein, seine Pflicht zu erfüllen«, belehrte ihn Faith. »So steht es im Ausbildungshandbuch.«
»Ich habe einen ziemlich guten Granatapfelsaft.«
»Ich trinke alles, was flüssig ist. Außer Wein und Bier. Wobei, Kaffee mag ich auch nicht. Und bitte nichts mit Kohlensäure.«
»Ernsthaft?« Derek blickte sie verdutzt an. »Kein Alkohol, kein Kaffee? Was sind Sie, Ma’am, Mormonin?«
»Ich mag den Geschmack von Wein oder Bier einfach nicht.«
»Und Sie, Gentlemen?«
»Bier«, verlangte Januscheitis.
»Wir haben ein sehr feines Helles vom Fass. Nennt sich Seven Acres. Echt süffig und noch nicht gekippt.«
»Das nehm ich«, sagte Derek. »Und jetzt zu der Sache mit der Mormonin ...«
»Ich trinke nicht, ich rauche nicht, ich nehm keine Drogen, ich mag den Geruch und den Geschmack von Kaffee nicht. Ich mag keine Kohlensäure. Ich trinke keinen schwarzen Tee. Ich bevorzuge grünen. Schwarzer schmeckt mir einfach nicht. Ich mag leckeren Fruchtsaft und bestimmte Sorten stilles Wasser. Ich bin wirklich extrem pingelig, wenn es um Geschmack oder Konsistenz geht. Haben Sie ein Problem damit, Corporal?«
»Nein, Ma’am. Es ist nur irgendwie verblüffend. Ich kann es nur kaum glauben ... einerseits Lieutenant Smith, Zombiekillerin, und andererseits Lieutenant Smith ...«
»Kein Alkohol, keine Zigaretten, mit was vertreiben Sie sich die Zeit ...?«, säuselte Januscheitis. »Mit dem Töten von Zombies.«
»Das haben Sie gut zusammengefasst. Ich tu das nicht aus moralischen Gründen. Es kümmert mich nicht, ob andere Menschen trinken, auch wenn es sie irgendwie verändert. Das Zeug schmeckt mir einfach nicht.«
»Schon mal puren Schnaps versucht, Ma’am?«, erkundigte sich Januscheitis.
»Niemals«, verneinte Faith. »Glaube nicht, dass er meine Einstellung ändert.«
»Versuchen Sie das hier. Vielleicht mögen Sie das.« Der Barkeeper schob ihr ein Glas mit eisgekühltem Fruchtsaft hin. »Und hier ist Ihr Bier, meine Herren.«
»Das ist echt gut.« Faith leckte sich über die Lippen. »Es war ein wenig zu lang in einer Kunststoffflasche, aber es schmeckt nicht schlecht. Sophia, gesegnet sei ihr kleines, finsteres Herz, hat eine Steige mit Eistee aufgetrieben. Der ist vielleicht lecker.«
»Ups.« Januscheitis stellte sein Glas auf den Tresen und gab ein Zeichen. »Der Commodore kommt.«
»Ganz ruhig«, sagte Steve und trat hinter Faith. »Hier spielen Dienstränge keine Rolle.«
»Ja, Sir.« Januscheitis salutierte.
»Heißt es dann ›Guten Abend, Sir‹ oder ›Hallo, Dad‹?«, überlegte Faith laut. »Da blicke ich jetzt nicht durch.«
»›Dad‹ geht in Ordnung. Das ist also deine Clique. Ich habe noch nicht die Zeit gefunden, mich vorzustellen.«
»Corporal Douglas«, begann Faith mit der Aufzählung der Namen und Dienstränge. »Staff Sergeant Januscheitis, Captain Smith alias Commodore Wolf. Derek, Jan, mein Dad, Steve.«
»Guten Abend, Captain«, grüßte Januscheitis.
»Schön, Sie wiederzusehen, Staff Sergeant. Sie sehen besser aus. Ich möchte Ihnen und Ihren Männern für die Räumung der Iwo danken. Das muss ziemlich heftig gewesen sein.«
»Nach allem, was ich so gehört habe, nicht so schwierig wie die Räumung der Voyage, Sir. Lieutenant Fontana hat ein paar besondere Worte über dieses Thema verloren.«
»Die Voyage war oberscheiße!« Faith schlürfte ihren Saft. »Die Voyage ist ein Grund, warum ich mir wünschte, mich ab und an mal anständig zu besaufen!«
»Besondere Worte ganz ähnlich wie diese, Sir«, verkündete Januscheitis grinsend.
»Das Räumen Ihres eigenen Schiffes mit der eigenen Besatzung muss hart gewesen sein.«
»Werden wir das Schiff wieder in Betriebsbereitschaft versetzen, Sir?«, fragte Derek.
»Jetzt noch nicht. Ich wollte das Luftkissenboot für zukünftige Einsätze verwenden, doch nach sorgfältigen Überlegungen bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass wir im Augenblick nicht einmal ausreichend technisches Personal für die Flutung des Tiefdecks haben. Oder für die Instandhaltung der AACs. Wir werden es für kommende Operationen benötigen, wenn es wieder einsatzfähig ist. Aber derzeit ist das nicht der Fall. Das bringt ein Thema zur Sprache, bei dem ich ehrliche und offene Antworten erwarte. Unsere normale Vorgehensweise in einem derartigen Fall ist die Verbreitung Aas fressender Speckkäfer, um die logistischen Anstrengungen bei der Beseitigung der Leichen zu minimieren. Ich führe gerade eine informelle Umfrage durch, mit welchen negativen Reaktionen zu rechnen ist, wenn man das auf der Iwo machen würde.«
»Aas fressende Käfer, Sir?« Derek klang angewidert.
»Dads kleine schwarze Helfer«, trällerte Faith. »Dad, wusstest du, dass man dich hinter deinem Rücken auch Captain Aasfresser nennt?«
»Nein, aber es überrascht mich nicht. Diese Käfer vermehren sich rasant und fressen ausschließlich totes Fleisch. Hängt davon ab, mit wie vielen man die Sache angeht. Aber grundsätzlich öffnet man einfach alle wasserdichten Durchgänge zu den Bereichen mit menschlichen Überresten, wirft eine Handvoll Käfer auf das Schiff, wartet einige Monate und dann sind nur noch sauber abgenagte Skelette übrig. Oh, und die Decks sind mit Käfern übersät. Die kann man dann mit einem Staubsauger entfernen und größtenteils wiederverwenden.«
»Pfui Teufel.« Januscheitis verzog das Gesicht. »Das ist, wie soll ich es ausdrücken ...«
»Einfach, brutal und effektiv«, half ihm Faith auf die Sprünge. »Wie eine Saiga. Die Coasties waren nicht gerade begeistert, als wir das ihrem Cutter angetan haben. Aber mit zehn Leuten hatten wir in nicht einmal einem Tag alle Knochen vom Schiff geräumt und ihnen ein anständiges Begräbnis ermöglicht. Auch wenn wir hinterher nicht genau wussten, welches Teil zu wem gehörte.«
»Die Infizierten, falls Sie es noch nicht bemerkt haben, reißen sich sogar die Hundemarken vom Hals«, ergänzte Steve. »Ich werde der überlebenden Marines- und Navy-Besatzung Zeit geben, darüber nachzudenken. Allerdings ... wird es eine größere Unternehmung werden, die Toten vom Schiff zu räumen. Und während unsere wenigen Leute damit beschäftigt sind, können sie sich nicht auf andere Weise nützlich machen. Und außerdem, nun ja, das Ganze ist kein Zuckerschlecken. Leichen sind schwer. Skelette ... sind eher Leichtgewichte. Wie ich schon sagte, denken Sie ein paar Tage drüber nach und diskutieren Sie es untereinander.«
»Themenwechsel, Sir«, schlug Faith vor.
»Gern«, erklärte Steve sich sofort bereit. »Was bringt die Zukunft, okay?«
»Ich habe gehört, Sie wollen Gitmo räumen, Sir?« Derek sah Steve fragend an.
»Ja, sobald die tropische Jahreszeit vorbei ist. Wir arbeiten an einigen Methoden, um das zu schaffen. Die stehen zugegebenermaßen als Nächstes auf der Agenda. Morgen testen wir ein neues Waffensystem für die schwere Küstenräumung. Allein für die Testläufe benötigen wir eine Menge Munition. Auf der Iwo gibt es glücklicherweise genug davon. Wenn der Test erfolgreich verläuft, gehen wir zu wirklichen Räumungsversuchen über, um uns zu vergewissern, dass es tatsächlich funktioniert. Es sind übrigens zwei unterschiedliche Systeme. Wenn sie sich als effektiv erweisen, räumen wir mit ihrer Hilfe eine kleinere Insel im Ostatlantik und Anfang Dezember brechen wir dann in Richtung Gitmo auf.«
»Das klingt nach einem guten Plan, Sir«, freute sich Januscheitis.
»Was genau sind das denn für ›Küstenräumsysteme‹?« Faith klang mit einem Mal ganz aufgeregt.
»Oh, ich bin sicher, sie werden dir gefallen«, erwiderte Steve schmunzelnd.