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Inmitten uns’rer Arme sollst du ruh’n

Wie Eisvögel, brütend auf gefror’ner See.

Dryden

»Paula und Patrick«, stellte Sophia die beiden vor. »Paula ist Maat. Patrick ist Techniker.«

»So in der Art.« Patrick schüttelte Rustys Hand.

»Wo hast du denn diese Bohnenstange aufgegabelt?« Paula begrüßte ihn ebenfalls.

»In einer Lounge auf der Alpha. Er ist so quasi für den Dienst freigestellt und will bei den Räumungen mitmachen.«

»Außerdem wollte ich aus der Grace raus«, erklärte Rusty. »Ich halte mich wirklich nicht gern in geschlossenen Räumen auf.«

»Passagier auf der Voyage?« Patrick zuckte zusammen. »Das erklärt das Gerippe.«

»Genau«, bestätigte Rusty.

»Wir haben viele von euch von Bord getragen.« Paulas Stimme klang traurig. »Ich war auch ziemlich abgemagert, als sie mich fanden. Aber seitdem habe ich deutlich zugelegt.«

»Ich hab mir die Sache mit dem Rationierungsplan durchgelesen.« Rusty machte eine Pause. »Ich weiß nicht ... Einer der Gründe, warum ich räumen möchte, außer dass ich Waffen liebe und Zombies töten will, sind die ›doppelten Rationen‹ für das Räumungspersonal. Ich bekam doppelte Rationen in der medizinischen Abteilung, als ich das Essen noch bei mir behalten konnte, aber ...«

»Mach dir darüber keine Sorgen.« Paula grinste. »Wir räumen die meiste Zeit die kleinen Kähne. Wenn wir auf einen stoßen, sichern wir uns die besten Vorräte. Wir haben also immer jede Menge zu futtern. Ich verstehe das mit der Rationierung eh nicht so ganz. Gilt wohl eher für die großen Schiffe.«

»Seh ich genauso.« Sophia verschränkte die Arme. »Die sind außerdem geräumiger und bei jeder Wetterlage wesentlich bequemer. Es gibt hier oft Stürme. Lass dich von der glatten, ruhigen Wasseroberfläche nicht in die Irre führen. Die Kehrseite: Mehr Passagiere bedeuten auch mehr Komplikationen. Die meisten Überlebenden verhalten sich ausgesprochen vernünftig. Müssen sie auch, wenn sie durchkommen wollen. Aber es gibt immer auch einige ausgesprochene Idioten. Die sind in der Regel im Schlepptau der Vernünftigen mitgesegelt und haben es deshalb geschafft. Die häufen sich das Essen auf den Teller und starren es dann einfach nur an. Nahrung, die Leute wie wir von einem Boot aufs andere geschleppt haben, in einem Sturm, nachdem jemand durch die ganze Scheiße gewatet ist und Zombies getötet hat. Und sie glotzen es gleichgültig an. Mann, das geht mir total gegen den Strich. Deshalb die Idee mit den Rationen. Wenn du einen großen Teller voller Essen hast, schaust du ihn dir dann auch nur an, Rusty?«

»Ma’am, wenn ich einen Teller voller Essen kriege, schlinge ich alles runter«, antwortete Rusty. »Nun ja, eigentlich nehme ich mir mittlerweile Zeit und genieße jeden einzelnen Bissen. Aber ich verschwende kein Stück, solange ich dazu komme, alles aufzuessen.«

»Haben wir Befehle?«, fragte Patrick.

»Sobald wir das größere Boot haben, sollen wir diese Zone verlassen und ein weiteres Suchraster bei den Kanaren übernehmen.«

»Kanarienvögel, oder was?«, wunderte sich Rusty. »Ich verstehe nicht ...«

»Die Kanarischen Inseln.« Sophia deutete auf die Inselgruppe auf einer Karte des Atlantiks, die an der Wand hing. »Wir arbeiten mit der Large zusammen und wir werden um Treibstoff und Nahrungsmittel betteln müssen. PO Kuzma hat bei der ganzen Operation das Sagen. Er ist ein netter Kerl und gewöhnt sich zunehmend an die Arbeit mit uns Zivilisten, aber wenn es um die Sicherheit geht, ist er oft mächtig pedantisch. Ich schätze, das ist gar nicht mal so schlecht. Wir arbeiten in der äquatorialen Strömung, und daher wird es immer noch einige Tropenstürme geben. Aber wir dringen nur knapp bis in den Bereich vor, wo sie sich zu richtigen Stürmen auftürmen. Keinen Meter weiter, bevor die Hurrikansaison vorbei ist. Dann übernimmt die ... No Tan Lines ...« Sophia senkte den Kopf und wappnete sich für die bissige Bemerkung, die zwangsläufig kommen musste.

»No Tan Lines? ›Keine Bikinistreifen‹?« Paula schnaubte. »Ernsthaft?«

»Ernsthaft«, bestätigte Sophia. »Ich muss mit Burnell sprechen, damit man da mal einen neuen Namen drüberlackiert. Bis dahin unterstützen wir die Bergungsanstrengungen der Iwo. Wir führen Messungen durch, nehmen Überlebende auf und bringen meiner Schwester Munition, damit sie die verballern kann ...«

»Finding the way back hoooome ...!«, sang Faith, ließ ein Magazin aufs Deck fallen und lud mit raschen, mechanisch eingeübten Bewegungen nach.

Faith hatte eine perfekte Sopranstimme, die über den anhaltenden Beschuss hinweg allerdings kaum zu hören war. Da die Zombies in der Hälfte aller Fälle wie aus dem Nichts kamen und der Gehörsinn den besten Schutz darstellte, konnte sie nicht ständig Lieder über ihren iPod hören. Doch in Situationen wie diesen, wenn sie gerade eine Einstiegsluke geöffnet hatten und wussten, dass auf der anderen Seite die Infizierten lauerten und sich eine Tötungszone eingerichtet hatten, ließ sie ihre bewährte ›Jag alle zum Teufel‹-Playlist laufen.

Momentan dudelte Nightwishs Last Ride of the Day und sie kreischte die Silben in den Feuersturm hinein.

Die fragliche Luke öffnete sich vom backbordseitigen Steg des Brunnendecks hin zum Schiffsinneren. Das ›große Loch‹ im Heck erstreckte sich in Richtung Bug fast bis zum Vorderdeck und beherbergte Unmengen leider funktionsuntüchtiger Luftkissenfahrzeuge. Nach der Räumung des Tiefdecks mussten sie sich Zugang verschaffen. Daher hatte Hooch die Klappe aufgeschossen, die seiner Meinung nach am schnellsten zum Hangardeck führte, dem nächsten großen Räumbereich, und war danach mehr oder weniger über den Steg gesprungen, um der Flutwelle von Zombies auszuweichen. Sie waren direkt an ihm vorbeigestürzt, da er zu diesem Zeitpunkt unter dem Steg hing.

Steve hatte Position in einem Luftkissenfahrzeug auf dem Tiefdeck bezogen, um die Zombies beim Vorbeilaufen aufs Korn zu nehmen – zumindest so lange, bis einige von ihnen auf die Idee verfielen, vom Steg zu springen und auf ihn zuzulaufen.

Fontana und Faith hatten den Steg übernommen. Faith verfeuerte die Magazine mit Salven aus zwei oder drei Kugeln so schnell, als sei sie ein menschliches Maschinengewehr. Der Vorteil der 5,56er-Munition kam endlich mal zum Tragen. Dieses Kaliber tötete vielleicht nicht besonders effizient, aber es durchschlug Körperpanzerungen wie Butter. Etwa die Hälfte der Infizierten hatte es vor der Verwandlung geschafft, sich die Hose abzustreifen, aber bis zu den Panzerwesten waren sie nicht mehr gekommen.

»Wake up, dead boy. Enter adventure land«, schmetterte Faith. Fontana tippte ihr auf die Schulter. Trotz des Sturzbachs an Geschossen kamen die Infizierten näher. So war Kevlar eben.

Faith trat zurück, ließ ein weiteres Magazin fallen und sang weiter, ohne eine Pause einzulegen.

»IT’S HARD TO LIGHT A CANDLE, EASY TO CURSE THE DARK INSTEAD«, brüllte sie inbrünstig den Refrain mit, weiterhin im Takt der Melodie, während sie erneut nachlud. »THIS MOMENT THE DAWN OF HUMANITY, THE LAST RIDE OF THE DAY!«

Die Infizierten kamen dicht genug an sie heran. Auf etwa 50 Prozent davon schoss sie zweimal, einmal in die Brust und einmal in den Kopf. Dabei erzielte sie bei mindestens acht von zehn Kopfschüssen einen Treffer.

»Sie hat das wirklich drauf«, johlte Fontana.

Steve streckte lässig den Daumen nach oben und versenkte zwei Kugeln in einen der Zombies, der seitlich am Landungsfahrzeug hochzuklettern versuchte.

Die Infizierten auf dem Steg waren abgefertigt. Faith ging hinter Fontana in die Hocke, um die letzten von ihnen abzuknallen, die es auf ihren Vater abgesehen hatten. Sie verteilte neun Geschosse in einem rhythmischen Muster, ließ das Magazin fallen und schwang die leer geschossene Waffe über dem Kopf.

»Geschafft«, schrie sie triumphierend. »Der Letzte genau zu den letzten Takten des Songs, mit der letzten Kugel, Kopfschuss durch den Helm! Das ist der Wahnsinn!«

»Einer kommt grad noch durch die Luke.« Fontana zeigte auf ihn.

»Oh ...«, knurrte Faith und lud schnell nach. »Mist, so ein ... Spielverderber! Miesepeter!«

»Den erledige ich.« Fontana schoss ihm gekonnt einmal in die Brust und einmal in den Kopf.

»Kann mir jemand runterhelfen?«, bettelte Hooch.

»Okay, Hooch, wie zum Teufel haben sie euch dieses Teil abgenommen?« Faith stieg über die Leichen. Sie waren alle heftig verwest. Bei den meisten davon handelte es sich um Infizierte, dem Fehlen der Kleidung nach zu urteilen, und jemand hatte sie erschossen. »Ihr Kerle habt ihnen einen Mörderkampf geliefert.«

»Wir sind Marines, Shewolf«, sagte Hocieniec. »So läuft das eben bei uns. Aber wenn sich die Hälfte deines Squads plötzlich gegen dich wendet ... ist es ein wenig schwierig, die Stellung zu halten. Das gilt für jede Stellung.«

»Faith, hast du bemerkt, dass es keinerlei Spuren von Querschlägern gibt?« Fontana war beeindruckt.

»Nur Imperiale Sturmtruppen arbeiten so präzise«, philosophierte Steve.

»Sag das Prinzessin Leia!« Faith lachte. »Sturmtruppen treffen nicht mal die Wand einer Scheune!«

»Du hast keine Ahnung, wie schwer die Orientierung in einem Todesstern fällt!«, witzelte Hocieniec. »Der ist so groß wie ein Mond! Ich habe vier Jahre auf einem verbracht, aber die Kantine auf Ebene 96 nie gefunden! Wir wurden wie Vieh zusammengetrieben!«

»Los, weiter in den nächsten Abschnitt«, drängte Fontana.

»Ich hab schon immer gern angeklopft.« Faith zog einen Metallknüppel und hämmerte damit gegen die Wände. »Jemand zu Hause außer den Toten?«

»Wenigstens ist es hier weniger kompliziert als auf der Voyage.« Steve leuchtete im Damage Control Center mit einer taktischen Taschenlampe den Grundriss des Schiffes ab. Auch auf der Voyage hatten sie sich zuerst zur Schadensleitstelle begeben. Es war schlicht und ergreifend der naheliegendste Anlaufpunkt, wenn man ihn erreichen konnte. Moderne Damage Control Center verfügten über Software, mit der sich Grundrisse sogar bequem aufs Smartphone übertragen ließen. Und dort fanden sich in der Regel detaillierte Dokumentationen in gedruckter Form, die man mitnehmen konnte, um im Fall eines Stromausfalls – oder während einer Zombieapokalypse – trotzdem zurechtzukommen.

Der Plan der Voyage hatte aus 28 Detailkarten mit einer Größe von jeweils 1,80 x 1,80 Metern bestanden, die an Pinnwände geheftet waren. Sie hatten den Plan kaum eines Blickes gewürdigt und sich direkt wieder den Broschüren zugewandt.

Doch diesmal hatten sie mit Hooch einen erfahrenen Mann dabei, weshalb sie beschlossen, es mit einem der Pläne zu versuchen.

»Es ist noch immer ziemlich ...« Hooch betrachtete die neun schmucklosen Karten. »Stimmt, Sir.«

»Sucht erst mal nach den Stauschränken für die Lebensmittel unterhalb der Ebene der Hauptwassertanks«, ordnete Steve an, als Faith die Karten herauszog und im Raum auslegte. Sie musste dabei über Leichen klettern, aber das war inzwischen ein gewohnter Anblick, den sie nicht mal mehr bewusst registrierte. Sie breitete eine der schematischen Zeichnungen über einem Lieutenant Commander aus, dessen Gesicht weggefressen worden war.

»Dann wollen wir mal.« Steve rieb sich die Hände.

»Alles klar, Hooch?«, erkundigte sich Faith.

Sie stießen nur auf wenige Überlebende. Die wenigen Leute, die in den oberen Teilen des Schiffes nicht infiziert worden waren, schienen verhungert und verdurstet zu sein oder hatten angesichts dieser Alternativen den Freitod gewählt.

»Geht schon, Shewolf.« Hooch schloss die Luke zur Kajüte.

»Ich glaube, das sollte ich erledigen«, schlug Faith vor. »Trixie hat mir eingetrichtert, du solltest in keine Kajüte mehr reinschauen, außer wir hören Überlebende.«

»Sag Trixie, ich schaff das schon. Aber danke, ehrlich. Ich hab auf dieser Ebene keine weiteren Opfer mehr erwartet. Offenbar haben sich viele von ihnen die letzte Kugel aufgehoben.«

»Bisher bin ich etwas enttäuscht«, meldete sich Steve. »Das hier scheint das Quartier des Aviation Officers gewesen zu sein.«

»Das ist richtig, Sir.«

»Ich hatte gehofft, dass wir zumindest einen Helikopterpiloten finden.«

»Ein Helipilot wär cool«, freute sich Faith. »Wir könnten, na ja, uns direkt von ihm an Deck absetzen lassen und müssten nicht mehr so viel klettern. Höhen gehen mir generell gegen den Strich. Wobei, über das Wasser zu fliegen, wär schon cool. Diese gefühlt zehn Milliarden Kilo Ausrüstung, die wir mit uns rumschleppen müssen, und die Menschen fressenden Haie, von denen es überall wimmelt. Jau, ein Helipilot wäre klasse.«

»Vielen Dank, Faith.« Steve sah sie an. »Mein Motiv war ein etwas anderes, aber das sind ebenfalls gute Argumente.«

»Ich will nur helfen.« Faith hämmerte gegen das Schott. »Jemand daheiiiim ...?«

»No Tan Lines?« Steve musste sich beherrschen, um nicht loszuprusten.

»Ach du meine Güte.« Faith klang begeistert. »Das passt ja super zu dir, Soph!«

Nach dem anhaltenden Albtraum während der Räumung der Voyage hatte Steve beschlossen, die Aufgabenlast für die einzelnen Beteiligten deutlich einzuschränken. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er seine Kinder, die noch immer heranwuchsen, kaum mehr zu Gesicht bekam. Okay, Faith sah er vermutlich sogar ein bisschen zu oft. Von Sophia konnte er das hingegen nicht behaupten.

Solange sie also in seiner Nähe waren, wollte er mindestens einmal pro Woche ein Abendessen im Familienkreis abhalten. Nur sie vier. Sie waren die einzige intakte Familie in der Squadron, also sollten sie das auch ausnutzen.

»Um den Namen zu ändern, braucht man lediglich etwas Farbe und eine ruhige Hand«, erklärte Stacey.

»Wie du weißt, haben wir schon darüber gesprochen. Wir wollen ihn behalten.« Sophia löffelte genüsslich das Ikan Santan, ein indonesisches Fischgericht. Zu den Privilegien, die ihr Dad als Leitwolf der Squadron genoss, gehörte die wahrscheinlich beste Köchin, der sie bislang begegnet waren. Sari war wirklich ein Juwel. Sie hatte genauso viel durchmachen müssen wie alle anderen, vielleicht sogar noch mehr, aber sie zog entschlossen ihr Ding durch.

Sie sprach nur selten über die Zeit, die sie an Bord der Alpha in der Gewalt einer ›Sicherheitsfirma‹ durchgestanden hatte. Socorro Security, geleitet von einem ehemaligen Major der Special Forces, den Fontana kannte und verachtete, war eine der letzten und schlechtesten Entscheidungen gewesen, die Mike Mickerberg in seinem Leben getroffen hatte. Dad drückte es kurz und bündig so aus: Wenn man sich schon für Söldner entscheiden muss, sollte man zumindest eine vernünftige Wahl treffen. Eine Einstufung, die auf Socorro Security definitiv nicht zutraf.

»Jemand ist einst sicher stolz auf das Boot gewesen und hatte Freude an ihm. Es ist ein schönes Boot. Wenn wir den Namen ändern, entehren wir damit das Andenken der Verstorbenen. Deswegen behalten wir ihn.«

»Bist du sicher, dass du damit zurechtkommst?«, fragte ihre Mom.

»Klar, warum nicht?«, antwortete Sophia. »Ich sag’s ja nicht gern, aber bei mir findet man auch nicht allzu viele Bikinistreifen.«

»Wie macht sich euer neuer Sicherheitsbeauftragter?« Steve unternahm einen Versuch, das peinlich berührte Schweigen, das nach dieser Bemerkung eintrat, zu überbrücken.

»Ich glaube, er kriegt das hin«, zeigte sich Sophia überzeugt. »Wenn nicht, finde ich Ersatz. Er ist kein Fontana. Ihm fehlt die entsprechende Ausbildung. Er behauptet allerdings, er sei mit Waffen aufgewachsen. Ein typischer Redneck. Ich habe ihm eine Pistole in die Hand gedrückt und er wusste sofort, wo er das Magazin reinstecken muss. Ich musste ihm erklären, dass man auf meinem Boot am besten ständig in Deckung bleibt. Ich werde dafür sorgen, dass er nicht in Gefahr gerät. Mehr kann ich fürs Erste nicht tun.«

»Wir haben noch keine Überlebenden gefunden«, wechselte Steve das Thema. »Wir haben mit dem Durchkämmen des Schiffs allerdings gerade erst begonnen und in den bisher überprüften Bereichen im Prinzip auch keine erwartet.«

»Ich hoffe, sie sind in ...« Stacey warf einen verstohlenen Blick auf Faith.

»... besserer Verfassung als die auf der Voyage?«, beendete Faith den Satz. »Ich auch. Wenn wir keine Antwort bekamen, hat Hooch die Kajüten überprüft. Ausgerechnet Hooch, das ist irgendwie ...«

»Er kommt damit klar«, unterbrach Steve ihren Gedankengang. »Was hältst du von unserem geplanten Ausflug nach Süden, Soph?«

»Da freue ich mich drauf. Ich will wieder zur See fahren, verstehst du? Ein wenig angeln, ein paar Leute retten. Einige Boote räumen.«

»Letzten Endes wird eine bessere und größere Basis als die Large nötig sein«, meinte Steve. »Halt die Augen nach einem solchen Boot offen. Wenn es für deine Mannschaft zu groß zum Räumen ist, schicken wir ein Team runter. Unter der Voraussetzung, dass man dort etwas finden kann.«

Die Notsignalsender hatten den Nachteil, dass sie den Geist weitaus schneller aufgaben als Menschen. Mit einem solarbetriebenen Destilliergerät, einer Angelschnur oder Harpune und etwas Glück konnte man auf einer Rettungsinsel oder einem Rettungsboot lange Zeit überleben. In den 80ern war ein Kerl auf einem Rettungsfloß fast über den gesamten Atlantik getrieben. Anders sah es mit der Technik aus. In den seltenen Fällen, in denen Sendevorrichtungen über Sonnenkollektoren verfügten, besaßen sie eine extrem geringe Reichweite. Und konventionelle Funkgeräte versagten, sobald die Batterien keinen Saft mehr hatten. Wenn man in dieser Phase noch Boote finden wollte, musste man sie wohl oder übel mit dem Fernrohr aufspüren.

»Da wird es Ausrüstung geben«, prophezeite Sophia. »Die gibt es immer. Was Überlebende betrifft, bin ich mir da nicht so sicher. Ich werd sicher den Mast der Endeavor vermissen. Von dort oben hatte man einen prima Ausblick. Hier ist er deutlich niedriger, obwohl es ebenfalls ein Fischerboot ist.«

»›Och, ich hab sogar nur eine Freizeitjacht‹«, ahmte Faith sie nach. »Ich bekomm immer nur jede Menge Equipment und blöde Barbie-Knarren.«

»Faith ...«

Ein Abendessen mit der Familie war womöglich doch nicht die beste Idee aller Zeiten ...

Stacey Smith fand, dass es ein Gesetz gegen die Verwendung von Volvo-Schiffsmotoren geben sollte.

Ihr entging nicht, dass ihr Ruf als begnadete Schiffsmechanikerin mit zunehmender Größe der Wolf Squadron litt. Es gab immer mehr Profis um sie herum, die genau wussten, was sie taten. Andererseits gab es nie genug durchschnittlich ausgebildete Helfer, und sie war kein Mensch, der einfach nur nutzlos herumsaß. Daher bummelte sie täglich in die Reparaturwerkstatt auf der Grace und fragte: »Kann ich irgendwie behilflich sein?«

Diese Freundlichkeit führte dazu, dass sie beispielsweise kopfüber hing, sich in den engen Spalt zwischen Backbordmotor und Schottwand der zuletzt geborgenen Jacht quetschte, die zur Wartung hereingebracht worden war, oder eben an die dämliche Ölablassschraube dieses gottverdammten Volvo-Dieselschiffsmotors zu kommen versuchte. Hatten die Konstrukteure überhaupt eine Ahnung davon, dass man gelegentlich Ölwechsel vornehmen musste?

Statt die Schraube an der Vorder- oder Rückseite der Motoren anzubringen, vorzugsweise mit genügend Platz, um bequem dranzukommen, war sie an einer der Seiten positioniert. Beim Steuerbordmotor funktionierte das hervorragend: einfach reingreifen, eine Schüssel hinstellen und die Schraube rausdrehen. Beim Backbordmotor musste man dafür über den Motor klettern und daran denken, die Schüssel mitzunehmen, in die enge Lücke zwischen dem Motor und der Schottwand schlüpfen, sich irgendwie auf den Rücken legen oder eher in wilden Verrenkungen mit dem Genick abstützen und dann gaaaanz langsam nach der Schraube greifen.

Es war schlimm genug, dass sie mit allmorgendlicher Übelkeit zu kämpfen hatte. Sie hatte die Seekrankheit gerade rechtzeitig überwunden, um sich stattdessen diese kleine Freude zuzulegen. Man musste sich nur mal vorstellen, in diesem Zustand kopfüber hängend auf einem schaukelnden Boot einige Zeit zuzubringen und sich dabei abzumühen, an die verschissene Ölablassschraube dieser bescheuerten Volvo-Konstrukte ranzukommen!

»Mrs. Smith?«

»Hier.«

Mrs. Sabrina Dunn konnte nicht einordnen, woher die Stimme kam. Ganz offensichtlich war niemand im Raum, aber sie hörte leise mechanische Geräusche, die unter einem der Motoren hervorzukommen schienen.

Sie ging unbeholfen in die Hocke und als sie erkannte, dass sie aus dieser Position nicht unter den Motor spähen konnte, legte sie sich auf den Bauch. Auf diese Weise bekam sie immerhin ein Auge zu Gesicht, das vermutlich zur Frau des Commodore gehörte. Von ihr schienen die mechanischen Geräusche auszugehen.

»Hab dich, du kleines Miststück«, murmelte sie. Es folgte der Klang von Metall auf Metall.

Es war eindeutig nicht der beste Zeitpunkt, aber Mrs. Dunn wollte sich nicht von ihrem selbst zugeteilten Botengang abbringen lassen.

»Mrs. Smith, wenn ich Ihre Zeit für einen Moment in Anspruch nehmen dürfte ...«

Die Stimme war höflich, aber nachdrücklich. Das Einzige, was Stacey von der Frau sah, waren ein paar weiße Haarsträhnen und ein Auge.

»Warten Sie einen Augenblick.« Sie grunzte, als die Mutter vor der Ratsche kapitulierte. Wer immer sie zuletzt festgezogen hatte, musste Unterarme wie ein Gorilla besessen haben. Endlich lief das Öl aus dem schon längst wartungsüberfälligen Motor und sie überlegte, wie sie sich am besten aus ihrer derzeitigen Position befreien sollte. »Was darf’s denn sein?«

»Wie bitte?« Die Besucherin klang leicht verwundert.

»Ich hab einen Augenblick Zeit für Sie.« Dann murmelte Stacey in sich hinein: »Okay, wie zum Teufel bekommt man jetzt das Öl aus dieser verfluchten Schüssel?« Dieses Detail hatte sie noch nicht durchdacht. Der Bereich zwischen Motor und Schottwand war viel zu eng, um die Schüssel einfach rauszuziehen, selbst wenn sie herangekommen wäre. Aber wenn sie das Teil zur Seite kippte, lief das Öl unweigerlich über das ganze Deck. »Eine Pumpe?«

»Ich ... Was?«, stotterte die Frau.

»Ach, egal. Sie wollten mich was fragen?«

»Mrs. Smith, ich weiß, dass gerade schwierige Umstände herrschen ...«, begann die Frau.

Stacey schnaubte.

»Sie meinen das mit der Zombieapokalypse und dem ganzen Mist?«

»Ja, genau. Und dass wir im Grunde genommen auf dem Meer festsitzen. Trotzdem gibt es meiner Meinung nach einige Punkte, die nicht angemessen berücksichtigt werden.«

»Welche denn? Zum Beispiel, dass man sich darum kümmern sollte, dass die Flotte nicht mit Volvo-Schiffsdieselmotoren ausgerüstet wird?«, raunte Stacey. Das Tolle an den Volvos war, dass sie verdammt zuverlässig waren. Das Schlechte an ihnen war ... ach, genug geärgert!

»Äh, wie bitte?«, hakte die Frau nach.

»Gibt es Probleme?«

»Das größte sind die Haarpflegeprodukte.«

»Haarpflegeprodukte?« Stacey musste sich zusammenreißen, um nicht zu schnauben wie ein Ackergaul. Die Frau wirkte so ernst, als prüfe sie gerade als Sachbearbeiterin bei der Bank eine knifflige Kapitalanlage.

»Sie haben mittellanges Haar, Mrs. Smith«, führte die Frau das Problem aus. »Waschen Sie es mit dem Geschirrspülmittel, das derzeit für die Duschen ausgegeben wird?«

Stacey hielt inne und dachte einen Moment darüber nach. Sie hatte Sophia gebeten, bei ihrem Trip nach Süden ein wenig anständiges Shampoo und eine gute Pflegespülung zu organisieren.

»Ehrlich gesagt, nein. Da gebe ich Ihnen recht. Aber das fällt in Ishams Zuständigkeitsbereich, Ma’am.«

»Ich habe versucht, dieses Problem mit Mr. Ishams Abteilung zu klären, und sie haben mich sofort abgewimmelt«, verkündete die Frau mit hörbarem Naserümpfen.

»Jack hat viel um die Ohren.« Stacey wusste, dass sie mit dieser Aussage gewaltig untertrieb. »Sie wollen also, dass ich mit Steve darüber rede?« Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

»Es wäre toll, wenn Sie das tun könnten, Mrs. Smith. Sowohl Ihr Gatte, der Commodore, als auch Mr. Isham haben kurze Haare. Die meisten Frauen der Squadron haben mittellange bis lange Haare, und Geschirrspülmittel ist dafür nicht gerade das Gelbe vom Ei.«

»Okay, noch ein gutes Argument. Ich werde es ansprechen. Wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?«

»Mrs. Sabrina Dunn«, stellte die Frau sich vor. »Witwe des kürzlich verstorbenen Mr. James Dunn von den Westland Dunns.«

»Mrs. Sabrina Dunn. Nachdem ich eben versprochen habe, Ihnen einen Gefallen zu tun – dass ich es zur Sprache bringe, nicht, dass ich es zwangsläufig lösen kann. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob es sich überhaupt lösen lässt, aber ich werde darauf hinweisen – könnten Sie da im Gegenzug mir einen Gefallen tun?«

»Und der wäre?«

»Holen Sie einen der Mechaniker. Bitten Sie ihn, zu mir zu kommen. Aus zwei Gründen: Zum einen habe ich keine Ahnung, wie man das Öl unter dem Motor wegschaffen soll. Zum anderen fürchte ich, ich stecke fest.«

»Haarpflegeprodukte?« Steve aß ungerührt weiter.

»Ich muss der Frau beipflichten.« Stacey sah ihn an. »Die meisten von uns sind schwanger und fühlen sich beschissen. Du weißt, wie ich wegen meines Aussehens durchdrehe, wenn ich schwanger bin.«

»Ich finde dich äußerst entzückend.« Steve grinste breit.

»Lustmolch.« Stacey schüttelte den Kopf. »Wir brauchen nicht auch noch miese Frisuren. Ich schätze, die Frage lautet, ob du nicht ein paar kleine Anstrengungen unternehmen willst, um die Stimmung unter den Frauen zu verbessern.«

»Okay. Jack wird sich bestimmt freuen, wenn wir ihm das aufhalsen. Noch was?«

»Ach, die Leute kommen ständig mit solchen Kleinigkeiten zu mir. Das ist das Erste, was ich dir bisher erzählt habe.«

»Das ist das Risiko, wenn man die Frau des Commodore ist.« Steve dachte kurz nach. »Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht ... tut mir leid.«

»Das ist nicht gerade meine Stärke.« Stacey klang unglücklich. »Die Leute bitten mich, Sachen in Ordnung zu bringen. Na ja, wenn es sich um einen Motor handelt, kremple ich selbst die Ärmel hoch. Aber dieser alltägliche Kram, das ist nicht gerade meine Spezialität.«

»Es ist trotzdem wichtig. Diese Art von Rückmeldungen sind das Schmiermittel, um das Getriebe einer Gesellschaft am Laufen zu halten.«

»Ich besorg dir also das Schmiermittel?« Stacey wirkte beleidigt. »Na, vielen Dank auch.«

»Du kennst doch den alten Militärspruch: ›Colonels müssen heiraten.‹ In einer Gesellschaft gibt es neben offiziellen Konferenzen andere wichtige Kanäle zur Übermittlung von Nachrichten. Unter Umständen ist das wichtiger als der Ölwechsel bei einem Motor. Das sorgt dafür, dass es auch zwischen den Leuten wieder wie geschmiert läuft.«

»Großartig. Wie gesagt, nicht gerade mein Spezialgebiet, Steve. Von Tratsch und Kaffeekränzchen hab ich nie viel gehalten.«

»Wer hat denn diese haarige Angelegenheit zur Sprache gebracht?«

»Mrs. Sabrina Dunn.« Stacey betonte jede Silbe. »Witwe des kürzlich verstorbenen ... irgendein Dunn von den Westland Dunns. Sie sagte es, als müsse ich wissen, um was es sich bei den Westland Dunns handelt.«

»Da hast du deine Antwort.«

»Welche Antwort?«

»Ich könnte diesen ganzen Haufen nicht ohne Isham am Laufen halten. Ernenn sie zu deiner Stabschefin. Sie kennt sich offensichtlich damit aus, wie man Sachen auf inoffizielle Weise ins Rollen bringt. Das macht sie schon ihr ganzes Leben so. Nicht unbedingt sie direkt, verstehst du, aber jemand wie sie. Du musst ihr nur gewisse Grenzen aufzeigen. Ich kann’s nämlich nicht gebrauchen, dass deine Stabschefin meinem Stabschef ständig in den Ohren liegt und quengelt: ›Ich sag’s ja nicht gern, aber ich muss da was mit dem Commodore klären‹ oder so in der Art. Such dir jemanden, der dir diese Aufgaben abnimmt. Lass diesen Jemand das meiste davon erledigen. Aber denk dran – vor allem, wenn unsere Gruppe weiter wächst –, dass du eher das Öl des Geschwaders als das Öl der Boote wechseln solltest. Es ist wirklich wichtig, Liebling.«

»Verstanden.« Stacey seufzte. »Jedenfalls so in etwa. Und du hast recht. Ich werde morgen zu ihr gehen.«

»Und jetzt noch mal zu dem besonderen Glanz in deinen Augen, wenn du schwanger bist ...«

»Lüstling ...«

»Oh, ja.« Sophia entfernte sich von der Ansammlung von Schiffen rund um die Iwo Jima. Es war ihnen nicht gelungen, die kompletten Spezialvorräte der Endeavor heimlich umzuladen, aber sie hatten einiges davon an Bord geschafft. Außerdem musste sie nicht länger Material zwischen der Alpha und der Grace hin- und herbefördern. »Die Freiheit des offenen Meeres ...«

»Kuzma-Flottille, bilden Sie eine Linie hinter Wasserfahrzeug Eins«, forderte Kuzma. »Und wenn ich sage, ›bilden Sie eine Linie‹, dann meine ich damit eine zumindest annähernd gerade Linie.«

»Wie war das?«, fragte Paula.

»Heiliger Strohsack ...«

»Heiliger Strohsack.« Der Seemann hielt sich die Hand vor die Augen.

»Ich hab doch gesagt, Sie sollen die Augen abschirmen und die Luke nicht vollständig öffnen.« Fontana schleuderte einen Leuchtstab in den Raum. »Damit passen sich Ihre Augen schrittweise an. Wie viele Personen sind da drin?«

»Vier«, antwortete der Petty Officer. »Vier haben überlebt.«

»Hier sind vier Sonnenbrillen. Setzen Sie die auf, bis wir wiederkommen.«

»Sind Sie von der Küstenwache?«

»Nein, auch nicht von der Navy, den Marines oder den Pfadfindern zur See. Wir sind die Wolf Squadron. Ich gehöre zu den Special Forces, sie ist ein lebendig gewordenes, leicht geistesgestörtes Anime-Küken ...«

»Hey!«

»Lange Geschichte ...«

»Ich hätte Lust auf ’nen Dreier, falls jemand Interesse hat ...?«

Wenn man dermaßen zu Tode gelangweilt in einem Raum mit Menschen festsaß, die man keine Sekunde länger ertragen konnte, wurde einem klar, dass die Lage schlimm war. Mister Willy zuckte bei einem solchen Vorschlag nicht mal mehr ansatzweise. Und er hatte keinen Kautabak mehr. Schlimm war gar kein Ausdruck.

Es hatte sich herausgestellt, dass Gowen vorher noch nie Gruppensex gehabt hatte. Gruppensex war nicht das gewesen, was Januscheitis eigentlich vorgeschlagen hatte, aber nach ihrer kleinen Unterhaltung hatte der Gedanke zwei Wochen lang in der Luft gehangen. Nach dem ersten Mal hatte sie richtig Gefallen daran gefunden. Ein paar Wochen, nachdem das schon lief. Es gab einfach rein gar nichts, was man hier tun konnte. Er hatte versucht, im Schein seiner Uhr zu lesen, und bemerkt, dass es nicht ging. Und ohne Kautabak ging es schon gar nicht. Mit dem Senior NCO im Raum war einige Tage lang nicht gut Kirschen essen gewesen, als der Vorrat ausgegangen war.

Er trieb sie Tag für Tag zu ein wenig Sport an. Ein paar der Jungs waren der Meinung, dass eine Runde mit Gowen ebenfalls zählen sollte. Sie hatten ihre Körper trotzdem brav trainiert, selbst Patel, der Matrose. Und genauso Gowen, selbst nachdem offensichtlich wurde, dass sie schwanger war. Er hatte keine Ahnung, wie sie das erklären sollten.

Sie hatten die Gänge überprüft, ob sich darin noch Zombies aufhielten. An einem Ende stellten sie fest, dass dort alle an Dehydrierung verreckt waren. Das bedeutete, dass es hinter den wasserdichten Türen auf der anderen Seite nach wie vor von ihnen wimmeln musste. Sie hatten es überprüft und waren tatsächlich auf weitere Untote gestoßen. Damit hatte sich ihr Aktionsradius vergrößert, aber das war auch schon alles. Sie hatten an einige Luken geklopft und herausgefunden, dass es in diesem Bereich noch weitere Überlebende gab. Doch sie kamen zu niemandem durch. Sämtliche Verbindungsbereiche wurden von den Zombies kontrolliert.

Sie hatten Klopfzeichen benutzt, um eine Namensliste aufzustellen und ihre eigenen Namen weiterzugeben. Sie hatten versucht, auf diese Weise Informationen zu übermitteln und sich zu unterhalten. Das ergab bei Kriegsgefangenen womöglich einen Sinn, aber in dieser Situation schien es nutzlos zu sein.

In einem der Laderäume war nach kurzer Zeit das Wasser ausgegangen. Sie hatten sich mit Klopfzeichen darüber beraten, wie sie etwas dorthin schaffen konnten, aber sie hatten keine Möglichkeit gefunden, sich durch die Stahlschotts zu schneiden. L-4-638 hatte gemorst, dass sie Lose ziehen und zwei Personen ›terminieren‹ wollten, um Wasser zu sparen. Es waren drei Männer und eine Frau und die Männer vertraten übereinstimmend die Auffassung, dass sie bei der Lotterie nicht mitmachen musste.

Semper fi, Jungs. Die beiden Marines wurden ›terminiert‹.

Inzwischen bereitete sich in 638 auch der letzte männliche Matrose auf seine Terminierung vor. Um weiter durchzuhalten, tranken sie inzwischen Urin, den sie mit Wasser und allem, was ihnen sonst noch einfiel, streckten. In L-4-642 hatten die Jungs damit angefangen, sich zentimeterweise mit einer Brechstange durchzukratzen. Sie wollten auf diese Weise ein Loch in die Schottwand schneiden. Wie ihr eigener Lagerraum verfügte 642 über einen Wasserhahn und befand sich unterhalb der Hauptfrischwassertanks. Bisher lief das Wasser ununterbrochen und sie füllten das Wasser in jede Dose ihrer Nahrungsmittelrationen, die sie aufgegessen hatten.

L-4-649 ging das Essen aus. Ihrer Meinung nach blieben ihnen noch zwei Monate, wenn sie die Nahrungsmittel streng rationierten, und nachdem sie sich zu 638 vorgearbeitet hatten, wollten sie einen Weg zu 649 suchen. Auf lange Sicht konnte man sich mit einer Brechstange durch Stahl kratzen. Allerdings hielten sie einen nicht über die Fortschritte auf dem Laufenden, und das ließ für die anderen Lagerräume nichts Gutes erahnen.

»Gegen einen Blowjob hätte ich nichts einzuwenden«, gab PFC Rodas zur Antwort.

»Patel, du bist dran«, scherzte Derek.

»Der Witz wird echt alt, du oller Leatherneck«, gab Matrose Patel barsch zurück.

»Komm her, Schätzchen«, lockte Derek. »Wenn sich keiner der anderen Gentlemen dazu berufen fühlt, dich zu befriedigen ...«

»Ruhe«, forderte Smitty.

»Was denn?« Gowen wurde aufmerksam. »Warum ...?«

»Haltet verdammt noch mal den Mund«, schnauzte Januscheitis. »Smitty?«

»Seid still«, antwortete der Sergeant. »Hört doch mal.«

»Ich höre gar nichts ...«

»Ich kann es hören«, bestätigte Gowen. »Ein Klopfen?«

»Da hämmert also jemand gegen eine Schottwand ...«

In der Ferne erklang das charakteristische Echo einer Feuergarbe.

»Der Dreier ist hiermit abgesagt«, entschied Januscheitis und stand auf. »Da hat jemand überlebt ... und er hat Munition! Auf geht’s, Marines!«

»GOTT SEI GEPRIESEN!«

»Ich glaube, wir haben Kundschaft.« Faith lauschte dem entfernten Klopfen.

»Die Versorgungsräume«, fügte Fontana hinzu. »Irgendwie logisch.«

»Hooch.« Faith sprach in das Funkgerät. »Das sind weitere Klienten in Abschnitt L.«

»Das sind gute Nachrichten«, drang Hoochs Stimme aus dem Lautsprecher. »In M sind auch welche.«

Der Regen war in einige der offenen Außenluken geweht worden. Dadurch hatten sich wiederum in den Gängen der oberen Ebenen Pfützen gebildet, von denen sich einige bis zu den Süllrändern ausdehnten. In den meisten Pfützen lagen die Toten und sie waren mit Fäkalien verseucht, doch die Zombies schlürften die Flüssigkeit trotzdem auf. Es war unglaublich, was der menschliche Körper wegstecken konnte. Zumindest bei einigen.

Sie waren einer Reihe offener Luken gefolgt und stießen überall auf dem Weg ins Innere des Schiffes auf Zombies. Aus den Lagerräumen im Umkreis war keine Antwort auf ihr Klopfen gekommen. Jemand anders würde später das Vergnügen haben, sie überprüfen zu dürfen.

»Hier lang.« Fontana wandte seinen Kopf von einer Seite zur anderen.

Faith hämmerte gegen das Schott und wurde mit dem unregelmäßigen Klopfen, Kratzen und Heulen belohnt, das sie von den Zombies gewohnt waren.

»Ich wünsche mir gerade eine Granate oder einen anderen Sprengsatz.« Sie legte die Hand auf die Schließvorrichtung.

»Setz niemals eine Splittergranate auf einem Boot ein«, warnte Fontana. »Das war so ziemlich das Einzige, was ich vor der Zombieapokalypse über das Räumen von Booten wusste. Bereit?«

»Warte mal.« Faith angelte sich ihren iPod. »Wie wär’s denn mit einer Kettensäge ...«

»Öffnen Sie die Klappe«, verlangte Januscheitis.

»Bist du sicher ...?« Derek erinnerte sich daran, dass er wieder ein Marine war. »Aye, aye, Staff Sergeant.«

Sie besaßen nicht viel, was als Nahkampfwaffe durchging, doch wenn jemand Hilfe brauchte, würde man sie ihm gewähren. Januscheitis vertrat die Theorie, es handle sich um eine Gruppe wie ihre, die irgendwie lange genug durchgehalten und Magazine in die Finger bekommen hatte. Außerdem waren die Zombies durch den Lärm des Rettungsteams von Luke 943 weggelockt worden.

Derek öffnete die Tür und Januscheitis trat hinaus, die Brechstange erhoben und zu allem bereit.

Doch er hatte vergessen, dass man als Rettungsteam ohne Lampen kaum eine bis überhaupt keine Chance hatte. Derek schwenkte die Luke im gleichen Augenblick auf, in dem das Rettungsteam ihre aufdrückte. Er stand nicht mal in direkter Sichtlinie, und doch blendete ihn der Lampenschein. Entweder setzten sie gefühlt 50 taktische Taschenlampen gleichzeitig oder einen unglaublich hellen Suchscheinwerfer ein.

Dann hörte er den Gesang. Sie alle hörten den Gesang.

»I’m the one with the warrior inside«, grölte Faith. »My dominance can’t be denied! Your entire world will turn into a battlefield tonight!«

Sie zielte, gab im Takt mehrere Schüsse ab und tanzte, als sie vor den anstürmenden Infizierten zurückwich. Als der Refrain zu Ende war, rollte sie sich nach rechts weg und zog das Magazin aus der Waffe, während Fontana übernahm. Nach einem schnellen Nachladen hatte sie die Rückzugsposition übernommen. Fontana ballerte weiterhin auf die Infizierten. Als ihm die Munition ausging, sprang sie in die Bresche. »Come on, bring it, you can’t see it ...«

Januscheitis war hinter der Luke vor den Schüssen aus dem Gang in Deckung gegangen. Doch auch wenn es bei Durchschüssen einige Querschläger gab, waren die Schüsse unglaublich präzise, wenn man in Betracht zog, dass da eine Frau schoss, die von Disturbed förmlich besessen war. Das Verstörende daran war ... dass die Schüsse im Takt zur Musik ertönten. Da war noch ein zweiter Schütze, der seinem Gehör zufolge mit gutem Timing schoss. Seine Ohren waren aufgrund zahlreicher Kampfeinsätze an Feuergefechte gewöhnt und er hatte das blitzschnelle Nachladen vernommen, wieder im Takt mit dem Song, aber blitzschnell. Das war ein eingespieltes Zwei-Mann-Team, das schon lange zusammenarbeitete.

Schließlich verebbten die Schüsse und Januscheitis steckte erneut seinen Kopf nach draußen. Die monatelange Dunkelheit hatte seinen Augen ziemlich zugesetzt, doch er erkannte durch das Singen und die hin- und herblitzenden Lichter, dass die Schützin nach dem Feuergefecht erneut zu tanzen begonnen hatte.

Auch auf ihn kamen Lichter zu und er verengte seine Augen zu Schlitzen. Dann schloss er sie ganz.

»Ich muss mich ihretwegen entschuldigen«, hörte er eine Stimme. »Da kommt ein Knicklicht. Sobald sie ein Lied singt, benimmt sie sich unmöglich, bis die letzten Takte verklungen sind. Da waren einfach zu wenige Infizierte, sie haben nicht bis zum Ende von Warrior gereicht. Zum Glück lief nicht Citadel oder Winterborn. Dann säßen wir den ganzen Tag hier fest.«

»Kein Problem, Mann.« Januscheitis war vollkommen verwirrt. »Ich bin noch nie so froh gewesen, Schüsse zu hören. Oder andere Menschen zu treffen. Ich nehme an, ihr kommt nicht von der Iwo.«

»Einer von uns schon«, erwiderte der Kerl, während die Frau wieder das Lied anstimmte und augenscheinlich eine ganz spezielle Tanzeinlage präsentierte. »Hooch ist im anderen Team. Aber, nein, wir sind die Wolf Squadron. Eine Gruppe aus Freiwilligen. Überwiegend Zivilisten und ein paar andere Leute aus allen Teilen der Welt. Staff Sergeant Thomas Fontana, Fifth Special Forces Group. Ich war ebenfalls ein Schiffbrüchiger.«

»Ist die Kacke so sehr am Dampfen?«, fragte Januscheitis.

»Die Kacke dampft bis in den Himmel. So ziemlich die gesamte Welt ist Geschichte. Die Kommandierenden sind jetzt irgendwelche Jungs am Funkgerät, die in einem Bunker in Omaha hocken. Und dort sitzen sie fest.«

»Mein Gott!«

»As I stand before you. With a warrior’s heart now. I can feel the strength that will ensure my victory this tiiiiiiiime ...«

»Okay«, sagte Fontana. »Ich schätze, wir können jetzt weiter ...«