KAPITEL 13

»Abbau« in Australien

Australiens Bedeutung ■ Boden ■ Wasser ■ Entfernungen ■ Frühgeschichte ■ Importierte Werte ■ Handel und Einwanderung Landschaftszerstörung ■ Andere Umweltprobleme ■ Zeichen für Hoffnung und Wandel

Abbau im wörtlichen Sinn - der Abbau von Kohle, Eisen und so weiter - ist heute der wichtigste Pfeiler der australischen Wirtschaft und bringt dem Land den größten Teil seiner Exporterlöse ein. Im übertragenen Sinn jedoch ist Abbau auch ein tragendes Element in Australiens ökologischer Vergangenheit und eine wichtige Ursache seines heutigen Dilemmas. Abbau bedeutet, dass Ressourcen ausgebeutet werden, die sich nicht erneuern und deshalb irgendwann erschöpft sind. Da Gold im Boden kein neues Gold hervorbringt und da man sich deshalb nicht um eine Gold-Regenerationsrate kümmern muss, gewinnen die Bergleute das Edelmetall so schnell aus den Goldadern, wie es wirtschaftlich praktikabel ist, und das geschieht so lange, bis die Ader nichts mehr hergibt. Der Abbau von Mineralien ist deshalb ganz etwas anderes als die Nutzung erneuerbarer Ressourcen - beispielsweise Wälder, Fisch oder Mutterboden -, die sich durch die biologische Fortpflanzung oder Bodenbildung regenerieren. Erneuerbare Ressourcen kann man unbegrenzt nutzen, vorausgesetzt, man entnimmt sie mit einer Geschwindigkeit, die geringer ist als die Geschwindigkeit ihrer Regeneration. Beutet man Wälder, Fische oder Mutterboden dagegen stärker aus, als es ihrer Erneuerung entspricht, sind auch sie eines Tages wie das Gold in der Goldmine nicht mehr vorhanden.

In Australien hat man erneuerbare Ressourcen abgebaut, als wären sie Erze, und das geschieht noch heute. Mit anderen Worten: Sie werden übermäßig ausgebeutet, ihre Regeneration hält damit nicht Schritt, und irgendwann gehen sie zur Neige. Bleibt es bei der derzeitigen Geschwindigkeit, werden Wälder und Fischgründe in Australien viel eher verschwinden als Kohle- und Eisenlagerstätten - eigentlich paradox angesichts der Tatsache, dass die einen erneuerbar sind, die anderen aber nicht.

Auch viele andere Länder beuten heute ihre Umwelt aus, aber Australien eignet sich für unsere letzte Fallstudie über Gesellschaften aus Geschichte und Gegenwart besonders gut. Das hat mehrere Gründe. Im Gegensatz zu Ruanda, Haiti, der Dominikanischen Republik und China ist es ein Industrieland, genau wie die Staaten, in denen vermutlich die meisten Leser dieses Buches leben. Bevölkerung und Wirtschaft sind aber kleiner und weniger vielschichtig als in den Vereinigten Staaten, Europa oder Japan, sodass man die Situation in Australien einfacher verstehen kann. Die australische Umwelt ist ökologisch außerordentlich empfindlich, empfindlicher vielleicht als in allen anderen Industriestaaten mit Ausnahme Islands. Deshalb haben viele Probleme, die letztlich auch andere Industriestaaten zugrunde richten können und dies in manchen Drittweltländern bereits getan haben - beispielsweise Überweidung, Versalzung, Bodenerosion, eingeschleppte Arten, Wasserknappheit und vom Menschen verursachte Trockenheit - in Australien schon jetzt bedrohliche Ausmaße angenommen. Da Australien aber andererseits keine Anzeichen eines Zusammenbruchs wie in Ruanda und Haiti erkennen lässt, vermittelt es uns einen Vorgeschmack auf die Probleme, die auch in anderen Industriestaaten auftauchen werden, wenn sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt. Aber die Aussichten auf eine Lösung dieser Probleme in Australien sind nicht deprimierend, sondern sie machen Hoffnung. Australien hat eine Bevölkerung mit guter Schulbildung, einen hohen Lebensstandard und im weltweiten Vergleich relativ seriöse politische und wirtschaftliche Institutionen. Deshalb kann man die Umweltprobleme Australiens nicht als Folge von ökologischem Missmanagement durch eine ungebildete, entsetzlich verarmte Bevölkerung und korrupte Regierungen oder Unternehmen abtun, während man vielleicht geneigt wäre, sie in manchen anderen Ländern mit einer solchen Erklärung unter den Tisch zu kehren.

Darüber hinaus hat Australien als Thema dieses Kapitels den Vorteil, dass es sehr deutlich die fünf Faktoren erkennen lässt, deren Wechselspiel ich in diesem Buch immer wieder als nützliches Hilfsmittel bezeichnet habe, wenn man den ökologischen Niedergang oder Zusammenbruch von Gesellschaften verstehen will. Dass die Menschen massiv in die australische Umwelt eingegriffen haben, liegt auf der Hand. Heute verschärfen sich diese Beeinträchtigungen durch den Klimawandel. Die freundschaftlichen Beziehungen zu Großbritannien, das Handelspartner und gesellschaftliches Vorbild war, haben die Umwelt- und Bevölkerungspolitik Australiens geprägt. Das moderne Australien hat keine Invasion durch äußere Feinde erlebt - es wurde zwar bombardiert, aber nicht besetzt -, und die Wahrnehmung tatsächlicher oder vermeintlicher Feinde aus Übersee hat der australischen Umwelt- und Bevölkerungspolitik ebenfalls ihren Stempel aufgedrückt. Ebenso macht das Land deutlich, wie stark man kulturelle Werte - darunter manche, die importiert wurden und sich nicht für die australische Landschaft eignen - in Betracht ziehen muss, wenn man die Beeinträchtigung der Umwelt verstehen will. Die Australier denken mittlerweile vielleicht radikaler als die Bürger aller anderen mir bekannten Industriestaaten über die entscheidende Frage nach: Welche unserer traditionellen, zentralen Werte können wir beibehalten, und welche erweisen uns in der heutigen Welt keine guten Dienste mehr?

Und schließlich gibt es noch einen letzten Grund, warum ich Australien als Thema dieses Kapitels gewählt habe: Ich liebe dieses Land, ich habe dort langjährige Erfahrungen gemacht, und ich kann es sowohl aus unmittelbarer Anschauung als auch mit Sympathie beschreiben. Zum ersten Mal war ich in Australien 1964, als ich auf dem Weg nach Neuguinea war. Seither habe ich das Land einige Dutzend Mal besucht, und einmal verbrachte ich ein ganzes Freisemester an der Australian National University in der Hauptstadt Canberra. Während dieses langen Aufenthaltes entwickelte sich bei mir eine tiefe Zuneigung zu den wunderschönen australischen Eukalyptuswäldern, einer Landschaft, die mich geprägt hat und mit einem Gefühl des Friedens und Staunens erfüllt wie nur noch zwei andere Lebensräume auf der Welt: der Nadelwald von Montana und der Regenwald Neuguineas. Australien und Großbritannien sind die einzigen Länder, in die auszuwandern ich ernsthaft in Erwägung gezogen habe. Nachdem ich nun die Reihe der Fallstudien in diesem Buch mit der Umwelt von Montana eröffnet habe, zu der ich schon als junger Mann eine enge Beziehung hatte, wollte ich sie mit einem anderen Land abschließen, zu dem sich bei mir in späteren Jahren ebenfalls eine große Liebe entwickelte.

Wenn man die Beeinträchtigung der australischen Umwelt durch die modernen Menschen verstehen will, sind insbesondere drei Eigenschaften dieser Umwelt von Bedeutung: erstens der Boden, und hier vor allem sein Nährstoff- und Salzgehalt, zweitens das verfügbare Süßwasser, und drittens die Entfernungen sowohl innerhalb Australiens als auch zwischen Australien und seinen Handelspartnern oder potenziellen Feinden in Übersee.

Wenn man über die Umweltprobleme Australiens nachdenkt, fallen einem als Erstes Wüsten und Wasserknappheit ein. In Wirklichkeit bereitet der Boden sogar noch größere Probleme als die Wasserknappheit. Australien ist der unproduktivste Kontinent: Hier haben die Böden im Durchschnitt den geringsten Nährstoffgehalt, das geringste Pflanzenwachstum und die geringste Produktivität. Dies liegt daran, dass die Böden hier meist sehr alt sind, sodass die Nährstoffe im Lauf der Jahrmilliarden vom Regen ausgewaschen wurden. Das mit fast vier Milliarden Jahren älteste noch erhaltene Gestein der gesamten Erdkruste befindet sich in der Murchinson Range in Westaustralien.

In einem Boden, dessen Nährstoffe ausgewaschen wurden, kann der Nährstoffgehalt durch drei wichtige Vorgänge wieder ansteigen, und alle drei sind in Australien im Vergleich zu anderen Kontinenten nur in geringem Umfang aktiv. Erstens kann die Erneuerung durch Vulkanausbrüche erfolgen, die frisches Material aus dem Erdinneren an die Oberfläche transportieren. Dies war ein wichtiger Faktor bei der Entstehung fruchtbarer Böden in vielen Ländern wie Java, Japan und Hawaii, aber nur in wenigen kleinen Regionen im Osten Australiens gab es während der letzten 100 Millionen Jahre überhaupt vulkanische Aktivität. Zweitens können vordringende und zurückweichende Gletscher die Erdkruste freilegen, umwälzen, abschaben und das Material wieder ablagern, und solche Böden (oder vom Wind aus Gletscherablagerungen herantransportierte) sind in der Regel fruchtbar. Fast die Hälfte der Fläche Nordamerikas, insgesamt etwa 18 Millionen Quadratkilometer, waren irgendwann innerhalb der letzten Million Jahre vergletschert, aber in Australien trifft dies auf nochnicht einmal ein Prozent des Festlandes zu: Hier gibt es nur Gletscher von ungefähr 52 Quadratkilometern in den südöstlichen Australischen Alpen sowie ungefähr zweieinhalbtausend Quadratkilometer auf der Insel Tasmanien vor der Küste Südaustraliens.

Und schließlich hat die langsame Hebung der Erdkruste, die ebenfalls neue Böden entstehen lässt, entscheidend zur Fruchtbarkeit großer Teile Nordamerikas, Indiens und Europas beigetragen. Aber auch solche Hebungen fanden in Australien während der letzten 100 Millionen Jahre nur in wenigen kleinen Gebieten statt, vor allem in der Great Dividing Range im Südosten des Kontinents und in dem Gebiet im Süden rund um Adelaide. Wie wir noch genauer erfahren werden, sind diese kleinen Bruchteile der australischen Landschaft, in denen der Boden kürzlich durch Vulkantätigkeit, Vergletscherung oder Hebung erneuert wurde, die großen Ausnahmen unter den ansonsten vorwiegend unproduktiven Böden des Kontinents, und sie tragen heute einen unverhältnismäßig großen Teil zur landwirtschaftlichen Produktivität Australiens bei.

Die geringe durchschnittliche Produktivität der Böden hat wichtige wirtschaftliche Auswirkungen auf die australische Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei. Nährstoffe, die in nutzbaren Böden zu Beginn der europäischen Landwirtschaft vorhanden waren, gingen schnell zur Neige. Letztlich bauten die ersten Bauern in Australien unabsichtlich die Nährstoffe in ihrem Boden ab. Danach musste man sie künstlich in Form von Düngemitteln zuführen, was die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion im Vergleich zu anderen Ländern mit fruchtbarerem Boden ansteigen ließ. Wegen der geringeren Produktivität des Bodens wachsen die Nutzpflanzen langsam und liefern im Durchschnitt geringere Erträge. Deshalb muss man in Australien größere Flächen kultivieren als in anderen Ländern, um den gleichen Ertrag zu erzielen, und das bedeutet, dass auch die Treibstoffkosten für landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren, Sämaschinen und Mähdrescher (die ungefähr proportional zu der Fläche sind, die mit den Maschinen bearbeitet wird) relativ hoch sind. Extrem unfruchtbare Böden findet man im Südwesten Australiens, dem so genannten Weizengürtel, der eine der wertvollsten Landwirtschaftsregionen des Landes darstellt; dort wächst der Weizen auf Sandboden, der praktisch keine natürlichen Nährstoffe mehr enthält, sodass man diese nahezu vollständig in Form von Kunstdünger zuführen muss.

Da die australische Landwirtschaft wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten für Düngemittel und Brennstoffe sehr aufwendig ist, können Bauern, die dort an die lokalen Märkte verkaufen, trotz ihrer geringeren Transportkosten manchmal nicht mit Produzenten aus Übersee konkurrieren, die die gleichen Nutzpflanzen mit dem Schiff nach Australien bringen. Im Zeitalter der Globalisierung ist es billiger, Orangen in Brasilien anzubauen und das daraus erzeugte Orangensaftkonzentrat 13 000 Kilometer weit nach Australien zu bringen, statt den Saft unmittelbar aus den Früchten australischer Bäume herzustellen. Das Gleiche gilt für Speck oder Schinken aus Kanada und die entsprechenden Produkte aus Australien. Umgekehrt sind die australischen Bauern nur in wenigen spezialisierten »Marktnischen« auf den Märkten in Übersee konkurrenzfähig, insbesondere bei Nutzpflanzen und Tierprodukten mit hohem Mehrwert, der über die normalen Kosten für den Anbau hinausgeht, so beispielsweise bei Wein.

Eine zweite wirtschaftliche Folge der geringen Produktivität australischer Böden hat mit der Forstwirtschaft zu tun, die in Kapitel 9 bereits im Zusammenhang mit Japan erörtert wurde. In australischen Wäldern befindet sich der größte Teil der Nährstoffe nicht im Boden, sondern in den Bäumen selbst. Nachdem die ersten europäischen Siedler die einheimischen Wälder gefällt hatten, wurden die nachwachsenden natürlichen Wälder von späteren Bewohnern ebenfalls abgeholzt, oder diese investierten in den Anbau von Baum-Monokulturen. Das Wachstum geht dort jedoch im Vergleich zu anderen Holz produzierenden Ländern sehr langsam vonstatten. Paradoxerweise lässt sich der bedeutendste einheimische Bauholzlieferant (der Blaue Gummibaum aus Tasmanien) heute in vielen anderen Ländern preisgünstiger züchten als in Australien selbst.

Die dritte Folge überraschte mich und dürfte auch viele Leser überraschen. Dass die Fischerei von der Bodenqualität abhängt, würde man nicht ohne weiteres glauben: Schließlich leben Fische nicht im Boden, sondern in Flüssen oder im Meer. Aber alle Nährstoffe in den Flüssen und zumindest ein Teil der Nährstoffe in küstennahen Meeresteilen stammen aus dem Boden und werden von den Flüssen in den Ozean getragen. Deshalb sind auch Australiens Flüsse und Küstengewässer relativ wenig produktiv, und das hat zur Folge, dass die Fischgründe rund um den Kontinent sehr schnell ebenso abgebaut und übermäßig ausgebeutet wurden wie Wälder und Felder. Im Meer wurde ein Fischereigebiet nach dem anderen häufig schon wenige Jahre nach seiner Entdeckung so stark überfischt, dass es wirtschaftlich irgendwann nicht mehr lohnte. Heute hat Australien um sich herum unter den fast 200 Staaten der Welt die drittgrößte exklusive Fischereizone, aber was den Wert der Fischerträge aus dem Meer angeht, steht es nur an 55. Stelle. Die Süßwasserfischerei liefert überhaupt keine nennenswerten Erträge mehr.

Ein weiterer Aspekt der geringen Produktivität des australischen Bodens bestand darin, dass das Problem für die ersten europäischen Siedler nicht erkennbar war. Im Gegenteil: Als sie die großartigen, riesigen Waldgebiete sahen, in denen damals wahrscheinlich die größten Bäume der Neuzeit standen (die Blauen Gummibäume von Gippsland in Victoria waren bis zu 120 Meter hoch), ließen sie sich vom äußeren Anschein täuschen und glaubten, das Land sei äußerst fruchtbar. Aber nachdem Holzfäller den ersten Baumbestand entfernt hatten, und nachdem die Schafe die erste Grasdecke abgeweidet hatten, mussten die Siedler zu ihrem Erstaunen feststellen, dass Bäume und Gras sehr langsam nachwuchsen, dass das Land keine lohnende Landwirtschaft erlaubte, und dass man viele Gebiete verlassen musste, nachdem Bauern und Schafzüchter viel Kapital in den Bau von Gebäuden und Zäunen sowie in andere landwirtschaftliche Verbesserungen investiert hatten. Von den Anfängen der Kolonialzeit bis heute hat Australien zahlreiche Zyklen dieser Art durchgemacht: Rodung, Investitionen, Bankrott und Verlassen.

Alle diese Probleme der australischen Land-, Forst und Fischereiwirtschaft sind eine Folge der geringen Bodenproduktivität. Als weiteres großes Problem kommt hinzu, dass der Boden in Australien an vielen Stellen nicht nur wenig Nährstoffe, sondern auch viel Salz enthält. Das hat drei Gründe. Im Weizengürtel im Südwesten des Kontinents wurde das Salz seit Jahrmillionen durch den Meerwind vom benachbarten Indischen Ozean landeinwärts transportiert und lagerte sich dort ab. In Südostaustralien, der zweiten großen Landwirtschaftsregion, die in ihrer Produktivität an den Weizengürtel heranreicht, befindet sich das Tiefland des größten australischen Flussdeltas mit den Flüssen Murray und Darling. Dieses Gebiet wurde immer wieder vom Meer überspült und trocknete dann aus, wobei viel Salz zurückblieb. Eine andere Senke im Landesinneren Australiens enthielt früher einen Süßwassersee, der keinen Abfluss zum Meer hatte, durch Verdunstung immer salziger wurde (ganz ähnlich wie der Große Salzsee im US-Bundesstaat Utah und das Tote Meer zwischen Israel und Jordanien) und schließlich austrocknete. Dabei blieben Salzablagerungen zurück, die vom Wind in andere Teile Ostaustraliens transportiert wurden. Manche Böden in Australien enthalten bis zu 108 Kilogramm Salz je Quadratmeter. Welche Auswirkungen das viele Salz im Boden hat, werden wir später noch genauer erörtern. Kurz gesagt, wird es unter anderem durch Rodung und Bewässerung leichter an die Oberfläche gespült, was zu einem salzigen Oberboden führt, auf dem keine Nutzpflanze mehr wachsen kann. Genau wie die ersten Bauern in Australien ohne moderne bodenchemische Analysen nichts von der Nährstoffarmut wissen konnten, so hatten sie auch keine Ahnung von dem hohen Salzgehalt. Dass die Versalzung Probleme bereiten würde, konnten sie ebenso wenig voraussehen wie den Nährstoffmangel, den sie mit ihrer Landwirtschaft verursachten.

Während Unfruchtbarkeit und Versalzung der Böden für die ersten Bauern nicht erkennbar waren und auch heute bei Laien außerhalb Australiens kaum bekannt sind, liegen die Probleme mit der Wasserknappheit auf der Hand: Wenn die australische Umwelt zur Sprache kommt, denken die meisten Menschen in anderen Kontinenten zuerst an Wüsten. Diese Vorstellung hat ihre Berechtigung: In einem unverhältnismäßig großen Teil Australiens fallen nur geringe Niederschläge, oder es handelt sich um extreme Wüsten, wo Landwirtschaft ohne Bewässerung unmöglich wäre. Ein erheblicher Teil der Fläche Australiens ist heute für jede Form von Landwirtschaft oder Viehzucht nutzlos. Wo Lebensmittelproduktion dennoch möglich ist, fällt in der Nähe der Küste meist mehr Niederschlag als weiter landeinwärts. Fährt man also vom Meer ins Landesinnere, so trifft man zunächst auf Ackerland und auf Gebiete, wo die Hälfte der australischen Rinderbestände in hoher Dichte gehalten werden. Weiter landeinwärts folgen Schafställe, dann wieder Rinderställe (die andere Hälfte der Rinderbestände, hier aber in sehr niedriger Dichte), denn die Rinderzucht ist auch in Gebieten mit geringerem Niederschlag noch wirtschaftlicher als die Schafzucht; im Landesinneren schließlich liegt die Wüste, in der keinerlei Lebensmittelproduktion möglich ist.

Weniger gut zu greifen als die durchschnittliche Niederschlagsmenge ist das Problem, dass die Niederschläge unberechenbar sind. In vielen Landwirtschaftsregionen der Welt weiß man von Jahr zu Jahr genau, wann es regnen wird: In Südkalifornien beispielsweise, wo ich zu Hause bin, kann man so gut wie sicher sein, dass der Niederschlag sich auf den Winter konzentriert, während es im Sommer wenig oder gar nicht regnet. In vielen solchen Gebieten mit einer produktiven Landwirtschaft ist nicht nur die jahreszeitliche Regenmenge zuverlässig von Jahr zu Jahr die Gleiche, sondern man kann auch sicher sein, dass sie überhaupt kommt: Größere Dürreperioden sind selten, und ein Bauer kann ohne weiteres jedes Jahr Mühe und Kosten auf sich nehmen, um zu pflügen und zu säen; zu Recht erwartet er, dass die Niederschlagsmenge ausreicht und die Pflanzen heranreifen.

In großen Teilen Australiens jedoch hängt die Niederschlagsmenge von der so genannten ENSO (El Nino Southern Oscillation) ab, das heißt, sie ist innerhalb eines Jahrzehnts von Jahr zu Jahr unberechenbar und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt noch schwieriger vorherzusehen. Als die ersten europäischen Bauern und Viehzüchter sich in Australien niederließen, hatten sie keine Ahnung von dem ENSO-abhängigen Klima ihrer neuen Heimat: Das Phänomen ist in Europa kaum nachzuweisen, und selbst professionelle Klimaforscher haben es erst in den letzten Jahrzehnten erkannt. In vielen Regionen Australiens hatten die ersten Bauern und Viehzüchter das Pech, dass sie während einer Reihe feuchter Jahre kamen. Deshalb schätzten sie das Klima des Kontinents falsch ein, und nun züchteten sie Getreide oder Schafe in der Erwartung, die günstigen Bedingungen, die sie gesehen hatten, seien der Normalfall. In Wirklichkeit reicht der Niederschlag in den meisten australischen Landwirtschaftsregionen nur in einem Bruchteil aller Jahre aus, damit das Getreide heranreifen kann. An den meisten Orten ist das höchstens die Hälfte aller Jahre, in manchen Gebieten sind es sogar nur zwei von zehn. Auch dies trägt dazu bei, dass Landwirtschaft in Australien teuer und unwirtschaftlich ist: Der Bauer pflügt und sät mit großem Aufwand, und dann kann er in mindestens der Hälfte der Jahre keine Ernte einfahren. Außerdem hat dies die unglückliche Folge, dass nackter Boden freigelegt wird, weil der Bauer alle Pflanzen, die seit der letzten Ernte von selbst nachgewachsen sind, unterpflügt. Wenn die Nutzpflanzen, die er dann aussät, nicht reif werden, bleibt der Boden ohne Bewuchs - er ist nicht einmal mehr von Unkraut bedeckt und bietet der Erosion eine große Angriffsfläche. Wegen der unberechenbaren Niederschläge ist der Anbau von Nutzpflanzen also auf kurze Sicht teurer, und auf lange Sicht wird die Erosion begünstigt.

Die wichtigste Ausnahme von dem Prinzip der ENSO-abhängigen, unberechenbaren Niederschläge ist der Weizengürtel im Südwesten. Dort stellten sich im Winter (jedenfalls bis vor kurzem) zuverlässig jedes Jahr die Regenfälle ein, sodass die Bauern eigentlich immer mit einer erfolgreichen Weizenernte rechnen konnten. Diese Zuverlässigkeit hatte zur Folge, dass der Weizen in den letzten Jahren sowohl die Wolle als auch das Fleisch von den Spitzenplätzen der landwirtschaftlichen Exportprodukte Australiens verdrängt hat. Wie bereits erwähnt, ist der Weizengürtel aber auch das Gebiet mit besonders geringer Bodenfruchtbarkeit und hohem Salzgehalt. Und in den letzten Jahren beeinträchtigt der globale Klimawandel sogar den Vorteil der berechenbaren winterlichen Niederschläge: Sie sind im Weizengürtel seit 1973 drastisch zurückgegangen, und die immer häufigeren sommerlichen Regenfälle gehen auf dem abgeernteten nackten Boden nieder, wo sie die Versalzung verstärken. Wie ich es bereits im Zusammenhang mit Montana in Kapitel 1 erwähnt habe, schafft der globale Klimawandel Gewinner und Verlierer; Australien wird dabei noch stärker auf der Verliererseite stehen als Montana.

Australien liegt zum größten Teil in gemäßigten Breiten, aber von anderen Ländern mit gemäßigtem Klima, die als Exportmärkte für australische Produkte infrage kommen, ist es viele tausend Kilometer entfernt. Deshalb bezeichnen australische Historiker die »Tyrannei der Entfernung« als wichtigen Faktor für die Entwicklung ihres Landes. Der Ausdruck spielt auf die langen Seereisen an, die australische Produkte je Kilo oder Volumeneinheit teurer machen als Exporte aus der Neuen Welt nach Europa, sodass praktisch nur Produkte mit geringem Gewicht und hohem Wert Gewinn bringend aus Australien exportiert werden können. Anfangs, im 19. Jahrhundert, waren Mineralien und Wolle solche Exportprodukte. Als nach 1900 die Kühlung von Schiffsladungen wirtschaftlich sinnvoll war, exportierte Australien auch Fleisch, und zwar insbesondere nach Großbritannien. Auch heute sind Waren mit geringer Größe und hohem Wert Australiens wichtigste Exportgüter, darunter Stahl, Mineralien, Wolle und Weizen, außerdem in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch Wein und Macadamianüsse sowie einige besondere Nutzpflanzen, die zwar sperrig sind, aber auch einen hohen Wert haben, weil sie nur in Australien für besondere Marktnischen produziert werden, sodass manche Verbraucher dafür mehr bezahlen; solche Produkte sind Asdurumweizen und andere besondere Weizensorten sowie Weizen und Rindfleisch, die ohne Pestizide und andere chemische Zusätze erzeugt wurden.

Eine weitere Tyrannei der Entfernung besteht in Australien selbst. Die wenigen landwirtschaftlich nutzbaren und besiedelten Regionen des Kontinents sind weit voneinander entfernt: Das Land hat nur ein Vierzehntel der Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten, aber diese Menschen verteilen sich über eine Fläche, die ebenso groß ist wie die der 48 zusammenhängenden US-Bundesstaaten. Wegen der daraus erwachsenden hohen Transportkosten innerhalb Australiens ist es sehr aufwendig, dort die Zivilisation eines Industrielandes aufrechtzuerhalten. Die Behörden finanzieren beispielsweise jeder Wohnung und jeder Firma im Land einen Anschluss an das nationale Telefonnetz, selbst wenn es sich um einen Ort im Outbarck handelt, der Hunderte von Kilometern von der nächsten Ansiedlung entfernt ist. Heute ist Australien der am stärksten urbanisierte Staat der Welt: 58 Prozent der Bevölkerung drängen sich in fünf großen Städten zusammen (Sydney mit 4,0 Millionen Einwohnern, Melbourne mit 3,4 Millionen, Brisbane mit 1,6 Millionen, Perth mit 1,4 Millionen und Adelaide mit 1,1 Millionen; Zahlen aus dem Jahr 1999). Darunter ist Perth die abgelegenste Stadt der Welt - es ist weiter als jede andere Großstadt von der nächsten ähnlich großen Ansiedlung entfernt (Adelaide liegt rund 2100 Kilometer weiter östlich). Es ist kein Zufall, dass zwei der größten Unternehmen des Landes, die nationale Fluggesellschaft Qantas und das Telekommunikationsunternehmen Telstra, ihr Geld mit der Überbrückung solcher Entfernungen verdienen.

Diese großen Entfernungen sind in Verbindung mit dem trockenen Klima auch der Grund, warum Banken und andere Unternehmen ihre Filialen in den abgelegenen Ortschaften des Landes wegen Unwirtschaftlichkeit schließen. Aus dem gleichen Grund verlassen Ärzte solche Ansiedlungen. Die Folge: Während es in den Vereinigten Staaten und Europa ein gleichmäßiges Spektrum von Siedlungsgrößen gibt - Großstädte, Kleinstädte und Dörfer -, existieren in Australien mittlerweile immer weniger Städte mittlerer Größe. Die meisten Bewohner leben entweder in den wenigen Großstädten mit allen Annehmlichkeiten eines modernen Industriestaates, oder in kleinen Dörfern sowie in den Außenposten des Outback, wo es weder Banken noch Ärzte oder andere Infrastruktur gibt. Die kleinen Dörfer mit wenigen hundert Einwohnern können eine fünfjährige Dürreperiode - nicht ungewöhnlich im unberechenbaren Klima Australiens - nur deshalb überleben, weil es dort ohnehin kaum Wirtschaftstätigkeit gibt. Und die Großstädte können eine fünfjährige Dürreperiode überleben, weil sich in ihnen die Wirtschaft eines großen Einzugsgebietes konzentriert. Mittelgroße Städte dagegen werden von einer solchen Dürreperiode ausradiert: Sie sind darauf angewiesen, dass sie über eine ausreichende Zahl von Firmenfilialen und Dienstleistungen verfügen, sodass sie mit weiter entfernten Großstädten konkurrieren können, aber andererseits sind sie als Zentren eines umfangreichen Einzugsgebietes nicht groß genug. Die meisten Australier sind heute nicht mehr von der australischen Umwelt abhängig und leben eigentlich auch nicht darin: Sie wohnen in den fünf Großstädten, die weniger mit der australischen Landschaft als vielmehr mit der übrigen Welt in Verbindung stehen.

Die europäischen Mächte nahmen Kolonien in Übersee meist in der Hoffnung in Besitz, sich damit finanzielle Gewinne oder strategische Vorteile zu verschaffen. Wohin dann tatsächlich viele Europäer auswanderten - in welchen Kolonien man sich also nicht auf Stützpunkte beschränkte, in denen nur wenige Europäer sich niederließen und Handel mit der örtlichen Bevölkerung betrieben -, richtete sich meist danach, ob man das Land für geeignet hielt, um eine wirtschaftlich erfolgreiche oder zumindest autarke Gesellschaft zu gründen. Die einzige Ausnahme von diesem Prinzip war Australien: Hier wanderten Menschen über viele Jahrzehnte hinweg nicht ein, um ihr Glück zu versuchen, sondern weil sie dazu gezwungen wurden.

Großbritanniens wichtigstes Motiv für die Besiedelung Australiens bestand darin, dass man eine problematisch große Zahl armer Gefängnisinsassen loswerden wollte, um so einem Aufstand zuvorzukommen, der sonst möglicherweise ausgebrochen wäre. Im 18. Jahrhundert sahen britische Gesetze für den Diebstahl von 40 Schilling oder mehr die Todesstrafe vor, und deshalb befanden Richter vielfach einen Dieb für schuldig, 39 Schilling gestohlen zu haben, um so die Hinrichtung zu vermeiden. Dies führte dazu, dass Gefängnisse und fest vertäute Schiffe sich mit Personen füllten, die wegen kleiner Vergehen wie Diebstahl oder Überschuldung verurteilt waren. Bis 1783 konnte man die Überfüllung der Gefängnisse abmildern, indem man Verurteilte als Lohnknechte nach Nordamerika schickte, wo sich auch freiwillige Auswanderer niederließen, weil sie sich eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation oder religiöse Freiheit versprachen.

Nach der amerikanischen Revolution jedoch war dieses Ventil versperrt, und in Großbritannien war man gezwungen, Verbrecher aufandere Weise loszuwerden. Anfangs hatte man zwei Orte im Auge: Der eine lag 700 Kilometer stromaufwärts an dem Fluss Gambia im tropischen Westafrika, der andere in der Wüste an der Mündung des Orange River an der Grenze zwischen den heutigen Staaten Südafrika und Namibia. Bei nüchterner Betrachtung wurde deutlich, dass beide Ideen nicht umzusetzen waren, und nun griff man auf die australische Botany Bay zurück, das Gebiet des heutigen Sydney, dass man damals nur durch einen Besuch des Kapitäns Cook im Jahr 1770 kannte. Dorthin brachte die First Fleet 1788 die ersten europäischen Siedler: Verurteilte und die Soldaten zu ihrer Bewachung. Die Schiffstransporte mit Häftlingen setzten sich bis 1868 fort, und bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts stellten Verurteilte den größten Teil der europäischen Siedler in Australien.

Im weiteren Verlauf wählte man neben Sydney weitere Stellen an der australischen Küste, wo man Verurteilte an Land brachte. Diese Siedlungen in der Nähe der heutigen Städte Melbourne, Brisbane, Perth und Hobart wurden zu den Zentren von fünf Kolonien, die von Großbritannien getrennt verwaltet wurden und sich später zu fünf der sechs Bundesstaaten des modernen Australien entwickelten: New South Wales, Victoria, Queensland, Westaustralien und Tasmanien. Diese fünf Siedlungen wählte man nicht wegen ihrer Eignung für die Landwirtschaft, sondern wegen ihrer vorteilhaften Lage an natürlichen Häfen oder Flüssen. Letztlich stellte sich heraus, dass sie sich alle nicht für die Landwirtschaft eigneten und sich mit ihrer Lebensmittelproduktion nicht selbst versorgen konnten. Großbritannien musste ständig Nahrung in die Kolonien schicken, um die Verurteilten sowie ihre Wachen und Gouverneure zu ernähren. Anders war es jedoch in dem Gebiet rund um Adelaide, das zum Zentrum Südaustraliens wurde, des sechsten modernen Bundesstaates. Dort lockte der fruchtbare, durch geologische Hebung entstandene Boden und ein recht zuverlässiger winterlicher Niederschlag deutsche Bauern an, anfangs die einzige Auswanderergruppe, die nicht aus Großbritannien stammte. Auch westlich des heutigen Melbourne gab es fruchtbare Böden, sodass sich dort ebenfalls eine erfolgreiche landwirtschaftliche Siedlung bildete, nachdem ein Häftlingslager, das man 1803 auf schlechten Böden östlich der Stadt gegründet hatte, sich nicht halten konnte.

Den ersten wirtschaftlichen Nutzen brachte die britische Besiedelung Australiens durch den Robben- und Walfang. Als man dann 1813 endlich etwa 100 Kilometer westlich von Sydney einen Übergang über die Blue Mountains entdeckte, und auf diese Weise Zugang zu dem dahinter liegenden Weideland erhielt, kamen als zweiter Gewinnbringer die Schafe hinzu. Aber Australien war immer noch nicht autark, und die britischen Lebensmittellieferungen setzten sich bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts fort; erst 1851 brachte der erste australische Goldrausch endlich ein wenig Wohlstand.

Als die europäische Besiedelung Australiens 1788 begann, war der Kontinent natürlich bereits seit mehr als 40 000 Jahren von den Aborigines besiedelt, und die hatten für die gewaltigen ökologischen Probleme nachhaltige Lösungen gefunden. In den Gebieten der ersten europäischen Besetzung (den Gefangenenlagern) und in den Regionen, die später zu Zwecken der Landwirtschaft besiedelt wurden, hatten die Weißen für die Ureinwohner sogar noch weniger Verwendung als die weißen Amerikaner für die Indianer: Diese waren im Osten der Vereinigten Staaten bereits Bauern und lieferten den europäischen Siedlern in den ersten Jahren lebensnotwendige Nutzpflanzen, bis die Einwanderer selbst solche Pflanzen anbauten. Danach waren die indianischen Bauern für die Weißen nur noch Konkurrenten, sodass man sie tötete oder vertrieb. Die australischen Aborigines dagegen betrieben keine Landwirtschaft, konnten den Siedlungen keine Lebensmittel liefern und wurden getötet oder aus den anfänglichen Siedlungsgebieten der Weißen vertrieben. Die gleiche Politik verfolgte man auch, als die Weißen sich auf alle landwirtschaftlich nutzbaren Regionen ausbreiteten. Als sie jedoch in Gebiete vordrangen, die für den Getreideanbau zu trocken waren und sich nur noch als Weideland eigneten, waren die Aborigines als Schafhirten nützlich: Anders als in den Schafzüchterstaaten Island und Neuseeland, wo die Schafe keine natürlichen Feinde haben, gab es in Australien die Dingos, die Jagd auf die Nutztiere machten; deshalb brauchten die Schafzüchter dort Wächter, und da weiße Arbeitskräfte knapp waren, stellten sie die Aborigines an. Manche Ureinwohner arbeiteten auch bei Wal- und Robbenfängern, Fischern und Händlern an der Küste.

Genau wie die normannischen Siedler, die die kulturellen Werte ihrer norwegischen Heimat nach Island und Grönland mitbrachten (Kapitel 6 bis 8), so importierten auch die britischen Siedler ihre kulturellen Werte nach Australien. Und wie in Island oder Grönland, so waren auch in Australien manche dieser kulturellen Werte der neuen Umwelt nicht angemessen, und die Nachwirkungen sind bis heute spürbar. Besonders wichtig waren dabei fünf Traditionen im Zusammenhang mit Schafen, Kaninchen und Füchsen, der einheimischen australischen Pflanzenwelt, dem Landbesitz und der britischen Identität.

Großbritannien produzierte im 18. Jahrhundert kaum eigene Wolle, sondern importierte sie aus Spanien und Sachsen. Diese Lieferungen vom Kontinent waren während der napoleonischen Kriege blockiert, die gerade in den ersten Jahrzehnten der britischen Besiedelung Australiens tobten. Der britische König George III. interessierte sich sehr für dieses Problem, und mit seiner Unterstützung gelang es den Briten, einige Merinoschafe aus Spanien auf ihre Insel zu schmuggeln; ein Teil dieser Tiere wurde dann nach Australien geschickt und begründete dort die ersten Herden der Wolllieferanten. Nun entwickelte sich Australien zu Großbritanniens wichtigster Quelle für Wolle. Umgekehrt war die Wolle von 1820 bis 1950 auch die wichtigste Exportware des Kontinents, denn mit ihrem geringen Volumen und hohen Wert unterlag sie nicht der Tyrannei der Entfernung, die sperrigeren Gütern auf den Weltmärkten die Konkurrenzfähigkeit raubte.

Noch heute dient ein beträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Australien der Schafzucht. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Identität des Landes, und Wähler aus ländlichen Gebieten, die mit Schafen ihren Lebensunterhalt verdienen, haben in der australischen Politik einen unverhältnismäßig großen Einfluss. In Wirklichkeit eignet sich die Landschaft des Kontinents aber nur scheinbar für die Schafzucht: Anfangs wuchs dort zwar üppiges Gras, oder man konnte durch Rodung für üppigen Graswuchs sorgen, aber wie bereits erwähnt, hatte der Boden eine sehr geringe Produktivität, sodass die Schafzüchter letztlich die Fruchtbarkeit des Landes abbauten. Viele Schafzuchtbetriebe mussten schnell wieder aufgeben; die heutige australische Schafzucht ist (wie ich noch genauer erörtern werde) ein Verlustgeschäft, und ihre Folge ist eine katastrophale Landschaftszerstörung durch Überweidung.

In den letzten Jahren wurde vorgeschlagen, man solle statt Schafen lieber Kängurus züchten, die im Gegensatz zu den Schafen seit jeher in Australien heimisch waren, sodass sie an Pflanzenwelt und Klima angepasst sind. Es wird behauptet, die weichen Pfoten der Kängurus würden den Boden weniger stark schädigen als die harten Hufe der Schafe. Kängurufleisch ist mager, gesund und (nach meinem Geschmack) äußerst wohlschmeckend. Außerdem liefern Kängurus neben dem Fleisch auch ein wertvolles Fell. Alle diese Argumente werden als Begründung angeführt, warum man anstelle der Schafzucht lieber Känguruzucht betreiben soll.

Aber solchen Ideen stehen sowohl biologische als auch kulturelle Hindernisse im Weg. Kängurus sind im Gegensatz zu Schafen keine Herdentiere, die fügsam einem Schäfer und einem Hund gehorchen oder die man zusammentreiben könnte, damit sie dann gehorsam über eine Rampe auf den Lastwagen marschieren, der sie zum Schlachthof bringt. Ein potenzieller Känguruzüchter müsste vielmehr Jäger einstellen, die die Tiere einzeln verfolgen und erschießen. Ein weiteres Argument gegen die Kängurus ist ihre Beweglichkeit, mit der sie sogar über Zäune springen können: Wenn man auf einem Anwesen einen Kängurubestand herangezüchtet hat, und wenn die Kängurus dann einen Anlass zur Wanderung haben (beispielsweise weil es an einem anderen Ort regnet), findet man die kostbare Känguruherde unter Umständen 50 Kilometer entfernt auf fremdem Grundbesitz wieder. Der Export von Kängurufleisch ist ebenfalls schwierig, da in den meisten Ländern kulturelle Hindernisse gegen den Verzehr sprechen. Die Australier halten Kängurus für Ungeziefer, das nicht die Voraussetzungen bietet, um das gute alte britische Hammel- und Rindfleisch vom Speisezettel zu verdrängen.

Auch viele australische Tierschützer haben etwas gegen die Nutzung der Kängurus, wobei sie allerdings übersehen, dass Lebensbedingungen und Tötungsmethoden für Hausschafe und Rinder viel grausamer sind als für wilde Kängurus. In den Vereinigten Staaten ist der Import von Kängurufleisch ausdrücklich verboten, weil wir die Tierchen so niedlich finden und manche der Meinung sind, Kängurus seien vom Aussterben bedroht. Manche Känguruarten sind tatsächlich gefährdet, aber paradoxerweise ist gerade die Spezies, die man wegen ihres Fleisches jagt, in Australien in übermäßig großer Zahl vorhanden und deshalb schädlich. Sie werden von der australischen Regierung mit Quotenregelungen streng überwacht.

Während die eingeführten Schafe für Australien von großem wirtschaftlichem Nutzen waren (obwohl sie auch Schaden anrichteten), waren die eingeführten Kaninchen und Füchse eine einzige Katastrophe. Den britischen Siedlern erschienen Umwelt, Pflanzen und Tiere in Australien sehr fremd, und sie wollten von vertrauten europäischen Lebewesen umgeben sein. Deshalb versuchten sie, zahlreiche europäische Vogelarten einzuführen, von denen aber nur zwei, der Haussperling und der Star, sich allgemein verbreiteten; andere (Amsel, Singdrossel, Feldsperling, Stieglitz und Grünling) wurden nur in einzelnen Regionen heimisch. Aber wenigstens richteten diese eingeführten Vogelarten keinen großen Schaden an, Kaninchen dagegen wurden zur Plage, verursachten gewaltige wirtschaftliche Verluste und zerstörten die Landschaft, weil sie ungefähr die Hälfte der Weidepflanzen fraßen, die sonst Schafen und Rindern zur Verfügung gestanden hätten. Neben der Veränderung der Lebensräume durch weidende Schafe und das Verbot, Land nach Art der Aborigines abzubrennen, waren die eingeschleppten Kaninchen und Füchse eine weitere wichtige Ursache, warum die Bestände der meisten kleinen, ursprünglich australischen Säugetierarten ausstarben oder stark zurückgingen: Sie wurden von den Füchsen gefressen, und die Kaninchen konkurrierten mit den einheimischen Pflanzenfressern um Nahrung.

Die europäischen Kaninchen und Füchse wurden fast zur gleichen Zeit in Australien eingeführt. Ob man zuerst Füchse importierte, um die traditionelle britische Fuchsjagd zu ermöglichen, während die Kaninchen später hinzukamen, damit die Füchse zusätzliche Nahrung hatten, oder ob man erst die Kaninchen einführte, damit man sie jagen konnte oder damit ländliche Gebiete stärker wie in Großbritannien aussahen, und die Füchse später zur Eindämmung der Kaninchen hinzunahm, ist nicht geklärt. In jedem Fall führten beide zu einer kostspieligen Katastrophe, und heute mag man nicht mehr glauben, dass sie aus so banalen Gründen nach Australien gebracht wurden. Noch unglaublicher ist, welche Mühe die Australier sich machten, damit die Kaninchen sich durchsetzten: Die ersten vier Versuche schlugen fehl (weil man zahme weiße Kaninchen aussetzte, die dann starben), und erst als man beim fünften Versuch spanische Wildkaninchen benutzte, hatte man Erfolg.

Nachdem die Kaninchen und Füchse sich durchgesetzt hatten, wurden den Australiern die Folgen klar, und seither versuchen sie, die Bestände auszurotten oder zu dezimieren. Gegen die Füchse wird der Krieg mit Gift und Fallen geführt. Der Bauer Bill Mcintosh erzählte mir, wie er auf einer Landkarte seines Anwesens Tausende von Kaninchenbauten einzeln einträgt, um sie dann mit dem Bulldozer zu zerstören. Wenn er später zu einem Bau zurückkehrt und dort neue Anzeichen für die Tätigkeit der Tiere findet, benutzt er Dynamit. Auf diese Weise hat er in mühsamer Kleinarbeit 3000 Kaninchenbauten zerstört. Angesichts derart kostspieliger Maßnahmen setzte man in Australien vor einigen Jahrzehnten große Hoffnungen in eine absichtlich eingeführte Kaninchenkrankheit namens Myxomatose. Sie dezimierte die Bestände anfangs tatsächlich um über 90 Prozent, aber dann wurden die Kaninchen gegen den Erreger resistent, und die Population erholte sich. Derzeit versucht man, die Kaninchen mit einem anderen Krankheitserreger zu bekämpfen, dem Calicivirus.

Die britischen Siedler fühlten sich nicht nur zwischen den seltsam aussehenden australischen Kängurus und Honigessern unwohl, sodass sie lieber die vertrauten Kaninchen und Amseln um sich haben wollten, sondern ebenso unbehaglich fanden sie auch die Eukalyptusbäume und Akazien ihrer neuen Heimat, die sich in Aussehen, Farbe und Blattform so stark von den Bäumen ihrer britischen Heimat unterschieden. Sie rodeten das Land teilweise deshalb, weil sie ihr äußeres Erscheinungsbild nicht mochten, teilweise aber auch für die Landwirtschaft. Bis vor 20 Jahren wurde die Rodung von der australischen Regierung nicht nur subventioniert, sondern sie war für Pächter sogar Pflicht. (Anders als in den Vereinigten Staaten befinden sich die meisten landwirtschaftlichen Nutzflächen Australiens nicht im Eigentum der Bauern, sondern sie sind Staatsbesitz und werden an die Landwirte verpachtet.) Für Maschinen und Arbeitskräfte, die zur Rodung gebraucht wurden, erhielten die Pächter steuerliche Vergünstigungen; sie mussten Land nach bestimmten Quoten roden, damit der Pachtvertrag verlängert wurde, und wenn sie diese Quoten nicht erfüllten, verloren sie ihren Status. Bauern und Unternehmen konnten Gewinne erzielen, wenn sie Flächen kauften oder pachteten, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft nicht eigneten, dort die einheimische Vegetation rodeten, ein- oder zweimal Weizen anbauten, bis der Boden erschöpft war, und die Flächen dann wieder aufgaben. Nachdem man heute erkannt hat, dass Australien einzigartige, gefährdete Pflanzengesellschaften besitzt und dass die Rodung einer der beiden wichtigsten Gründe für die Zerstörung des Landes durch Versalzung ist, muss man sich bekümmert daran erinnern, dass der Staat bis vor kurzem von den Bauern die Zerstörung einheimischer Vegetation forderte und sie dafür bezahlte. Ohne den Anreiz der steuerlichen Begünstigung wäre ein großer Teil des Landes niemals gerodet worden.

Als die ersten Siedler nach Australien kamen und Land voneinander oder von der Regierung kauften oder pachteten, wurden die Grundstückspreise nach den üblichen Werten im heimatlichen England festgesetzt, und man rechtfertigte sie mit den Gewinnen, die man auf dem fruchtbaren englischen Boden erzielen konnte. In Australien führte das zu einer »Überkapitalisierung« der Flächen: Kaufpreis oder Pacht lagen höher, als es durch die finanziellen Gewinne bei landwirtschaftlicher Nutzung gerechtfertigt wäre. Wenn ein Bauer eine Fläche kauft oder pachtet und dafür eine Hypothek aufnimmt, muss er dafür wegen der Überkapitalisierung hohe Zinsen bezahlen, und damit steht er unter Druck, mit dem Land mehr Gewinne zu erzielen, als es bei nachhaltiger Bewirtschaftung möglich wäre. Dieses »Ausquetschen des Landes«, wie es genannt wurde, führte dazu, dass je Hektar zu viele Schafe gehalten wurden oder dass man Weizen auf einer zu großen Fläche aussäte. Die Überkapitalisierung des Landes, eine Folge kultureller Werte aus Großbritannien (Geldwert und Überzeugungen) war eine wichtige Ursache für die in Australien übliche übermäßige Belegung mit Tieren, die ihrerseits zu Überweidung, Bodenerosion, dem Bankrott von Bauern und der Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen führte.

Die hohe Bewertung des Landes hat dazu geführt, dass in die australische Landwirtschaft Wertvorstellungen einflossen, die in der britischen Heimat gerechtfertigt waren, nicht aber in Australien mit seiner geringen Produktivität. Dies ist noch heute ein Hindernis für die Lösung eines wichtigen innenpolitischen Problems: Die australische Verfassung gesteht ländlichen Gebieten bei Wahlen ein unverhältnismäßig großes Gewicht zu. Noch mehr als in Europa oder den Vereinigten Staaten sind Landwirte im australischen Volksglauben ehrliche Menschen, und Stadtbewohner gelten als unehrlich. Geht ein Bauer Bankrott, dann weil ein tugendhafter Mensch das Pech hatte, Kräften (wie beispielsweise einer Dürreperiode) zu unterliegen, über die er keine Kontrolle hatte; geht dagegen ein Stadtbewohner Bankrott, nehmen alle an, er habe sich dies wegen seiner Unfähigkeit selbst zuzuschreiben. Diese Verklärung des Landlebens und das unverhältnismäßig starke Gewicht der Landbewohner bei Wahlen verkennen die bereits erwähnte Realität, dass Australien unter allen Staaten am stärksten urbanisiert ist. Sie waren ein Grund, warum die Regierung lange ihre Unterstützung für Maßnahmen beibehielt, welche die Umwelt zerstören.

Bis vor 50 Jahren kamen Einwanderer in Australien in ihrer überwältigenden Mehrzahl aus Großbritannien und Irland. Noch heute fühlen sich viele Australier stark ihrer britischen Herkunft verpflichtet und würden empört den Gedanken zurückweisen, dass sie diese unangemessen verklären. Aber wegen dieser Herkunft haben die Australier manches getan, was ihnen selbst bewundernswert erscheint, während der leidenschaftslose Beobachter darin unangemessene Maßnahmen sieht, die nicht unbedingt im Interesse Australiens liegen. Im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg erklärte Australien Deutschland den Krieg, sobald Großbritannien und Deutschland sich gegenseitig den Krieg erklärt hatten; in Wirklichkeit waren Australiens Interessen im Ersten Weltkrieg nie betroffen (außer als Ausrede, mit deren Hilfe die Australier die deutsche Kolonie in Neuguinea erobern konnten), und im Zweiten Weltkrieg waren sie bis zum Beginn des Krieges mit Japan, über zwei Jahre nach Ausbruch des Konfliktes zwischen Großbritannien und Deutschland, ebenfalls nicht betroffen. Der wichtigste Nationalfeiertag Australiens (und auch Neuseelands) ist der »Anzac Day« am 25. April: Er erinnert daran, wie australische und neuseeländische Truppen an diesem Datum des Jahres 1915 auf der abgelegenen türkischen Halbinsel Gallipoli hingemetzelt wurden, weil unfähige britische Befehlshaber sie zusammen mit britischen Streitkräften in einen erfolglosen Angriff gegen die Türkei schickten. Das Blutbad von Gallipoli wurde für die Australier zum Symbol, dass ihr Land »erwachsen« war, das britische Mutterland unterstützen konnte und seinen Platz unter den Staaten der Welt als vereinigter Bundesstaat einnehmen würde, statt als halbes Dutzend Kolonien mit verschiedenen Generalgouverneuren zu agieren. Die engste Parallele zu dem, was Gallipoli für die Australier bedeutet, ist für Amerikaner meiner Generation der japanische Angriff auf unseren Stützpunkt Pearl Harbor am 7. Dezember 1941, der unser Land innerhalb einer Nacht einte und uns aus einer isolationistischen Außenpolitik herausriss. Aber jeder andere außer den Australiern selbst muss es einfach für paradox halten, dass Australiens Nationalfeiertag mit der Halbinsel Gallipoli zu tun hat, die ein Drittel des Erdumfanges entfernt auf der anderen Seite des Äquators liegt: Kein anderer Ort könnte für die Interessen Australiens von geringerer Bedeutung sein.

Die emotionale Verbindung mit Großbritannien besteht noch heute. Als ich 1964 zum ersten Mal in Australien war, nachdem ich zuvor vier Jahre in Großbritannien gelebt hatte, kam mir Australien in Architektur und Einstellungen britischer vor als das moderne Großbritannien selbst. Bis 1973 legte die australische Regierung jedes Jahr in London eine Liste ihrer Staatsbürger vor, die zum Ritter geschlagen werden sollten, was für einen Australier als die höchste denkbare Ehre galt. Noch heute ernennt Großbritannien für Australien einen Generalgouverneur, der die Macht hat, den Premierminister zu entlassen, was 1975 auch tatsächlich geschah. Bis Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts bekannte sich das Land zu einer »Politik des weißen Australien«: Die Einwanderung aus asiatischen Nachbarländern war praktisch verboten, was dort verständlicherweise zu Verärgerung führte. Erst in den letzten 25 Jahren befasst sich Australien endlich näher mit seinen asiatischen Nachbarn; man erkennt, dass man zu Asien gehört, nimmt asiatische Einwanderer auf und pflegt Beziehungen zu asiatischen Handelspartnern. Großbritannien ist unter den Exportmärkten Australiens mittlerweile auf den achten Platz zurückgefallen und liegt hinter Japan, China, Korea, Singapur und Taiwan.

Diese Beschreibung des australischen Selbstbildes als britisches oder asiatisches Land wirft wieder einmal eine Frage auf, die uns in diesem Buch schon mehrfach beschäftigt hat: Wie wichtig sind Freunde und Feinde für die Stabilität einer Gesellschaft? Welche Länder betrachtete Australien als Freunde, Handelspartner oder Feinde, und welchen Einfluss hatte diese Wahrnehmung? Wir wollen uns zunächst mit dem Handel und dann mit der Einwanderung beschäftigen.

Über ein Jahrhundert lang und ungefähr bis 1950 waren landwirtschaftliche Produkte und insbesondere Wolle die wichtigsten Exportgüter Australiens. An zweiter Stelle folgten Bodenschätze. Heute ist Australien immer noch der größte Wollproduzent der Welt, aber sowohl die Produktion als auch die Nachfrage auf den Weltmärkten gehen zurück, weil die Wolle in vielen Anwendungsbereichen zunehmend von Kunstfasern verdrängt wird. Die Zahl der Schafe erreichte in Australien 1970 mit 180 Millionen (was durchschnittlich 14 Schafen je menschlichem Einwohner entsprach) ihren Höhepunkt und ist seitdem stetig gesunken. Fast die gesamte Wollproduktion wird exportiert, insbesondere nach China und Hongkong. Andere wichtige landwirtschaftliche Exportgüter sind Weizen (der vor allem nach Russland, China und Indien verkauft wird), die Sonderform des Hartweizens, Wein und Bio-Rindfleisch. Derzeit produziert Australien mehr Lebensmittel, als es selbst verbraucht, sodass es in der Bilanz ein Nahrungsmittelexporteur ist, aber mit der wachsenden Bevölkerung nimmt auch der heimische Verbrauch zu. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte Australien von einem NettoExporteur zum Importeur von Lebensmitteln werden.

Heute nehmen Wolle und andere landwirtschaftliche Produkte als Devisenbringer in Australien nur den dritten Platz hinter dem Tourismus (Nummer 2) und den Bodenschätzen (Nummer 1) ein. Die Bodenschätze mit dem höchsten Exportwert sind Kohle, Gold, Eisen und Aluminium, und zwar in dieser Reihenfolge. Australien ist weltweit die größte Kohle-Exportnation. Es verfügt über die größten Lagerstätten für Uran, Blei, Silber, Zink, Titan und Tantal, und seine Kohle-, Eisen-, Aluminium-, Kupfer-, Nickel- und Diamantenvorkommen gehören zu den sechs größten der Welt. Insbesondere die Kohle- und Eisenreserven sind riesig, und man rechnet nicht damit, dass sie in absehbarer Zukunft zur Neige gehen werden. Früher waren Großbritannien und andere europäische Staaten die wichtigsten Abnehmer der Exportgüter, heute jedoch importieren asiatische Staaten fünfmal mehr Bodenschätze aus Australien als die Staaten Europas. Die drei wichtigsten Abnehmer sind derzeit Japan, Südkorea und Taiwan. Allein Japan kaufte beispielsweise fast die Hälfte der australischen Kohle-, Eisen- und Aluminiumexporte.

Kurz gesagt, hat sich das Schwergewicht der australischen Exporte in den letzten 50 Jahren von den landwirtschaftlichen Produkten zu Bodenschätzen verschoben, und bei den Handelspartnern ist Asien an die Stelle Europas getreten. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor die wichtigste Quelle australischer Importe und (nach Japan) der zweitgrößte Abnehmer von Exportwaren.

Solche Verschiebungen der Handelstätigkeit waren von Verschiebungen bei der Einwanderung begleitet. Australien hat eine ähnlich große Fläche wie die Vereinigten Staaten, aber die Bevölkerung ist mit derzeit rund 20 Millionen Menschen beträchtlich kleiner, und zwar aus dem nahe liegenden, stichhaltigen Grund, dass die australische Umwelt wesentlich weniger produktiv ist und wesentlich weniger Menschen ernähren kann. Dennoch blickten in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts viele Australier einschließlich der führenden Politiker ängstlich auf die viel dichter bevölkerten asiatischen Nachbarländer, insbesondere auf Indonesien mit seinen 200 Millionen Einwohnern.

Starken Einfluss hatten auch die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg, als Australien vom weiter entfernten, aber bevölkerungsreichen Japan bedroht und bombardiert wurde. Damals gelangten viele Australier zu dem Schluss, ihr Land leide unter einem gefährlichen Problem, weil es im Vergleich zu diesen asiatischen Nachbarn stark unterbevölkert war, und deshalb glaubte man, es sei ein verlockendes Ziel für die indonesische Expansion, wenn man nicht schnell alle leeren Räume auffüllte. Daher wurde ein Schnellprogramm zur Anwerbung von Einwanderern in den fünfziger und sechziger Jahren zu einem wichtigen politischen Anliegen.

Im Rahmen dieses Programms gab man die bisherige Politik des weißen Australien auf, mit der man (als eine der ersten Maßnahmen des 1901 gegründeten australischen Commonwealth) die Einwanderung nicht nur praktisch ausschließlich auf Menschen europäischer Herkunft beschränkte, sondern auch vorwiegend auf Personen aus Großbritannien und Irland. In einem offiziellen Jahrbuch der Regierung hieß es damals, man sei besorgt, dass »Menschen ohne angelsächsisch-keltischen Hintergrund nicht in der Lage sind, sich auf die Verhältnisse einzustellen«. Die vermeintlich zu geringe Größe der Bevölkerung veranlasste die Regierung nun, Einwanderer aus anderen europäischen Staaten zuzulassen und später auch aktiv anzuwerben, insbesondere solche aus Italien, Griechenland und Deutschland, dann auch aus den Niederlanden und dem früheren Jugoslawien. Aber erst in den siebziger Jahren wurde der Wunsch nach mehr Einwanderern, als man in Europa rekrutieren konnte, in Verbindung mit der wachsenden Anerkennung einer nicht nur britischen, sondern auch pazifischen Identität für die Regierung zum Anlass, die juristischen Hindernisse für die Einwanderung von Asiaten aus dem Weg zu räumen. Heute sind Großbritannien, Irland und Neuseeland immer noch die wichtigsten Herkunftsländer der australischen Einwanderer, aber ein Viertel aller Neubürger stammt mittlerweile auch aus asiatischen Ländern, wobei Vietnam, die Philippinen, Hongkong und (in jüngster Zeit) China in den letzten Jahren abwechselnd an der Spitze lagen. Den höchsten Stand aller Zeiten erreichte die Einwanderung Ende der achtziger Jahre, und das hatte zur Folge, dass heute fast ein Viertel aller Australier in anderen Ländern geboren wurde, während dieser Anteil bei den US-Amerikanern nur 12 Prozent und bei den Niederländern drei Prozent ausmacht.

Hinter dem Ziel, Australien »aufzufüllen«, steht ein Denkfehler: In Wirklichkeit gibt es handfeste ökologische Gründe dafür, dass Australien nach über zwei Jahrhunderten der europäischen Besiedelung immer noch nicht auf eine Bevölkerungsdichte wie in den USA angewachsen ist. Mit seinen geringen Süßwasserreserven und dem begrenzten Potenzial zur Lebensmittelproduktion ist Australien gar nicht in der Lage, eine nennenswert größere Bevölkerung zu ernähren. Außerdem würde eine Zunahme der Bevölkerung auch den Pro-Kopf-Erlös aus dem Export von Bodenschätzen vermindern. In jüngerer Zeit nimmt Australien höchstens noch 100 000 Einwanderer pro Jahr auf, was einem einwanderungsbedingten Bevölkerungswachstum von jährlich nur 0,5 Prozent entspricht. Dennoch vertreten viele einflussreiche Australier, darunter der Premierminister Malcolm Fraser, die Vorsitzenden der beiden großen politischen Parteien und das Australian Business Council, nach wie vor die Ansicht, das Land solle seine Bevölkerung auf mindestens 50 Millionen Menschen steigern. Hinter ihren Überlegungen steckt eine immer noch vorhandene Angst vor der »gelben Gefahr« aus überbevölkerten asiatischen Staaten in Verbindung mit dem Ehrgeiz, eine Weltmacht zu werden - und dieses Ziel, so der Glaube, sei mit 20 Millionen Einwohnern nicht zu erreichen. Aber dieser Ehrgeiz, der vor einigen Jahrzehnten noch sehr ausgeprägt war, ist mittlerweile so stark geschwunden, dass in Australien eigentlich niemand mehr mit einem Weltmachtstatus rechnet. Und selbst wenn die Australier solche Erwartungen hatten, sind Israel, Schweden, Dänemark, Finnland oder Singapur eindrucksvolle Beispiele für Staaten, die eine viel kleinere Bevölkerung haben als Australien (nämlich jeweils nur wenige Millionen) und dennoch als wichtige Wirtschaftsstandorte einen großen Beitrag zur weltweiten Kultur und technischen Entwicklung leisten. Anders als die Führungsgestalten in Politik und Wirtschaft ihres Landes wünschen sich heute 70 Prozent der Australier nicht mehr, sondern weniger Einwanderer. Auf lange Sicht darf sogar bezweifelt werden, ob Australien seine jetzige Bevölkerung ernähren kann: Eine nachhaltige Versorgung ist bei dem derzeitigen Lebensstandard begründeten Schätzungen zufolge nur für acht Millionen Menschen möglich, weniger als die Hälfte der heutigen Einwohnerzahl.

Einmal fuhr ich von Adelaide, der Hauptstadt des Bundesstaates Südaustralien, ins Landesinnere. Die ehemalige Kolonie war als Einzige von Anfang an autark, weil ihr Boden recht produktiv ist (jedenfalls nach australischen Maßstäben, nach den Maßstäben anderer Länder ist ihre Produktivität bescheiden). Dabei sah ich in dieser Vorzeige-Landwirtschaftsregion zahlreiche Ruinen aufgegebener Bauernhöfe. Eine davon konnte ich besuchen, weil sie als Touristenattraktion diente: Kanyaka, ein großes Landhaus, war von britischen Adligen in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts als Schaffarm errichtet worden, aber schon 1869 hatte man sie aufgegeben und nie wieder in Betrieb genommen. In den regenreichen fünfziger und frühen sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als das Land von Gras bedeckt war und fruchtbar wirkte, wurden weite Bereiche in dieser Region im Inneren Südaustraliens für die Schafzucht erschlossen. Als aber 1864 die Dürre begann, war die überweidete Landschaft schnell mit toten Schafen übersät, und die Schafzuchtbetriebe wurden aufgegeben. Nach dieser Katastrophe sollte der Landvermesser G. W. Goyder im Auftrag der Regierung herausfinden, in welcher Entfernung von der Küste die Niederschläge noch so zuverlässig waren, dass man Schafzucht betreiben konnte. Er legte die so genannte Goyder-Linie fest: Nördlich davon sind Dürreperioden so wahrscheinlich, dass es unklug wäre, dort landwirtschaftliche Betriebe anzulegen. Eine Reihe feuchter Jahre in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts veranlasste die Regierung dann aber, die aufgegebenen Schaffarmen der sechziger Jahre als kleine, überkapitalisierte Weizenfarmen zu hohen Preisen zu verkaufen. Entlang der Goyder-Linie entstanden kleine Städte, die Eisenbahnlinien wurden länger, und ein paar Jahre lang profitierten die Weizenfarmen von ungewöhnlich hohen Niederschlägen. Dann scheiterten auch sie, und in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden sie zu größeren Einheiten zusammengefasst und erneut in Schafzuchtbetriebe umgewandelt. Als die Dürre wiederkehrte, musste man einen großen Teil dieser Betriebe wieder aufgeben, und wenn sie bis heute erhalten geblieben sind, leben sie nicht allein von den Schafen: Ihre Eigentümer können nur mit Nebenjobs, einer Tätigkeit im Tourismus oder anderen Investitionen ihren Lebensunterhalt sichern.

Mehr oder weniger ähnlich sind die Verhältnisse auch in den meisten anderen Landwirtschaftsregionen Australiens. Wie kam es, dass so viele anfangs Gewinn bringende Betriebe später unprofitabel wurden? Es liegt daran, dass das wichtigste ökologische Problem Australiens, die Bodenzerstörung, auf insgesamt neun schädliche Eingriffe in die Umwelt zurückzuführen ist: Rodung der einheimischen Pflanzenwelt, Überweidung durch Schafe, Kaninchen, übermäßiger Ausbeutung der Nährstoffe im Boden, Bodenerosion, von Menschen verursachte Dürre, Unkraut, falsche politische Entscheidungen und Versalzung. Alle diese Einflüsse gibt es auch anderswo auf der Welt, und in manchen Fällen wirken sie sich einzeln sogar noch stärker aus als in Australien. Kurz gesagt, sehen diese Auswirkungen folgendermaßen aus:

Wie bereits erwähnt, verlangte die australische Regierung früher von den Pächtern staatlicher Flächen, dass sie die einheimische Vegetation rodeten. Diese Vorschrift hat man zwar mittlerweile fallen gelassen, aber noch heute werden in Australien mehr einheimische Pflanzen gerodet als in jedem anderen Industrieland - eine höhere Abholzungsrate haben nur noch Brasilien, Indonesien, Kongo und Bolivien. Der größte Teil der australischen Rodungsarbeiten spielt sich heute im Bundesstaat Queensland ab, wo man Weideland für Fleischrinder schaffen will. Mittlerweile hat die Regierung von Queensland bekannt gegeben, sie werde die Rodung im großen Stil einstellen - aber erst 2006. Die Folgen sind vielfältige, bereits erwähnte Schäden: Landzerstörung durch die Versalzung und Erosion von Trockenflächen, Beeinträchtigung der Wasserqualität durch ausgewaschene Salze und Sedimente, Verringerung der landwirtschaftlichen Produktivität und des Wertes der Anwesen, und Schäden für das Große Barriereriff (siehe unten). Wenn die niedergewalzte Vegetation verrottet oder verbrannt wird, trägt sie zu den jährlichen Treibhausgasimmissionen Australiens ungefähr die gleiche Gasmenge bei wie alle Kraftfahrzeuge des Landes zusammen.

Eine zweite wichtige Ursache für die Landzerstörung ist die intensive Schafzucht: Die Tiere werden in zu großer Zahl gehalten und weiden die Vegetation schneller ab, als sie nachwachsen kann. In manchen Regionen, beispielsweise in Teilen des Distrikts Murchinson in Westaustralien, war die katastrophale Überweidung nicht mehr rückgängig zu machen, weil sie den Verlust des Bodens nach sich zog. Heute, wo man die Auswirkungen der Überweidung kennt, schreibt die australische Regierung Maximalzahlen für die Schafhaltung vor: Den Bauern ist es verboten, mehr als eine vorgegebene Zahl je Hektar der gepachteten Flächen zu halten. Früher dagegen waren Minimalzahlen vorgeschrieben: Damals waren die Bauern verpflichtet, eine bestimmte Mindestzahl von Schafen je Hektar zu halten, sonst hätten sie den Pachtvertrag verloren. Als über diese Vorschriften gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstmals genaue Aufzeichnungen geführt wurden, waren die Zahlen dreimal höher als jene, die heute als nachhaltig gelten, und noch früher lag die Zahl der Tiere offensichtlich um das Zehnfache über der Nachhaltigkeitsgrenze. Die ersten Siedler behandelten die Grasbestände also nicht als potenziell erneuerbare Ressource, sondern sie bauten die vorhandenen Vorräte ab. Wie bei der Rodung, so verlangte die Regierung auch hier von den Bauern, dass sie das Land schädigten, und wer das nicht tat, verlor seinen Pachtvertrag.

Drei andere Ursachen für die Landzerstörung wurden bereits erwähnt. Kaninchen fressen ebenso wie Schafe die Pflanzen weg, verursachen den Bauern Kosten, weil Schafen und Rindern nun weniger Gras zur Verfügung steht, und verursachen auch Aufwand für Bulldozer, Dynamit, Zäune und den Einsatz von Viren, mit denen man die Kaninchenbestände unter Kontrolle halten will. Der ohnehin geringe Nährstoffgehalt australischer Böden ist häufig schon nach wenigen Jahren der Landwirtschaft erschöpft. Nachdem die Pflanzendecke dezimiert oder völlig abgeweidet wurde, verstärkt sich die Erosion des Oberbodens durch Wasser und Wind. Die Erde gelangt mit den Flüssen ins Meer, trübt die Küstengewässer und schädigt mittlerweile auch das Große Barriereriff, eine der wichtigsten Touristenattraktionen Australiens (ganz zu schweigen von seinem ureigenen biologischen Wert und seiner Bedeutung als Fischkinderstube).

Als »von Menschen verursachte Dürre« bezeichnet man eine sekundäre Form der Landzerstörung, die auf die Rodung und die Überweidung durch Schafe und Kaninchen zurückzuführen ist. Wird die Pflanzendecke auf einem der genannten Wege vernichtet, ist Land, das durch die Vegetation zuvor im Schatten lag, nun unmittelbar der Sonne ausgesetzt, sodass der Boden heißer und trockener wird. Dieser Sekundäreffekt eines heißen, trockenen Bodens behindert das Pflanzenwachstum auf ganz ähnliche Weise wie eine natürliche Dürre.

Unkräuter wurden bereits im Kapitel 1 im Zusammenhang mit Montana erörtert: Sie sind definiert als Pflanzen, die für Bauern nur geringen Wert haben, entweder weil sie für Schafe und Rinder weniger genießbar als deren bevorzugte Weidepflanzen (oder sogar überhaupt nicht gefressen werden), oder weil sie in Konkurrenz zu Nutzpflanzen treten. Manche Unkräuter wurden unabsichtlich aus Übersee eingeschleppt; etwa 15 Prozent von ihnen führte man absichtlich, aber ohne genaue Kenntnisse zwecks landwirtschaftlicher Nutzung ein; ein Drittel entkam aus Gärten, wo man sie absichtlich als Zierpflanzen gezüchtet hatte; und wieder andere sind heimische Pflanzen aus Australien. Da weidende Tiere bestimmte Pflanzen bevorzugen, steigt durch sie der Anteil der Unkräuter, und schließlich wird die Pflanzendecke der Weiden von Pflanzenarten beherrscht, die nur geringen oder überhaupt keinen Nutzen haben (und in manchen Fällen für die Tiere sogar giftig sind). Die Bekämpfung der verschiedenen Unkrautarten ist unterschiedlich schwierig: Manche lassen sich leicht entfernen und durch genießbare Weidepflanzen oder Getreide ersetzen, andere dagegen kann man nur mit großem Aufwand ausrotten, wenn sie sich einmal festgesetzt haben.

Etwa 3000 Pflanzenarten gelten heute in Australien als Unkräuter und verursachen wirtschaftliche Verluste von rund 1,6 Milliarden Euro im Jahr. Eine der schlimmsten ist die Mimose: Sie bedroht eine besonders wertvolle Region, den Kakadu-Nationalpark und das Gebiet des Weltnaturerbes. Die dornige, bis zu sechs Meter hohe Pflanze bringt so viele Samen hervor, dass sich die Fläche, die sie bedeckt, innerhalb eines Jahres verdoppeln kann. Noch schlimmer ist die Kautschukliane, die in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts als Zierstrauch aus Madagaskar eingeführt wurde, weil man die Bergbaustädte in Queensland verschönern wollte. Sie machte sich in der Wildnis breit und wurde zu einem pflanzlichen Ungeheuer: Sie ist für Tiere giftig, verdrängt andere Pflanzen, wächst zu einem undurchdringlichen Dickicht heran, lässt Schoten fallen, die auf Flüssen schwimmen und sich auf diese Weise weit verbreiten, und wenn die Schoten schließlich aufplatzen, entlassen sie jeweils 300 Samen, die vom Wind noch weiter verteilt werden. Die Samen einer einzigen Schote reichen aus, um einen ganzen Hektar mit neuen Kautschuklianenpflanzen zu bedecken.

Neben der bereits erwähnten, fehlgeleiteten staatlichen Politik der Rodung und übermäßigen Schafhaltung sollte man noch die Maßnahmen der staatlichen Weizenkommission anführen. Dieses Gremium machte häufig rosarote Voraussagen über höhere Weltmarktpreise für Weizen, und damit ermutigte es die Bauern, mit Hilfe hoher Kredite in Maschinen zu investieren, mit denen man auch auf weniger geeigneten Flächen Weizen anbauen konnte. Viele Bauern mussten dann nach hohen Investitionen zu ihrem Missfallen feststellen, dass das Land nur wenige Jahre lang Weizen hervorbrachte und dass die Weizenpreise außerdem sanken.

Die letzte Ursache der Landzerstörung in Australien, die Versalzung, hat die kompliziertesten Ursachen und erfordert die umfangreichsten Erklärungen. Wie ich bereits erwähnt habe, enthält der Boden in vielen Regionen Australiens viel Salz, eine Hinterlassenschaft salziger Seewinde, früherer Meeresarme und ausgetrockneter Seen. Manche Pflanzen vertragen zwar salzigen Boden, die meisten Arten jedoch, darunter fast alle Nutzpflanzen, sind dazu nicht in der Lage. Würde das Salz sich nur in größerer Tiefe befinden als die Wurzeln und dort auch bleiben, gäbe es keine Schwierigkeiten. Aber durch zwei Vorgänge gelangt es an die Oberfläche, und dann kommt es zu Problemen: durch Bewässerungsversalzung oder durch Trockenversalzung.

Zur Bewässerungsversalzung kann es in trockenen Gebieten kommen, beispielsweise in manchen Regionen im Südwesten Australiens, wo der Niederschlag für die Landwirtschaft zu gering oder zu unzuverlässig ist, sodass man sie künstlich bewässern muss. Bedient sich ein Bauer der »Tropfenbewässerung« mit einem kleinen Wasseranschluss am Fuß jedes Obstbaumes oder jeder Nutzpflanzenreihe, durch den gerade so viel Wasser heraustropft, wie die Wurzeln des Baumes oder der Nutzpflanzen aufnehmen können, ergeben sich keine Probleme. Wird aber stattdessen die verbreitete Methode angewandt, das Land unter Wasser zu setzen oder das Wasser mit einem Sprenger über eine große Fläche zu verteilen, wird der Boden mit mehr Wasser abgesättigt, als die Pflanzenwurzeln aufnehmen können. Das nicht absorbierte, überschüssige Wasser sickert in die tieferen, salzigen Bodenschichten und lässt dort eine ständig feuchte Lage entstehen, durch die das Salz aus der Tiefe in den Bereich der Pflanzenwurzeln sowie bis zur Oberfläche aufsteigen kann, sodass es das Wachstum aller Pflanzen mit Ausnahme salztoleranter Arten hemmt oder völlig blockiert. Andererseits kann das Salz aber auch ins Grundwasser und von dort in die Flüsse gelangen. So betrachtet, hat Australien, das wir uns meist als trockenen Kontinent vorstellen (was auch stimmt), nicht mit zu wenig, sondern mit zu viel Wasser ein Problem: Wasser ist immer noch so billig und steht in so großen Mengen zur Verfügung, dass es in manchen Gebieten für eine übermäßige Bewässerung eingesetzt wird. Genauer gesagt, verfügen manche Regionen Australiens über so viel Wasser, dass die globale Bewässerung möglich wird, aber das Wasser reicht nicht aus, um das auf diese Weise mobilisierte Salz völlig auszuwaschen. Im Prinzip lassen sich die Probleme der Bewässerungsversalzung teilweise dadurch beseitigen, dass man den Aufwand auf sich nimmt und Tropfenbewässerung anstelle der umfassenden Bewässerung installiert.

Der zweite Versalzungsprozess, die Trockenversalzung, kann in Gebieten ablaufen, wo der Niederschlag für die Landwirtschaft ausreicht. Das gilt insbesondere in den Teilen West- und Südaustraliens, wo es im Winter zuverlässig regnet (oder früher geregnet hat). Solange der Boden in solchen Regionen noch mit seiner natürlichen, ganzjährigen Vegetation bedeckt ist, nehmen die Pflanzenwurzeln den größten Teil des Niederschlags auf, sodass nur wenig Regenwasser in die Tiefe sickert und dort mit den salzhaltigen Schichten in Berührung kommt. Aber angenommen, ein Bauer rodet die natürliche Vegetation und baut stattdessen Nutzpflanzen an, die je nach Jahreszeit ausgesät und geerntet werden, sodass der Boden eine gewisse Zeit im Jahr nackt ist. Regen, der in diesen nackten Boden einsickert, gelangt schnell in die tief liegenden Salzschichten, sodass das Salz an die Oberfläche diffundieren kann. Im Gegensatz zur Bewässerungsversalzung lässt sich die Trockenversalzung nur mit großem Aufwand oder überhaupt nicht mehr rückgängig machen, wenn die natürliche Pflanzendecke einmal beseitigt wurde.

Das Salz, das durch Bewässerung- oder Trockenversalzung mobilisiert wurde und sich im Grundwasser befindet, kann man sich als salzhaltigen, unterirdischen Fluss vorstellen, und dieser Fluss hat in manchen Regionen Australiens einen dreimal höheren Salzgehalt als das Meer. Wie jeder Wasserlauf, so fließt auch dieser unterirdische Fluss bergab, allerdings viel langsamer als ein Oberflächengewässer. Irgendwann tritt er in einer Niederung zu Tage und lässt sehr salzige Tümpel entstehen, wie ich sie in Südaustralien tatsächlich gesehen habe. Hat ein Bauer oben auf einem Berg durch schlechte Bewirtschaftung die Versalzung seines Landes verursacht, fließt dieses Salz unter Umständen langsam durch den Boden auf tiefer gelegene Anwesen und schädigt diese selbst dann, wenn sie gut bewirtschaftet wurden. In Australien gibt es keinen Weg, auf dem der Besitzer eines tiefer gelegenen Hofes nach einer solchen Schädigung von dem Eigentümer des höher gelegenen Anwesens einen Ersatz verlangen könnte. Ein Teil des unterirdischen Flusses kommt nicht in tieferen Lagen ans Licht, sondern mündet in Oberflächengewässer wie den Murray/Darling, Australiens größtes Flusssystem.

Die Versalzung fügt der australischen Wirtschaft auf dreierlei Weise schwere finanzielle Verluste zu. Erstens macht sie weite Regionen, darunter einige der besten landwirtschaftlichen Flächen des Kontinents, für den Anbau von Nutzpflanzen und die Viehzucht weniger produktiv oder völlig nutzlos. Zweitens gelangt ein Teil des Salzes in die Trinkwasserversorgung der Städte. Der Murray/Darling liefert beispielsweise 40 bis 90 Prozent des Trinkwassers für Adelaide, die Hauptstadt des Bundesstaates Südaustralien, aber durch den steigenden Salzgehalt des Flusses ist sein Wasser unter Umständen irgendwann als Trinkwasser oder zum Bewässern von Feldern ohne zusätzlichen Aufwand für die Entsalzung nicht mehr geeignet. Noch größeren Schaden als diese beiden ersten Effekte verursacht das Salz, weil es Einrichtungen der Infrastruktur korrodieren lässt, beispielsweise Straßen, Bahnlinien, Landebahnen, Brücken, Gebäude, Wasserleitungen, Warmwassersysteme, Regenwasserkanäle, Kanalisation, Geräte in Haushalt und Industrie, Strom- und Telefonleitungen sowie Kläranlagen. Bei den wirtschaftlichen Verlusten, die sich in Australien durch die Versalzung ergeben, handelt es sich nach Schätzungen zu einem Drittel um unmittelbare Kosten in der Landwirtschaft; die Verluste »jenseits des Hoftores« und in nachgelagerten Bereichen wie Wasserversorgung und Infrastruktur sind doppelt so hoch.

Welches Ausmaß hat die Versalzung? Heute sind bereits neun Prozent aller gerodeten Landflächen Australiens davon betroffen, und wenn man die derzeitige Entwicklung fortschreibt, wird der Anteil nach Berechnungen auf etwa 25 Prozent ansteigen. Besonders stark ist die Versalzung derzeit in den Bundesstaaten West- und Südaustralien; der westaustralische Weizengürtel gilt als eines der schlimmsten Beispiele für Trockenversalzung auf der ganzen Welt. Die ursprüngliche, einheimische Vegetation wurde dort zu 90 Prozent gerodet, der größte Teil davon zwischen 1920 und 1980; den Höhepunkt bildete das Programm »Eine Million Acres pro Jahr«, das die Regierung des Bundesstaates Westaustralien Ende der sechziger Jahre ausrief. An keiner anderen Stelle der Erde wurde die natürliche Vegetation so schnell auf einer so großen Fläche gerodet. Der Anteil des Weizengürtels, der durch Versalzung unfruchtbar ist, wird den Berechnungen zufolge in den nächsten 20 Jahren auf ein Drittel der Gesamtfläche anwachsen.

Insgesamt besteht die Möglichkeit, dass die Versalzung sich in Australien auf das Sechsfache der bisher betroffenen Flächen ausbreitet; diese Fläche kann in Westaustralien um den Faktor 4 wachsen, in Queensland um den Faktor 7, in Victoria um den Faktor 10 und in New South Wales um den Faktor 60. Eine weitere Problemzone neben dem Weizengürtel ist das Becken des Murray/Darling, das derzeit fast die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Produktion Australiens beliefert; es wird flussabwärts in Richtung Adelaide immer salziger, weil auf der Länge des Flusses immer mehr salzhaltiges Grundwasser hinzukommt, während die Menschen gleichzeitig immer größere Wassermengen zu Bewässerungszwecken entnehmen. (In manchen Jahren wird so viel abgeleitet, dass kein Flusswasser mehr im Meer ankommt.) Dass der Salzgehalt des Murray/Darling steigt, liegt nicht nur an den Bewässerungsmethoden entlang seines Unterlaufes, sondern auch an dem wachsenden, im industriellen Maßstab betriebenen Baumwollanbau am Oberlauf in Queensland und New South Wales. Die Baumwollplantagen stellen heute in Australien das größte Einzelproblem für die Land- und Wasserbewirtschaftung dar: Einerseits ist die Baumwolle nach dem Weizen die wertvollste Nutzpflanze des Landes, andererseits schädigen das durch ihren Anbau mobilisierte Salz und die verwendeten Pestizide weiter stromabwärts im Murry/Darling-Becken andere Formen der Landwirtschaft.

Wenn die Versalzung eingesetzt hat, lässt sie sich kaum rückgängig machen; vielfach ist die Beseitigung unbezahlbar teuer, oder sie dauert ungeheuer lange. Unterirdische Flüsse fließen sehr langsam: Hat ein solcher Wasserlauf wegen schlechter Landbewirtschaftung das Salz mobilisiert, dauert es unter Umständen 500 Jahre, bis dieses Salz aus dem Boden ausgespült ist, selbst wenn man über Nacht auf Tropfenbewässerung umsteigen und die Mobilisierung weiterer Salzmengen verhindern würde.

Die Landzerstörung, die auf alle diese Ursachen zurückgeht, ist Australiens teuerstes ökologisches Problem, aber auch fünf andere Themen verdienen eine kurze Erwähnung: Forstwirtschaft, Hochseefischerei, Süßwasserfischerei, Trinkwasser und eingeschleppte biologische Arten.

Von der Antarktis abgesehen, ist Australien der Kontinent mit dem geringsten Anteil an bewaldeten Flächen: Sie machen nur 20 Prozent der Gesamtfläche aus. Früher standen dort die möglicherweise höchsten Bäume der Welt: Die mittlerweile gefällten Blauen Gummibäume reichten mit ihren Ausmaßen an die kalifornischen Mammutbäume heran oder übertrafen sie sogar. Von den Wäldern, die in Australien 1788 zu Beginn der europäischen Besiedelung vorhanden waren, sind 40 Prozent heute völlig gerodet, 35 Prozent wurden teilweise abgeholzt, und nur 25 Prozent sind noch unversehrt. Dennoch wird die Holzgewinnung auf den kleinen Flächen mit altem Baumbestand immer noch fortgesetzt.

Das Holz aus den verbliebenen Wäldern Australiens wird nicht nur im eigenen Land verbraucht, sondern dient auch auf bemerkenswerte Weise dem Export. Die Hälfte aller Holzexporte erfolgt nicht in Form von Stämmen oder Fertigprodukten, sondern das Holz wird zerkleinert und vor allem nach Japan verschifft, wo es zu Papier und Papierprodukten verarbeitet wird. Die Rohstoffe für japanisches Papier stammen zu einem Viertel aus Australien. Der Preis, den Japan für die Holzschnitzel bezahlt, ist auf etwa fünf Euro je Tonne gesunken, das daraus hergestellte Papier wird in Japan jedoch für etwa 800 Euro pro Tonne verkauft, das heißt, fast der gesamte Mehrwert, der mit dem Holz nach der Abholzung erzielt wird, fließt nicht nach Australien, sondern nach Japan. Gleichzeitig sind die Importe von Holzprodukten in Australien fast dreimal so hoch wie die Exporte, und mehr als die Hälfte dieser Importe hat die Form von Papier- und Kartonprodukten.

Der Handel mit Produkten aus den australischen Wäldern ist also in einem doppelten Sinne paradox. Einerseits werden in Australien, einem der Industrieländer mit dem geringsten Anteil an Wäldern, immer noch Bäume gefällt, und die Produkte dieser schrumpfenden Wälder werden nach Japan exportiert, dem Industrieland mit dem höchsten Anteil an bewaldeten Flächen (74 Prozent), der außerdem immer noch wächst. Und zweitens exportiert Australien aus seinen Wäldern vorwiegend Rohstoffe zu geringen Preisen, und diese Rohstoffe werden dann in einem anderen Land zu Hochpreis-Fertigprodukten mit hohem Mehrwert verarbeitet, die Australien dann wiederum importiert. Mit derart unausgewogenen Handelsbeziehungen rechnet man nicht, wenn es um zwei Industrieländer geht, sondern wenn ein rückständiges, nicht industrialisiertes Drittweltland ohne entsprechende Verhandlungserfahrung an ein Industrieland gerät, das darin geübt ist, Drittweltländer auszubeuten: Dieses kauft dann die Rohstoffe billig ein, verarbeitet das Material im eigenen Land zu hochwertigen Produkten und exportiert sie zu hohen Preisen in die Dritte Welt. (Die wichtigsten Waren, die von Japan nach Australien exportiert werden, sind Autos, Telekommunikationsanlagen und Computer; in der Gegenrichtung fließen neben dem Holz vor allem Kohle und Bodenschätze.) Offensichtlich verschleudert Australien also eine wertvolle Ressource und erhält dafür relativ wenig Geld.

Die fortgesetzte Holzgewinnung in den alten Wäldern ist in Australien heute der Anlass für eine besonders leidenschaftliche Umweltschutzdebatte. Abgeholzt wird vor allem im Bundesstaat Tasmanien, und dort finden auch die hitzigsten Diskussionen statt. Die Tasmanischen Blaugummibäume, die mit bis zu 100 Metern zu den größten Bäumen außerhalb Kaliforniens gehören, werden heute in größerem Umfang abgeholzt als je zuvor. Beide großen politischen Parteien des Landes befürworten sowohl auf Bundesstaats- als auch auf Bundesebene die weitere Holzgewinnung dort. Auf die Frage, warum das so ist, gibt es eine nahe liegende Antwort: Nachdem die National Party sich 1995 nachdrücklich für die Holzgewinnung in Tasmanien ausgesprochen hatte, wurde bekannt, dass die Partei ihre größten finanziellen Zuwendungen von drei Holzkonzernen erhielt.

Neben dem Abbau der alten Wälder hat man in Australien auch Plantagen mit einheimischen und ausländischen Baumarten angelegt. Aber aus den zuvor erwähnten Gründen - geringer Nährstoffgehalt des Bodens, geringe, unberechenbare Niederschläge und in der Folge ein geringes Wachstum der Bäume - ist diese Art der Forstwirtschaft weniger profitabel und mit höheren Kosten verbunden als in zwölf der 13 Staaten, die in dieser Hinsicht die Hauptkonkurrenten Australiens darstellen. Selbst die wertvollste noch vorhandene und kommerziell nutzbare Baumart, der Tasmanische Blaugummibaum, wächst in Ländern wie Brasilien, Chile, Portugal, Südafrika, Spanien und Vietnam, wo man ihn in Plantagen angepflanzt hat, schneller als in Tasmanien selbst.

Der Abbau der Fischgründe in den Meeren um Australien ähnelt dem der Wälder. Die ersten europäischen Siedler überschätzten das Potenzial des Landes für die Lebensmittelproduktion. Oder, um die Fachausdrücke der Ökologen zu benutzen: Das Land ernährte einen großen Pflanzenbestand, hatte aber eine geringe Produktivität. Das Gleiche gilt für den Ozean rund um den Kontinent: Auch seine Produktivität ist gering, denn sie hängt von den Nährstoffen ab, die von dem unproduktiven Land ins Meer gespült werden, und in den australischen Küstengewässern gibt es keine nährstoffreichen Meeresströmungen, die dem Humboldtstrom vor der Westküste Südamerikas vergleichbar wären. Die Bestände der Meerestiere vor Australien haben in der Regel geringe Wachstumsraten und werden deshalb schnell überfischt. In den letzten beiden Jahrzehnten boomte beispielsweise weltweit die Nachfrage nach dem Granatbarsch, einem Fisch, der in australischen und neuseeländischen Gewässern gefangen wird; er wurde zur Grundlage einer Fischereiwirtschaft, die kurzfristig hohe Gewinne abwarf. Leider stellte sich aber bei genaueren Untersuchungen heraus, dass Granatbarsche sehr langsam wachsen und sich erst im Alter von ungefähr 40 Jahren paaren; die Fische, die gegessen werden, sind häufig 100 Jahre alt. Deshalb können sich die Granatbarschbestände wahrscheinlich nicht schnell genug vermehren, um die gefangenen, ausgewachsenen Tiere zu ersetzen. Mittlerweile ist die betreffende Branche im Niedergang begriffen.

Die Überfischung der Bestände im Meer hat in Australien eine lange Geschichte: Man baut einen Bestand ab, bis er auf ein unwirtschaftlich geringes Niveau zurückgegangen ist, dann entdeckt man neue Fischgründe und wechselt zu diesen, bis sie ebenfalls in kurzer Zeit zusammenbrechen. Das Ganze ähnelt einem Goldrausch. Nachdem neue Fischgründe aufgetan wurden, unternehmen Meeresbiologen vielleicht eine wissenschaftliche Studie und stellen fest, welche Mengen nachhaltig entnommen werden können, aber bevor die Empfehlungen der Untersuchung zur Verfügung stehen, droht der Fischerei bereits der Zusammenbruch. Zu den Opfern dieser Überfischung gehörten in Australien neben dem Granatbarsch auch der Gelbe Zackenbarsch, die Königsschlangenmakrele, die Tigergarnele, der Australische Hundshai, der Südliche Blauflossenthunfisch und der Wels Platycephalus richardsoni. Die einzigen australischen Meerestiere, die heute gut belegten Angaben zufolge nachhaltig genutzt werden, sind die Austral-Langusten, derzeit die wertvollste Exportware aus dem Meer. Die Gesundheit ihrer Bestände wurde vom Marine Stewardship Council (von dem in Kapitel 15 noch genauer die Rede sein wird) einer unabhängigen Prüfung unterzogen.

Wie im Meer, so ist die australische Fischerei auch im Süßwasser wegen der geringen Produktivität nur begrenzt möglich, weil nur wenige Nährstoffe aus dem unproduktiven Land ausgeschwemmt werden. Und wie im Meer, so sind die Fischbestände auch im Süßwasser trügerisch, denn ihre Produktivität ist gering. Der größte Süßwasserfisch Australiens beispielsweise ist der Barsch Maccullochella peeli, der bis zu einem Meter lang wird und ausschließlich im Murray/Darling-Flusssystem vorkommt. Er ist schmackhaft, wird sehr geschätzt und war früher so zahlreich, dass er in ganzen Lastwagenladungen gefangen und auf den Markt gebracht wurde. Mittlerweile sind die Bestände erschöpft. Dafür gab es mehrere Ursachen: Die langsam wachsende Fischspezies wurde wie die Bestände der Granatbarsche übermäßig stark ausgebeutet, eingeschleppte Karpfen ließen das Wasser trüb werden, und nachteilig wirkten sich auch die Dämme aus, die in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts am Murray River gebaut wurden - sie ließen die Wassertemperatur sinken (weil man nicht das warme Oberflächenwasser abfließen ließ, sondern das kalte Tiefenwasser, in dem die Fische sich nicht fortpflanzen konnten) und verwandelten einen Fluss, dem früher durch Überschwemmungen regelmäßig Nährstoffe zugeführt worden waren, in ein Gewässer mit geringer Nährstoffregeneration.

Heute liefert die Süßwasserfischerei in Australien keine nennenswerten finanziellen Gewinne mehr. In Südaustralien zum Beispiel erzielt sie insgesamt nur noch einen Umsatz von weniger als 400 000 Euro im Jahr, und diesen Betrag teilen sich 30 Personen, die nur im Nebenberuf Fischer sind. Mit einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft und ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Bestände von Maccullochella peeli und Goldbrasse (der zweiten wirtschaftlich bedeutsamen Fischart im Murray/Darling) könnte man sicher weit höhere Erträge erzielen, aber inwieweit die Fischbestände in diesen Flüssen sich noch erholen können, ist nicht bekannt.

Auch Süßwasser selbst ist in Australien knapper als auf jedem anderen Kontinent. Die geringen Mengen, die in dicht besiedelten Gebieten ohne weiteres zugänglich sind, werden bereits heute zum größten Teil als Trinkwasser oder für die Landwirtschaft genutzt. Selbst aus dem größten Fluss des Landes, dem Murray/Darling, entnehmen Menschen in den durchschnittlichen Jahren bereits zwei Drittel der gesamten Wassermenge, und in manchen Jahren bleibt praktisch überhaupt nichts übrig. Ungenutztes Süßwasser gibt es vorwiegend in den Flüssen abgelegener Gebiete im Norden des Landes, weit weg von Siedlungen der Menschen und von Landwirtschaftsregionen, wo man es verwenden könnte. Wenn die ungenutzten Wasservorräte mit wachsender Bevölkerung immer mehr schrumpfen, werden manche besiedelten Gebiete in Zukunft vielleicht zu der teuren Meerwasserentsalzung übergehen müssen. Auf Kangoo Island gibt es bereits eine Entsalzungsanlage, und eine zweite wird wahrscheinlich bald auf der Eyre-Halbinsel gebraucht.

Mehrere Großprojekte aus früherer Zeit, mit denen man ungenutzte Flüsse im Land verändern wollte, erwiesen sich als kostspielige Fehlschläge. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte man beispielsweise vor, am Murray mehrere Dutzend Staudämme zu bauen, um die Schifffahrt auf dem Fluss zu ermöglichen, und etwa die Hälfte dieser Dämme wurde vom Corps of Engineers der US-Armee errichtet, bevor man den Plan fallen ließ. Heute gibt es auf dem Murray River keinen kommerziellen Frachtschiffsverkehr, aber die Dämme haben zu dem bereits erwähnten Zusammenbruch der Fischbestände beigetragen. Einer der teuersten Fehlschläge war das Ord River Scheme: Man wollte einen Fluss in einem abgelegenen, dünn besiedelten Gebiet Nordwestaustraliens regulieren, um Felder zum Anbau von Gerste, Mais, Baumwolle, Färberdisteln, Sojabohnen und Weizen zu bewässern. Von allen diesen Pflanzen wurde am Ende nur die Baumwolle in geringem Umfang angebaut, und nach 10 Jahren scheiterte auch dieser Versuch. Heute werden in der Region Zucker und Melonen produziert, aber der Ertrag deckt nicht annähernd die Kosten, die das Projekt verursacht hat.

Neben solchen Schwierigkeiten mit der Menge, Zugänglichkeit und Nutzung des Wassers ist auch die Wasserqualität ein Problem. Die Flüsse, aus denen das Wasser stammt, enthalten Giftstoffe, Pestizide und Salz aus stromaufwärts gelegenen Regionen, und diese Stoffe bedrohen weiter stromabwärts das Trinkwasser der Städte sowie die landwirtschaftliche Bewässerung. Einige Beispiele habe ich bereits erwähnt: Der Murray River, der einen großen Teil des Trinkwassers für Adelaide liefert, enthält Salz und Agrochemikalien, und die Pestizide von den Baumwollfeldern in New South Wales gefährden weiter stromabwärts die Bemühungen, Weizen und Rindfleisch biologisch zu erzeugen und auf den Markt zu bringen.

In Australien gibt es weniger einheimische Tierarten als in anderen Kontinenten; deshalb war es besonders durch exotische Arten aus Übersee gefährdet, die absichtlich angesiedelt wurden oder sich zufällig breit machten und dann die Bestände einheimischer Tiere und Pflanzen verdrängten oder ausrotteten, weil sich bei diesen in der Evolution keine Abwehrmechanismen gegen solche fremden Arten gebildet hatten. Auch hier habe ich bereits einige berüchtigte Beispiele genannt: Kaninchen fressen etwa die Hälfte der Weidepflanzen, die ansonsten den Schafen und Rindern als Nahrung dienen könnten; Füchse jagten viele einheimische Säugetierarten und rotteten sie aus; mehrere tausend Arten von Unkräutern veränderten die Lebensräume, verdrängten einheimische Pflanzen, verminderten die Qualität der Weideflächen und vergifteten gelegentlich sogar das Vieh; und die Karpfen schädigten im Murray/Darling die Wasserqualität.

Einige weitere Schreckensgeschichten über eingeschleppte Schädlinge haben ebenfalls eine kurze Erwähnung verdient. Wild gewordene Haustiere - Büffel, Kamele, Esel, Ziegen und Pferde - zertrampeln große Lebensräume, fressen sie kahl und schädigen sie noch auf viele andere Arten. Hunderte von Insektenarten konnten sich in Australien viel leichter verbreiten als in den Ländern gemäßigter Breiten mit ihrem kalten Winter. Insbesondere Schmeißfliegen, Milben und Zecken sind schädlich für Weiden und Vieh, während Raupen, Taufliegen und viele andere Arten die Nutzpflanzen ruinieren. Die Aga-Kröten, die man 1935 einführte, um zwei Schadinsekten am Zuckerrohr zu bekämpfen, erfüllten diesen Zweck zwar nicht, verbreiteten sich aber über ein Gebiet von 250 000 Quadratkilometern; dabei kam ihnen insbesondere zu Hilfe, dass sie bis zu 20 Jahre alt werden und dass jedes Weibchen jährlich 30 000 Eier ablegt. Die Kröten sind giftig und für sämtliche einheimischen australischen Tiere ungenießbar; heute gelten sie als einer der schlimmsten Fehler, die man jemals im Namen der Schädlingsbekämpfung begangen hat.

Und schließlich führte Australiens abgelegene Lage und die damit verbundene Abhängigkeit von Schiffstransporten dazu, dass auch viele im Wasser lebende Schädlinge eingeschleppt wurden; sie kamen mit dem abgelassenen Bilgenwasser der Schiffe, mit trockenem Schiffsballast, an Schiffsrümpfen und in Waren, die zu Zwecken der Aquakultur importiert wurden. Unter diesen Schädlingen sind Rippenquallen, Krebse, giftige Dinoflagellaten, Muscheln, Würmer und eine japanische Seesternart, die den nur in Südostaustralien heimischen Fisch Brachionichthys hirsutus stark dezimierte. Viele dieser Schädlinge richten ungeheure Schäden an, und ihre Bekämpfung kostet gewaltige Beträge: Im Fall der Kaninchen sind es jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro, Fliegen und Zecken am Vieh verschlingen rund 500 Millionen, Milben auf Weiden 160 Millionen, andere Schadinsekten 2 Milliarden, Unkräuter 2,5 Milliarden, und so weiter.

Australien hat also eine außergewöhnlich empfindliche Umwelt, und diese wird aufvielfältige Weise geschädigt, was gewaltige wirtschaftliche Kosten nach sich zieht. Ein Teil von diesen entfällt auf Schäden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, wie manche Formen der Landzerstörung und die Ausrottung einheimischer Arten (wobei in jüngerer Zeit in Australien im Verhältnis zur Gesamtzahl mehr Arten ausgestorben sind als auf jedem anderen Kontinent). In den meisten Fällen setzt sich die Schädigung auch heute noch fort, oder sie nimmt sogar noch zu wie im Fall der Holzgewinnung in den alten Wäldern Tasmaniens. Manche Zerstörungsprozesse kann man kurzfristig praktisch nicht zum Stillstand bringen, weil sie sich mit einer langen zeitlichen Verzögerung verbinden, wie beispielsweise die langsame, bergab gerichtete Strömung des bereits mobilisierten salzhaltigen Grundwassers, das sich noch auf Jahrhunderte hinaus weiter ausbreiten wird. Auch heute vertreten noch viele Australier kulturell bedingte Einstellungen die schon früher Schäden verursacht haben. Ein politisches Hindernis für eine Reform der Wasserbewirtschaftung ist beispielsweise der Markt für »Wasserkonzessionen«, das heißt für das Recht, Wasser zur Bewässerung zu nutzen. Die Inhaber dieser Konzessionen sind verständlicherweise überzeugt, sie seien tatsächlich die Eigentümer des Wassers, für dessen Gewinnung sie bezahlt haben; in Wirklichkeit kann niemand die Konzessionen in vollem Umfang nutzen, weil die Wassermenge, für die insgesamt Konzessionen vergeben wurden, viel größer ist als das tatsächlich verfügbare Volumen in einem durchschnittlichen Jahr.

Wer zum Pessimismus oder auch nur zu realistischem, nüchternem Denken neigt, fühlt sich angesichts dieser Tatsachen zu der Frage veranlasst, ob die Australier zu einem abnehmenden Lebensstandard in einer immer stärker zerstörten Umwelt verdammt sind. Ein solches Szenario ist für die Zukunft Australiens durchaus realistisch. Es ist viel wahrscheinlicher als ein Bevölkerungszusammenbruch nach Art der Osterinsel einschließlich eines politischen Zusammenbruches, wie ihn Weltuntergangspropheten voraussagen. Für die übrigen Industrieländer gilt dasselbe, nur mit dem Unterschied, dass es in Australien bereits zu einem früheren Zeitpunkt Wirklichkeit werden könnte.

Aber glücklicherweise gibt es auch Anlass zur Hoffnung. Die Einstellungen wandeln sich, bei den australischen Bauern findet ein Umdenken statt, es gibt Privatinitiativen, und die Regierung ergreift erste radikale Maßnahmen. Der Wandel im Denken macht ein Thema deutlich, das uns bereits im Zusammenhang mit Normannisch-Grönland (Kapitel 8) begegnet ist und auf das wir im nächsten Kapitel zurückkommen werden: die schwierige Frage, welche tief verwurzelten Wertvorstellungen einer Gesellschaft mit ihrem Überleben vereinbar sind und welche man aufgeben muss.

Ich war vor 40 Jahren zum ersten Mal in Australien. Wenn man damals zu einem Grundbesitzer sagte, er werde zukünftigen Generationen eine geschädigte Landschaft hinterlassen und die Schäden würden sich auch auf andere Menschen auswirken, erhielt man häufig zur Antwort: »Das ist mein Land, und damit kann ich, verdammt nochmal, alles machen, was ich, verdammt nochmal, will.« Solchen Einstellungen begegnet man zwar auch heute noch, aber sie sind mittlerweile seltener und werden in der Öffentlichkeit nicht mehr ohne weiteres hingenommen. Noch vor wenigen Jahrzehnten stieß die Regierung kaum auf Widerstand, wenn sie ihre umweltschädlichen Vorschriften (beispielsweise die Vorschrift, Land zu roden) erließ und umweltschädliche Planungen (beispielsweise die Staudämme am Murray River und das Ord River Scheme) durchsetzte. Heute meldet sich die Öffentlichkeit in Australien genau wie in Europa, Nordamerika und anderen Gebieten in Umweltfragen zunehmend zu Wort. Eine besonders starke Opposition richtet sich gegen die Rodung von Land, die Regulierung von Flüssen und die Holzgewinnung in alten Wäldern. Während ich diese Zeilen schreibe, hat die Haltung der australischen Öffentlichkeit gerade dazu geführt, dass die Regierung des Bundesstaates Südaustralien eine neue Steuer einführte (womit sie ein Wahlversprechen brach), um umgerechnet 250 Millionen Euro zur Beseitigung von Schäden am Murray River zu beschaffen; die Regierung des Staates Westaustralien schränkt die Abholzung alter Wälder immer stärker ein; in New South Wales einigten sich Regierung und Bauern auf einen rund 350 Millionen Euro teuren Plan, mit dem man die Ressourcenbewirtschaftung vereinheitlichen und die umfassende Rodung von Landflächen beenden will; und die Regierung von Queensland, des seit jeher konservativsten australischen Bundesstaates, gab ein Gemeinschaftsprojekt mit der Bundesregierung bekannt, das bis zum Jahr 2006 zur Beendigung der Rodung ausgewachsener Büsche führen soll. Alle diese Maßnahmen wären vor 40 Jahren unvorstellbar gewesen.

Zu diesen hoffnungsvollen Anzeichen gehört auch eine veränderte Einstellung der Wählerschaft insgesamt, die einen Wandel der staatlichen Politik zur Folge hat. Dazu gehören insbesondere auch die gewandelten Einstellungen der Bauern: Diese gelangen zunehmend zu der Erkenntnis, dass sie die landwirtschaftlichen Methoden der Vergangenheit nicht beibehalten können, weil sie sonst ihre Anwesen nicht in gutem Zustand an ihre Kinder vererben könnten. Diese Aussicht schmerzt die australischen Bauern, denn wie die Landwirte in Montana, die ich bei den Vorarbeiten für das erste Kapitel befragte, ist nicht finanzieller Nutzen das Motiv, sich weiterhin die schwere Arbeit aufzubürden, sondern die Liebe zur bäuerlichen Lebensweise. Beispielhaft für diese gewandelte Einstellung war ein Gespräch, das ich mit dem Schafzüchter Bill Mcintosh führte - ich habe ihn bereits erwähnt. Er zeigte mir Fotos eines Hügels, die 1937 und 1999 aufgenommen worden waren. Darauf war deutlich zu erkennen, wie spärlich die Vegetation 1937 wegen der Überweidung durch Schafe war und wie sie sich später erholt hatte. Um seinen Hof nachhaltig zu bewirtschaften, hält er Schafe in geringerer Zahl, als es nach dem Maximalwert in der Regierung zulässig wäre, und mittlerweile zieht er den Wechsel zu wollelosen Schafen in Erwägung, die ausschließlich der Fleischproduktion dienen (diese erfordern weniger Aufmerksamkeit und weniger Fläche). Um das Unkrautproblem in den Griff zu bekommen und zu verhindern, dass ungenießbare Pflanzenarten sich auf den Weiden breit machen, hat er so genannte »Weidezellen« eingeführt: Die Schafe dürfen nicht nur die genießbaren Pflanzen abweiden, um dann zur nächsten Weide weiterzuziehen, sondern sie werden auf einer Fläche belassen, bis sie auch die weniger beliebten Arten gefressen haben. Zu meiner Verwunderung kann er die Kosten niedrig halten, indem er die gesamte Farm ohne Vollzeit-Angestellte bewirtschaftet. Er bewacht mehrere tausend Schafe, indem er mit dem Motorrad herumfährt, wobei er ein Fernglas, ein Funkgerät und seinen Hund bei sich hat. Daneben findet er sogar noch Zeit, andere Einnahmequellen zu erschließen, beispielsweise indem er Zimmer an Touristen vermietet; er hat erkannt, dass die Landwirtschaft allein auf lange Sicht zum Leben nicht ausreicht.

Der Gruppendruck unter den Bauern führt in Verbindung mit kürzlich geänderten staatlichen Vorschriften dazu, dass die Dichte der Tiere zurückgeht und der Zustand der Weideflächen sich verbessert. Im Landesinneren des Bundesstaates Südaustralien, wo staatliche Flächen sich für die Weidewirtschaft eignen und mit 42-Iahres-Verträgen an Bauern verpachtet werden, begutachtet eine als Pastoral Board bezeichnete Behörde alle 14 Jahre den Zustand der Flächen; verbessert sich der Zustand der Vegetation nicht, setzt sie die zulässige Zahl der Tiere herab, und wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass der Pächter das Anwesen nicht zufrieden stellend bewirtschaftet, wird der Pachtvertrag gekündigt. Näher an der Küste befinden sich die meisten Landflächen im Eigentum der Bauern, oder sie unterliegen dauerhaften Pachtverträgen, sodass eine solche unmittelbare staatliche Kontrolle nicht möglich ist, aber auch hier wird auf zweierlei Weise eine indirekte Kontrolle ausgeübt. Grundbesitzer und Pächter unterliegen einer gesetzlichen »Fürsorgepflicht« und müssen die Landzerstörung verhindern. Um diese Vorschriften durchzusetzen, überwachen im ersten Schritt lokale Gremien der Bauern die Zerstörung und versuchen mit Gruppendruck zu erreichen, dass der Betreffende seinen Verpflichtungen nachkommt. Haben diese lokalen Gremien keinen Erfolg, können im zweiten Schritt so genannte Bodenkonservatoren eingreifen. Bill Mcintosh erzählte mir von vier Fällen, in denen örtliche Gremien oder Bodenkonservatoren in seiner Region einzelnen Bauern die Auflage erteilt hatten, die Zahl ihrer Schafe zu vermindern, und wenn sie der Aufforderung nicht nachkamen, wurde der Grundbesitz beschlagnahmt.

Einige besonders phantasievolle Privatinitiativen zur Bekämpfung von Umweltproblemen lernte ich kennen, als ich die Calperum Station besuchte, einen früheren Schafzucht- und Ackerbaubetrieb von fast 2500 Quadratkilometern in der Nähe des Murray River. Das Anwesen wurde erstmals 1851 als Weideland verpachtet, fiel dann aber den üblichen ökologischen Problemen Australiens zum Opfer: Waldzerstörung, Füchse, Rodung mit Ketten oder durch Abbrennen, übermäßige Bewässerung, übermäßige Tierhaltung, Kaninchen, Versalzung, Unkraut, Winderosion und so weiter. Im Jahr 1993 wurde es von der australischen Bundesregierung und der Zoologischen Gesellschaft Chicagos gekauft, wobei Letztere, obwohl in den USA ansässig, sich sehr für die australischen Pionierarbeiten zur Entwicklung einer ökologisch nachhaltigen Landbewirtschaftung interessierte. In den ersten Jahren nach dem Kauf versuchten staatliche Verwalter, die Kontrolle von oben nach unten auszuüben: Sie erteilten Anweisungen an Freiwillige aus der Umgebung, aber dies führte zunehmend zu Spannungen, und 1998 übernahm der private Australian Landscape Trust die Verwaltung. Die Organisation mobilisierte 400 Freiwillige, die das Anwesen gemeinsam von unten nach oben verwalteten. Seine Finanzmittel erhält der Trust vorwiegend von der Potter Foundation, der größten privaten gemeinnützigen Organisation Australiens, die es sich ausdrücklich zum Ziel gesetzt hat, die Zerstörung der landwirtschaftlichen Nutzflächen auf dem Kontinent rückgängig zu machen.

Unter der Verwaltung des Trust stürzten sich die Freiwilligen auf der Calperum Station in alle möglichen Projekte, die ihren eigenen Interessen entsprachen. Auf diese Weise konnte die Privatinitiative mit Freiwilligen viel mehr erreichen, als es allein mit den begrenzten staatlichen Mitteln möglich gewesen wäre. Umweltschützer, die in der Calperum Station ausgebildet worden waren, konnten die dort erworbenen Fähigkeiten auch an anderen Orten in Umweltschutzprojekten einsetzen. Unter anderem konnte ich miterleben, wie eine Helferin sich einer kleinen, gefährdeten Känguruart widmete und sich um eine Erholung der Bestände bemühte; eine andere vergiftete lieber Füchse, in dem Gebiet eine der schädlichsten eingeschleppten Arten; und wieder andere gingen das allgegenwärtige Kaninchenproblem an, bekämpften die eingeschleppten Karpfen im Murray River, vervollkommneten eine Methode zur schadstofffreien Bekämpfung von Schadinsekten an Citrusbäumen, stellten das Leben in Seen wieder her, brachten auf überweideten Flächen neue Vegetation aus und entwickelten Märkte für Zucht und Vertrieb der regionalen Wildblumen und anderer Pflanzen, mit denen man die Erosion unter Kontrolle halten kann. Diese Bemühungen verdienen einen Preis für Phantasiereichtum und Engagement. Buchstäblich Zehntausende andere, ähnliche Privatinitiativen sind in ganz Australien am Werk: Landcare beispielsweise, eine Organisation, die teilweise ebenfalls aus dem Ackerlandprojekt der Potter Foundation hervorging, leistet bei 15 000 Bauern Hilfe zur Selbsthilfe.

Ergänzt werden solche phantasievollen Privatinitiativen durch staatliche Projekte, die mit einem radikalen Umdenken in der Landwirtschaft verbunden sind und eine Reaktion auf das wachsende Bewusstsein für Australiens tiefgreifende Probleme darstellen. Bisher lässt sich noch nicht abschätzen, ob solche extremen Pläne verwirklicht werden, aber schon dass Staatsbedienstete dafür bezahlt werden, sie zu entwickeln, ist bemerkenswert. Die Vorschläge stammen nicht von idealistischen, ökologisch geprägten Vogelfreunden, sondern von hart gesottenen Wirtschaftswissenschaftlern, die sich schlicht und einfach fragen: Würde es Australien ohne einen großen Teil seiner derzeitigen Landwirtschaft wirtschaftlich besser gehen?

Hintergrund des Umdenkens ist die Erkenntnis, dass nur ein geringer Teil der derzeitigen landwirtschaftlichen Flächen Australiens produktiv sind und sich für eine nachhaltige Bewirtschaftung eignen. 60 Prozent der Landflächen Australiens und 80 Prozent des von Menschen verwendeten Wassers werden landwirtschaftlich genutzt, das finanzielle Volumen der Landwirtschaft ist aber im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen mittlerweile so weit geschrumpft, dass sie noch nicht einmal mehr drei Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Hier wird also viel Land und knappes Wasser in ein Unternehmen gesteckt, das sehr geringen Gewinn abwirft. Erstaunlich ist außerdem die Erkenntnis, dass mehr als 99 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen nur einen geringen oder gar keinen positiven Beitrag zur australischen Wirtschaft leisten. Wie sich herausstellt, stammen mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlichen Gewinne aus weniger als 0,8 Prozent der Nutzflächen, und diese Flächen befinden sich fast ausschließlich in der Südwestecke, an der Südküste rund um Adelaide, in der Südostecke und im Osten von Queensland. Diese wenigen Regionen sind durch Vulkantätigkeit oder kürzlich aufgestiegenen Boden begünstigt, und/oder im Winter fallen zuverlässige Niederschläge. Fast die gesamte übrige Landwirtschaft Australiens ist letztlich ein Abbauunternehmen, das nicht zum Wohlstand des Landes beiträgt, sondern nur ökologisches Kapital in Form von Boden und einheimischer Pflanzenwelt unumkehrbar in Geld verwandelt, wobei indirekte staatliche Subventionen in Form einer nicht kostendeckenden Wasserversorgung, steuerlicher Begünstigungen, kostenloser Telefonanschlüsse und anderer Infrastrukturelemente mithilft. Ist das Geld der australischen Steuerzahler gut eingesetzt, wenn man damit eine derart unprofitable, zerstörerische Nutzung des Landes subventioniert?

Selbst wenn man sich eine sehr eingeschränkte Sichtweise zu Eigen macht, ist ein Teil der australischen Landwirtschaft für den einzelnen Verbraucher unwirtschaftlich, denn dieser kann seine Produkte, beispielsweise Orangensaftkonzentrat oder Schweinefleisch, in Form überseeischer Importe billiger einkaufen als aus einheimischer Produktion. Ein großer Teil der Landwirtschaft ist auch unwirtschaftlich für den einzelnen Bauern, wenn man sie am Reinerlös misst: Setzt man als Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht nur die tatsächlichen finanziellen Aufwendungen an, sondern auch die Kosten für die Arbeitskraft des Bauern, arbeiten zwei Drittel aller landwirtschaftlichen Nutzflächen in Australien (vor allem solche, die zur Zucht von Schafen und Fleischrindern verwendet werden) unter dem Strich mit Verlust.

Betrachten wir beispielsweise einmal die australischen Schafzüchter, die ihre Tiere wegen der Wolle halten. Das Durchschnittseinkommen einer Schaffarm liegt niedriger als der staatliche Mindestlohn, und die Betriebe häuften Schulden auf. Das Kapital der Betriebe, ihre Gebäude und Zäune, geht verloren, weil die Schafzucht nicht so viel Geld abwirft, dass man die Einrichtungen in gutem Zustand halten könnte. Wolle liefert auch nicht den notwendigen Gewinn, um die Zinsen für die Hypothekendarlehen des Betriebes zu bezahlen. Die meisten Schafzüchter überleben wirtschaftlich nur durch Nebentätigkeiten, beispielsweise als Krankenpfleger oder Verkäufer, durch Zimmervermietung an Touristen oder auf andere Weise. Letztlich subventionieren die Bauern mit diesen Zweitberufen und mit ihrer Bereitschaft, für geringen Lohn oder ganz ohne Bezahlung auf ihrem Hof zu arbeiten, ihre verlustbringenden landwirtschaftlichen Betriebe. Viele Angehörige der heutigen Bauerngeneration gehen dem Beruf nur deshalb nach, weil sie mit der Bewunderung für das Landleben aufgewachsen sind, aber sie könnten heute viel mehr Geld mit anderen Beschäftigungen verdienen. Wie in Montana, so werden die Kinder der derzeitigen Bauerngeneration auch in Australien wahrscheinlich nicht die gleiche Entscheidung treffen wie ihre Eltern, wenn sie vor der Frage stehen, ob sie deren Betrieb übernehmen sollen. Nur 29 Prozent der heutigen australischen Bauern rechnen damit, dass ihre Kinder den Hof weiterführen werden.

So steht es also um den wirtschaftlichen Wert großer Teile der australischen Landwirtschaft für den einzelnen Verbraucher und den einzelnen Bauern. Wie steht es mit ihrem Wert für das ganze Land? Hier muss man für jeden einzelnen Aspekt der Landwirtschaft sowohl die Gesamtkosten als auch den Nutzen für die Wirtschaft in Rechnung stellen. Einen großen Teil dieser Gesamtkosten macht die staatliche Unterstützung für Bauern aus, die einerseits in Form von Steuerbegünstigungen gewährt wird, andererseits aber auch als Aufwendungen für Dürrehilfen, Forschung, Beratung und Weiterführung von Betrieben. Solche staatlichen Leistungen verschlingen ein Drittel der nominellen Nettogewinne, welche die australische Landwirtschaft abwirft. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Gesamfkosten sind die Verluste, die anderen Teilen der australischen Wirtschaft durch die Landwirtschaft entstehen. Letztlich steht die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen in Konkurrenz mit anderen Nutzungsformen, und wenn auf einer Fläche Landwirtschaft betrieben wird, vermindert dies möglicherweise den Wert anderer Flächen für Tourismus, Forstwirtschaft, Fischerei, Freizeitgestaltung oder auch für die Landwirtschaft selbst. So wirkt sich beispielsweise der Boden, der nach landwirtschaftlicher Rodung ausgewaschen wird, schädlich und an manchen Stellen sogar tödlich auf das Große Barriereriff aus, eine der wichtigsten Touristenattraktionen Australiens; und der Tourismus ist heute als Devisenbringer für Australien wichtiger als die Landwirtschaft. Oder nehmen wir an, ein Bauer auf einem höher gelegenen Anwesen erzielt einige Jahre lang große Gewinne, weil er Weizen anbaut und bewässert, was auf einem größeren, weiter bergab gelegenen Anwesen zu starker Versalzung führt und dieses Anwesen auf Dauer ruiniert. In solchen Fällen kann der Bauer, der Land im Wassereinzugsgebiet des Riffs rodet oder das höher gelegene Anwesen bewirtschaftet, selbst mit seinen Tätigkeiten unter Umständen einen Gewinn vorweisen, aber für Australien als Ganzes bedeuten sie einen Verlust.

Ein anderer Fall, der in jüngster Zeit Anlass zu heftigen Diskussionen gab, hatte mit dem industriellen Baumwollanbau im Süden von Queensland und im Norden von New South Wales zu tun. Ich hatte dieses Problem zuvor schon kurz angesprochen. Das Anbaugebiet befindet sich am Oberlauf der Nebenflüsse des Darling River, der in seinem weiteren Verlauf die Landwirtschaftsregionen im Süden von New South Wales und Südaustralien durchquert, und des Diamantina River, der in das Lake Eyre Basin fließt. In einem eng begrenzten Sinn steht die Baumwolle, was den Gewinn angeht, nach dem Weizen auf Platz zwei unter den landwirtschaftlichen Exportgütern Australiens. Aber ihr Anbau ist nur mit Bewässerung möglich, und das Wasser stellt der Staat zu geringen Preisen oder umsonst zur Verfügung. Außerdem verschmutzen alle großen Baumwollanbaugebiete das Wasser mit den in großem Umfang eingesetzten Pestiziden, Herbiziden, Entlaubungsmitteln und Düngemitteln, die viel Phosphor und Stickstoff enthalten (was zu Algenblüten führt). Unter diesen Schadstoffen sind sogar DDT und seine Abbauprodukte, die schon seit 25 Jahren nicht mehr verwendet werden, in der Umwelt aber wegen ihrer geringen Abbaubarkeit immer noch vorhanden sind. Stromabwärts an den verschmutzten Flüssen arbeiten Weizen- und die Rinderzüchter, die hochwertige Nischenmärkte bedienen, indem sie Weizen und Rindfleisch ohne Einsatz eigener Chemikalien produzieren. Diese Gruppen haben heftig protestiert, denn die Nebenwirkungen der Baumwollindustrie haben zur Folge, dass sie ihre angeblich chemiefreien Produkte nicht mehr verkaufen können. Während also der Baumwollanbau den Eigentümern der entsprechenden Unternehmen zweifellos Gewinne bringt, muss man die indirekten Kosten für subventioniertes Wasser und die Schädigung anderer landwirtschaftlicher Bereiche einkalkulieren, wenn man beurteilen will, ob die Baumwolle für Australien insgesamt Gewinn abwirft oder ein Verlustgeschäft ist.

Das letzte Beispiel betrifft die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan, die durch die landwirtschaftliche Produktion in Australien entstehen. Dies ist für den Kontinent ein besonders schwer wiegendes Problem, denn die globale Erwärmung (die nach heutiger Kenntnis zum größten Teil auf die Treibhausgase zurückzuführen ist) bringt die regelmäßigen, zuverlässigen winterlichen Niederschläge durcheinander, die den Weizen aus dem Weizengürtel im Südwesten Australiens zum wertvollsten landwirtschaftlichen Exportgut des Landes gemacht haben. Die Landwirtschaft ist in Australien für mehr Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich als Kraftfahrzeuge und alle übrigen Transportmittel. Noch schlimmer sind die Kühe: Durch ihre Verdauung entsteht Methan, das als Ursache für die globale Erwärmung noch zwanzig Mal wirksamer ist als das Kohlendioxid. Am einfachsten könnte Australien seine selbst auferlegte Verpflichtung zur Verminderung der Treibhausgasemissionen erfüllen, wenn es seine Rinder abschaffen würde!

Diese Idee und andere radikale Vorschläge liegen zwar auf dem Tisch, derzeit deutet aber nichts darauf hin, dass sie in absehbarer Zeit umgesetzt würden. Es wäre das erste Mal, dass eine Regierung in der modernen Welt sich freiwillig entschließt, große Teile ihrer Landwirtschaft zur Vermeidung zukünftiger Probleme aufzugeben, bevor sie durch eine verzweifelte Situation dazu gezwungen wird. Aber schon die Tatsache, dass es solche Vorschläge gibt, wirft eine umfassendere Frage auf. Australien macht in extremer Form deutlich, dass die Welt sich heute in einem Wettlauf mit exponentiell zunehmender Geschwindigkeit befindet.

(»Exponentiell« bedeutet, dass die Geschwindigkeit wie in einer nuklearen Kettenreaktion zunimmt: Sie verdoppelt sich, dann steigt sie jeweils im gleichen Zeitraum um den Faktor 4, 8, 16, 32 und so weiter.) Einerseits entwickeln sich die Umweltprobleme in Australien wie auf der ganzen Welt mit exponentieller Geschwindigkeit. Andererseits verläuft auch die Entwicklung des Umweltbewusstseins in der Öffentlichkeit sowie der privaten und staatlichen Gegenmaßnahmen ebenfalls exponentiell. Welches Pferd wird das Rennen gewinnen? Viele Leser dieses Buches sind jung genug und werden noch erleben, wie es ausgeht.