Das Plädoyer des Staatsanwaltes
Mittwoch, 4. Dezember 1996, der Tag des Staatsanwaltes Buksa. Mit seiner schwarzen Robe steht er vor seinem Tisch und weiß, die Stunde der Wahrheit hat geschlagen. Nun gilt es, das Gericht zu überzeugen, daß seine vierjährige Arbeit nicht umsonst war und er genügend Beweise ansammeln konnte, um Leszek Pekalski für immer hinter Gitter zu bringen – so, wie es auch alle Bewohner des Landes fordern.
Er beginnt mit der Schilderung jeder einzelnen Tat. Er versucht die Zeugenaussagen so zu interpretieren, daß es gar keinen Zweifel geben könne, daß Leszek Pekalski der Mann ist, der unsägliches Leid über das Land gebracht hat. Immer wieder erinnert er das Gericht an den Fall Ewa P., eines jungen Mädchens, das an ihre Hochzeit dachte und ein normales Leben führen wollte.
Mit erhobener Faust fragt er, womit diese junge Frau es verdient habe, mit einem Hammer erschlagen zu werden.
»Haben die Eltern von Malgosia K. sie großgezogen, damit sie Schmerzen erdulden mußte …? Was ist mit dem sechs Monate alten Säugling, was hat dieses Kind verbrochen, um von diesem Menschen getötet zu werden?«
Der Staatsanwalt versucht dem Gericht klarzumachen, daß dieser Mensch nie mehr in Freiheit kommen dürfe – nicht zuletzt deshalb, weil alle Psychiater sich einig sind, daß er diese grauenhaften Taten sofort fortsetzen würde. Er schreit in den Saal: »Niemand kann verantworten, diesem Menschen nur die Chance zu geben, jemals einen Schritt aus der Strafanstalt tun zu können.«
Beschwörend fügt er hinzu: »Genügen all die vielen Opfer nicht, die er auf seinem Gewissen hat?« Er unterbricht wütend sein Plädoyer und geht auf Leszek Pekalski zu. Wütend schreit er ihn an, da Leszek nur ein Lächeln für dessen Ausführungen übrig hat.
Je näher der Staatsanwalt zur Anklagebank kommt, um so heftiger wird das Lachen Leszeks. Er lacht lauthals über den Mann, der vor ihm in der Robe steht und ruft ihm zu: »DU kannst mir nichts beweisen, nichts!«
Der Staatsanwalt ist außer sich über die Unverfrorenheit dieses Menschen und schreit: »Was um Gottes willen, was haben diese Menschen, deren Leben erst begann, getan, daß Sie sie töteten? Töteten auf die brutalste und abscheulichste Weise.
Sie über Stunden quälten, bis sie vor Schmerzen dem Wahnsinn nahe waren, sie zerfleischten und sich an ihrem Blut ergötzten?« Seine Stimme überschlägt sich, er ringt nach Atem und legt für Sekunden eine Pause ein. Mit erhobenem Arm schreit er auf Leszek ein, der sich gelangweilt in seinem Stuhl zurücklehnt und den Staatsanwalt angrinst. »Womit hat Sylwia R. es verdient, von Ihnen mit Steinen und Stöcken bewußtlos geschlagen und dann auch noch mit ihrem eigenen Kopftuch erwürgt zu werden? War es nicht sie, die Ihnen, weil sie Mitleid mit Ihnen hatte, belegte Brote brachte, um Ihren Hunger zu stillen, und Sie dankten es ihr auf die übelste Weise? Auf eine Weise, wie Sie und ich wissen, die so unmenschlich ist, daß ich es nicht auszusprechen wage, aus Rücksicht auf die Angehörigen.
Aus Rücksicht auf die Eltern, die mit ihrer geliebten Tochter gestorben sind. Die damit niemals fertig werden, daß ihre Tochter nicht mehr bei ihnen ist, getötet von Ihnen, nur von Ihnen! Angeklagter, sagen Sie uns, was haben all diese unschuldigen Menschen Ihnen getan? Lassen Sie es uns wissen, damit wir Ihre Greueltaten verstehen können. Nichts, gar nichts haben sie Ihnen getan! Was um alles auf der Erde haben Ihnen die Hinterbliebenen der Opfer getan, deren Leben ohne ihre Kinder, Mütter und Väter sinnlos wurde!«
Doch Leszek Pekalski gibt keine Antwort. Immer noch gelangweilt, beobachtet er die Zuhörer und Presseleute. Der Staatsanwalt versucht noch einmal, alle Zeugenaussagen zu analysieren, ihnen viel Bedeutung zuzuordnen, damit man diesem Scheusal die gerechte Strafe zuerkennen würde. Er muß auch Fehler seiner Behörde eingestehen, große Fehler, die man bei diesem Angeklagten gemacht hat.
Der Staatsanwalt fordert lebenslänglich Unter Berücksichtigung der organischen Schäden des zentralen Nervensystems, was die Gutachter aus Krakow bestätigen, beantrage ich lebenslängliche Isolation, aber keine physische Eliminierung von Leszek Pekalski – verkündete gestern vor dem Wojewodschaftsgericht in Slupsk Staatsanwalt Mieczyslaw Buksa. Er forderte insgesamt lebenslänglich für den Angeklagten von 20 Verbrechen, darunter 17 Morden.
Die vierstündige Rede des Anklägers begann nach der Verkündung der Beendigung der Beweisaufnahme im Hauptprozeß, der seit dem 2. April diesen Jahres läuft, durch Richter Andrzej Cyganek. Vorher verhörte das Gericht noch kurz die Zeugin Janina C., die jedoch nicht erklären konnte, warum sie früher zu Gunsten des Angeklagten gelogen und in der Presse erklärt hat, daß sie sich ihrer Aussage gegen L.
Pekalski nicht sicher ist. Das Gericht erklärte auch, daß es den Antrag der Verteidigung zur erneuten Untersuchung der Zurechnungsfähigkeit von L. Pekalski durch Gutachter ablehnt.
Staatsanwalt M. Buksa hielt alle Beschuldigungen aus der Anklage aufrecht. Bei den am meisten zweifelhaften Beschuldigungen, die nicht durch hundertprozentige Beweise belegt wurden, und die sogar zu Gunsten des Angeklagten ausgelegt werden konnten, erklärte er, daß dies durch Erinnerungslücken der Zeugen und die lange Zeitdauer bedingt ist. Er regte sich auf über das lächelnde Gesicht von L. Pekalski. – Das ist nicht lächerlich, verantwortlich zu sein für den Mord an der 17ährigen Sylwia R. oder an der 11 jährigen Malgorzata K., erhob er seine Stimme. – Was und wem hat das Kind etwas getan?
Staatsanwalt M. Buksa bezog sich auf die Reden über die Erpressung von Aussagen des Angeklagten sowie die Zahl von Dutzenden Morden, zu denen sich Pekalski bekannte, doch in einem bestimmten Moment der gerichtlichen Untersuchung stellte er fest: – Das ist er, der mich an der Nase herumführt, und nicht ich ihn. Das Reden über alle diese Taten, die Ortsbesichtigungen und später dann das Ansehen des Filmmaterials haben bei ihm Zufriedenheit ausgelöst.
Für jede der 20 Taten beantragte der Staatsanwalt seperate Strafen von 5 bis 25 Jahren Gefängnis sowie lebenslänglich …
Außerdem beantragte der Ankläger als zusätzliche Strafe für L.
Pekalski 10 Jahre Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und 7.000 Zl. Geldstrafe …
»Er, Leszek, hat mich an der Nase herumgeführt. Es befriedigte Leszek. über die Taten zu sprechen. Ihm gefielen die Ausflüge zu den Rekonstruktionen und das Betrachten dieses erstellten Filmmaterials.«
Selbst auf die vier Vergewaltigungen, die Leszek begangen haben soll, kommt er zu sprechen: »Da gibt es eine zwanzigjährige Beate T. und eine einunddreißigjährige Teresa L., die dieser Mann vergewaltigt hat und nur weil er glaubte, wie uns die Zeugen glaubhaft versicherten, daß sie tot seien, vor allem auf Grund ihrer schweren Verletzungen, ließ er sie am Leben. Dies geschah 1984, ein Jahr später, 1985, vergewaltigte er die zwanzigjährige Anna J. und die neunzehnjährige Luiza T.. Beide überlebten, doch wieviele mußten sterben, von denen wir gar nichts wissen? Wieviele Frauen mögen in diesem Lande leben, die sich aus Scham nicht getraut haben, diesen Unmenschen anzuzeigen?
Hohes Gericht, denken Sie an die Aussage einer dieser Frauen, die berichtete, daß Leszek ihr beide Brustwarzen bei lebendigen Leibe abgebissen hat. Denken Sie daran, was diese Frau mitgemacht haben mag, als das Blut in Strömen aus ihren Brüsten rann und sie jede Minute damit rechnen mußte, zu verbluten. Genüßlich lutschte dieser Totmacher die Brustwarzen in seinem Mund und ergötzte sich daran, bis er sie ausspuckte. Die Rechtsprechung spricht von Vergewaltigung, weil er die Opfer sexuell mißbrauchte, doch Leszek ist kein Sexualtäter. Viele Psychologen sagen, er kann gar nicht sexuell tätig werden, deshalb schloß er alle weiblichen Öffnungen mit Stöcken und befriedigte sich selbst. Leszek Pekalski wollte nur eins, er wollte töten! Er wollte seine Opfer quälen bis in den Tod. Bestialisch töten, über lange Zeit leiden lassen, das ist es, was dieser Mensch wollte. Hohes Gericht! Berücksichtigen Sie die Leiden, diese endlosen Leiden dieser vielen jungen Menschen. Unschuldig einem Menschen ausgeliefert, der nur dazu imstande war, Menschen zu Brei zu schlagen und mit den Leichen zu spielen.«
Das vierstündige Plädoyer endet mit dem Strafantrag:
»Hohes Gericht, ich bin kein Anhänger der Todesstrafe, wie Sie von den Menschen in Polen gefordert wird. Ich bin nicht dafür, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Leszek Pekalski soll nicht eliminiert werden, wie es sich bei diesen Taten aufdrängen würde. Meiner Meinung nach liegt bei dem Angeklagten eine Gehirnschädigung vor, die man bei der Strafzumessung mit in Erwägung ziehen muß. Daher beantrage ich für den Angeklagten: Für die nachgewiesenen zwölf Morde eine lebenslängliche Haftstrafe, für vier Todesfälle 25 Jahre und für zwei Todesfälle 15 Jahre, als Gesamtstrafe lebenslängliche Haft, dabei 10 Jahre Aberkennung aller bürgerlichen Ehrenrechte sowie eine Geldstrafe von 7.000 Zloty als Wiedergutmachung der Gerichtskosten.« (Dies würde Leszek im Gefängnis besonders hart treffen, denn damit wäre seine Rente gestrichen und er könnte sich bis zur Abzahlung der Gesamtstrafe keinerlei Vergünstigung mehr in der Anstalt erkaufen.) Leszek Pekalski nimmt all die Ausführungen des Staatsanwaltes gelangweilt hin, er wackelt auf seinem Stuhl, gähnt und kratzt sich und verzieht geringschätzend seine Mundwinkel. Sobald ihn der Staatsanwalt anspricht, bohrt er demonstrativ in der Nase, schneidet Grimassen und lacht.
Das Gericht beendet diesen Verhandlungstag und ordnet das Plädoyer von Leszeks Verteidigern für den nächsten Tag an.
Der Staatsanwalt ist sichtlich geschafft, als er den Gerichtssaal verläßt. Den umstehenden Reportern gibt er nur zu verstehen:
»Ich bin müde, sehr müde in Sachen Leszek Pekalski. Ich habe meinen Schreibtisch von allen Unterlagen des Falles befreit und warte nur noch auf das Urteil, das meiner Meinung nach nur auf lebenslängliche Haft hinauslaufen kann.«