Opfer Nr. 3
Andrzej M., ermordet am 13.01.1987 in Slupsk
Eine hohe Hecke an einer Straße in Slupsk – der Stadt, in der sich Leszek heute im Gefängnis befindet – ein Wächterhäuschen und die sich dahinter verbergenden Gebäude erwecken Leszek Pekalskis Neugier. Er hat vor kurzem das Gewichtheben zu seinem Hobby erkoren. Inzwischen ist er an der Sonderberufsschule in Slupsk zum Maurer ausgebildet worden. Er steht so lange am Zaun und blickt hinter die Hecke, bis es ihn friert. An der Einfahrt zu dem Grundstück entdeckt er ein weiteres kleines Häuschen mit einigen Wachposten. So geht er auf den Posten zu und bittet, eingelassen zu werden.
Die Beamten müssen über den ungebetenen Besucher lachen.
Wie er auch aussieht! Zerschlissene Schuhe, heruntergekommene Kleidung, nicht frisiert und nicht rasiert. Aber man sieht ihm an, wie sehr er friert und so hat man Mitleid mit diesem anscheinend armen Menschen. Er bleibt eine Weile, wärmt sich und jammert über sein Leben. Wieder ruft die Erzählung von seiner trostlosen Jugend bei den Zuhörern Mitleid hervor.
Nach einiger Zeit verläßt Leszek Pekalski das kleine Häuschen, geht aber nicht zurück zur Straße, sondern in das Grundstück nach hinten. Was Pekalski nicht weiß: die Polizeibeamten bewachen ein Munitionsdepot, und das befindet sich in einem Gebäude, das Leszek besonders interessiert. Dieses Gebäude ist ein militärischer Hochsicherheitstrakt und für alle Besucher tabu – doch bei Leszek, diesem heruntergekommenen Subjekt, macht man eine Ausnahme. Er ist viel zu friedlich, als daß sich die Beamten weiter um ihn kümmern würden.
Aber: der ihnen unbekannte Mann taucht nicht wieder auf.
Die Beamten werden doch unruhig und wollen ihn suchen.
Jeder noch so entlegene Winkel wird durchkämmt, doch nichts ist von ihm zu sehen. Er hat sich in einer Wandnische am Ende des Geländes versteckt und beobachtet das Treiben der Polizisten. Es werden immer mehr, jemand betätigt den Alarm.
Alle zur Verfügung stehenden Beamten werden zur Suche hinzugezogen. Aber so sehr man sich auch bemüht, von Leszek Pekalski ist nach wie vor nichts zu sehen. Ein junger Polizist findet ihn schließlich und Leszek wundert sich über die Aggressivität des Mannes. Der Wachmann schreit ihn an:
»Schau, daß du wegkommst! Du hast hier nichts zu suchen!«
Es sollten die letzte Worte des 23jährigen Andrzej M. sein.
Nach kurzem Disput versucht der Polizist. Leszek vom Grundstück zu verjagen. – Leszek sagt später: Der Polizist schrie mich an, schubste und schlug mich. Als ihm die Situation zuviel wird, zieht er ein Messer und sticht auf den Polizisten ein. Schon beim ersten Stich sackt dieser zu Boden.
Er versucht zwar noch, seine Dienstwaffe zu ziehen und auf Leszek zu feuern, doch der Schuß geht in die Erde. Leszek erkennt die Gefahr und beginnt zu fliehen. Über einen Zaun türmt er in den naheliegenden Wald. In der Zwischenzeit findet ein Kollege den am Boden liegenden, stark aus dem Hals blutenden Polizisten. Herbeigeholte Sanitäter können jedoch nur noch den Tod des jungen Mannes feststellen.
Nachdem der Kasernenarzt den Toten untersucht hat, läßt er eine Sitzung der ranghöchsten Offiziere einberufen. Er erklärt diesen, daß die begutachtete Verletzung nur von einem Profi, einem Spion stammen kann. Nur in deren Ausbildungslagern würde man diese Tötungsweise lehren. »Sie ist lautlos und führt mit einem einzigen Stich zum sofortigen Tod.«
Die Kasernenleitung läßt Großalarm geben, alle Soldaten des Umkreises werden auf die Suche geschickt. Hunderte Polizisten durchkämmen die Stadt. Haus für Haus wird durchsucht, doch man findet den Verdächtigen nicht. Alle zur Verfügung stehenden Hubschrauber und Hunde werden eingesetzt und die Kaserne ist in höchster Alarmbereitschaft.
Nachdem man nach Stunden Leszek Pekalski noch immer nicht gefunden hat, lösen die örtlichen Dienststellen Alarm in der Region, später sogar in ganz Polen aus. Der inzwischen gebildete militärische Sonderstab und die Behörden sind sich einig: hinter dieser Tat muß das Werk eines Spions oder Terroristen stehen. Sogar ein politisches Attentat wird in Betracht gezogen. Leszek Pekalski, der das Gelände rund um seine Geburtsstadt, besonders den angrenzenden Wald, wie seine Hosentasche kennt, sitzt auf dem Ast einer Tanne und beobachtet durch die schneebedeckten Zweige das Geschehen am Boden. Wieder einmal ist es ihm gelungen, unerkannt zu entkommen.
Am nächsten Tag geht er zum Haus seines Onkels, als wäre nichts geschehen. Doch dieses Mal hat er eine Spur hinterlassen. Es ist das Haar an seiner Mütze, die er am Tatort verliert. Während des Gerangels mit dem Polizisten muß ihn dieser an den Haaren gezogen und ihm die Mütze vom Kopf geschlagen haben. Man findet diese Mütze sowie die Haare von Leszek Pekalski und leitet sie zur Identifizierung an die Gerichtsmedizin weiter. Die Technik vor Ort reicht aber für eine genaue Untersuchung nicht aus. Wochen später beschließt man, Haare und Mütze im Nachbarland untersuchen zu lassen, doch die Mütze taucht später nicht mehr auf. Auch nicht die Haare.
Leszek Pekalski gibt den Mord an dem jungen Polizisten sofort nach seiner Verhaftung zu, brüstet sich sogar mit seinen Ortskenntnissen, mit denen es ihm gelungen war, seine Verfolger abzuschütteln. Als man im Gefängnis erfährt, daß Leszek den Mord an einem Polizisten gestanden hat, bekommt er Ärger mit den Wärtern, die sich der Polizei gleichgestellt fühlen. Man läßt ihn spüren, daß er einen von ihnen getötet hat.
Der dumme Dorftrottel, für den ihn so viele Beamte gehalten haben, läßt die Leiterin der Ermittlungen in Sachen Pekalski zu sich kommen. Als sie Leszek im Gefängnis besucht, beichtet er, gelogen und sich wichtig gemacht zu haben, als er diese Tat gestand. Er schwört bei allem was ihm heilig sei, diesen Mord niemals begangen zu haben. Man glaubt ihm nicht, da verspricht er als Beweis, einen anderen Mord zu gestehen. Die Beamtin teilt der Vollzugsbehörde im Gefängnis auf seinen Wunsch hin mit, daß er den Polizisten wohl doch nicht ermordet hat. Leszeks Problem ist gelöst, die Beamten sind wieder freundlicher zu ihm.
Nach dieser Tat tötet er vier Frauen im Alter von 21 bis 40 Jahren in nur elf Monaten.