20
Heywood-Smith saß im Salon und fluchte, während das Boot sich auf den Kanal zu bewegte. Sie waren noch im Mündungsgebiet und stampften nur leicht, aber sein Magen drohte zu explodieren. Er hatte die Jacht gekauft, weil es eine elegante Art war, seinen Reichtum zu bekunden, doch benutzte er sie nur, wenn das Wasser glatt wie ein Mühlteich war. Er hatte Angst vor der See, und sein Magen zog sich zusammen, wenn er an sie dachte.
Er streckte den Arm aus, holte die Whiskyflasche aus dem Sturmhalter und goß sich einen zweiten sehr steifen Whisky ein. Nur das Gold, das er in einem Spezialgürtel um den Leib trug, konnte ihm die Qualen wert machen, die auf ihn warteten, wenn sie auf hoher See waren. Er stellte sich sechs Meter hohe Wellen vor, die sich auf die Jacht stürzten, ihn mit sich rissen und den Krabben zum Fraß brachten. Nur des Goldes wegen setzte er sich einer so schrecklichen Gefahr aus.
Die Jacht stampfte etwas stärker, und sein Magen hob und senkte sich im Takt. Er spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirne trat. Er starrte durch das Bullauge und sah zweihundert Meter entfernt einen hellbeleuchteten Dampfer langsam dem Hafen zu fahren. Die Passagiere würden nicht einmal merken, daß rauhes Wetter war.
Wasser schlug gegen eines der größeren Bullaugen. Die Jacht stampfte jetzt schwer; sein Magen zog sich zusammen, aber er mußte sich noch nicht übergeben. Er versuchte, sich mit dem Gedanken an das Gold und an den höheren Gewinn zu trösten, da ja jetzt die Mittelsleute ausgeschaltet waren, doch auch der Gedanke an das Gold konnte ihn nicht ablenken.
Er trank wieder. Leery hatte recht gehabt. Sie hätten die Finger von dieser letzten Goldladung lassen sollen. Dann wäre er an Land geblieben, wo einem die Gedärme nicht zu Tode gestampft wurden.
Der Carter-Pier lag am Ostende der alten Docks. Er war nicht gleichzeitig mit den andern modernisiert worden und sah im trüben Licht der Lampen neben den hölzernen Ladeschuppen halb zerfallen aus. Als der Wagen scharf bremste, sahen die Polizisten eine Anzahl Ratten von einem Haufen faulenden Gemüses weghuschen.
Sie stiegen aus. Der Wind war stärker geworden und es fing an zu regnen. Sie schlugen ihre Kragen hoch und fluchten auf das Wetter.
Sie wurden angerufen: «Heda!»
Fusil antwortete und ging dann voran an dem Schuppen entlang bis zum Ende des Piers. Ein Mann in Ölzeug wartete oben an einer eisernen Leiter, die hinab zum Wasser führte. Daneben war eine große schnittige Barkasse vertäut. Die Polizisten kletterten die Leiter hinab und schimpften, als ihre Hände und Füße auf den tangbedeckten Sprossen ausglitten und ihre Mäntel sich mit Schmutz bedeckten.
Das Boot hatte ein flaches Vorder- und Hinterdeck und einen quadratischen Aufbau. Rowan und Kerr erhielten Befehl, nach unten zu gehen und heißen Kakao zu trinken, was sie mit Vergnügen taten. Fusil blieb auf der Brücke und zog die Schultern hoch, um seinen Nacken vor dem Regen zu schützen. Er sprach mit dem Kapitän der Barkasse. «Unser Kunde ist auf einer Jacht namens Pentara, und die soll recht schnell sein. Zwanzig Knoten. Hat einen Vorsprung von ungefähr einer halben Stunde. Können Sie das aufholen?»
Der Kapitän – ein fast viereckig gebauter Mann – lachte. «Wir machen fünfzehn Knoten auf Diesel, Mr. Fusil, und fünfzig auf Diesel-Gasturbinen. Glauben Sie, das genügt?» Er gab dem Mann auf dem Vorderdeck Befehl abzutäuen, gab dem Maschinenraum das Signal «Schritt, achteraus, Steuerbord», schaltete die Navigationslichter ein und ließ das Ruder nach Steuerbord legen.
«Dann werden wir sie also in einer halben Stunde oder so haben?» fragte Fusil.
Der andere antwortete erst, als das Boot vom Kai abgelegt hatte, die Leinen an Bord waren und die Motoren auf langsam voraus standen. «Solang wir nicht im offenen Wasser sind, können wir nicht mehr als zehn Knoten machen, und ich glaube, der Seegang draußen ist zu stark für die Höchstgeschwindigkeit. Aber wir werden für Sie tun, was wir können.»
Als sie in der Mitte des Kanals waren, gab der Kapitän das Signal für volle Kraft voraus und befahl durch ein Sprechrohr, die Hauptmotoren in ungefähr zwanzig Minuten anzuwerfen. Der Regen wurde heftiger, und der Wind blies ihn in einer Kurve auf sie zu. Fusil lehnte sich gegen das Ruderhaus, um so geschützt zu sein wie möglich, und fragte sich düster, welche Erfolgsaussichten sie hatten. Die Pentara erreichte die offene See vor ihnen, welche Richtung würde sie einschlagen? Der Kanal war immer voller Schiffe; wie konnten sie hoffen, ein so verhältnismäßig kleines Boot ausfindig zu machen? Er blickte zurück auf die Radarantenne, die im zurückgeworfenen Licht der Navigationslampen gerade noch sichtbar war. Sie drehte sich unaufhörlich. Würde der Radartechniker, der irgendwo unten saß, imstande sein, den kleinen Lichtfleck der Pentara zu identifizieren? Selbst wenn ihnen der Seegang gestattete, ihre fünfzig Knoten fast ganz zu machen, würden sie die Jacht identifizieren und erreichen, bevor Heywood-Smith seine Absichten verwirklichte?
Heywood-Smith erbrach sich, wischte sich den Mund mit einem Taschentuch und warf dann das Taschentuch mit einer Geste des Abscheus über das Erbrochene. Das Boot schien zu zögern, als die See es unversehens faßte, und er würgte wieder. Er griff nach dem Whiskyglas, verlor das Gleichgewicht und wurde zu Boden geworfen. Fluchend schleppte er sich zurück in den Sessel.
Leery kam in den Salon; das Wasser troff von seinem Ölzeug und von seinem unbedeckten Haar. Er warf einen verächtlichen Blick auf Heywood-Smith. «Ich glaube, sie sind hinter uns her.»
«Das kann nicht sein.» Die Stimme des anderen klang hoch und verriet seine Angst.
Leery zuckte die Schultern. Er hatte kein Verständnis für einen Mann, der sich vor der See fürchtete. «Ich habe den Radarschirm beobachtet. Es kommt etwas von achtern sehr rasch heran, und auch unser Kurswechsel hat nichts daran geändert.»
«Sie können nicht wissen, daß ich hier bin.»
«Vielleicht waren Sie nicht so schlau, wie Sie dachten.»
«Es kann nicht … Tun Sie etwas. Sie müssen etwas tun.»
«Wir machen fünfzehn Knoten, und das ist unser Limit bei dieser See. Die sind besser auf Geschwindigkeit bei hoher See eingerichtet.»
Heywood-Smith stöhnte.
«Der automatische Pilot ist eingestellt, aber ich muß zurück.»
«Tun Sie etwas», sagte Heywood-Smith mit kläglicher Stimme. Die Jacht stampfte, und plötzlich mußte er sich wieder übergeben.
«Was schlagen Sie vor, ohne zu vergessen, daß er mindestens doppelt so schnell ist wie wir?» fragte Leery sarkastisch.
Heywood-Smith wimmerte nur. Die Seekrankheit beraubte ihn fast seiner Sinne. Er strich sich mit dem Handrücken über die Stirn und versuchte, seine Gedanken zusammenzunehmen. Wenn die Polizei sie mit einem schnelleren Boot verfolgte – obwohl nur der Himmel wissen konnte, wieso –, dann bestand wenig Hoffnung, ihr zu entkommen. Was konnte die Polizei entdecken? Er und Leery waren in einer nassen, windigen Nacht auf Fahrt gegangen. Das bewies gar nichts. Die Polizei hatte keine Beweise, und aus dieser Fahrt würde sie auch keine gewinnen … So lange sie das Gold nicht fand.
Er schaute mit trüben Augen zu Leery auf, der sich automatisch und scheinbar mühelos den Schiffsbewegungen anpaßte. «Stellen Sie fest, ob sie uns wirklich folgen.» Er sprach mit Anstrengung und befürchtete dabei, er müsse sich wieder erbrechen.
Kurz nachdem Leery den Salon verlassen hatte, drehte sich die Jacht, und sie begann stark zu schlingern, als die Wellen von der Seite kamen. Irgend etwas hatte sich in einer der Kabinen losgerissen und schlug hin und her; am hinteren Ende des Salons begann ein knarrendes Geräusch; als das Wasser gegen den Schiffsrumpf schlug, erfaßte ihn das angstvolle Gefühl, die Wände könnten eingedrückt werden.
Wieder wurde ihm übel, aber unter Aufbietung aller Willenskraft zwang er seine Gedanken fort von den Schrecken, die ihn umgaben, und zurück zu der Frage der Beweise. Er hatte sicher recht. Der einzige Beweis gegen ihn war das Gold. Wenn es also sicher war, daß sie verfolgt wurden und keine Chance hatten, zu entkommen, dann mußte er das Gold über Bord werfen. Er war erfüllt von der bitteren Erkenntnis, daß in diesem Falle alle seine Leiden, die er jetzt erduldete, umsonst sein würden.
Seine Beine waren wie Gummi, aber es gelang ihm, aus dem Salon zu stolpern, die kurze Treppe hinaufzuklettern und das Ruderhaus zu erreichen.
Er stand mühsam auf, indem er sich am Tischrand festhielt. Leery stand am Ruder. Als Heywood-Smith das Ruderhaus betrat, verlor er das Gleichgewicht und fiel gegen den kleinen Flaggenschrank. Er stöhnte vor Schmerz und starrte durch das Klarsichtfenster, das sich so schnell drehte, daß es Regen und Gischt fortschleuderte.
Er hielt sich am Flaggenschrank fest, drehte sich um und beobachtete Leery, der seine Aufmerksamkeit zwischen dem Kompaß und dem Radarschirm neben dem Funkpeiler teilte.
Leery legte das Ruder nach Backbord. «Kein Zweifel», sagte er. «Sie verfolgen uns und kommen rasch näher.»
Heywood-Smith wollte etwas sagen, mußte sich aber wieder übergeben. Als der Krampf vorüber war, ging er mühsam zur Backbordtüre und öffnete sie. Wasser – er wußte nicht, ob Gischt oder Regen – schlug ihm gegen Kopf und Schultern. Eisige, zitternde Angst vor der See erfüllte ihn, aber die Angst vor der Polizei trieb ihn an. Er trat hinaus auf Deck.
Wasser lief ihm an Nacken und Rücken hinab. Er zitterte vor Kälte. Plötzlich schlingerte die Jacht heftig; er verlor seinen Halt und dachte für einen schrecklichen Augenblick, er werde in die See gerissen. Als er schluchzend vor Schreck in höchster Verzweiflung wieder Halt fand, sah er ein grünes Licht dreimal aufblitzen und glaubte in seiner Konfusion, es sei die Polizei. Aber als sich das dreifache Signal wiederholte, wurde ihm klar, daß es sich um eine Art Boje handeln mußte. Er griff unter seine Jacke und tastete nach der Schnalle des Gürtels, in dessen Taschen sich das Gold befand. Er stellte sich dieses Gold vor, das, eingeschmolzen und neu gegossen, eine tiefe, dunkle Farbe angenommen hatte und, schöner als irgend etwas auf der Welt, seinen Fingerspitzen elektrische Reize vermittelte. Er löste den Schnellverschluß, und der Gürtel glitt auf das Deck. Mit dem Fuß stieß er ihn über Bord.
Dann ging er zurück zum Ruderhaus, verlor wieder das Gleichgewicht und flog krachend gegen den Flaggenschrank.
«Sie sind beinahe auf unserer Höhe», sagte Leery.
Wie zur Betonung seiner Worte leuchtete ein blendender Lichtstrahl auf, strich, den Regenvorhang beleuchtend, über die Wasserfläche und erfaßte die Pentara. Das Licht, das ins Ruderhaus drang, war so stark, daß die beiden Männer die Augen halb schließen mußten.
Heywood-Smith wurde wieder von einem plötzlichen Brechreiz gequält, aber sein Magen war so gut wie leer, und es blieb bei einem ergebnislosen Würgen. Nie hatte er sich seelisch und körperlich so elend gefühlt.
Fusil verließ den ersten der beiden Vernehmungsräume seines Reviers, schloß die Tür und warf einen Blick auf die Wanduhr. Es war elf Uhr achtundfünfzig abends. Heywood-Smith’ Anwalt konnte jeden Augenblick eintreffen, und dann mußte man ihn freilassen. Fusils sorgfältig ausgearbeiteter Plan, seine psychologische Vorausberechnung, seine Erwartungen waren alle völlig richtig gewesen – nur in einer Hinsicht nicht: sie hatten kein Ergebnis gebracht. Heywood-Smith hatte kein Gold bei sich, Leery auch nicht, und auf der ganzen Jacht war keins zu finden. Die beiden Männer behaupteten, sie seien auf einer Vergnügungsfahrt und seit wann sei das ungesetzlich?
Fusil zündete eine Zigarette an. Er hatte alles eingesetzt, hatte die ganze Zeit gewonnen bis zum letzten Augenblick, dem einzigen, der zählte, und hatte dann verloren. Heywood-Smith würde dafür sorgen, daß ihm das heimgezahlt wurde.
Er zuckte resigniert die Schultern und ging zum zweiten Vernehmungsraum. Kerr und Captain Leery saßen sich unter einer nackten Birne an dem abgenützten Holztisch gegenüber. Am Anfang hatte Fusil gehofft, Leery würde rasch zusammenbrechen, aber dabei war offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen.
Fusil holte sich einen Stuhl, zog ihn geräuschvoll über den Fußboden und setzte sich. Er versuchte, triumphierendes Selbstvertrauen auszustrahlen. «Mr. Gregory Heywood-Smith ist endlich gesprächig geworden.»
Leery sagte nichts.
«Er hat fast alles zugegeben. Damit sitzen Sie im Dreck.»
Leery schwieg.
Fusil beugte sich vor und sagte freundlich: «Captain Leery, Sie stecken so tief im Dreck, daß nur ein volles Geständnis Ihnen noch ein bißchen helfen kann. Die Gerichte berücksichtigen beim Urteil, ob ein Mann bei seinem ersten Vergehen geständig ist.»
«Wirklich?»
Fusils Stimme wurde lauter. «Vielleicht glauben Sie jetzt, daß es Ihnen verdammt wenig ausmacht, ob Sie drei oder sechs Jahre sitzen. Soll ich Ihnen mal was sagen? Das Gefängnis bringt einen Mann wie Sie nach einer gewissen Zeit um. Sie sind nicht hart. Sie haben ein komfortables Leben geführt, in einer Welt, wo man kaufen kann, was man haben möchte, auch den Schutz vor dem, was einem unangenehm ist. Aber im Gefängnis gibt es keinen Schutz: keinen Schutz vor der Langeweile, vor Schikanen, vor sadistischen Wärtern, vor Platzangst, vor den Stahlgittern, dem Gestank, den Großmäulern, den Lügnern … Und das Tag und Nacht. Ein so verweichlichter Mann wie Sie hält das nicht lange aus. Jedenfalls nicht so lange, wie Sie sitzen müssen, wenn Sie die harte Tour spielen wollen.»
Leery zog ein Päckchen Zigaretten heraus und zündete eine an.
Kerr sagte sich in bitterer Wut und wachsender Angst, daß Fusil versagte, jämmerlich versagte. Er konnte tun, was er wollte, er machte den Eindruck eines geschlagenen Mannes, der weiß, daß er verloren hat. Und wo blieb er, Kerr? Tiefer im gottverdammten Dreck als alle anderen. Er war der Bauer in diesem Schachspiel gewesen, den man hierhin und dorthin schiebt und der nicht aus der Reihe tanzen kann, und schließlich geopfert wird. Wenn Fusil tatsächlich Walkers Angebot eines Geständnisses abgelehnt hatte … Fusil würde seine eigene Frau opfern, um einen Erfolg zu erkaufen …
Es blieb nur eine kleine, winzig kleine Chance. Ein Hoffnungsschimmer, der so schwach war, daß es ihn vielleicht überhaupt nicht gab. Seit er Leery durchsucht und das Foto in seiner Brieftasche gesehen hatte, war er darauf gekommen.
Fusil fuhr mit der Vernehmung fort. Er war jetzt brüsk und direkt. «Es ist Ihre letzte Chance, sich alles etwas leichter zu machen. Verstehen Sie das? Ihre letzte Chance …»
«Wir haben eine Vergnügungsfahrt gemacht», sagte Leery.
«In einer schmutzigen Regennacht im Winter?»
«Es ist nun mal die Wahrheit.»
«Sie lügen. Heywood-Smith hat gestanden.»
«Tatsächlich? Oder lügen gerade Sie, damit ich glauben soll, daß er gestanden hat?»
Kerr sagte verärgert: «Sir.»
Fusil drehte sich um. «Was wollen Sie denn, zum Teufel?» schrie er und machte seiner Wut und Enttäuschung Luft.
«Kann ich Sie kurz sprechen?»
«Es ist wichtig.»
«Warum können Sie nicht …»
Fusil zögerte. Er rieb sich müde die Stirn mit dem Knöchel seines Zeigefingers. «Schön», sagte er schließlich und ging voran in den kalten, zugigen Korridor. Kerr schloß die Tür.
«Warum haben Sie mich unterbrochen?»
«Es ist vielleicht wichtig.»
«Ihre Aufgabe ist, den Mund zu halten.»
«Sie haben etwas vergessen, Sir.»
«Noch mehr von dieser verfluchten Unverschämtheit …»
«Sie vergessen, wieviel für mich auf dem Spiel steht. Und auch für Sie, vielleicht mehr als Sie glauben. Ich hab gehört, daß Choppy Walker wirklich bereit war, mich zu entlasten, aber daß Sie ihn abgewiesen haben.»
«So?»
«Stimmt das?»
«Das ist meine Angelegenheit.»
«Aber mein Kopf.»
Sie starrten einander an, zu müde, um ihren Haß zu verbergen.
Kerr sprach als erster. «Ich habe Captain Leery durchsucht, wie Sie angeordnet hatten.»
«Und?»
«Ich habe nichts Bestimmtes gefunden.»
«Ist das alles, was Sie mir mitzuteilen haben?»
«Aber in seiner Brieftasche war ein Foto von einer Frau.»
«Er ist verheiratet.»
«Es ist nicht seine Frau.»
«Dann seine Tochter.»
«Nicht mit dem Gesicht. Während des ganzen Falls haben wir nach einer Frau gesucht, für die er möglicherweise das Geld ausgegeben hat. Wenn sie’s nun ist?»
In Fusil erwachte wieder der Kriminalbeamte. «Gut, nehmen wir an, sie ist es. Er wird uns das nicht schriftlich geben. Wie sollen wir sie finden?»
«Ich war vor kurzem mit einem Mädchen in den Crossford-Hügeln.»
«Nanu? Wollen Sie mir eine kurze Übersicht über Ihr Geschlechtsleben geben?»
«Davon war an dem Abend nicht die Rede, und deshalb war ich verärgert, als wir durch Crossford zurückfuhren. Es gab eine kurze Verkehrsstauung an der Brücke, und ich sah Leery in einem Wagen aus der entgegengesetzten Richtung kommen. Als er mich sah, fuhr er zusammen und sah erschrocken aus. Aber er war allein. Vielleicht war er auf dem Weg zu dieser Frau und hatte plötzlich Gewissensbisse, als er mich sah?»
Fusil lehnte sich an die Wand und gähnte. «Das ist weiß Gott reichlich dünn.»
«Wir haben nichts Dickeres.»
Fusil richtete sich mit einem Ruck auf. Er zuckte die Schultern.
«Wir wollen’s versuchen. Sie haben recht. Wir haben nichts anderes.»
Die beiden gingen zurück in den Vernehmungsraum und setzten sich. Fusil, wieder Herr seiner selbst und des Verhörs, sagte lange kein Wort. Dann sprach er abrupt. «Wie geht’s Ihrer Frau?»
Leery zuckte zusammen. «Meiner … meiner Frau?»
«Das war meine Frage.»
«Was hat das damit zu tun, wie es ihr geht?»
«Soviel ich weiß, ist sie schwer körperbehindert. So schwer, daß sie Ihnen vielleicht nicht das Bett warm hält?»
Leery antwortete wütend: «Ihnen ist nichts heilig.»
«Nicht, wenn wir dabei sind, einen Fall zu lösen.» Fusil fuhr langsam fort. «Ein Mann hat’s gern, wenn das Bett warm ist. Wenn er’s nicht zu Hause kriegt, so sucht er’s oft woanders. Wie haben Sie Ihren Anteil an dem Gold ausgegeben – für eine Frau?»
«Nein», sagte Leery. Zum erstenmal war er deutlich in der Defensive. «Ich weiß nichts von –»
Fusil unterbrach ihn. «Sie haben ein Foto bei sich. Wer ist die Frau?»
Leery berührte instinktiv seine Brusttasche.
«Ihre Frau?»
«Nein.»
«Ihre Tochter?»
Er zögerte. «Nein.»
«Aber jemand, den Sie sehr gut kennen – gut genug, um ihr Foto mit sich herumzutragen, anstatt das von Ihrer Frau und Ihrer Tochter?»
«Sie ist … eine Freundin.»
«Wo wohnt sie?»
«Das weiß ich nicht.»
«Erwarten Sie von mir, daß ich Ihnen das abnehme?»
«Sie … ist im Ausland. Ausgewandert.»
«Sind Sie sicher?»
«Ja.»
«Sie wohnt also nicht irgendwo in der Nähe von Crossford?»
Leery zuckte zusammen.
«Sie wissen, wo Crossford liegt, nicht wahr? Erinnern Sie sich, daß Sie Detective Constable Kerr dort gesehen haben? Kurz bevor Sie ihm die Sache mit der Erpressung angehängt haben?» Fusil lehnte sich zurück. Er klang und bewegte sich nicht mehr müde. «Captain, ich will ganz deutlich mit Ihnen sprechen. Ich werde diesen Fall lösen, egal, wer dabei hops geht. Ich weiß, daß Sie eine Freundin haben, daß Sie sie aushalten, daß Sie Ihren ganzen Anteil an den Golddiebstählen für sie ausgegeben haben. Soll ich Ihnen sagen, was ich tun werde? Ich werd Sie die Nacht über hier behalten, und morgen werd ich jeden verfügbaren Mann der Stadt- und Kreispolizei nach Crossford und Umgebung schicken, und die werden mit einem Abzug des Fotos von Haus zu Haus gehen, bis sie die Frau finden.»
Leery erbleichte, und die dunklen Bartstoppeln auf seinem Kinn bildeten einen scharfen Kontrast zu seiner blutleeren Haut. «Viele Männer haben Freundinnen», sagte er heiser.
«Gewiß. Aber nicht viele stehlen Gold, um sie auszuhalten.»
«Sie … können mir nichts nachweisen.»
«Stimmt. Wir können Ihnen nichts nachweisen. Aber ich frage mich, wie es Ihre arme, kranke Frau nehmen wird, wenn unsere Untersuchung aufdeckt, wie Sie sich amüsiert haben.»
Leery schloß die Augen. «Oh Gott!» murmelte er. «Sie dreckiger Schweinehund.»
«Ja, ich bin ein dreckiger Schweinehund, so ist nun mal das Leben. Detective Constable Kerr ist fälschlich wegen Erpressung angezeigt worden: für ihn war das Leben so, weil Sie mehr an Ihre Freundin als an die Freiheit eines unbescholtenen Mannes dachten. Sie haben versucht, einen unschuldigen Mann ins Gefängnis zu bringen, weil Sie zu allem eher bereit waren, als Ihre Freundin aufzugeben. Ihre Frau wird die Augen vor diesen Tatsachen nicht verschließen können, nicht wahr?»
Leery sagte verzweifelt: «Sie dürfen es ihr nicht sagen. Bitte, bitte, tun Sie das nicht. Sie müssen das verstehen. Es wird sie umbringen, sie lebt ja nur für mich.»
Lange Zeit sagte keiner etwas. Leery sah Fusil an, dann Kerr. Er stützte den Kopf auf die Hände und schloß die Augen. Nach einer Weile blickte er auf. «Was wollen Sie?» fragte er mit einer Stimme, die wenig mehr als ein Flüstern war.
«Die Wahrheit über das Gold.»
«Ich … ich kann nicht.»
Fusil sagte nichts.
«Wenn … wenn ich’s Ihnen sage, werden Sie Gladys … werden Sie meiner Frau Prudence verschweigen?»
«Wenn irgend möglich.»
«Schwören Sie?»
«Sie haben mein Wort.»
«Trotzdem, schwören Sie?»
Fusil zuckte die Schulter. «Es scheint Ihnen im Grund wenig auszumachen, ob es Ihre Frau weiß oder nicht», sagte er verächtlich.
Leery schloß wieder die Augen. «Ich … Ich hab mit dem Stehlen angefangen, weil ich ihr … Prudence … nicht geben konnte, was sie von mir verlangte, und sie mich verlassen hatte.» Er machte die Augen wieder auf und starrte an die Wand. Sein Ausdruck war der eines Mannes, der nur zu deutlich sieht, wie tief er gesunken ist. «Als ich ihr Geschenke machte, kam sie zurück. Damals lernte ich Gregory kennen und erzählte ihm von dem Gold. Ich sagte ihm, daß zwei der Schiffe durchgehende obere Zwischendecks hätten, so daß man vom Steuerdeck zum Laderaum gehen konnte, ohne auf Deck zu müssen. Unten im Steuerdeck sind Öltanks, durch die ein kleiner Mann kriechen kann, wenn sie leer sind. Im Kontor hatte ich Ersatzsiegel. Ich wußte, wann das Gold verschifft wurde, welche Lademarken auf den Kisten waren und wann die restliche Ladung in den allgemeinen Laderaum kam. Ich konnte die Maschinisten anweisen, das Öl zu verlagern, damit das Schiff beim Löschen oder Laden in der richtigen Lage gehalten wurde. Da ich in den Docks ein- und ausging, konnte ich immer hingehen, wo und mit wem ich wollte, und niemand fand etwas dabei. Ich brachte also einen Mann an Bord und versteckte ihn achtern. Bei Nacht ging er durch zu Nummer 5, öffnete die Tür des Sonderladeraums und holte das Gold aus der Kiste. Er brachte es zum Steuerdeck, kroch runter in die Doppelböden und versteckte das Gold weit weg von Inspektionsdeckeln. Am nächsten Morgen holte ich ihn heraus und ging mit ihm an Land.
Das Gold lag während der ganzen Reise unter Öl und wurde hier immer erst im letzten Augenblick ausgeladen, weil Heywood-Smith sagte, bis dahin würde die Polizei glauben, es sei längst vorher an Land gebracht worden. Ich brachte es in einer Aktentasche an Land und sprach mit dem Mann in dem Lieferwagen, auf den gerade die Taue verladen wurden, und der nahm das Gold aus der Tasche und versteckte es im Wagen. In der Fahrerkabine hatte er ein besonderes Versteck, so daß das Gold unentdeckt blieb, obwohl der Wagen bei der Ausfahrt aus den Docks durchsucht wurde. Es waren zu viele Wagen und Laster, und die Polizei hatte nicht viel Zeit für jeden einzelnen, zumal ja alle dachten, die Angelegenheit sei erledigt.»
«Hatten Sie je direkten Kontakt mit Heywood-Smith, während all das geschah?»
«Nein.»
«Können Sie beweisen, daß er alles organisiert hat? Können Sie überhaupt beweisen, daß er etwas mit den Golddiebstählen zu tun hatte?»
Leery starrte Fusil an. Langsam kam ein verdutzter und ungläubiger Ausdruck in sein Gesicht.
Fusil fluchte laut. Selbst jetzt, da sie Leerys Widerstandskraft gebrochen hatten, waren sie noch weit davon entfernt, Heywood-Smith im Netz zu haben. Wenn der Beweis nicht erbracht werden konnte – und was für einen juristischen Beweis konnte man schon erbringen? –, dann konnte Leery aussagen, was er wollte, und würde doch nicht imstande sein, Heywood-Smith juristisch zu belasten. «Wo wollten Sie heut abend hin?» fragte er.
«Das weiß ich nicht. Er hat mich angerufen und gesagt, ich sollte seine Jacht in den Kanal hinausfahren. Sonst weiß ich nichts.»
«Hatte er das Gold an Bord?»
«Das weiß ich nicht.»
«Sie müssen es wissen.»
«Ich weiß es nicht.»
«Sie haben keinen Kontakt mit einem andern Boot aufgenommen?»
«Dazu war keine Zeit. Ich sagte ihm, daß Sie uns verfolgen, bevor er mir mitgeteilt hatte, wohin wir fuhren oder was wir tun wollten.»
«Könnte er das Gold über Bord geworfen haben, als er wußte, daß wir Ihnen auf den Fersen saßen?»
«Das … das ist möglich. Er war so seekrank und verängstigt, daß er kaum wußte, was er tat. Aber trotzdem ist er auf Deck gegangen.»
«Er hat das Gold über Bord geworfen», sagte Fusil wütend.
Leerys Gesicht war haßerfüllt. «Können Sie ihn ohne das Gold fassen?»
«Nein», sagte Fusil mit ungewohnter Ehrlichkeit.
«Aber Sie könnten ihn fassen, wenn Sie das Gold hätten?»
«Natürlich. Aber was soll’s? Das verdammte Zeug liegt auf dem Meeresgrund.»
«Es liegt vor der Verton-Wrack-Boje. Wir waren auf einem Kurs von ein-neun-zwo Grad, und die Boje war nach Radar-Peilung eine halbe Meile entfernt, als er auf Deck war. Das Wasser ist dort nicht sehr tief; es gehört noch zur Fortrow-Sandbank. Sie könnten danach tauchen lassen. Die Taucher könnten es finden. Der Grund ist felsig.»
Fusil sprach langsam. «Natürlich. Sie waren so lange der Amateur, bis Sie auf See gingen, dann waren Sie der Profi.»
Heywood-Smith’ Anwalt war dick, schmierig und sehr selbstsicher. Seine Stimme war tief und dröhnend. «Sie sind auf eine Art vorgegangen, Inspektor, die ich nur als völlig ungerechtfertigt und unvertretbar bezeichnen kann. Sie hatten keinerlei Recht, meinen Klienten nach der unverantwortlichen Art, mit der Sie ihn auf hoher See festgehalten haben, hier auf dieses Polizeirevier zu schleppen. Er wird natürlich alle gesetzlichen Schritte unternehmen, um für diese unwürdige Behandlung Genugtuung zu erlangen.»
«Natürlich», sagte Fusil.
Der Anwalt war keineswegs so dumm, wie man seinem Benehmen nach hätte vermuten können. Der Ton des Inspektors beunruhigte ihn. «Haben Sie noch etwas zu sagen, bevor wir beide gehen? Irgendeine Entschuldigung für Ihr Verhalten?»
«Keinerlei Entschuldigung. Doch ein Punkt wäre noch zu klären.»
«Welcher?»
Fusil wandte sich an Heywood-Smith. «An Land waren Sie der Profi, und Captain Leery war der Amateur. Doch Sie haben etwas Wichtiges übersehen. In dem Augenblick, in dem Sie auf Ihrer Jacht waren, haben Sie die Rollen vertauscht.»
«Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden», sagte Heywood-Smith.
«Als Sie, kurz bevor wir Sie faßten, das Ruderhaus verlassen haben, um das Gold über Bord zu werfen, da wußte Captain Leery genau, wo er war.»
Heywood-Smith lachte. «Was für ein schauerlicher Unsinn! Mein lieber Inspektor, Sie sollten mir etwas mehr Intelligenz zutrauen. Hätte ich Gold bei mir gehabt, das ich über Bord werfen wollte – eine Unterstellung, die ich voll und ganz zurückweise –, so hätte ich dies mitten im Kanal getan. Es ist lächerlich, ganz und gar lächerlich, zu behaupten, Captain Leery könne seine Position genau angeben.»
«Auch wenn er den genauen Bootskurs wußte und das Radar ihm Peilung und Entfernung der Verton-Wrack-Boje gegeben hatte?»
Heywood-Smith erinnerte sich plötzlich mit erschreckender Klarheit an die grünen Blinklichter auf Backbord.
«Wir werden Taucher runterschicken», fuhr Fusil fort. «Sie werden das Gold finden.» Heywood-Smith’ ärgerliche Unruhe bereitete ihm einen offensichtlichen, tiefen Genuß.
Das Telefon in Fusils Büro klingelte am Montag morgen um elf Uhr vierzehn. Er hob ab, hörte zu, sagte so gut wie nichts, bedankte sich und legte auf. Er starrte die Wand gegenüber an. Es war seltsam, überlegte er, mit welcher Ruhe er die Nachricht entgegennehmen konnte. Hatte er sich bereits so sehr mit einem Fehlschlag abgefunden, daß er den Erfolg nicht mehr erkannte? Er zündete eine Zigarette an und rauchte sie langsam.
Nachdem er sie ausgedrückt hatte, ging er ins Dienstzimmer. Kerr saß an seinem Schreibtisch. «Sie haben das Gold gefunden», sagte Fusil ohne Einleitung. «Es lag etwa vierzig Meter von der Stelle entfernt, die Leery angegeben hatte.»
«Bedeutet das …?»
«Das bedeutet, daß Heywood-Smith entweder zu gerissen oder nicht gerissen genug war. Es bedeutet, daß ich den Goldfall gelöst habe und daß Sie wegen der Erpressung von Choppy Walker entlastet sind.»
«Das freut mich, Sir.» Genau wie Fusil war auch Kerr nicht imstande, den vollen Sinn der Worte zu erfassen, die er eben gehört hatte. Aber er war sehr wohl imstande, sich zu fragen, was wohl bei Fusils Glücksspiel für ihn herausgekommen wäre, wenn man das Gold nicht gefunden hätte.
Es war Donnerstag. Als Leery sein Haus betrat, hinkte Gladys in die Halle. Ihre Augen waren rot von den Tränen, die sie seit vielen Tagen weinte.
«Sie haben mich gegen Kaution freigelassen», sagte er.
Tränen rollten ihr über die Wangen. Sie faßte seine rechte Hand. «George, George, George», murmelte sie wie im Gebet.
Er versuchte, sich freizumachen, aber sie ließ ihn nicht los. Sie hinkte mit ihm ins Wohnzimmer.
Dort setzte sie sich aufs Sofa, und er ging zum Likörschrank und goß sich einen Drink ein. Der Blick ihrer sanften, braunen Augen verfolgte ihn. Er hatte einmal einen Hasen in die Hinterläufe getroffen, und das Tier hatte geschrien, als es sich über das Stoppelfeld schleppte. Als er es aufhob um es zu töten, hatte es ihn mit denselben Augen angesehen, mit denen ihn jetzt seine Frau ansah.
«Warum hast du das getan?» murmelte sie.
Er trank seinen Whisky.
«Warum hast du das getan?» wiederholte sie.
Er dachte an Prudence. Sie hatte die Wohnung verlassen, und er hatte keine Ahnung, wo sie jetzt war. Verschwunden mit ihr waren der Wagen, die Perlen, der Brillantring, die Platinuhr … Er beantwortete die Frage. «Ich wollte, daß du genug Geld hast, falls mir irgend etwas zustößt.» Er ging zu einem der Sessel und setzte sich.
«Wird … Was geschieht jetzt, George?»
«Mein Anwalt sagt, ich kann vielleicht fünf Jahre kriegen», sagte er brutal.
«O mein Gott!»
Er leerte sein Glas.
«Könnten sie dir nicht Bewährungsfrist geben?»
«Für etwas so Schweres?»
Ihre Stimme wurde lauter. «Ich kann es immer noch nicht glauben. So etwas konntest du nicht tun.»
«Ich hab es getan.»
«George … George, du weißt doch, daß ich immer zu dir halten werde, nicht wahr? Ich werde dich nie im Stich lassen, nie. Selbst … wenn es länger wird, als du sagst. Ich werde unser Haus genau so halten, wie es ist, damit du bei deiner Rückkehr nichts verändert findest.»
Wo war Prudence jetzt? Hätte sie ihm nicht wenigstens auf Wiedersehen sagen können?
«Es hat sich nichts geändert, George. Glaub mir.»
«Alles hat sich geändert», antwortete er rauh. Er stand auf und ging wieder zum Likörschrank.
«Kannst du denn nicht verstehen, daß sich nichts ändern wird, wenn wir es nicht wollen?»
«Ich bin entlassen worden.» Er goß sich einen zweiten Whisky ein.
«Das macht nichts.»
«Macht nichts? Ich bekomme kein Gehalt mehr, habe meine Pension verloren, und wir haben weiß Gott wenig Ersparnisse. Wir werden unser Haus verkaufen und hoffen müssen, daß es genug ergibt, damit du davon leben kannst.»
«Aber wir haben mein Unfallgeld, das ich für einen Notfall aufgehoben habe. Siehst du denn nicht, daß es uns helfen wird, alles so zu erhalten, wie es ist?»
Er trank den Whisky aus. Hier war der Notfall, auf den sie gewartet hatte – jetzt hatte sie Verwendung für das Geld, das ihr gehörte, weil ihr Körper zerstört war – jetzt war sie stark, und er war schwach. O Gott! dachte er, er sollte weinen, nicht sie.
Der Polizeidienstwagen war in einer der Mulden in den Crossford-Hügeln geparkt. Kerr legte den Arm um Helens Schulter und sie schmiegte sich an ihn. «Weißt du was?» sagte er leise.
«Wenn du nicht gewesen wärst, wär ich jetzt im Gefängnis.»
«Ich hab ja nichts getan, John, obwohl ich’s versucht habe.»
«Du hattest Vertrauen zu mir, genug Vertrauen, um zum Inspektor zu gehen und es ihm zu zeigen. Das gab ihm zu denken.»
Er küßte sie. «Das war wunderbar von dir», sagte er zärtlich.
«Unter seinem rauhen Äußeren schien er ganz nett zu sein.»
«Nett kann alles mögliche heißen.» Seltsam, obwohl seine Abneigung gegen den Mann nicht schwächer geworden war, empfand er jetzt doch eine gewisse Bewunderung für ihn. Wie viele hätten so viel aufs Spiel gesetzt? Wie viele hätten den Schneid gehabt, die Freiheit eines anderen zu riskieren? Wie viele … Er war ein Hund, aber ein erfolgreicher Hund. «Er ist in Ordnung. Wenn ich hier bin, und er ist woanders.» Er küßte sie wieder.