04
David starrte fassungslos der explodierenden Feuersäule hinterher. Wie ein wildes Ungeheuer war sie aus den Eingeweiden der alten Tunnelanlage hochgeschossen, hatte alles in ihrer Nähe in ein flammendes Inferno verwandelt, um dann in atemberaubender Geschwindigkeit nach oben zu schießen und in einer Vielzahl heftiger Explosionen auf ihrem Weg in die Freiheit zu zerfetzen, was ihr in die Quere kam.
Zurückgeblieben im Tunnelsystem war irgendetwas Altes, Mächtiges. Etwas, das er zuerst als Wuseln und Krabbeln wahrgenommen hatte. Und was ihn jetzt wie der Brodem der Hölle umhüllte, der aus der unermesslichen Tiefe unter dem verwaisten U-Bahnhof nach oben drängte. David versuchte mit aller Kraft, seine böse Vorahnung zurückzudrängen, dass er sehr wohl wusste, was hier auf ihn gelauert hatte.
»Nur raus hier«, keuchte er.
Der kleine Robbie nickte wie eine Marionette, deren Kopf von ihrem Spieler zu heftig bewegt wurde. Dabei schnappte er verzweifelt nach Luft.
David erging es nicht besser. Die Feuersäule hatte ihrer Umgebung schlagartig jeden Sauerstoff entzogen. Und das, was aus den Tiefen unter ihnen nachströmte, war heiß, schmeckte bitter und schien ihre Lungen mit allem Möglichen, nur nicht mit Sauerstoff zu versorgen.
Sie mussten schleunigst etwas unternehmen. Gar nicht einfach, denn David und Robbie lagen nach Luft schnappend in dem auf die Seite gekippten Wrack des Polos, als seien sie in einem U-Boot auf dem Grund der Tiefsee gefangen. Mühsam rappelte sich David auf. Er hangelte nach dem Griff der ihm gegenüberliegenden Tür und drückte ihn nach unten. Die Tür schwang wider seiner Hoffnung nicht auf. Jetzt nur nicht durchdrehen. Er musste der Tür bestimmt nur einen kleinen Schubs verpassen, damit das verfluchte Ding nachgeben und sie in die Freiheit entlassen konnte.
Und wenn sich nun die gesamte Karre so stark verzogen hat, dass wir überhaupt nicht rauskommen?, hämmerte es in seinen Gedanken. Werden wir dann jämmerlich ersticken? Oder bei lebendigem Leib verbrennen?
David hustete krampfhaft, stützte sich so gut es ging ab, zog die Beine an – und ließ sie mit einem Ruck wieder vorschnellen.
Durch seine Beine fuhr ein höllischer Schmerz, mehr passierte nicht.
»Wir sind gefangen«, jammerte der Kleine neben ihm. »Das Feuer wird uns auffressen!«
»Das«, keuchte David und trat noch einmal mit aller Wucht zu, »wird es«, noch ein Tritt, »nicht.«
In den letzten Tritt legte er die ganze Kraft seiner Verzweiflung. Und diesmal funktionierte es. Mit einem hässlichen Knirschen gab die Tür nach, sprang auf … und blieb zitternd offen stehen. Ein ekelhafter Schwall der grässlichen Ausdünstung strömte zu ihnen ins Wageninnere und verschlug ihnen noch heftiger den Atem.
»Los jetzt!« David packte Robbies Hand und zog ihn hoch. »Wir …«, er hustete verzweifelt, »wir müssen hier weg.«
»Mama«, quetschte der Junge schwach hervor. »Ich will zu meiner Mama!«
»Ich bring dich zu ihr«, versprach David. »Und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue!«
*
»Du meinst doch nicht auch, dass unser Experiment etwas mit dem Unglück in der Karlsstraße zu tun hat, oder?«
Tom Wilkens sah auf und zu Angy hinüber, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Das kam selten vor. Angy war vielleicht keine Traumfrau, aber sie war zweifelsohne auf ihre ganz eigene Art attraktiv. Damit war sie eine Ausnahme in seiner kleinen Welt. Die wenigen Frauen, die sich für die harte Technik der mobilen Netze interessierten, erschienen ihm überwiegend hässlich wie die Nacht.
»Ich würde dir gerne sagen, dass es nichts damit zu tun haben kann«, antwortete er. »Aber die Wahrheit ist: Ich weiß es nicht. Tatsache ist: Wir haben während des Experiments viel mehr Energie in den Untergrund gepumpt, als wir beabsichtigt hatten. Deswegen hätte es auch beinahe unsere eigene gesamte Anlage zerfetzt.« Er deutete auf den Monitor vor sich. »Wie hoch der Wert tatsächlich an welchen Stellen war, lasse ich gerade durchchecken. Und ganz abgesehen davon … Wir wissen nicht, was mit diesem alten U-Bahnhof los war. Vielleicht war er schon so marode, dass bereits ein winziger Anstoß genügte, um das Ganze zum Einsturz zu bringen.«
»Der berühmte Schmetterling in China«, Angy legte den Kopf schief, aber es lag keinerlei Spott in ihrer Stimme, wie es üblicherweise der Fall war, »der mit seinem Flügelschlag einen Wirbelsturm in den USA auslöst?«
Tom nickte. »Vielleicht. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass wir diesen Anstoß gegeben haben. Aber nehmen wir einmal an, die Mikrowellenstrahlung zum Austesten des Handyempfangs im tiefsten U-Bahn-Bereich hat nicht nur unsere Sensoren erreicht. Sondern auch etwas anderes, das die Strahlung reflektiert, verändert oder verstärkt hat …«
Angy öffnete geistesabwesend ihren Haargummi. Die langen blonden Haare umflirrten einen Herzschlag lang ihr Gesicht, dann bändigte sie ihre Mähne erneut mit dem Gummi in einem strengen Zopf. »Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Strahlung verstärkt sich doch nicht von alleine.«
»Aber der Effekt, den sie auslöst.« Tom riss seinen Blick wieder von Angy los und beobachtete die Messkurve, die der Rechner auf den Bildschirm zeichnete. »Hier, siehst du diesen Zacken in der Energiekurve? Da hat es unsere Anlage fast zerrissen. Und das wird auch Auswirkungen auf unsere Umgebung gehabt haben.«
Angy kam zu ihm herüber und starrte auf den Monitor. »Was genau meinst du damit?«
»Nun«, Tom lehnte sich ein Stück weit in seinem Stuhl zurück, »die mobilen Netze nutzen bei uns meist Mikrowellen im Bereich 850 bis 1900 Megahertz. Mikrowellenherde nutzen fast die gleiche Frequenz.«
»Ich denke, die liegt ein Stück höher im Gigahertzbereich.«
»Ja, bei uns«, bestätigte Tom. »In den USA aber auch typischerweise bei 915 MHz – und das ist nun mal ein Bereich, der sich hervorragend zum Telefonieren über mobile Netze nutzen lässt.«
Angy wollte dem noch etwas hinzufügen, als ein tiefes, sonores Brummen erklang. Sie trat ans Fenster und starrte nach draußen. »Wenn dieses Hochhaus da nicht wäre«, sagte sie, »könnte man von hier aus wahrscheinlich die Einsturzstelle sehen. Sie muss ziemlich am Anfang der Karlsstraße liegen.«
»Echt?« Tom runzelte die Stirn. »Es war mir gar nicht bewusst, dass wir da so nah dran sind. Das … das finde ich jetzt fast ein bisschen unheimlich.«
Das Brummen wurde lauter, und der Klang veränderte sich, wurde zum typischen Flap-Flap-Flap eines tief fliegenden Hubschraubers.
»Die wollen doch nicht etwa da landen?«, fragte Angy. »Der Platz am Eck ist doch kaum groß genug …«
»Die wissen schon, was sie tun«, unterbrach sie Tom. »Aber ob wir das auch wissen – dessen bin ich mir mittlerweile nicht mehr wirklich sicher.«
Er tippte etwas auf der Tastatur ein, und das Bild eines Mikrowellenherdes ersetzte die Messkurve. »Je nach Molekularstruktur werden Mikrowellen von Materialien reflektiert oder absorbiert«, dozierte er. »Ich habe das selbst als kleines Kind erlebt, als ich eine Aluschale mit Lasagne in unsere Mikrowelle gelegt und sie angeschaltet habe. Sie ist nach einer Weile … wumm! … einfach hochgegangen. Mein Vater hat uns aus der Wohnung geworfen – wegen der giftigen Dämpfe – und den Brand in der Mikrowelle gelöscht, bevor er dann das Teil selbst entsorgte.«
Er tippte erneut etwas auf der Tastatur ein, und diesmal erschien das Bild einer ausgebrannten Küche, in dessen Zentrum ein verschmorter Mikrowellenherd stand. »So kann das ausgehen, wenn etwas in der Mikrowelle explodiert. Wie bei dem berühmten Hühnerei.«
»Oder dem Pudel, den eine bekloppte Amerikanerin in einer Mikrowelle trocknen wollte«, ergänzte Angy.
»Den es nie wirklich gegeben hat«, behauptete Tom. »Das ist eines der Ammenmärchen im Internet …«
Er brach ab, als er ein erneutes Geräusch wahrnahm … und einen Augenblick später die Tür aufflog und ein ihm Unbekannter im dunklen Anzug wie selbstverständlich in den Raum stürzte, dicht gefolgt von zwei Uniformierten.
»Ja.« Der Mann, Mitte vierzig, Hakennase und messerscharfer Blick, hielt sich weder mit einer Begrüßung noch mit einem Kopfnicken auf. Stattdessen wandte er sich zu seinen Begleitern um. »Das hier könnte gehen.«
»Was …«, begann Angy in verärgertem Tonfall.
»Mein Name ist Renegard«, unterbrach sie der Mann knapp. Sein Kopf fuhr wie der eines Raubvogels zu Angy herum. »Ich habe hier die Einsatzleitung. Von nun an haben Sie hier nichts mehr zu sagen.«
Tom kam aus seinem Stuhl hoch. Seine Beine waren so wacklig, dass er kaum stehen konnte, und sein Magen verkrampfte. Er hatte mit einer Untersuchungskommission gerechnet, mit einer Anklage, mit irgendetwas, das in den nächsten Tagen mit der Beharrlichkeit einer Dampfwalze auf sie zurollte. Aber nicht damit, dass hier jemand so kurz nach dem Unglück auftauchte und ihm die Leitung seines Projekts entriss.
Die beiden Männer in Uniform bauten sich links und rechts der Tür auf. POLIZEI stand in weißer Schrift auf ihrer blauschwarzen Einsatzkleidung – auf den Panzerwesten, um genau zu sein. Das waren keine normalen Polizeibeamten, das waren zwei SEK-Männer.
Was ging hier vor?
»Sie müssen …«
»Wilkens«, half ihm einer der Beamten aus.
»Ja, richtig«, fuhr Renegard fast liebenswürdig fort. »Sie müssen Tom Wilkens sein. Das stimmt doch?«
»Wie …?« Tom räusperte sich und wechselte einen hilflosen Blick mit Angy. »Ja, natürlich. Ich bin Tom Wilkens. Ich habe die Projektleitung über das Mobile-Phone-Underworld-Projekt.«
»Schön. Und das hier …«, Renegard zeigte auf die Monitore und Anzeigeinstrumente des Kontrollraums, »ist alles auf dem neusten Stand, nehme ich an?«
Tom nickte hilflos. »Ja, aber …«
Renegard entblößte sein Raubtiergebiss zu einem humorlosen Lächeln. »Wunderbar. Sie werden von dem Unglück in der Karlsstraße gehört haben, nehme ich an? Gut. Dann können Sie sich vorstellen, dass wir vor Ort eine Kommandozentrale brauchen. Ihr Dr. Kaiser war so freundlich, uns dafür Ihren Kontrollraum zur Verfügung zu stellen.«
»Kaiser? Ich meine: Dr. Kaiser?« Tom war vollkommen verwirrt. »Aber warum …«
»Er Ihnen nichts gesagt hat?«, beendete Renegard Toms Frage. »Nun, weil sich die Ereignisse etwas überschlagen haben. Zumindest, nachdem wir vor Ort einen Mann verloren haben.«
»Verloren?«, fragte Angy. »Ist er … ich meine … ist er tot?«
»Möglicherweise.« Renegard drehte sich zu seinen Untergebenen um. »Bringt die Dame rein. Ich kann hier genauso gut wie überall sonst mit ihr reden.«
Tom erwachte aus seiner Erstarrung. Er drehte sich um, langte zu den Kontrollen herüber und gab eine kurze Befehlssequenz ein. Er musste diesen Renegard nicht auch noch mit der Nase darauf stoßen, dass sie vielleicht selbst das Unglück ausgelöst hatten.
»Hände weg von den Tasten«, sagte Renegard sofort in eiskaltem Ton. »Sie können gerne hierbleiben und unsere Mannschaft einweisen. Aber rühren Sie nicht noch einmal etwas ohne meinen ausdrücklichen Befehl an!«
*
Hand in Hand stolperten David und Robbie über die toten U-Bahn-Gleise weiter, weg von dem eingestürzten Bahnhof und dem Autowrack hinter ihnen, das ihnen fast zur Todesfalle geworden war. Das Feuer hatte sich fast vollständig in sich selbst verzehrt. Dafür durchdrang der Pesthauch jetzt jeden letzten Winkel hier unten. Die widerwärtige Ausdünstung der Tiefe ließ jeden Atemzug zur Qual werden und sie wie verwirrte Betrunkene torkeln.
»Hier …«, Robbie hustete heftig, »hier finde ich nie meine Mama!«
»Doch, doch«, presste David hervor. »Wir nehmen den nächsten Ausstieg. Der führt bestimmt direkt zu ihr hin.«
Und weg von dem, was hier unten auf mich lauert. Und das vielleicht schon seit einer Ewigkeit.
Bei dem Gedanken drückte er die Hand des Kleinen so fest, dass dieser aufstöhnte.
»Aua«, protestierte Robbie. »Du tust mir weh.«
David hätte beinahe laut aufgelacht. Ein zu kräftiger Händedruck war nichts gegen das, was Robbie hier unten wirklich Schmerzen zufügen konnte.
Jedenfalls nicht, wenn die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit in dieser Unterwelt tatsächlich so brüchig sein sollte, wie er mittlerweile befürchtete.
*
Die beiden SEK-Männer waren nicht die Einzigen, die Renegard mitgebracht hatte. Obwohl der Kontrollraum des MPU-Projekts nicht gerade klein war, herrschte hier jetzt so hektische Betriebsamkeit, dass Tom schon nach ein paar Minuten komplett den Überblick verloren hatte. Mehrere Techniker hatten transportable Apparaturen mitgebracht, während andere an den Tastaturen des Kontrollraums saßen und sich von ihm und Angy einweisen ließen.
Es herrschte eine Atmosphäre vor, wie sie für einen mobilen Kommandostand im Krieg üblich sein mochte. Es piepste und summte überall, und darüber lag eine Geräuschkulisse aus gemurmelten Kommentaren, harschen Anweisungen und surrender Elektrizität. Insgesamt hatte sich eine merkwürdige Mischung gebildet aus Anspannung und Erwartung auf etwas, das Tom nicht einmal ansatzweise erfassen konnte.
Das war auch kein Wunder. Er hatte bislang keinen klaren Gedanken formen, geschweige denn sich eine Strategie zurechtlegen können, wie er mit dieser verrückten Situation umgehen konnte. Einer der Techniker stellte ihm immer wieder Fragen, während ein anderer zwischendurch mit Kommentaren nervte, die er nicht verstand.
Tom bemühte sich immer wieder, einen Blick mit Angy zu wechseln. Aber selbst wenn sie sich für eine Sekunde ansahen, schien sie ihn gar nicht zu bemerken. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Stimme war nur noch ein heiseres Krächzen, und in ihren Augen stand ein Flackern, das er dort noch nie bemerkt hatte.
Was passiert wohl mit mir, wenn dieser Irrsinn hier vorbei ist?, fragte sich Tom. Wird mir dann der Prozess gemacht?
Hilfesuchend versuchte er weiter Kontakt zu Angy aufzunehmen. Und zu seiner Verblüffung ertappte er sich bei der Vorstellung, wie er sie an sich zog, sie küsste und ihre Brüste streichelte, bis sie erregt zu stöhnen anfing. Einen unpassenderen Zeitpunkt für solche Phantasien konnte es wohl kaum geben, schimpfte Tom sich selbst. Und trotzdem sah er schon wieder zu ihr herüber.
Angy schien jetzt seinen Blick nicht nur zu bemerken, sondern auch richtig zu deuten. Ein ärgerlicher Schatten verdunkelte ihr Gesicht, dann beugte sie sich noch ein bisschen tiefer über das Notebook, das einer der Neuankömmlinge neben ihr aufgebaut hatte.
»Na endlich«, triumphierte der Mann an ihrer Seite. »Die Helmkameras funktionieren. Jetzt müssen wir sie nur noch sauber auf die einzelnen Monitore legen.«
Renegard sah kurz auf. Er hatte sich mit Susan – der Mutter des verschwundenen Fünfjährigen, wie Tom inzwischen mitbekommen hatte – in die Ecke neben der Tür zurückgezogen, um sie nach dem verschwundenen Polizisten zu befragen, den sie als Letzte gesehen hatte.
»Und?«, fragte Renegard jetzt quer durch den Raum. »Irgendetwas zu erkennen?«
»Hitzespuren«, antwortete der Techniker prompt. »Außerdem scheinen da unten irgendwelche Gase auszutreten. Unsere Männer haben Atemmasken anlegen müssen.«
Tom fragte sich, was der Techniker mit Hitzespuren meinte. Er sah auf dem Monitor nur schemenhaft grünlich graue Wesen, die mit ihren Atemmasken wie Aliens aussahen. Dazwischen glaubte er immer wieder auf Geröll zu blicken, auf ein Chaos aus verbogenen Stahlträgern, nachgerutschtem Gestein, Erdreich – oder auch zermalmtem Beton.
»Gas?« Susan kam mit einiger Verspätung von ihrem Stuhl hoch und wankte auf den Monitor zu. »Und was ist mit Robbie? Erstickt er dort unten gerade?«
*
David sah sich gezwungen, stehen zu bleiben. Bunte Kreise tanzten vor seinen Augen. Verzweifelt versuchte er sich zu konzentrieren. In der gewölbten Tunneldecke über ihnen zeichneten sich bereits erste Risse ab, und ein grauer Pulverregen rieselte auf sie hinab. Wenn sie sich nicht beeilten, würde ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Decke auf den Kopf fallen.
»Wo ist denn der Ausgang?«, jammerte Robbie. »Ich sehe hier keinen Auuusgaaaang!«
Den sah David zu ihrem Unglück auch nicht. Vor seinem inneren Auge erschien dafür das Bild jener Abzweigung, an die er mit Jana gekommen war. Während ihre Freunde hinter ihnen zurückgeblieben waren, waren sie beide von den Gleisen ausgehend in den modrigen Seitengang abgebogen, der wie das Überbleibsel eines uralten Kellergewölbes ausgesehen hatte, das lange vor den Bauarbeiten an der U-Bahn angelegt worden war. Jana hatte regelrecht vor diesem Ort fliehen wollen, und er hatte ihr Unbehagen durchaus verstanden. Und trotzdem hatte er nicht so einfach umkehren können. Irgendetwas an diesem Bereich hatte ihn magisch angezogen.
Und dieses Gefühl stieg jetzt auch wieder in ihm hoch.
»Los jetzt«, hörte sich David selbst sagen. »Hier können wir nicht länger bleiben.«
Sonst wird uns beide mein Albtraum einholen.
Der Kleine nickte stumm. In seinen Augen lag mit einem Mal eine Panik, die David gar nicht gefiel. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen.
Sie liefen, so schnell sie konnten, los, und diesmal war es Robbie, der das Tempo vorgab, nicht David. Seine kleinen Füße schienen kaum den Boden zu berühren, sodass David auf den ersten Metern Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten.
Dabei hoffte David nur inständig, dass sie nicht auf direktem Weg in ihr Verderben rannten.
*
»Was … was geht da unten vor sich?« Susan hielt sich an der Stuhllehne fest und fixierte das verschwommene Bild, das sich auf dem Bildschirm vor ihr abzeichnete. Die Helmkamera eines der Männer, die in den Untergrund hinabgestiegen waren, fing mehr als nur Geröll und geborstene Stahlträger ein. Es war eine Gestalt, die flüchtig im Sichtfeld erschienen war, ein verdrecktes, kleines Etwas, das Susans Aufmerksamkeit auf sich zog.
»Robbie!«, schrie Susan. »Das ist Robbie!«
Die Gestalt starrte ganz kurz in Susans Richtung. Da, wo das Gesicht sein sollte, erkannte Tom kaum mehr als einen Schmutzfleck. Dann verwackelte das Kamerabild, und irgendjemand stieß einen spitzen Schrei aus …
Das Bild der Kamera erlosch jetzt vollständig.