TEIL 1
DAVID

Es war warm. Warm und feucht, fremd und doch vertraut. Es zog ihn an, es stieß ihn ab. Er wälzte sich im Bett hin und her, verschwitzt und unruhig. Seine Seele wanderte durch Gänge, durch Schläuche, die in ständiger unregelmäßiger Bewegung waren, durch Tunnel, die kein oben und kein Unten zu kennen schienen. Sein Herz schlug im Rhythmus seiner Schritte, sein Atem ging stockend.

Das Mädchen neben ihm streckte die Hand nach ihm aus. Er hätte die Geste gerne auf gleiche Art erwidert. Aber das ging nicht. Er hatte das Gefühl, sich immer weiter von der schmalen, fast durchscheinend zarten Mädchengestalt fortzubewegen, ihr dabei gleichzeitig aber auch näher zu kommen. Alles an ihr war vertraut und doch fremd. Er spürte ihren Schmerz, als wäre es der seine. Und er war sich sicher: Auch sie spürte seinen Schmerz.

Dann wurden seine Gedanken fortgeweht, und als er sich verzweifelt zu dem Mädchen umdrehte, sah er, dass es kein Gesicht hatte. Dort, wo die Augen hätten sein sollen, war etwas anderes. Ihr Gesicht verschwamm zu einer konturlosen Form, zu etwas noch nie Gesehenem, sodass es sein Blick nicht einfangen konnte.

Er hätte aufschreien können vor Qual. Hinter dem Mädchen bewegte sich eine Masse, sie begann zu pulsieren und zu vibrieren. Endlose, dünne Tentakel zuckten hervor, erstarrten, als sie das Mädchen berührten, krümmten sich, liefen in zitternden Bewegungen aus. Ein unerträglicher Gestank nach Fäulnis und Verwesung drang in seine Nase und biss sich in seiner Lunge mit unsichtbaren, spitzen Zähnen fest.

David lief los. Seine Füße versanken in grünlichgrauem Schleim, seine Arme ruderten sinnlos nach Halt suchend, aus seinem Mund drang ein stummer Schrei. Das Mädchen blieb hinter ihm zurück und war doch die ganze Zeit neben ihm und mit ihm die Tentakel, die das düstere Licht zerschnitten und so in Aufruhr waren, dass sein Blick sie nicht einfangen konnte.

»David!«

Es war mehr ein Aufstöhnen als ein Schrei. Aber er traf David bis ins tiefste Mark. Obwohl er nichts anderes wollte, als immer weiterzulaufen, nur weg von hier, raus aus der bedrückenden Enge und hinein in das Licht, das irgendwo vor ihm sein mussteobwohl er sich nichts sehnlicher wünschte, verweigerte ihm seine Seele den Gehorsam und seine Beine ihren Dienst.

Er hielt mitten im Lauf inne, wollte sich zu dem Mädchen umdrehen. Doch dazu kam es nicht mehr. Etwas schoss von hinten an ihn heran, wand und schlängelte sich um seinen Hals und drückte ihm die Kehle zu. Und dann hörte er nur noch sich selbst schreien …