6. Die UNO Rede
1. Juni 2022
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Gegen 11 Uhr Vormittag wird die neuseeländische Premierministerin vom Präsident der außerordentlichen Generalversammlung der UNO, heute ein Brite, zum Podium gebeten, um ihre groß angekündigte Rede mit dem Titel: »Ein Geschenk Neuseelands an den Märtyrer Green Sam« zu halten. Die Rede wird weltweit übertragen. In Neuseeland ist es früher Abend.
Nach den üblichen Dankes- und Begrüßungsfloskeln hält sie, wie immer eloquent, eine Rede, die später in allen Medien als sensationell bezeichnet werden wird.
»Sam Green, mit wirklichem Namen Dr. Sam Dickson, war den längsten Abschnitt seines Lebens Professor am MIT. Er war ein berühmter und geachteter Informatiker, vielleicht sollte ich Naturwissenschaftler und Techniker sagen. Aber er war weder jemand, der nur im Elfenbeinturm forschte, noch jemand, der mit seinem Wissen Firmen gründete oder sonst irgendwie versuchte, wohlhabend zu werden. Er war ein Idealist, jemand, der immer über den Tellerrand hinausblickte und nicht nur die Segnungen moderner Technik, sondern auch ihre Gefahren wahrnahm.
Sam Green war entsetzt, wie wenige seiner Kollegen sich um die potenziellen oder nachweisbar negativen Folgen ihrer Forschung den Kopf zerbrachen. So nahm er es auf sich, den späteren Abschnitt seines Lebens als Rufer in der Wüste, als Warner vor den schlimmen Folgen der Technik aufzutreten, ja selbst dazu aufzufordern, aktiv gegen manche Entwicklungen aufzutreten. Dass er durch ein böses Unglück, dessen Ursachen noch immer untersucht werden ums Leben kam, durch Ursachen die auch etwas mit Technologie zu tun haben - wir vermuten mit einer, die noch weitgehend unbekannt ist - (Ein Raunen geht durch den Saal) - ist grausame Ironie des Schicksals. SAM GREEN, du wirst uns fehlen. - (Applaus im Saal) - Aber wir versprechen dir, wir werden deine Warnungen nicht missachten, wir haben dir immer schon mit Interesse zugehört und versucht, nach deinen Empfehlungen zu handeln. - (Tosender Applaus im Saal, vor allem von der Zuschauergallerie)
Wenn ich ‚wir’ sage, dann meine ich Neuseeland und die Forschungsinstitutionen in diesem Land, angeführt von jenem Unternehmen, das Neuseeland heute in der sorgfältigen Anwendung der Hochtechnologie symbolisiert, SR-Inc.. Aber ich glaube unsere Einstellung lässt sich am besten durch einen kurzen geschichtlichen Exkurs belegen.
Wir waren bis 2016 eine nuklearfreie Zone, erst dann hatte der Sicherheitsstandard beim Reaktorbau ein für uns akzeptables Niveau erreicht. Auch wurde erst dann die Frage der Beseitigung radioaktiver Rückstände endgültig gelöst und zwar durch uns. Die in Afrika gebaute magnetische Parabelschleuder ist noch immer zu 100% im Besitz der neuseeländischen »NZ Nuklear«, die sich als Gegenleistung für großzügige erhaltene Förderungen unter eine mächtige unabhängige Kontrollinstanz stellen ließ. Sie wissen, dass man diese Schleuder heute auch dazu benutzt, um widerstandsfähiges Material in eine Erdumlaufbahn zu senden, etwa um Versorgungs- oder Baumaterial zur Internationalen Raumstation zu bringen.
Gebaut wurde sie aber als neuseeländischer Beitrag, um die Erde von radioaktiven Rückständen zu befreien. Diese können mit der Anlage über einen parabelartigen Magnetfeldbeschleuniger so aus dem Schwerfeld der Erde gebracht werden, dass sie direkt in die Sonne fallen, wo sie in unschädliche Primitivatome wie Wasserstoff und Helium zerfallen. Wir sind stolz darauf, dass wir damit die Sonne als die beste und sicherste Müllverbrennungsanlage der Welt verwenden. - (Leichtes Lachen aus dem Publikum. Die PM hebt eine Hand) - Wie ernst wir die Sicherheit und die Umwelt nehmen zeigt diese Schleuder. Wir haben, wie sie sicher wissen, von unzähligen Firmen lukrative Angebote erhalten, Giftstoffe verschiedenster Art auf diese Weise zu entsorgen und haben mit ganz wenigen Ausnahmen die Angebote abgelehnt, obwohl nach 25.400 problemslosen Starts - oft 100 pro Tag! - die Sicherheit sehr hoch ist, wollten wir nicht riskieren, dass gefährliche Stoffe in der hohen Atmosphäre frei gesetzt werden. Sie wissen, dass es nur ein realistisches aber sehr unwahrscheinliches Szenario gibt, wie ein Start zu einem Problem werden könnte: Wenn das hinauskatapultierte Paket in ein Stück »Weltraumabfall« prallen würde, etwa in Überreste eines Satelliten. Durch vorherige genaue Untersuchung der Schussbahn ist so etwas fast unmöglich, nur sind wir nicht bereit, das Restrisiko zu übernehmen, wenn eine Zerstörung des Abfallpakets eine zu große Gefährdung bedeuten würde!
Bleiben wir noch einen Augenblick bei Kernenergie bzw. bei Atomwaffen. Die neuseeländische Regierung ist immer gegen Kernwaffen eingetreten, hat gegen alle Atomversuche heftig protestiert und dagegen gearbeitet. Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht noch daran, dass wir dem Schiff ‚Rainbow Warrior’, das von der Organisation Green Peace gegen Atomtests nach Polynesien unterwegs war, den Hafen von Auckland als Ausgangsbasis angeboten haben. Als das Schiff durch französische Militärtaucher, jedem internationalen Abkommen widersprechend, schwer beschädigt wurde, haben wir Green Peace umgehend ein Ersatzschiff angeboten und damit weitere Atomtests im Pazifik behindert und verhindert.
Wir sind ein kleines Land. Wir brauchen für den Notfall Verbündete. Unser theoretischer Beschützer, Großbritannien, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo wir die Republik ausriefen, war zu weit entfernt, um uns wirkungsvoll zu helfen. Dies wurde schon im zweiten Weltkrieg klar, als Großbritannien keinen Versuch machte, uns und Australien vor einer Invasion Japans zu beschützen. Das schon damals ungerechtfertigte Vertrauen der Australier in Großbritannien haben diese mit der Bombardierung von Darwin und anderen Punkten der Nordküste bezahlt. Die japanische Invasion blieb nur durch den Vormarsch der US Marine im Pazifik aus. Unsere natürlichen Freunde sind daher die Australier und die USA, mit ihnen haben wir den militärischen Beistandspakt ANZUS geschlossen, doch haben wir trotz Gefährdung dieses Abkommens, die Umwelt an erste Stelle gesetzt und das Anlaufen von neuseeländischen Häfen durch nuklear betriebenen Schiffe der US-Marine nicht gestattet.
Wir haben ähnliche Zurückhaltung bei der Gentechnik bewiesen. Große Teile Neuseelands waren zwei Jahrzehnte lang »gentechnikfrei«. Wir haben nie in so unsinnige Dinge wie Formel-1 Rennen investiert, sondern lieber in neue Methoden, um Krankheiten zu bekämpfen. Wir haben das Wissen unserer Ureinwohner eingesetzt, um Heilstoffe aus Pflanzen zu gewinnen usw. Lassen Sie mich diesen kurzen historischen Abriss mit einer Bemerkung abschließen, die zeigt, wo wir stehen, wie wir Sam Green geschätzt haben, aber auch umgekehrt. In seiner berühmten Rede »Umwelt, Technik und Nationen« hat er nur Neuseeland als vorbildlich erwähnt, übrigens kurz, nachdem wir die immer massiveren Probleme, die durch eSmog entstanden sind, durch eine neue Generation von e-Helpern für alle Zeiten beseitigt, zumindest aber verringert haben.
In diesem Sinne lassen sie mich jetzt zur Gegenwart und zu aktuellen Problemen, die Sam Green aufzeigte, Stellung nehmen und der gesamten Menschheit im Gedenken an Sam Green ein Geschenk überreichen.«