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Rom, Anno Domini 1574, im Februar

Ihm bot sich der nackte Anblick ihrer Schultern, des Rückens, des runden Popos, der langen Beine. Eine kleine Weile verharrte Vasari in Betrachtung ihrer Kniekehlen. Wie gern wäre er niedergesunken, um sie demütig zu küssen. Zu ihren Füßen lag das Kleid samt dem Unterkleid, daneben der Mantel. Wie sie dort inmitten der kostbaren Stoffe stand, erinnerte sie ihn an Botticellis Venus, die nackt und dennoch keusch einer Muschel entsteigt. Isabellas weiße makellose Haut erregte Vasari. Die Huren, die er kannte, hatten ihre Haut achtlos der Sonne ausgesetzt. Und den Männern natürlich. Braunes, gegerbtes Leder! Wie primitiv!

Isabella wirkte von hinten fast knabenhaft, wenn die runden Pobacken und die etwas weichere Taille nicht gewesen wären. Ihr edler, makellos weißer Teint brachte ihn um den Verstand. Ihm schwindelte. Wie lebendiges Porzellan, dachte er atemlos. Er war nicht naiv, er wusste, dass die feinen Damen über Rezepte verfügten, die Haut zu bleichen, aber Isabella schien auf diese plumpen Hilfsmittel verzichten zu können. Nur langsam gewann er seine Selbstbeherrschung zurück.

»Fangt an, Messèr Giorgio, ich friere schnell«, befahl sie.

Vasari hatte oft nach Modellen gezeichnet, auch nach nackten, Männer, Frauen und Knaben. Selbst Leichen mit abgezogener Haut hatte er skizziert, um die Funktionsweise der Muskeln zu studieren. Ohne das Studium der Anatomie gab es keine Malerei. Leonardo hatte das eingeführt, seitdem tat es jeder, der eine hohe Meinung von seinem eigenen Talent hatte.

Das alles war nichts Besonderes für ihn, dennoch zitterten ihm die Hände. Er schlich um Isabella herum, bemüht, sie nicht anzustarren. Dann schaute er noch einmal auf den Karton, fuhr mit der Hand darüber, als liebkoste er ihre Haut und nahm den Bleigriffel. Jetzt erst erlaubte er seinen Augen, sie von vorn zu betrachten.

Nie hatte er schönere Brüste gesehen, nur etwas größer als seine Hände, der Schwerkraft Paroli bietend, unberührt und nicht abgegriffen wie die der Huren. Das Delta der Venus trieb ihm den Schweiß aus allen Poren.

»Wie schön Ihr seid!«, stieß er hervor.

»Ich habe ein Bild bestellt, Messèr Giorgio, kein Madrigal!«, entgegnete sie so kühl, dass er sich auf einmal nackt vor ihr fühlte. »Malt mich, wie ich bin, malt mich als Triumph über die Zeit, die alles welken lässt.«

Das also war es, was sie von ihm wollte, Ewigkeit erlangen. Und das konnten außer Gott nur die Künstler und Dichter vollbringen. Deshalb bezahlten die Herren der Welt sie und buhlten um die Gunst der Besten unter ihnen, weil nur die Poeten und Maler Ewigkeit zu schenken vermochten, weil sie den Ruhm den nachfolgenden Geschlechtern übermittelten. Der beste Mann blieb tot, wenn nicht ein Gemälde oder ein Gedicht, eine Chronik oder Allegorie von seinen Taten kündete.

Nur zu gern kam Vasari Isabellas Wunsch nach. Ihre Schönheit sollte bis ans Ende aller Tage die Menschen zum Staunen bringen. Die Vermessenheit der Aufgabe spornte ihn an. Schöner als Leonardos Gioconda und sinnlicher als Raffaels Fonarina sollte sie werden, dabei aber noch unschuldiger als Botticellis Venus.

War es der Spott oder die Auszeichnung des Schicksals, dass sein größtes Werk nicht die Fresken in der Sala Regia oder im Saal der Fünfhundert im Palazzo della Signoria in Florenz sein würden, sondern ein vielleicht zwei mal drei Ellen großes Porträtbild der freilich schönsten Frau, die er je auf Bildern und im Leben gesehen hatte? Vasari stand an der Schwelle zur Ewigkeit.

Seine Augen berührten ihren Körper, tasteten jede Rundung und jedes Hautfältchen ab. Mit jedem Blick, mit jeder Linie, die er ihrem Körper abnahm, ergriff er Besitz von ihr. So hatte er noch keine Frau geliebt wie jetzt Isabella, indem er sie zeichnete. Er versank in einen Rausch, schneller und immer schneller trieb er den Bleigriffel, dessen Kratzen ihm wie lustvolles Stöhnen in den Ohren klang, über den jungfräulich weißen Karton. Der längliche Kopf, die Schulter, die wohlgeformten Brüste, die fast jungenhafte Figur lebte auf, Körperpartie für Körperpartie, als drängte sie durch die weiße Haut des Kartons in die Wirklichkeit. Zum ersten Mal in seinem Leben ahnte Vasari, dass der Maler nicht der Schöpfer des Kunstwerkes ist, sondern nur das Medium zu seiner Erschaffung. Ja, Isabella hatte recht: Im Kampf gegen die Zeit sekundierte er dem Augenblick, den er mit seinen geschickten Händen zur Ewigkeit formte.

Gepolter, Gebrüll, das Bersten eines Riegels, Splittern von Holz, Schreie – eine einzige Welle von Lärm näherte sich wie eine Flutwelle unaufhaltsam und riss ihn gewaltsam aus dem Rausch des Schaffens. Schon sprang unter ihrer Gewalt die Tür auf, und vier bewaffnete Männer stürmten mit gezogenen Degen herein. Rasch streifte Isabella ihre Kleider über. Zwei der Männer packten sie derb. Sie wehrte sich nicht, sondern ließ es mit Würde und Verachtung für die gedungenen Schurken geschehen. Sollte sie sich denn wie eine Straßendirne balgen? Vasari verstand nicht, was vor sich ging, und fühlte sich wie gelähmt. Als die beiden Männer sie unter anzüglichem Gelächter aus dem Atelierraum schleppten, begegneten Isabellas Augen noch einmal denen Vasaris. Ihr Blick traf ihn wie ein Pfeil. Es ist vorbei, mein Freund, schienen ihre Augen zu sagen. Alles an ihr war ein Geheimnis, wie sie in sein Leben getreten war und wie sie ihm jetzt geraubt wurde. Vasari wollte ihr folgen, sie befreien, doch daran hinderten ihn zwei Degenspitzen, die auf seine Brust gerichtet waren.

»Aus dem Weg!«, schrie er die beiden verbliebenen Eindringlinge an, die ihn unbeeindruckt musterten. Drohend schwenkte er den Bleigriffel, den er immer noch in der Hand hielt, und begriff im selben Moment, wie lächerlich und vergeblich das war.

»Mach deinen Frieden mit Gott!«, riet ihm der eine fast gelangweilt.

»Wagt es nicht! Die Rache des Papstes wird euch treffen! Öffentlich wird man euch auf dem Campo dei Fiori bei lebendigem Leib vierteilen!« Vasaris Stimme überschlug sich.

»Der Papst?«, grunzte der andere höhnisch. »Du machst mir Spaß! Der Papst?« Der Meuchelmörder konnte sich vor Heiterkeit gar nicht mehr fassen, als hätte Vasari den besten Witz gerissen, den er je gehört hatte. Auf einmal fühlte der Architekt die Angst, die in ihm aufloderte und jeden Gedanken verbrannte. Er faltete die Hände wie zum Gebet. »Schont mein Leben! Ich gebe euch, was ihr wollt!«

»Was kannst du uns schon geben?«, winkte der eine ab.

»Es ist Zeit, für neue Menschen Platz zu machen«, sagte der andere.

Der Maler wollte seine Seele schon dem Allerhöchsten empfehlen, als Ascanio, den man offensichtlich niedergeschlagen hatte, mit blutigem Gesicht und einem Rapier in der Hand ins Zimmer taumelte. »Verrat! Flieht, Messèr Giorgio! Flieht!« Dann stürzte sich der alte Kämpfer mit einem verzweifelten Schrei auf einen der beiden Männer und wurde gleich darauf von dessen Rapier aufgespießt. Früher, als er noch jünger und ein ausgezeichneter Fechter gewesen war, hätten ihn die bravi nicht so einfach erstechen können, er hätte sie zum Teufel geschickt, dachte Vasari. Doch ihm blieb keine Zeit, um Ascanio zu betrauern. Von Todesangst getrieben, hastete er ins benachbarte Zimmer. Dort riss er eine Tapetentür auf und lief die Stiege hinunter. Er glaubte, im Nacken den Atem seiner Verfolger zu spüren. Er hatte dergleichen Abenteuer noch nie geschätzt, und inzwischen war er auch eindeutig zu alt dafür. Am Fuße der Treppe gelangte er in ein kleines Vestibül, das er durch eine Flügeltür wieder verließ. Er beschloss, über den Hof zu den Gemächern des Papstes zu laufen, aber ausgerechnet von dort kamen ihm zwei Bewaffnete entgegen, die ganz und gar nicht vertrauenerweckend wirkten. Zwei weitere riegelten den Korridor links und rechts des Hofes ab.

Was hatte das zu bedeuten? Weit und breit konnte er keinen Legionär der Schweizergarde entdecken, die für gewöhnlich hier patrouillierte. Vasari begriff, dass er seinen Mördern vollkommen ausgeliefert war. Er brauchte erst gar nicht darüber nachzudenken, wie er den Vatikanpalast lebend erreichen könnte. Die gedungenen Schurken würden ihn im Belvedere, in dem auch Turniere und Jagdspiele zur Belustigung des päpstlichen Hofes stattfanden, einfach niederstechen.

Die Mörder traten gemächlich aus der Tür der Villa. Sie hatten es jetzt nicht mehr eilig. Wozu auch? Ihre Kumpane schnitten Vasari vom Hof und von den Korridoren aus den Fluchtweg ab. Sie konnten sich Zeit lassen. Ihr Opfer saß in der Falle.

Wie Daunen sanken die Schneeflocken zur Erde und bedeckten den Boden mit einem weißen Flaum. Die Kälte drang durch Vasaris nur für das Atelier bestimmten Umhang aus gelb gefärbtem Leinen. Doch der Frost biss ihn nicht, er wiegte sich nur wohlig in den Knochen und stimmte Vasari schläfrig. Alles hätte so friedlich sein können. Vasari empfand es als zutiefst deprimierend, dass sein Leben auf eine solch klägliche Weise enden sollte. Er fühlte Mitleid mit sich und spürte, wie die Kraft, sich gegen das Unvermeidliche aufzulehnen, dahinschwand. Wenn es schon ans Sterben ging, dann wollte er es rasch und ohne Qualen hinter sich bringen. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihn bei dem Gedanken, dass er das wichtigste Bild seines Lebens nicht mehr malen konnte. Wie ungerecht die Welt doch war!

Ein letztes Mal wollte er den Schnee in den Händen halten. Er bückte sich. Guter, trockener Pulverschnee, nicht dieses nasse, harsche Zeug, das für gewöhnlich diesseits der Alpen lag, wenn es überhaupt einmal schneite. Beide Hände grub er zärtlich in die Wehe und erwartete den tödlichen Stoß, der von oben kommen, den Atlas durchschlagen und ins Herz dringen würde. Noch blieb er aus. Vasari erhob sich langsam und nahm Abschied vom Schnee. Er warf ihn in die Luft und beobachtete mit einem resignierten Lächeln, wie sich die Flocken tänzelnd in die Nacht begaben. Würde seine Seele auch so leicht sein, schwerelos vielleicht wie die Schneekristalle? Gleich würde er es wissen.

Der hohle Klang von Pferdehufen auf Marmor riss ihn aus seinen Gedanken. Rechts von ihm am Anfang der ausgedehnten päpstlichen Gartenanlage tauchte im Dunst plötzlich ein Schimmel auf, als sei er aus Schnee gemacht, die Beine, der Leib, der Kopf, die aufgestellten Ohren, der Dampf des Atems, nur die dunkle Mähne und den Schwanz steuerte die Nacht bei. Was er sah, kam ihm zunächst so unwirklich vor wie ein Gaukelspiel seiner verängstigten Sinne. Wie um zu bekräftigen, dass es tatsächlich vor ihm stand, wieherte das Tier. Vasari riss sich aus seiner Erstarrung, hastete zu dem Pferd, schwang sich keuchend in den Sattel und galoppierte entlang der Innenmauer davon. Von der Anstrengung lief er rot an und musste husten. Nur mühsam konnte er sich während des Anfalls, der ihn durchschüttelte, im Sattel halten. Die Meuchelmörder stürmten ihm nach, doch er hängte sie dank des Pferdes sogleich ab. »Teufel auch!« und »Merda!«, hörte er sie noch fluchen.

Links von ihm erstreckten sich die geometrisch im französischen Stil gestalteten Gartenanlagen mit Bäumen, Sträuchern und Rasenflächen. Dort lag auch der Palazzo Pius’ V. mit der Fontäne und den Fischbecken. Schweiß bedeckte seine Stirn, und dank der kalten Luft kam er bald wieder leichter zu Atem. Die Gardisten, die an der entlegenen Porta di Belvedere Wache hielten, erkannten Vasari und öffneten ihm bereitwillig das Tor. Sie mochten sich wundern über seinen für einen Ausritt unpassenden Aufzug und darüber, dass er den Ausgang in die römische Landschaft und nicht den zur Stadt hin gewählt hatte. Anderseits durfte er nicht erwarten, dass sie sich über das Benehmen der großen Herren den Kopf zerbrachen. Einen Moment lang erwog er, sich unter ihren Schutz zu stellen und zum Papst bringen zu lassen. Er verzichtete jedoch darauf, denn er kannte das Ausmaß der Intrige gegen ihn nicht und zog es deshalb vor, nichts zu riskieren. Denn über die Macht seines unbekannten Feindes, der es vermocht hatte, ihm sogar im Vatikan eine tödliche Falle zu stellen, gab er sich keinen Illusionen hin. Sein heimlicher Widersacher konnte nur in den höchsten Ämtern der Kurie zu finden sein. Für einen Augenblick stieg in ihm sogar der Verdacht auf, dass der Papst selbst hinter dem Anschlag stecken könnte. Doch dann schüttelte er den schrecklichen Gedanken ab – es würde sein sicheres Ende bedeuten, wenn der Heilige Vater seinen Tod beschlossen hätte. Außerdem gab es keinen Anlass dafür. Vasari war Gregor XIII. in allem zu Willen und von höchstem Nutzen. Niemals hatte er über ihn gespottet oder ihn betrogen.

Er wandte sich nach links und hielt sich an die leoninische Mauer. Auf der rechten Seite begrenzte ein Abhang den Weg, von dessen Fuß aus die Weinberge sich in die Campagna erstreckten. Die Dunkelheit erlaubte ihm nur, zwischen Schritt und Trab zu wechseln. Galopp, wie es seiner Stimmung entsprochen hätte, verbot sich von selbst.

Entkommen, dachte er dankbar. Doch dann fiel ihm ein, dass er das Buch zurückgelassen hatte, das »Buch der Baumeister«. Er fluchte, aber er konnte es nicht wagen, zu seinem Palazzo zurückzukehren. An dem Buch klebte Blut. Vasari verspürte keine Neigung, seines hinzuzufügen.

Je mehr er wieder zu klaren Gedanken kam, desto heftiger quälte ihn die Ungewissheit über Isabellas Schicksal. Aber solange er selbst in Lebensgefahr schwebte, durfte er nicht einmal daran denken, nach ihr zu suchen. Vasari redete sich ein, dass ihr nicht damit gedient sein konnte, wenn man ihn bei dem Versuch, sie zu befreien, ermordete. Wenn sie überhaupt noch lebte. Aber diesen Gedanken verwarf er sofort wieder. Und überhaupt! Wo sollte er denn mit der Suche beginnen? Ihm fehlten sämtliche Anhaltspunkte. Er begegnete seinen Schuldgefühlen mit den Argumenten der Vernunft und mit dem Schwur, so schnell wie möglich ein Heer von Spionen auszuschicken, um sie zu finden. Wie immer in heiklen Situationen seines Lebens zog es Vasari vor, andere für sich handeln zu lassen. Und auch nach dem Buch wollte er suchen lassen. Vielleicht war es der Grund für den nächtlichen Überfall, weil etwas darin stand, was er hätte niemals erfahren sollen. Sein Instinkt sagte ihm, dass er bei der Suche nach dem »Buch der Baumeister« noch viel bedächtiger vorgehen musste als bei der Suche nach der geliebten Frau.

Eine knappe halbe Stunde später umrundete er den Petersdom. Die Vierungspfeiler erhoben sich über der größten Baustelle des Abendlandes und erinnerten in ihrer Einsamkeit an vergessene Riesenkinder. Wenigstens war es ihm als Architekten noch gelungen, den Tambour für die Kuppel auf die Vierung zu setzen. Ein Silberring aus Schnee verzierte jetzt den nüchternen Rohbau und verlieh ihm etwas Verspieltes. Wie der Zauber des Neuschnees doch die Formen der Welt besänftigte, weil er die harten Konturen milderte.

Der leitende Architekt der Fabbrica di San Pietro wusste nicht, ob er noch einmal nach Rom zurückkehren und es ihm vergönnt sein würde, die Vierung zumindest mit Michelangelos Kuppel zu krönen. Die sechs größten Architekten der letzten sechzig Jahre waren bereits über den Bauarbeiten hinweggestorben, und ein jeder hatte nur noch mehr Chaos hinterlassen. Wie eine heftige Übelkeit breitete sich vom Magen her in Vasari das Gefühl der Vergeblichkeit aus. Auf seiner Zunge schmeckte er kurz darauf das bittere Aroma des Scheiterns.

Ja, er war entkommen, nicht aber gerettet! Er begann, erbärmlich zu frieren. Wenn er nicht bald ein warmes Plätzchen fände, zudem noch Winterkleidung bekäme, dann würde der Frost das erledigen, was den gedungenen Mördern nicht geglückt war. Doch er konnte nicht lange nach einem Ofen suchen – keinen Wimpernschlag hielt es ihn länger in der Stadt, in der er niemandem mehr trauen konnte. Kardinal Morone vielleicht, sicher war sich Vasari indessen nicht. Und selbst wenn Morone der war, für den er ihn hielt, durfte er ihn keinesfalls kompromittieren. Sein Heil lag in der Flucht. Vasari beschloss, nach Florenz zu reiten und sich unter den Schutz Francescos I., des Großherzogs von Toskana, zu stellen. Was er immer befürchtet hatte, seit er das Geheimnis kannte, war nun eingetreten. Seine unfreiwillige Mitwisserschaft war einem mächtigen Mann, der es nicht dulden konnte oder wollte, dass jemand sein Geheimnis teilte, nicht verborgen geblieben.

Vasari hatte die Uferstraße, die den Borgo mit Trastevere verband, erreicht, passierte die Kasematten der Engelsburg, überquerte die Brücke über den Tiber und wandte sich schließlich dem Campo Marzio zu. Auf dem Pflaster hallten die Hufe seines Pferdes verloren wider. Zwei zerlumpte Gestalten wollten sich ihm in den Weg stellen, verzichteten jedoch darauf aus Angst, unter die Hufe des kräftigen, rasch dahintrabenden Schimmels zu geraten. Wer sein Leben liebte, vermied es, um diese Zeit Roms Straßen zu benutzen, denn sie gehörten in der Nacht den Dieben, Mördern und Perversen. Ihre Opfer fischte man für gewöhnlich am nächsten Tag aus dem Tiber. Ihm blieb nur übrig, um Gottes Beistand zu bitten, sein Pferd anzutreiben und sich warme Gedanken zu machen.

Giorgio Vasari, Ritter vom Goldenen Sporn, verließ im Februar 1574 zu später Stunde Rom durch die Porta del Popolo und wandte sich nach Norden. In Ronciglione klopfte er halb erfroren und mehr tot als lebendig den Wirt eines Gasthauses aus den Federn und ließ sich eine fette Hühnerbrühe und einen Glühwein servieren, bevor er versuchte, ein paar Stunden zu schlafen.

Das Zimmer war klein. Die Fensterlöcher hatte man wegen der Kälte mit Holzbrettern verschlossen, weshalb es in dem Raum nach abgestandenem Schweiß und nach anderem, was man besser nicht genauer wissen wollte, stank. Die Decken, die auf der Schlafstatt lagen, starrten vor Dreck und rochen muffig. Doch Vasari hatte keine Wahl. Unruhig wälzte er sich in dem schmalen Holzbett hin und her. Kaum eingeschlafen, wachte er mit dem Gefühl, von Wanzen gestochen zu werden, wieder auf. Schließlich weckte er abermals den Wirt, kaufte ihm ein Rapier und einen Fellmantel ab, der seinen modischen Ansprüchen nicht im Mindesten entsprach, ließ sein Pferd vorführen und ritt in die Dämmerung des anbrechenden Tages.

Es hörte auf zu schneien, und der einsetzende Frost ließ die Schneekristalle verharschen. Wind kam auf. Nicht die Nacht, sondern der frühe Morgen brachte die kältesten Stunden, wenn die letzte Wärme des Vortages aufgebraucht war. Während die Sterne langsam verblassten, erfroren die Menschen.

Die eisigen Temperaturen hatten Vasari fest im Griff, weil sein überanstrengter Körper zu wenig Wärme erzeugen konnte. Es ist schon zu viel Tod in mir, dachte er bitter. Wenn er Florenz lebend erreichen sollte, nahm er sich vor, als Erstes ein warmes Bad mit Lavendel, Kardamom, Melisse und Latschenkiefernöl zu nehmen.