–11–

Der Dienstagmorgen begann für Mike ausnahmsweise ohne Kopfschmerzen, dafür aber mit einem völlig verspannten Nacken. Eine heiße Dusche linderte die Schmerzen, und nach einigen Dehnübungen schaffte er es sogar, seinen Pistolenhalfter über den Rücken zu ziehen. Zehn Minuten später klingelte sein Partner und trat in die Wohnung.
»Einen wunderschönen guten Morgen!«, verkündete Peter, der genau wusste, dass Mike so viel Euphorie um diese Uhrzeit nicht leiden konnte. Dann trat er ein und warf einen Blick in das offen stehende Schlafzimmer mit dem unberührten Bett. »Hast du bei Jenni geschlafen?«, lautete die erste Frage, dann sah er die Decke und das Whiskyglas neben dem Sessel und warf einen skeptischen Blick zu Mike.
Dieses Mal dämpfte er seine Stimmlage etwas und fragte vorsichtig: »Ist es immer noch so schlimm?«
Da Mike den Mund voll Kaffee hatte, schüttelte er nur seinen Kopf. Dann schluckte er hinunter, drückte Peter eine zweite Tasse in die Hand und antwortete: »Nein. Ich hatte gestern einen sehr schönen Abend mit Jenni und bin dann hier vor dem Fernseher eingeschlafen.«
»Gut!«, stellte Peter jetzt wieder etwas lockerer fest, nahm ebenfalls einen Schluck und erkundigte sich nach dem weiteren Vorgehen bezüglich des Toten.
»Ich würde sagen, wir gehen ins Präsidium und machen eine Aufstellung von dem, was wir haben. Vielleicht hat ja auch Dr. Gruber inzwischen etwas herausbekommen.«

Eine halbe Stunde später hatte Peter alle Fakten an der großen, weißen Tafel ihres Büros zusammengetragen, und Mike hatte mit Erlangen telefoniert.
»Und? Hat die Gerichtsmedizin etwas in Erfahrung bringen können?«, fragte Peter, als Mike aufgelegt hatte. Mike stand auf, warf einen Blick auf die Landkarte und schüttelte den Kopf: »Der Dreck unter den Fingernägeln des Toten könnte von überall hier in der Gegend stammen. Die Zusammensetzung deutet zwar eindeutig auf unseren Landkreis, beziehungsweise auf das hier vorkommende Gestein hin, aber es fand sich nichts darin, was die Suche danach eingrenzen würde.«
»Scheiße!«, stieß Peter aus und fragte dann weiter: »Und die Gesichtserkennung?«
»Auch kein Treffer!«, lautete die knappe Antwort. Mike wollte sich gerade wieder an seinen Computer setzten, um erneut die Vermisstenanzeigen durchzugehen, als die Tür aufgerissen wurde und ihr Chef, Karl Steinbach, den Kopf ins Zimmer streckte. Statt zu grüßen, sagte er in deutlich zu ernstem Befehlston: »Seid ihr auch schon da! In zwei Minuten im Verhörzimmer!« Dann wurde die Tür wieder zugezogen, und die beiden Kommissare sahen sich achselzuckend an. Beide wussten, dass es eigentlich nicht Karls Art war, so aufzutreten, doch offensichtlich brannte die Luft!
»Dann eben kein Kaffee!«, sagte Peter, nahm seinen Notizblock und folgte Mike eine Etage höher. Die Tür zu dem sterilen Raum stand weit offen, und um den einzigen Tisch waren nun vier, statt der sonst üblichen drei Stühle gestellt worden. Die einzige anwesende Person war ein junger Typ, den Mike schon vom Aussehen her nicht leiden konnte. Alles an ihm war zu glatt, zu gepflegt, und der Gesichtsausdruck war dazu passend, zu arrogant. Jurastudent, schoss es Mike durch den Kopf. Es war so eine Angewohnheit von ihm, schon vor dem ersten Wort, das ein Mensch sprach, seinen Beruf zu erraten.
Die beiden Kommissare betraten den Raum, als Karl gerade sein Telefon wegsteckte. Nachdem sich alle gegenseitig vorgestellt hatten, nahmen auch die beiden Kommissare Platz, und Karl übernahm das Wort: »Also gut, dann erzählen Sie bitte noch einmal, was Sie dem Kollegen der Notrufzentrale erzählt haben.«
Die Körperhaltung des jungen Mannes, der tatsächlich Jurastudent war, passte überhaupt nicht zu seinem restlichen Erscheinungsbild. Lustlos und ohne jede Spannung hing er in seinem Stuhl: »Nun ja, ich bin mir nicht sicher, ob er es ist, aber Folgendes …Wie ich gerade sagte, studiere ich seit etwa zwei Jahren Jura in Erlangen. Und seit dieser Zeit teile ich mir eine kleine Wohnung mit
Leon.«
»Leon, was?«, fragte Karl, der für Mikes Geschmack immer noch zu angespannt war.
»Leon Magwart«, antwortete der Student. Mike spürte, wie ihn sein Chef prüfend ansah, kam aber nicht gleich darauf warum. Dann half ihm Peter auf die Sprünge: »Magwart? Ist er der Sohn der Richterin Juliane Magwart, die hier in Nürnberg arbeitet?«
Der Mann nickte: »Ihren Vornamen kenne ich nicht, aber ja, seine Mutter ist hier Richterin.«
»Und weiter?«, drängte Karl.
Nun besann sich ihr Gegenüber offenbar auf seine Haltung, setzte sich gerade hin und erzählte: »Leon ist Freitagnacht nicht nachhause gekommen, was eigentlich nichts Ungewöhnliches ist, da er immer mal wieder mit zu einer Frau ging, und ich dachte mir auch nichts dabei. Auch dass er zwei Tage wegblieb, kam ab und zu mal vor. Was allerdings nie vorkam, war, dass er nicht Bescheid sagte, wenn er eine Verabredung nicht einhalten konnte. Wir hatten für Sonntagnachmittag einen Platz in der Tennishalle gebucht, und als Leon auch dort nicht auftauchte, versuchte ich ihn anzurufen. Leider vergebens, denn sein Handy war entweder ausgeschaltet, oder hatte keinen Empfang.«
»Hatten Sie ihn da schon als vermisst gemeldet?«, erkundigte sich Peter, der schon einige Notizen auf seinem Block stehen hatte.
Der Student schüttelte den Kopf: »Nein! Als Jurastudenten wissen wir ja, dass Erwachsene erst nach frühestens 48 Stunden als vermisst gelten, und ich wollte auch nicht gleich die Pferde scheu machen. Ich nahm mir vor, noch bis Montagabend zu warten, und wenn ich ihn dann immer noch nicht erreicht habe, bei seinen Eltern anzurufen.«
»Aber das hätten Sie doch auch schon früher machen können! Die Polizei und seine Eltern sind doch zwei paar Stiefel?«, hakte diesmal Mike nach.
»Sicher …«, antwortete der Student, » … aber deren Verhältnis war etwas angespannt, und Leon wäre es sicher nicht recht gewesen, dass ich dort nach ihm fragte.«
»OK, weiter!«, drängte Karl, was Mike entgegen kam, da er sich langsam fragte, was sie hier eigentlich sollten.
Endlich schien der Student auf den Punkt kommen zu wollen und sprach etwas schneller: »Nun ja, was soll ich sagen …«, begann er. »Am Montagabend habe ich Leon dann ein wenig vergessen. Ich lernte eine ziemlich aufgeschlossene Medizinstudentin kennen, die mich sozusagen auf andere Gedanken brachte.« Der junge Mann konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Als er jedoch in die schon etwas genervten Gesichter der Kommissare blickte, redete er schnell weiter: »Auf jeden Fall war ich bis heute Morgen bei ihr, und kurz bevor wir uns trennten, wollte sie mir noch unbedingt einen ziemlich üblen Trailer zu einem neuen Reality-Game zeigen, das in Kürze beginnen soll. Der Film zeigt einen Mann, der erst in einem Verhör gequält wird, anschließend freikommt und am Ende stirbt.« Es folgte eine kurze Pause, in der die Gesichtszüge des Studenten deutlich ernster wurden, dann sagte er gedämpft: »Und ich glaube, diesen Mann hat Leon gespielt!«
Mike lehnte sich zurück und dachte nach. Er war sich fast sicher, dass es sich um den gleichen Film handelte, von dem auch Jenni gesprochen hatte. Noch bevor etwas sagen konnte, ergriff Peter das Wort: »Ja, aber was ist so schlimm daran, dass sich ihr Freund ein paar Euro als Schauspieler verdient?« Mike machte eine Armbewegung, die Peter zum Schweigen brachte. Dann zog er ein Foto aus seiner Mappe, legte es auf den Tisch und sah den Studenten dabei an. Dieser beugte sich etwas vor und erstarrte: »Scheiße, das ist Leon!« Und als wollte er es nicht begreifen, fragte er mit stockender Stimme: »Ist er …?«
Mike kniff den Mund zusammen, nickte, und jetzt erst begriff er, warum sein Chef so aufgelöst gewesen ist. Wenn das tatsächlich der Sohn der Richterin war, wäre Erfolgsdruck ein zu banales Wort! Eine weitere Erinnerung schoss ihm durch den Kopf, und diesmal erstarrte er selbst. Er wendete den Blick zu Karl und sagte ausdruckslos: »Die Tochter der Richterin ist ebenfalls als vermisst gemeldet! Ich habe ihren Namen gestern bei den Vermisstenanzeigen gelesen.«
Karl nahm seine Hände vor das Gesicht und stieß ein leises »Scheiße!« aus. Dann fing er sich wieder, tat so, als wäre alles ganz normal und sagte zu dem Studenten: »Vielen Dank für Ihre Hilfe! Wenn Sie noch einen Augenblick Zeit haben, würde ich Ihnen einen Beamten hereinschicken, der alles noch einmal genau zu Papier bringt.« Ohne auf eine Antwort zu warten, stand der Leiter der Mordkommission auf, drehte sich zu seinen Kommissaren und wies sie an, in einer Viertelstunde in seinem Büro zu sein. Mike und Peter nickten, verabschiedeten sich von dem Studenten und Peter begleitete Mike zu dem Raucherplatz, auf dem Innenhof des Präsidiums.

»Nehmt bitte Platz.«, Karls Stimme war nun etwas freundlicher, aber seine Anspannung war deutlich zu spüren. Schon während sich Mike und Peter setzten, begann er zu reden: »Du hattest Recht, Mike. Die Tochter von Richterin Magwart ist tatsächlich als vermisst gemeldet. Die Kollegen haben dies bisher nur nicht allzu ernst genommen, da die junge Frau bereits achtzehn ist, und man in dem Alter schon mal eigene Wege geht.« Karl stockte und sah seine Kommissare fragend an: »Was für eine Scheiße läuft da?«
»Bei Richtern liegt ein Racheakt nahe …«, wagte Peter eine erste Prognose, erzählte damit aber nichts Neues.
»Ist mir schon klar!«, erwiderte Karl dann auch und spann den Faden weiter: »Aber was macht das für einen Sinn, erst den Sohn umzubringen, das Ganze dann offenbar im Internet zu zeigen und anschließend die Tochter zu entführen?«
Noch vor einem Jahr hätte sich Mike auch keinen Reim darauf machen können, aber durch Jennis Arbeit bei einem Onlinemagazin hatte er mittlerweile gelernt, dass es haufenweise Psychopathen gab, die entweder Computerspiele entwickelten, oder die solche zum Teil wirklich kranken Spiele spielten. »Ich glaube … «, begann er, » … dass der Täter nicht nur Rache nehmen möchte, sondern auch auf öffentliche Demütigung aus sein könnte!«
»Weiß die Richterin schon Bescheid?«, fragte Peter dazwischen. Karl schüttelte den Kopf und wollte gerade antworten, als sein Telefon läutete. Er hob ab, sagte ein paar Worte und legte dann wieder auf. Anschließend drehte er seinen Monitor so hin, dass ihn auch Mike und Peter sehen konnten, und klickte auf eine noch ungelesene E-Mail. Nach einem weiteren Klick öffnete sich ein Medienprogramm, das zunächst ein völlig schwarzes Bild zeigte. Wenige Sekunden passierte nichts, dann wurde das Bild endlos langsam heller und die Silhouette eines großen Holzstuhles, der sehr an einen elektrischen Stuhl erinnerte, zeichnete sich ab. Im gleichen Tempo, wie der Lichtkegel heller wurde, fuhr die Kamera, beginnend von der Rückseite des Stuhles langsam drum herum. Doch auch als die Kamera vorne angekommen war, reichte das Licht noch immer nicht aus, um Details zu erkennen. Egal wie angestrengt man darauf starrte, es blieb eine vage Vermutung. Wieder vergingen Sekunden, und es wurde schon fast langweilig, als der Lichtkegel plötzlich derart hell aufleuchtete, dass es fast schon in den Augen wehtat. Mit einem Schlag saß er vor ihnen, und es gab keinen Zweifel: Es war der Tote aus dem Wald! Schwere Eisenbänder fixierten ihn an den übergroßen Holzstuhl, und dunkle Flecken auf seiner Kleidung zeugten davon, dass er bereits misshandelt wurde. Was einem nicht sofort auffiel, war die Tatsache, dass der Mann scheinbar völlig unbeeindruckt von der Helligkeit des Scheinwerfers blieb, was der ganzen Szenerie einen noch unheimlicheren Ausdruck verlieh. Erst störte sich Mike daran, dann stellte er leise fest: »Da muss er schon fast blind gewesen sein!«
Alle Drei schauten weiter gebannt auf das, was sich da am Monitor abspielte. So widerwärtig der Anblick auch war, man musste einfach zusehen!
Genau so plötzlich, wie es hell geworden war, erlosch das Licht auch wieder, und erneut wurde der Bildschirm komplett schwarz. Dann folgte eine Einstellung, die offensichtlich aus der Egoperspektive gefilmt wurde. Im dämmrigen Licht eines Herbstabends bahnte sich der Träger der Kamera seinen Weg durch einen nebligen Wald. Immer wieder stürzte er über herumliegende Äste, rutschte kleine Abhänge hinab, rappelte sich wieder auf und torkelte weiter. Ab und zu kamen die geschundenen Hände oder die blutdurchtränkte Hose ins Bild, dann ertönte das einzige Geräusch des ganzen Filmes. Der Schrei hallte erschreckend realistisch durch Karls Büro, und allen drei Beamten zog sich der Magen zusammen. Als letzte Sequenz wurde das Bild wieder dunkel, und wie zum Hohn erschienen langsam die Worte: »LASST UNS SPIELEN«, gefolgt von dem viel kleiner geschriebenen Satz: »Wir sehen uns am 1. Dezember, hier auf YouTube!« Der Film endete, und das Logo des Medienprogrammes erschien. Alle Drei ließen sich in ihre Stühle fallen und versuchten zu begreifen, was sie gerade gesehen hatten.
Dann dauerte es eine geschlagene Minute, bis jeder seine Gedanken sortiert hatte und Karl das Wort ergriff: »Natürlich lasse ich das Video gerade von unseren Spezialisten untersuchen, aber ich habe so eine Ahnung, dass es uns der Täter sicher nicht so leicht machen wird!«
Ohne darauf einzugehen stellte Peter fast schon bewundernd fest: »Das Ding ist wirklich gekonnt gemacht. Wüsste ich nicht, dass es so schrecklich real ist, der Typ hätte mein Interesse geweckt!«
»Und das ist das Problem!«, stellte Mike nachdenklich fest. »Offensichtlich will er seine Rache, oder was immer er auch will, in die Öffentlichkeit tragen. Und wenn es wirklich soweit kommt, dass er in zwei Tagen damit online geht, können wir unsere Ermittlungen nur noch in Begleitung sämtlicher Nachrichtensender durchführen.«
»Nur, wenn er preisgibt, dass die Show bittere Realität ist«, gab Karl zu bedenken. Mike fiel das Gespräch mit Jenni wieder ein und nickte: »Stimmt, jetzt wo du es sagst. Meine Freundin arbeitet doch für dieses Spielemagazin. Auch sie hat mir gestern von diesem Film erzählt. Da ich mich aber normalerweise nicht für so etwas interessiere, gingen wir nicht weiter darauf ein. Aber eine Sache hat sie dann doch erwähnt. Und zwar, dass es sich um eine neue Art von Reality-Spiel mit Schauspielern handeln soll.«
Karl machte eine Geste, die Mike zum Schweigen brachte, und sagte dann: »Aber das würde ja bedeuten, dass er sogar schon Kontakt mit der Presse aufgenommen hat. Denn laut meinen Informationen gibt es bisher nur diesen Film und sonst keinerlei Informationen im Internet. Folglich muss er es irgendjemand anderem erzählt haben.« Karl wollte schon zum Hörer greifen, ließ die Hand aber wieder sinken. Dann sah er Mike an und sagte fast schon beschwörend: »Du versuchst jetzt, deine Freundin zu erreichen. Vielleicht weiß sie mehr darüber.«, dann wechselte der Blick zu Peter: »Du nimmst dir noch einmal die Vermisstenanzeige vor. Der Titel lautet ‘Die Drei’, also müssen wir davon ausgehen, dass er nicht nur die Tochter der Richterin hat.« Karl ließ sich etwas zurücksinken: »Und ich werde wohl oder übel mit Richterin Magwart reden müssen.«
Die beiden Kommissare verließen Karls Büro und eilten schweigend durch die Gänge des Präsidiums. Als Mike wieder an seinem Schreibtisch saß, warf er einen Blick auf die Uhr. Da Jenni um die Mittagszeit meistens nicht in ihrem Büro war, wählte er gleich die Nummer ihres Diensthandys, gab aber nach dem zehnten Freizeichen auf und versuchte es doch an ihrem Arbeitsplatz. Die Anzeige seines Telefons zeigte schon nach dem zweiten Ton eine Weiterleitung an, und kurz darauf hatte er Claudia, eine von Jennis Kolleginnen, am Apparat. Da sein Tonfall offenbar ziemlich dienstlich klang, wunderte sich Claudia: »Hi, Mike, was ist denn mit dir los?« Jetzt erst kam Mike in den Sinn, dass Claudia keine Fremde war. Er und Jenni waren schon öfter mit ihr und ihrem Freund ausgegangen, daher sagte er entschuldigend: »Tut mir leid, wir haben gerade einen ziemlich üblen Fall, und ich war wohl noch in Gedanken. Ist denn Jenni bei dir?«
»Kein Problem!«, erwiderte Claudia lachend, ging dann aber auf seine Frage ein: »Leider nein! Sie hat ein Interview außerhalb.« Mike stockte eine Sekunde und fragte dann: »Weißt du, wann sie das Interview hat? Ans Handy geht sie nämlich auch nicht!«
»Einen Augenblick, ich schaue in ihren Kalender«, antwortete Claudia, und Mike hörte, wie einige Tasten gedrückt wurden. Dann war sie wieder am Apparat: »Hörst du?« Mike bejahte, und sie redete weiter: »Also hier steht: Interview - Die Drei - zwölf Uhr – Dunkelcafé Nürnberg
Mike zuckte zusammen, und sein erster Gedanke war: nicht schon wieder. Dann brüllte er fast ins Telefon: »Hast du eben ‘Die Drei’ gesagt?« Claudia bestätigte, und Mike zwang sich zur Ruhe: »Dieses Dunkelcafé ist doch das, was zum ‘Erlebnisfeld der Sinne’ gehört, oder?« Durch Mikes Stimme fast schon eingeschüchtert, antwortete Claudia nun als würde man sie verhören: »Ja, dort drinnen herrscht absolute Dunkelheit. Man soll dort erfahren, wie man sich ohne Augenlicht fühlen würde.« Mike hatte keine Zeit mehr für eine weitere Unterhaltung. Ein kurzes »Danke« musste reichen, dann knallte er den Hörer auf das Telefon - doch nur, um ihn gleich wieder abzunehmen. Peter, der ihn erschrocken ansah, wollte etwas sagen, aber Mike brachte ihn mit einer deutlichen Geste zur Ruhe. Nun drückte er auf eine der Schnellwahltasten und stand mit dem Hörer in der Hand auf. Sich unruhig hin und her drehend, wartete er darauf, dass endlich jemand sein Gespräch entgegen nahm. Nach drei unbarmherzig langen Freizeichen meldete sich eine Beamtin der Notrufzentrale, und noch bevor sich die Frau vorstellen konnte, begann Mike unfreundlich: »Ja, ja, ich weiß, wer Sie sind! Hier ist Hauptkommissar Köstner! Schicken Sie sofort alle verfügbaren Wagen zum Dunkelcafé in Nürnberg. Wir suchen …« Mike stockte, da ihm erst jetzt einfiel, dass er keine Ahnung hatte, wen sie überhaupt suchten. Nach fünf Sekunden sprach er etwas ruhiger und sachlicher weiter: »In dem Café befindet sich eine Frau, ca. 1,65 cm groß, langes rotes Haar, sportliche Figur. Ihr Name ist Jenni Flick, neunundzwanzig Jahre alt. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Frau in ernster Gefahr ist. Sollte sich jemand in ihrer Begleitung befinden, muss der Zugriff sofort erfolgen! Kein Besucher des Cafés darf das Haus verlassen, bevor wir nicht mit ihm gesprochen haben. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Mitarbeiter. Haben Sie das verstanden?« Die Beamtin der Notrufzentrale wollte gerade alle Daten wiederholen, doch Mike fiel ihr ins Wort: »Jetzt geben Sie erst den Einsatzbefehl raus, danach können wir immer noch alles durchgehen!« Mike hörte im Hintergrund, wie die Frau den Funkspruch durchgab, und da sie alles Nötige sagte, verzichtete er auf eine Wiederholung der Angaben und verabschiedete sich. Ohne ein Wort zu sagen, griff er nach seiner Jacke und verließ mit Peter, der alles mitgehört hatte, das Büro. Wortlos eilten sie durch die Gänge des Präsidiums, verzichteten darauf den langsamen Fahrstuhl zu nehmen und stiegen kurz darauf in den Dienstwagen. Erst als sie den Innenhof verlassen hatten, fragte Peter, der wie immer am Steuer saß: »Glaubst du, Jenni trifft sich mit unserem Täter?« Dann stockte er und drehte den Satz um: »Besser gesagt: Glaubst du wirklich, der Täter ist so dreist und trifft sich mit der Presse?«
»Wenn es nicht noch ein weiteres Spiel mit dem Namen ‘Die Drei’ gibt, dann ja!«, antwortete Mike angespannt.

BENUTZT: Psychothriller
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