3. Kapitel
»Sehe ich gut aus?« fragte Maria, die ihre Toilette beendet hatte.
Hornblower stand vor ihr und knöpfte sich gerade den Galarock zu. Er zwang sich zu einem bewundernden Lächeln.
»Fabelhaft«, nickte er. »Das Kleid bringt deine Figur vorteilhafter zur Geltung als jedes andere, das du getragen hast.«
Seine Antwort wurde mit einem Lächeln belohnt. Es hätte keinen Zweck gehabt, Maria die Wahrheit zu sagen und ihr zu erklären, daß sich gerade dieses Blau nicht mit dem starken Rot ihrer Wangen vertrug. Mit ihrer untersetzten Gestalt, dem groben schwarzen Haar und der unschönen Gesichtsfarbe konnte Maria überhaupt niemals als gut aussehend erscheinen.
Günstigenfalls konnte man sie für die Frau eines kleinen Kaufmanns halten und schlimmstenfalls für irgendeine Scheuerfrau, die sich die abgelegten Kleider ihrer Herrin angezogen hatte. Ihre derben roten Hände glichen Hornblowers Meinung zufolge ohnehin denen einer Scheuerfrau.
»Ich habe noch meine Pariser Handschuhe«, sagte Maria, die seinen Blick wahrnahm. Der Eifer, mit dem sie jedem seiner Wünsche zuvorzukommen suchte, konnte unerträglich lästig werden. In seiner Macht lag es jetzt, sie furchtbar zu kränken, und dieses Bewußtsein peinigte ihn.
»Desto besser«, erwiderte er galant. Er stand jetzt vor dem Spiegel und zupfte sich den Rock zurecht.
»Die Galauniform kleidet dich vorzüglich«, meinte Maria bewundernd.
Nachdem Hornblower mit der Lydia nach England zurückgekehrt war, besorgte er sich zunächst neue Uniformen.
Infolge der Dürftigkeit seiner Garderobe hatte er sich während der letzten Reise demütigenden Vorfällen aussetzen müssen.
Jetzt besah er sich wohlgefällig im Spiegel. Sein Rock war aus feinstem blauem Tuch gearbeitet. Die schweren Epauletten, deren Kantillen ihm über die Schulter hingen, bestanden aus echtem Gold, und das gleiche galt von den goldenen, die Knopflöcher umsäumenden Litzen. Die Knöpfe und Ärmelaufschläge glitzerten, wenn er sich bewegte. Es freute Hornblower, die breiten goldenen Ärmelstreifen zu betrachten, die ihn als Kapitän z. S. mit mindestens dreijähriger Dienstzeit kennzeichneten. Seine Krawatte bestand aus echter chinesischer Seide. Mit dem Schnitt der weißen Kniehosen war er zufrieden.
Die dicken weißen Seidenstrümpfe stellten das Beste dar, was er in dieser Art hatte bekommen können. Während er sie beaugenscheinigte, dachte er mit einem gewissen Schuldbewußtsein daran, daß Maria, unter ihrem Rock verborgen, billige Baumwollstrümpfe trug, die nur vier Shilling das Paar gekostet hatten. Vom Kopf bis zu den Fußgelenken war er gekleidet, wie es sich für einen Gentleman schickte. Nur die Schuhe machten ihm einige Sorge. Die Schnallen bestanden nur aus Tombak. Er fürchtete, daß ihre minderwertige Beschaffenheit gerade durch den Gegensatz zu dem sonst überall verwendeten echten Gold unliebsam in Erscheinung treten könnte. Andrerseits hatte er nicht gewagt, zwanzig Guineen für goldene Schnallen auszugeben. Heute abend mußte er es vermeiden, die Aufmerksamkeit auf seine Fußbekleidung zu lenken. Bedauerlich war es, daß sich der Ehrensäbel im Wert von hundert Guineen, der ihm seines Kampfes mit der Natividad wegen vom Patriotischen Fonds verliehen worden war, noch nicht in seinem Besitz befand. So mußte er sich vorläufig mit jenem anderen, halb so wertvollen Ehrensäbel begnügen, den er vor acht Jahren nach der Wegnahme der Castilla als Subalternoffizier erhalten hatte.
Er ergriff seinen Dreimaster - der Knopf und die Litzen waren ebenfalls echt vergoldet - und zog sich die Handschuhe an. »Bist du fertig?« wandte er sich an Maria.
»Vollständig, Horatio.« Frühzeitig hatte sie erkannt, wie sehr ihm Unpünktlichkeit verhaßt war, und pflichtbewußt hütete sie sich davor, ihm in dieser Hinsicht zu mißfallen.
Als sie die Straße betraten, spiegelte sich die Nachmittagssonne in Hornblowers goldenen Schmuck. Ein vorbeikommender Leutnant der Bürgerwehr grüßte ihn respektvoll. Es fiel ihm auf, daß die Dame, die jener Leutnant am Arm führte, Maria aufmerksamer betrachtete als ihn selbst, und in ihrem Blick glaubte er das Befremden darüber zu erkennen, daß sie sich in Begleitung eines höheren Offiziers befand. Aber sie war nun mal seine Frau, seine Jugendfreundin, und nun galt es, ihre selbstlose Herzensgüte zu vergelten, derentwegen er sie geheiratet hatte. Der kleine Horatio und die kleine Maria waren an den Blattern gestorben; wenn keine anderen Gründe vorgelegen hätten, so hätte dies genügt, ihr seine Anhänglichkeit zu sichern. Nun glaubte sie überdies, wieder in Erwartung zu sein. Daß es so weit kommen konnte, war natürlich eine ungeheuerliche Torheit gewesen, aber diese Torheit war immerhin entschuldbar bei einem Mann, dessen Herz sich bei der Nachricht von der Verheiratung der Lady Barbara vor Eifersucht geradezu verzehrt hatte. Dennoch galt es nun, solche Verfehlung durch verstärkte Anhänglichkeit wiedergutzumachen. Sein Ehrgefühl, aber auch die ihm angeborene Empfindsamkeit und Unentschlossenheit zwangen ihn dazu, Maria treu zu bleiben, ihr Zerstreuungen zu bieten und ganz so zu handeln, als sei er ihr wirklich liebender Gatte.
Das war aber noch nicht alles. Sein Stolz würde ihm niemals gestatten, öffentlich einzugestehen, daß er einen Fehler begangen hatte, einen törichten Mißgriff, wie er von einem unreifen Jungen zu erwarten gewesen wäre. Selbst wenn er es über sich vermocht hätte, Maria das Herz zu brechen, so würde er es allein aus diesem Grunde nicht zu einem offenen Bruch haben kommen lassen. Hornblower entsann sich der unanständigen Bemerkungen, die innerhalb der Marine über Nelsons Eheirrungen gemacht wurden, und auch andere Flaggoffiziere hatten reichlich Anlaß zu allerlei Klatsch geboten. Solange er treu zu seiner Gattin stand, blieb er gegen solchen Klatsch gefeit. Die Öffentlichkeit war Exzentrizitäten gegenüber duldsam, verhöhnte jedoch den Schwächling.
Vielleicht wunderte man sich über seine Anhänglichkeit, aber das ließ sich ertragen. Solange er sich den Anschein gab, als sei Maria für ihn die einzige Frau auf der ganzen Welt, waren die Menschen gezwungen anzunehmen, daß sie größere Vorzüge besaß, als der Beschauer zunächst annehmen konnte.
»In den ›Engel ‹sind wir gebeten worden, nicht wahr, Horatio?« vernahm er plötzlich die Stimme Marias neben sich.
»Ja, allerdings.«
»Wir sind daran vorbeigegangen. Du hörtest mich nicht, als ich es dir vorhin sagte.«
Sie kehrten um. Eine lebhafte Magd führte sie in den kühlen und halbdunklen Hintergrund des Gasthauses. Mehrere Personen befanden sich in dem getäfelten Zimmer, das sie nun betraten, aber für Hornblower war nur eine einzige anwesend. Lady Barbara trug ein graublaues Seidenkleid, das genau der Farbe ihrer Augen entsprach. An einem goldenen Halskettchen hingen zwei Saphire, aber leblos schienen die Edelsteine zu sein, wenn man den Blick jener Augen auf sich gerichtet sah. Hornblower verneigte sich und stellte mit einigen gemurmelten Worten Maria vor. Die Ecken des Zimmers schienen in dichtem Nebel zu liegen, so daß nur Lady Barbaras Erscheinung klar hervortrat Die goldbraune Tönung ihrer Wangen war in der Zwischenzeit geschwunden; weiß war ihre Haut, wie es sich für eine große Dame schickte.
Plötzlich kam es Hornblower zum Bewußtsein, daß jemand schon seit einem Weilchen zu ihm sprach.
»Es ist mir eine große Freude, Sie begrüßen zu können, Herr Kapitän. Darf ich Sie vorstellen?... Herr Kapitän Hornblower, Mrs. Elliott... Herr Kapitän Hornblower, Mrs. Bolton... Der Kommandant meines Flaggschiffes, Herr Kapitän Elliott von der Pluto... Und hier ist auch Herr Kapitän Bolton, der Kommandant der Caligula, der mir erzählt, daß er Sie bereits von der alten Indefatigable her kennt.«
Die Nebelschwaden vor Hornblowers Augen lichteten sich etwas. Er vermochte einige Worte zu stammeln, aber dann erschien zum guten Glück der Wirt mit der Meldung, daß angerichtet sei. Dadurch gewann er wenige Augenblicke zur Sammlung. Die Gesellschaft nahm an einem runden Tische Platz. Ihm gegenüber saß Bolton, dessen offenes, ehrliches Gesicht mit den geröteten Wangen Vertrauen erweckte. Bolton machte durchaus keinen eleganten Eindruck, und das gleiche galt von seiner Gattin, die zur Rechten Hornblowers zwischen ihm und dem Admiral saß. Wie Hornblower zu seiner unermeßlichen Erleichterung feststellte, war sie genauso schlicht und unmodern gekleidet wie Maria.
»Ich muß Ihnen noch meine Glückwünsche zu Ihrem neuen Kommando aussprechen, Herr Kapitän«, sagte die links von ihm sitzende Lady Barbara. Ein Hauch ihres Parfüms wehte zu ihm herüber und drohte ihn zu verwirren.
Ihre Nähe zu atmen, ihre Stimme zu hören, wirkte auf ihn wie ein betäubender Zaubertrunk. Er wußte nicht, was er auf ihre Worte erwiderte.
Der Admiral tauchte einen Schöpflöffel in die vor ihm stehende silberne Suppenschüssel. »Der Wirt schwor mir, daß er die Kunst, eine Schildkrötensuppe zuzubereiten, verstehe«, wandte er sich an die Gesellschaft im allgemeinen. »Ich vertraute also eine Schildkröte seiner Obhut an. Gebe Gott, daß er die Wahrheit sprach. Den Sherry - George, bring den Sherry - werden Sie hoffentlich trinkbar finden.«
Hornblower führte einen viel zu heißen Löffel Suppe zum Mund, und der Schmerz, den er beim Herunterschlucken empfand, ließ ihn zur Wirklichkeit zurückkehren. Er beobachtete seinen Admiral, dem er während der nächsten zwei oder drei Jahre unterstehen würde und der Lady Barbaras Hand nach einer nur wenige Wochen dauernden Werbung gewonnen hatte. Der dem dunklen Typus angehörende, gut aussehende Mann war groß und breitschultrig. Der Stern und das breite Band des Bath-Ordens hoben sich wirkungsvoll von seiner glitzernden Uniform ab. Er schien kaum über vierzig Jahre alt zu sein - wenige Jahre älter als Hornblower -, so daß er offenbar infolge guter Verbindungen in sehr jungem Alter Flaggoffizier geworden war. Der deutlich sichtbare Ansatz zum Doppelkinn aber deutete Hornblowers Meinung nach auf Gutmütigkeit oder Dummheit; vielleicht auf beides.
So viel glaubte Hornblower binnen weniger Sekunden zu erkennen, dann zwang er sich dazu, seiner Pflichten als Gast zu gedenken, obwohl es ihm, zwischen Lady Barbara und dem Admiral sitzend, nicht leicht fiel, seine Gedanken zu sammeln.
»Ich hoffe, daß Sie sich der besten Gesundheit erfreuen, Lady Barbara«, sagte er. Während er sich bemühte, den seines Erachtens der ziemlich komplizierten Situation angepaßten Ton zu treffen, nahm seine Stimme etwas vom dienstlich rauhen Klang an, wie er auf dem Achterdeck der Lydia am Platze gewesen war. Er sah, daß Maria - zwischen ihr und Lady Barbara saß Kapitän Elliott - leicht die Brauen emporzog...
Maria war stets sehr empfindlich für seine seelischen Reaktionen.
»Gewiß«, erwiderte Lady Barbara leichthin. »Und wie geht es Ihnen, Herr Kapitän?«
»Noch nie habe ich ihn bei besserer Gesundheit gesehen«, mischte sich Maria ins Gespräch.
»Das freut mich aufrichtig. Der arme Kapitän Elliott wird noch zuweilen von dem Fieber geplagt, das er sich in Vlissingen holte.«
Es war sehr geschickt eingefädelt. Maria und Lady Barbara befanden sich alsbald in lebhafter Unterhaltung mit Elliott, aus der Hornblower selbst ausschied. Während etlicher Augenblicke hörte er zu, und dann zwang er sich dazu, Mrs. Bolton anzureden. Sie war indessen nicht sehr gesprächig. Ihr Wortschatz beschränkte sich im wesentlichen auf »ja« und »nein«, und der auf ihrer anderen Seite sitzende Admiral unterhielt sich angeregt mit Mrs. Elliott. Hornblower verfiel in düsteres Schweigen. Maria und Lady Barbara setzten ihr Gespräch über den alsbald ausscheidenden Elliott mit einer Beharrlichkeit fort, die selbst vom Erscheinen des nächsten Ganges nicht nachhaltig beeinflußt werden konnte.
»Darf ich Ihnen etwas von diesem Roastbeef vorlegen, Mrs. Elliott?« fragte der Admiral. »Hornblower, vielleicht sind Sie so freundlich, sich der vor Ihnen stehenden Enten anzunehmen.
Das da sind Kalbszungen, Bolton, eine hiesige Spezialität, wie Sie natürlich wissen. Wollen Sie sie versuchen, wenn Sie nicht dem Roastbeef den Vorzug geben? Elliott, lenken Sie die Aufmerksamkeit der Damen mal auf das Ragout. Es besteht teilweise aus fremdländischen Zutaten. Drüben auf der Anrichte steht eine kalte Beefsteakpastete. Der Wirt versichert mir, daß sie ganz dem Rezept entspricht, das sein Haus berühmt gemacht hat. Außerdem gibt es Hammelschinken, wie man ihn nur in Devonshire findet. Mrs. Hornblower? Liebe Barbara?«
Hornblower, der die Enten vorschnitt, empfand einen fast körperlichen Schmerz bei der familiären Nennung eines Namens, der ihm heilig war. Im ersten Augenblick beeinträchtigte das Gefühl die ruhige Führung des Vorlegemessers. Es kostete ihn Mühe, seine Aufgabe zu beenden, und da keiner der Anwesenden Appetit auf Entenbraten zu verspüren schien, lud er die abgeschnittenen Scheiben auf den eigenen Teller. Es ersparte ihm, jemandem ins Auge zu sehen. Lady Barbara und Maria unterhielten sich noch immer. Seiner erregten Einbildung kam es so vor, als kehre sie ihm absichtlich die Schulter zu. Vielleicht wollte sie damit andeuten, daß sie es nunmehr, da sie seinen Geschmack nach der Wahl der Gattin zu beurteilen vermochte, als höchst zweifelhafte Auszeichnung betrachtete, von ihm geliebt worden zu sein. Er hoffte nur, daß sich Maria nicht allzu linkisch und ungebildet benahm. Von den gesprochenen Worten verstand er nur wenig. Den Speisen vermochte er keine Ehre anzutun, denn sein ohnehin geringer Appetit war ihm vollends vergangen.
Dafür sprach er ausgiebig dem ihm immer wieder eingeschenkten Wein zu, bis er sich dessen bewußt wurde. Sich zu betrinken war ihm noch widerwärtiger als die Überladung des Magens. Er stocherte auf dem Teller herum und tat so, als schmecke es ihm ausgezeichnet. Zum Glück entwickelte die neben ihm sitzende Mrs. Bolton einen guten Appetit, der sie schweigend zugreifen ließ; andernfalls hätte das einsilbige Paar auffallen müssen.
Schließlich wurde abgetragen, um Platz für den Käse und den Nachtisch zu schaffen.
»Die Ananasse sind nicht so gut wie die, die wir in Panama bekamen, Herr Kapitän«, wandte sich Lady Barbara unvermittelt an Hornblower. »Vielleicht versuchen Sie es aber dennoch einmal mit ihnen?«
Er war fast zu verwirrt, die Frucht mit dem silbernen Messer zu zerlegen, so sehr hatte ihn die plötzliche Anrede aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht. Er war sichtlich verlegen, als er ihr vorlegte. Nun da er abermals ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, wünschte er zu ihr zu sprechen, doch konnte er nicht die richtigen Worte finden. Die Frage lag ihm auf der Zunge, ob ihr das Eheleben zusage, aber er besaß doch noch Verstand genug, solche Taktlosigkeit zu unterlassen.
»Die Herren Elliott und Bolton bestürmten mich immer wieder mit Fragen, die den Kampf zwischen der Lydia und der Natividad betrafen«, begann Lady Barbara wieder. »Die meisten handelten von technischen Einzelheiten, die ich nicht verstehe, zumal Sie mich ja unter Deck einsperrten, so daß ich von dem eigentlichen Gefecht nichts zu sehen bekam. Dennoch scheine ich meines Abenteuers wegen von aller Welt beneidet zu werden.«
»Die gnädige Frau hat recht«, brüllte Bolton von der anderen Seite des Tisches herüber; seine Stimme schien seit den Leutnantsjahren noch lauter geworden zu sein. »Erzählen Sie, Hornblower.«
Hornblower, der aller Augen auf sich gerichtet sah, errötete und fingerte nervös an seinem Halstuch herum.
»Heraus mit der Sprache, Mann«, drängte Bolton. Er war kein Freund von Damengesellschaften, und da er sich in dieser Umgebung nicht behaglich fühlte, hatte er bisher kaum ein Wort gesprochen. Nun aber löste ihm die Aussicht, die Schilderung der Seegefechte hören zu können, die Zunge.
»Die Dons schlugen sich offenbar besser, als es sonst ihre Art ist?« meinte Elliott.
»Also...«, begann Hornblower, der sich genötigt sah, eine Darstellung seiner Erlebnisse zu geben. Gespannt lauschten die Anwesenden. Kurze Zwischenfragen trieben ihn immer weiter, und allmählich gewann seine Gesprächigkeit die Oberhand, vor der er für gewöhnlich auf der Hut war. Er erzählte von dem langen Zweikampf, der sich auf dem einsamen Pazifik abgespielt hatte, von den wechselvollen Geschehnissen und den blutigen Verlusten und schloß mit dem Augenblick, da er, erschöpft an der Reling des Achterdecks lehnend, angesichts des in der Dunkelheit sinkenden Gegners das Gefühl des Triumphes ausgekostet hatte.
Schuldbewußt schwieg er. Der Gedanke, daß er das unentschuldbare Verbrechen begangen hatte, sich mit seinen Erfolgen zu brüsten, trieb ihm das Blut in die Schläfen. Er ließ den Blick über die Gesichter der Anwesenden schweifen, in denen er Verlegenheit, Mißbilligung, Mitleid oder Geringschätzung zu erkennen erwartete. Zu seinem Erstaunen gewahrte er etwas, was er nur als Bewunderung ansehen konnte.
Bolton dort drüben, der ein fünf Jahre höheres Dienstalter besaß und mindestens zehn Jahre lebensälter war, betrachtete ihn mit einem Ausdruck der Heldenverehrung. Elliott hatte bereits unter Nelson ein Linienschiff geführt. Er nickte äußerst anerkennend. - Hornblower bezwang sich und warf dem Admiral einen verstohlenen Blick zu. Sir Percy schien noch ganz unter dem Eindruck des Gehörten zu stehen. Vielleicht huschte über sein männliches Gesicht ein Schatten des Bedauerns darüber, daß sich ihm im Verlauf einer langen Dienstzeit nicht eine ähnliche Gelegenheit geboten hatte, Ruhm zu erwerben, aber das schlichte Heldentum Hornblowers hatte auch auf ihn seine Wirkung nicht verfehlt. Er wandte den Kopf und sah seinen neuen Untergebenen frei an.
»Auf Ihr Wohl«, sagte er, das Glas erhebend. »Möge dem Kommandanten der Sutherland gleicher Erfolg beschieden sein wie jenem der Lydia.«
Beifälliges Gemurmel folgte diesen Worten. Hornblower errötete und stammelte seinen Dank. Die Anerkennung von Männern, auf deren Urteil er großen Wert legte, überwältigte ihn geradezu; um so mehr, als er nun einsah, daß er sie unter falschen Voraussetzungen gewonnen hatte, denn gerade jetzt kam ihm die Erinnerung an die würgende Angst, mit der er die Breitseiten der Natividad erwartet hatte, an das Grauen vor der Verstümmelung, das ihn während des ganzen Gefechtes nicht losgelassen hatte. Nein, er gehörte zu den verächtlichen wenigen; er war nicht so geartet wie Leighton, Elliott und Bolton, die in ihrem ganzen Dasein keine Furcht kennengelernt hatten. Wenn er die ungeschminkte Wahrheit gesagt, wenn er nicht nur von dem militärischen Vorgängen, sondern auch von den ihn bewegenden Empfindungen gesprochen haben würde, so hätte man ihn wie einen Schwächling bemitleidet, und der Ruhm des Seesieges würde sich in nichts aufgelöst haben.
Hornblowers Verlegenheit wurde gemildert, als sich Lady Barbara erhob und die anderen Damen ihrem Beispiel folgten.
»Die Herren werden hoffentlich nicht allzulange beim Wein sitzenbleiben«, meinte Sie als die Offiziere vor ihr standen.
»Herr Kapitän Hornblower ist berühmter Whistspieler, und die Karten warten auf uns.«