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32. Kapitel

Das ganze Dream-Team ist versammelt: Kriminaloberrat Onkel Ludwig Körber, Markus Meirich, Teichner, Manni Kreutzer und ich.

Uns gegenüber sitzen Faton Thaqi und sein älterer Bruder.

Mergim Thaqi hat uns gebeten, bei der Vernehmung mit anwesend sein zu dürfen.

Auf einen Rechtsanwalt würden sie zunächst verzichten.

Mergim, deutlich größer gewachsen als sein Bruder, schlank, gelocktes schwarzes Haar, randlose Brille, eröffnet die Runde, ehe wir die ersten Fragen stellen.

«Zunächst möchte Faton etwas sagen», sagt er.

Faton sitzt mit verunsichertem, rastlosem Blick, die Arme vor der Brust verschränkt, da. Er räuspert sich kurz und sagt dann stockend:

«Ich wollte mich entschuldigen für die Flucht. Ich hab überreagiert. War scheiße, ich weiß.»

Er blickt kurz zu Teichner, den er ja mit einem gezielten Tritt in die Weichteile wirkungsvoll schachmatt gesetzt hat.

«Mein Bruder», fährt darauf Mergim mit ruhiger akzentfreier Stimme fort, «tauchte gestern Mittag völlig aufgelöst bei mir im Kinderdorf auf. Wir haben dann gemeinsam beschlossen, dass er sich freiwillig stellt.»

«Sie arbeiten in Wetzlar im Kinderdorf?», fragt Körber, während er in den Ermittlungsakten blättert.

«Ja, und ich lebe da. Mit meiner Frau, die auch Sozialpädagogin ist, betreuen wir dort acht Kinder in Form einer Familiengruppe.»

«Isch könnt das net», rutscht es Kreutzer raus. «Runnumduhr, oder was?»

«Wie bitte?»

«Rund um die Uhr?», wiederholt Manfred Kreutzer.

«In gewisser Weise ja», antwortet Mergim Thaqi gelassen, lächelt sozialpädagogisch, überschlägt die Beine und legt die Hände in den Schoß.

Ich beobachte, wie es in Teichner arbeitet. Dann bricht es aus ihm heraus.

«Sie wollen uns hier einlullen. Das können Se aber knicken. Sie können hier noch so sehr den Ghandi machen. Ich lass mich von so ’nem Rumgesülze nicht einschüchtern.»

Er blickt zu Faton. «Und du brauchst gar net so unschuldig zu gucken, mein Freund. Dich kriegen wir dran.»

«Sind Sie mit meinem Bruder per du?», fragt Mergim mit ruhiger Stimme. «Wenn nein, bitte ich Sie herzlich, beim Sie zu bleiben, auch wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, seine Entschuldigung zu akzeptieren.»

Mergim Thaqi scheint der Auftritt Spaß zu machen. Er genießt es, die Situation zu kontrollieren. Ich befürchte ein wenig, dass er mit dieser Art wenig Sympathie ernten wird.

Nun übernimmt Markus Meirich wie erwartet die Gesprächsführung.

Er fragt Faton detailliert, wann er wo sein Handy verloren und wann er es bemerkt habe.

Genau könne er das nicht sagen, antwortet Faton und fuchtelt dabei hektisch mit den Händen in der Luft herum. Entweder sei es ihm bei der Arbeit in der Gederner Werkstatt geklaut worden oder aber im Fitnessstudio.

«Ich hab dem Lasse diese SMS nicht geschrieben, Leute», schwört er. «Wenn ich wirklich mit dieser feigen Sache was zu tun haben sollte, warum soll ich dann so blöd sein, ihm mit meinem Handy was zu schreiben?»

«Was wissen wir denn, wie blöd du bist?», wirft Teichner ein, worauf er von Körber zur Räson gerufen wird.

Kinderdorfvater Mergim hebt beschwichtigend seine Hände.

«Es wäre schön, wenn wir wieder zu einer gewissen Sachlichkeit zurückfinden könnten.»

Nun schalte auch ich mich in das Verhör ein.

«Herr Thaqi, was haben Sie zur Tatzeit, also am 8. April, gemacht? Wo waren Sie da?»

«Da war ich bei meinem Bruder», schnellt es aus ihm wie aus der Pistole geschossen hervor. «Jaja, genau, da war ich bei ihm, gell Bruder?»

Hektisch nickt Faton seinem großen Bruder zu.

«Was soll das, Faton?», erwidert dieser und legt seine Hand auf Fatons Schulter. «Das haben wir doch schon durch. Wir müssen hier nicht lügen. Sag der Polizei die Wahrheit. Sag ihr, dass du alleine zu Hause warst. Du reitest dich sonst in etwas rein, was du gar nicht getan hast.»

«Also kein Alibi?», quäkt Teichner selbstgefällig dazwischen. «Bingo!»

Faton Thaqi schlägt die beschwichtigende Hand seines Bruders weg, springt von seinem Stuhl auf und schreit: «Siehst du, Mergim? Ich hab’s dir gesagt, die wollen mich fertigmachen! Die glauben mir nix. Es ist wie immer, ich bin hier der illegale Kriminelle, alle warten nur darauf, dass die mir ans Bein pinkeln können.»

Mergim Thaqi stellt sich vor Faton, packt ihn an den Schultern und versucht, beruhigend auf ihn einzureden. Doch der gerät noch mehr aus der Fassung, entwindet sich dem Griff seines Bruders und tritt mal wieder mit dem Fuß gegen seinen Stuhl.

«Hey hey hey», singen wir alle im Chor und bringen ihn mit gesammelter Manneskraft unter Kontrolle.

Das bringt doch so alles nichts, denke ich vor mich hin. Einer von uns muss ihn verhören, nicht vier. Und zwar in aller Ruhe. Faton Thaqi hat anscheinend solch ein Misstrauen gegen deutsche Behörden entwickelt, dass Verhöre dieser Art immer mit cholerischen Panikanfällen enden.

In dem Moment, in dem Markus Meirich das Verhör fortführen will, unterbreche ich ihn und erkläre eigenmächtig das Gespräch in dieser Zusammensetzung für beendet.


Und das gefällt ihm gar nicht, dem Markus Meirich. So bittet er mich in die Teeküche und teilt mir dies recht deutlich mit. Besser absprechen müssten wir uns, sagt er wieder. Doch darum geht es ihm nicht. Ihm geht es darum, dass er allein die Richtung vorgibt. Genau das war mir in den letzten Jahren auch stets sehr recht. Doch da hat sich etwas verändert. Nur ist das bei Markus noch nicht angekommen. Selbst ich habe ja noch Schwierigkeiten, mich daran zu gewöhnen, dass in mir ein Ehrgeiz tobt, diesen Fall aufzuklären. Ein wirklich immer noch sehr neues Gefühl. Erst redet Markus auf mich ein, dann rede ich auf ihn ein. Wir kommen nicht zusammen. Es steht etwas zwischen uns, das so schnell nicht aus dem Weg zu räumen ist. Vor allem, wenn keiner von uns wirklich dazu bereit ist.

Dann reißt uns Teichner aus dieser beklemmenden Situation.

«Ach, hier seid ihr!», ruft er in die Teeküche. «Es gibt brandneue Neuigkeiten-News …»

Dann kommt es wieder zu einer Teichner’schen Los-nun-fragt-mich-doch-schon-endlich-ich-mach-mich-wichtig-Kunstpause.

«Was denn?», fragen Markus und ich unisono. Jetzt bitte mal eine gute Nachricht, wünsche ich mir. Eine, die uns deutlich in Richtung Aufklärung weiterbringt.

«Echt Leute, das ist soooo goooiiil.»

Auch in Markus’ Gesicht erkenne ich die Sehnsucht nach einem Durchbruch bei den Ermittlungen.

Nachdem uns Teichner darauf ungeschützt ins Gesicht gehustet hat, packt er aus:

«Wir machen dieses Jahr unseren Betriebsausflug … na, ratet mal, genau, nach Kerpen zur Michael-Schuhmacher-Kartbahn. Yesss, habe ich eben gerade erfahren. Kreutzer und ich haben’s bei Körber durchbekommen. Hammer, oder?»

Fassungslos starren Markus Meirich und ich uns an. Und sind uns seit langem mal wieder sehr einig. Nämlich in dem Wunsch, Teichner ein für alle Mal das Maul zu stopfen.

Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder
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