38

Das Gespräch mit Ruben dauerte länger, als Rule erwartet hatte. Ruben hatte die Präsidentin davon überzeugen können, den Handelsminister unter einem diplomatischen Vorwand oder Ähnlichem zu der Delegation der Sidhe ins Hotel zu schicken. In ein oder zwei Stunden würde der Minister eintreffen und zu seinem Erstaunen feststellen, dass einige der Delegierten ausgeflogen waren. Als Rule diesen Anruf beendet hatte und gerade begann, Tonys Nummer einzugeben, vibrierte sein Handy.

Es war Tony. Einer seiner Wölfe hatte die Duftspur gefunden, doch an einer Stelle nördlich und leicht westlich des Hotels. Ob Rule sie sich ansehen wolle?

Das wollte er, sobald er erfahren hatte, wo genau die Stelle war. Er rief Special Agent Bergman an und bat sie, ihn dort zu treffen. Rule traf als Erster ein und lobte den jungen Ed, der mächtig stolz auf sich war und sich mit dem ganzen Körper wand, während sein Schwanz wild hin und her schlug. Eds Eskorte – ein großer, griesgrämiger Stadtcop – sah staunend zu. »So was hab ich noch nie gesehen, echt«, sagte er. »Das war unglaublich. Ich könnte schwören, dass er alles verstanden hat, was ich zu ihm gesagt habe.«

»Er ist kein Hund, Officer. Normalerweise läuft er als Mann herum.«

»Trotzdem.« Der Cop schüttelte den Kopf. »So was hab ich noch nie erlebt.«

Bergman ließ sich von einem ihrer Leute bringen. Die Nacht war lang gewesen, das zeigten die dunklen Ringe unter ihren Augen, doch diese Augen leuchteten aufgeregt. Sie wusste genau wie Rule, was es zu bedeuten hatte, dass Ed den Geruch vor einer Bank gefunden hatte.

Folge dem Geld. Das hatte Lily oft genug gesagt, und das war etwas, das Rule wusste. Etwas, das er verstand. Das auch das FBI verstand. Sie verfügten über ausgezeichnete forensische Buchprüfer.

»Ich übernehme das Reden«, sagte Bergman zu ihm.

»Selbstverständlich.«

»Ja, deswegen haben Sie mich ja angerufen. Wegen meiner Marke.«

»Selbstverständlich«, sagte er wieder, dieses Mal mit dem Hauch eines Lächelns.

Sie lächelte beinahe zurück. »Dann los – und beten Sie, dass sich einer von den Schalterbeamten an etwas Ungewöhnliches erinnert.«

»Wir werden uns nicht nur auf die Erinnerung verlassen«, sagte Rule, öffnete die Tür und hielt sie ihr auf. »Wir wollen die Aufzeichnungen der Bank über jede Transaktion in dieser Zweigstelle in den letzten zwei Tagen sehen, egal ob sie am Schalter oder am Automaten durchgeführt wurde. Die Spur stammt vermutlich von gestern, aber sie kann auch zwei Tage alt sein. Wir brauchen Namen, Adressen, alles, was die Bank hat.«

Sie schnaubte. »Sie haben eine komische Vorstellung von Banken, wenn Sie glauben, dass die das alles rausrücken, nur weil wir hübsch darum bitten.«

»Ruben kümmert sich um den richterlichen Beschluss.« Rule warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Der müsste in ungefähr dreißig Minuten hier sein.«

Sie blieb stehen und runzelte die Stirn. »Wie macht er das? Wackelt er mit der Nase und Puff, schon habe ich einen Gerichtsbeschluss?«

»Das würde nicht dreißig Minuten dauern. Er schickt jemanden damit her.«

»Hm. Langsam beginnt mir die Zusammenarbeit mit der Einheit Zwölf zu gefallen.«

Gleich hinter der Tür blieben sie stehen. Bergman griff in ihre Handtasche und holte ein Lederetui heraus, ähnlich wie das, das Lily für ihren Ausweis benutzte.

»Selbst wenn es erst zwei Tage her ist, kann die Liste der Namen lang sein. Diese Elfen können aussehen wie jeder x-Beliebige, jung, alt, männlich, weiblich, richtig?«

»Richtig.« Rule lächelte sie von der Seite an. »Wenn wir die streichen, die schon seit mehreren Jahren ihre Konten hier haben, wird die Liste schon kürzer, aber wir brauchen trotzdem viele Leute, um die, die übrig bleiben, zu überprüfen. Deswegen arbeite ich gern mit dem FBI zusammen. Sie haben die notwendigen Ressourcen.«

Dieses Mal lächelte sie wirklich – das schnelle, harte Lächeln einer Jägerin, die sich daranmachte, eine frische Spur zu verfolgen.

»Ich glaube, ich mag Sie, Special Agent.«

Sie schnaubte und ging mit langen Schritten zum nächsten Schalter. »Ich muss mit dem Geschäftsführer sprechen.« Sie knallte ihren Ausweis auf den Tresen. »Und zwar sofort.«

Sie würden dem Geld folgen und sehen, wohin es sie führte … vielleicht in den zweiten Stock eines Gebäudes mit Putzfassade auf der Ostseite der Stadt.