6. KAPITEL

Archer behielt Viola zwar den ganzen Abend im Auge, doch Freddy Colson interessierte ihn noch mehr. Colson war ein farbloser Mann mit dünnen Haarsträhnen, die an seinem Schädel klebten. Er hatte die lästige Angewohnheit, die letzten Worte eines Satzes zu wiederholen, als würde ihm niemand zuhören. Noch schlimmer war sein ehrfürchtiger Blick, mit dem er Sebastian Somerset bedachte. Und wenn er mal etwas sagte, drehte es sich nur um das Geschäft.

„Ihnen scheint es ja hier zu gefallen“, meinte Archer zu ihm, als das Streichquartett und die Sopranistin, die für diesen Abend engagiert worden waren, das letzte Stück beendet hatten. „Gibt es vielleicht irgendetwas in Broome, das einem das Leben in den nächsten Monaten vergnüglicher gestalten könnte?“

Colson sah schockiert aus, als ob ein vergnügliches Leben der erste Schritt zu einem sicheren Abstieg sei. „Ich arbeite viele Stunden für Mr Somerset, und das ist mir Belohnung genug. Belohnung genug.“

Hatte er Colson zunächst schnell auf die Knie zwingen wollen, entschied Archer nun, sich einen Spaß daraus zu machen. „Ach, wirklich? Sie trinken nicht, spielen nicht?“ Er senkte die Stimme. „Und Sie sind auch nicht hinter den Damen her? Ein Mann mit so glänzenden Aussichten auf die Zukunft? Dabei war ich mir sicher, dass Sie sehr gefragt sind.“

Colson errötete. „Ich arbeite zu hart, um mir über solche Dinge Gedanken machen zu können.“

Archer winkte ab. „Ach, kommen Sie, verbringen Sie den restlichen Abend mit mir. Ich bin neu in Broome und weiß nicht, wo ein Gentleman sich vergnügen kann.“ Er sprach leiser weiter. „Obwohl es vermutlich nicht sehr viele richtige Gentlemen in der Stadt gibt, was?“

Colson erlag der Versuchung. „Es gibt nicht viele Orte, an denen man sich wohlfühlen könnte.“

„Und genau deshalb brauche ich ja Ihre Hilfe.“

„Ich denke, dagegen ist nichts einzuwenden. Nichts einzuwenden.“

„Sie sind ein feiner Kerl!“ Archer klopfte ihm auf die Schulter. „Sollen wir uns dann verabschieden? Ich glaube, Miss Somerset ist gerade auf dem Weg zu uns.“

Würdevoll schritt Viola auf sie zu. „Hat den Gentlemen die Musik gefallen?“

„Ich bin ein großer Bewunderer der Lieder von Stephen Foster – besonders, wenn die richtigen Töne getroffen werden“, entgegnete Archer grinsend.

Viola verzog das Gesicht. „Meine Mutter hat die Sängerin ausgesucht. Sie ist auf beiden Ohren taub.“

Colson sah schockiert aus. „Ich glaube kaum, dass sie so von ihrer lieben Mutter sprechen sollten!“

„Freddy, meine Mutter sorgt sich immer mehr um den Stammbaum der Künstler als um deren Talent.“

„Mr Colson hat sich bereit erklärt, mir ein bisschen von Broome zu zeigen“, sagte Archer.

„Da sind Sie sicher in den besten Händen. Freddy wird Sie bestimmt nicht auf Abwege führen, nicht wahr, Freddy?“

Colson wirkte entsetzt, dass Viola überhaupt so etwas in Erwägung ziehen konnte. „Mr Llewellyn will sich unser kleines Städtchen nur mal richtig ansehen.“

Archer und Freddy verabschiedeten sich, wobei Archer sich besonders bei Violas Eltern für die Einladung bedankte. Dann machten er und Freddy sich zu Fuß auf in die Stadt.

„Miss Somerset scheint recht angetan von Ihnen“, sagte Archer, nachdem sie losgegangen waren.

Freddy klang unsicher. „Meinen Sie?“

„Aus langjähriger Erfahrung würde ich sagen, dass alle Zeichen darauf hindeuten.“

„Ich hatte eher den Eindruck, dass sie mich beleidigen will.“

Archer gluckste verschwörerisch. „Das machen Liebende sehr oft.“

„Ihr Vater würde uns gerne verheiratet sehen.“

„Und was steht dem im Weg?“

„Ich schulde Mr Somerset sehr viel. Und wenn es ihm gefällt, werde ich Viola heiraten.“

Archer überlegte, ob er ihm auf der Stelle den Hals umdrehen sollte, aber der Verdacht würde sofort auf ihn fallen, da man sie zusammen hatte weggehen sehen. „Das klingt nicht so, als ob Sie darauf erpicht sind, Miss Somerset zu heiraten.“

„Ich denke, es ist vernünftig, um meine Stellung bei Somerset and Company zu festigen.“

„Bestimmt ist ein Mann wie Sie sehr gefragt, Freddy. Sicher wünscht jeder Geschäftsmann in der Stadt sich jemanden mit Ihren Talenten.“

„Ich habe schon in Erwägung gezogen … Erwägung gezogen …“

Archer merkte, dass er nach Worten rang. „Sich zu verändern? Ein anderes Angebot anzunehmen?“

„Natürlich gab es Anfragen. Aber meine Loyalität gehört Mr Somerset. Das bin ich ihm schuldig. Schuldig.“

„Sie sind ein treuer Freund und Angestellter.“ Archer schlug ihm auf den Rücken. „Sie sind Ihr Geld wert.“

„Ja, ich denke schon. Denke schon.“ Freddy klang, als sei er mit sich selbst zufrieden.

Auch Archer war zufrieden. Denn jetzt wusste er genau, wie er Freddy Colson in die Knie zwingen könnte.

„Wir fangen beim Conti an“, sagte Freddy. „Ein Ort, geschaffen für Männer wie uns beide.“

„Dann mal los“, meinte Archer aufgeräumt. „Ich bin sicher, dass ich auf Sie zählen kann und Sie mir alles zeigen, was sehenswert für mich ist.“

Willow schlief schon, als Tom hörte, wie Archer nebenan sein Zimmer betrat. Sie wachte nicht auf, als er aufstand; sie war viel zu erschöpft. Er zog Hose und Hemd an, ging zum Nebenraum und klopfte an Archers Tür, ehe er sie öffnete.

„Bist du gerade erst zurückgekommen?“

„Ich habe mir die Nacht um die Ohren geschlagen.“ Archer winkte ihn herein. „Ich bin mit Freddy Colson durch die Bars gezogen.“

„Anscheinend steckt mehr hinter ihm, als man auf den ersten Blick annimmt.“

„So ist es“, meinte Archer mit einem Grinsen. „Und was hast du heute Abend gemacht?“

Tom wusste nicht genau, wo er anfangen sollte. „Hör zu, Archer, es hat sich einiges getan, während du unterwegs warst. Etwas, von dem du wissen solltest.“

Archer zog sich bis auf die Unterwäsche aus und schüttete Wasser aus einem Krug in die Keramikschüssel. „Ist Garth von See zurück?“

Tom wusste, dass Archer unbedingt sein restliches Geld haben wollte. „Nein. Es ist etwas anderes.“ Tief atmete er durch, dann erzählte er, was am Abend vorgefallen war.

Archer trocknete sein Gesicht mit einem Handtuch ab. „Nur damit ich es richtig verstehe … Du bist mit der Crew zu Chinn und hast das Mädchen entführt? Ist mit den anderen alles in Ordnung?“

„Denen geht’s gut, nur ein paar blaue Flecke. Wir mussten uns ja durchprügeln.“

„Und was ist dann passiert?“

„Ich habe Willow hierhergebracht.“

„Und mit ins Bett genommen?“

„Das war nicht meine Absicht. Es ist einfach passiert.“

„Sie ist eine Chinesin! Man kann nie wissen, was man sich von so einer einfängt.“

Tom spürte Wut in sich aufsteigen. „Ich konnte mir gar nichts einfangen! Sie war noch Jungfrau.“

Archer starrte ihn nur an.

„Und das macht alles noch komplizierter“, fuhr Tom fort. „Es tut mir wirklich leid.“

„Komplizierter? Sie ist ein Schlitzauge! Diesen Leuten kannst du nicht über den Weg trauen, Tom. Ich weiß, du siehst sie durch die rosarote Brille und glaubst, sie wäre die reinste Unschuld. Und vermutlich erinnert sie dich auf eine verrückte Weise an deine Heimat. Das macht sie sich zunutze. Aber was werden deine Eltern sagen, wenn sie herausfinden, dass du eine chinesische Geliebte hast? Glaubst du, dass sie dich mit der zu Hause noch hereinlassen?“

Tom sagte sich, dass dies sein Freund Archer war, dem er etwas bedeutete. Schließlich hatte Archer ihm das Leben gerettet. „Chinesische Frau.“

„Jetzt sag nicht, dass du sie heiraten willst! Bist du verrückt geworden? Wo willst du denn mit ihr hin? Wo wollt ihr leben?“

„Hier, denke ich. Vielleicht werden uns ein paar Leute schneiden, zumindest für eine Weile. Aber das macht doch nichts. Irgendwann werden wir Freunde finden. Und unsere Kinder werden wir zu guten Staatsbürgern erziehen.“

„Und wen sollen die dann heiraten? Auch Chinesen? Oder Weiße? Oder sie probieren ganz was anderes aus? Kannst du ihnen das wirklich antun? Willst du nicht etwas Besseres?“

„Ich will sie.“

Archer verfiel in Schweigen.

„Ich will, dass du sie kennenlernst.“

Entschieden schüttelte Archer den Kopf. „Nein. Ich weiß, was ich wissen muss. Du hast lange keine Frau mehr gehabt. Jetzt hast du eine Jungfrau gefunden, die mit dir das Bett geteilt hat, und nun glaubst du, dass du verliebt bist. Aber sie wird dein Leben zerstören.“

„Sie wird mich glücklich machen.“

„Hast du auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was das für mich bedeutet?“

Tom runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

„Alle wissen, dass wir Partner sind. Jede Chance auf Respektabilität ist für mich damit verspielt.“

„Du willst dich doch gar nicht hier niederlassen, sondern nur genügend Geld machen, damit du dir in Victoria ein Anwesen kaufen kannst.“

„Aber das kann ich nur, wenn die Menschen in Broome mir vertrauen.“

Tom wollte die ganze Sache nicht von Archers Standpunkt aus sehen, obwohl es nur fair gewesen wäre. „Willst du, dass wir nicht länger Partner sind?“

„Ich will, dass du noch mal darüber nachdenkst. Es gibt sicher auch andere Männer, die sich eine Asiatin als Geliebte halten. Aber du zerstörst unser beider Leben, wenn du sie heiratest. Wenn du wirklich vorhast, so etwas Hirnverbranntes zu tun, dann warte wenigstens, bis ich von der Bildfläche verschwunden bin. Schließlich sind wir Partner. Zählt das denn gar nicht für dich?“

„Du weißt genau, dass es mir wichtig ist.“

„Dann denk über meine Worte nach.“

Auch wenn Tom am liebsten die Augen davor verschlossen hätte, waren Archers Bedenken nicht von der Hand zu weisen. Toms Verhalten würde sich auf den Freund auswirken. Und er verdankte Archer sein Leben. Das, zusammen mit seiner eigenen Unsicherheit, ob es ihm und Willow überhaupt erlaubt sein würde, zu heiraten, verleitete ihn dazu, zuzustimmen. „Ich werde darüber nachdenken.“

„Gut.“

„Sie hat all das, was ein Mann sich von einer Frau nur wünschen kann, Archer.“

„Stimmt nicht, Tom: Sie ist nicht weiß. Und das ist das wichtigste Kriterium.“

Tom zog mit Willow in einen Bungalow, der in einem Viertel lag, wo Menschen aus unterschiedlichsten Nationen lebten. Das Haus hatte drei Zimmer, einen winzig kleinen Garten und eine überdachte Veranda. Willow war so glücklich darüber, als hätte Tom ihr ein Schloss gebaut.

Nachdem sie eingezogen waren, ging Tom zu Bobby Chinn. Zur Sicherheit bei hellem Tageslicht.

Chinn kam hinter der Theke hervor, als er Tom sah. „Du hast ein Mädchen, das mir gehört. Ich hol sie mir zurück!“

„Ach ja? Das wäre aber bedauerlich. Ich weiß nämlich genug über dich, was die örtliche Polizei interessieren könnte. Zum Beispiel, wie viel Opium du eingeschmuggelt hast und wie viele Immigranten. Ich habe sogar gehört, dass einige Männer im Norden des Landes ausgesetzt wurden und in der Wildnis gestorben sind.“

„Das kannst du mir nicht anhängen.“

„Glaubst du?“

Tom nahm einen dicken Umschlag aus seiner Jackentasche und wedelte damit vor Chinns Nase herum. „Ich habe hier Stellungnahmen von all den Leuten, die an deinen krummen Geschäften beteiligt waren und die du übers Ohr gehauen hast. Sie sind mehr als gewillt, mir zu helfen. Ich werde die Sache für mich behalten, bis ich gezwungen bin zu handeln. Obwohl ich dich am liebsten sofort der Polizei aushändigen würde, Chinn, weil ich dich zutiefst verachte.“

Chinn sah nicht im Mindesten beeindruckt aus. „Was willst du von mir?“

„Lass einfach nur die Finger von Lian! Sprich nicht mit ihr und komm nicht in ihre Nähe. Jemand wird rund um die Uhr auf sie aufpassen, auch wenn ich auf See bin. Und wenn du oder deine Leute sie belästigen, geht dieser Umschlag sofort an die Polizei.“

Chinn dachte einen Moment nach. „Ich such dir besseres Mädchen“, meinte er schließlich. „Jünger. Hübscher.“ Tom fasste ihn am Hemdkragen und zog ihn näher zu sich heran. „Du bist ein Dreckskerl! Und ich werde dich eigenhändig töten, wenn du es wagst, noch einmal mit mir und meinen Leuten zu sprechen.“

Chinn stieß Tom weg und strich über sein Hemd.

„Haben wir uns verstanden?“, fragte Tom.

Auch wenn Chinn nicht nickte, hatte er offensichtlich verstanden. Tom, in dessen Umschlag nichts anderes steckte als ein Packen Gerüchte, die ohnehin schon jeder kannte, hatte gewonnen.

Auch Archer stand auf der Gewinnerseite. Jedes Mal, wenn Tom seinen Freund traf, hörte er von gewonnenen Wetten. Sein Lieblingsspiel war Kegeln, oft genug mit Champagnerflaschen, die die Kontrahenten vorher leerten.

Archer verbrachte mehr Zeit mit Freddy Colson als mit ihm. Tom vermutete, dass Willow der Grund dafür war. Archer weigerte sich, die beiden in ihrem gemeinsamen Haus zu besuchen, wo Tom sich die meiste Zeit aufhielt. Er war glücklich in Willows Armen und froh, dass sie den Albtraum, den sie hatte durchmachen müssen, langsam vergaß. Auch wenn er seinen alten Freund nicht ausschließen wollte, gefiel ihm das derzeitige Arrangement: Auf diese Weise hatte er mehr Zeit für Willow.

Als John Garth endlich nach Broome zurückkam, machte Tom sich auf den Weg zum Hotel Continental. Er wollte sich dort mit Archer treffen und den recht ordentlichen Erfolg der vergangenen Saison feiern. Obwohl Garth in einen schrecklichen Sturm geraten war, hatte er genügend Austern gesammelt. Und er freute sich über die Ausbeute der Odyssee.

Als Tom im Hotel ankam, war Garth schon beschwipst von zu viel Likör und zu vielen hochtrabenden Zukunftsplänen.

„In der nächsten Saison werde ich ein zusätzliches Boot einsetzen. Nein, zwei.“ Er schüttete Tom aus einer halb leeren Flasche Gin ein und goss Archer nach. „Vielleicht sogar drei. Die Odyssee werde ich verkaufen. Sie ist zwar seetauglich, aber mehr auch nicht. Klein ist sie. Viel zu klein.“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht gut genug für meine Flotte.“

„Mir gefällt sie“, sagte Tom. „Sie ist zwar klein, aber schnittig und segelt über die größten Wellen, als wäre es nur ein seichtes Gewässer.“

„Dann gehört sie dir, wenn du sie dir leisten kannst.“

Tom sah zu Archer, dessen Miene völlig ausdruckslos wirkte. Doch er wusste genau, was in seinem Freund vor sich ging. „Was soll sie denn kosten?“, fragte Tom.

Als Garth den Preis nannte, verließ Tom der Mut. Für das Haus für Willow hatte er sechs Monatsmieten im Voraus bezahlt, und er hatte ein Mädchen eingestellt, das beim Putzen und im Garten half. Von dem, was er auf dem Schiff verdient hatte, war nicht mehr viel übrig. Selbst mit seinen Ersparnissen in San Francisco und dem, was Archer verdient hatte, würde es nicht annähernd reichen.

„Vermutlich lässt du keine Ratenzahlung gelten, wie?“, sagte Archer.

„Geht nicht. Ich brauch das Geld, um meine Flotte zu erweitern.“

Archer nickte. „Verstehe. Du bist ein Spieler, Skipper.“

Garth lachte. „Das ist lange her! Alle Perlensucher sind Spieler. Ist euch das noch nicht aufgefallen?“

„Lange her? Dann hat dich das Glück also verlassen?“

„Der beste Spieler ist der, der nichts zu verlieren hat! Als ich den Punkt erreicht hatte, an dem ich meine Chance auf eine Zukunft hätte verspielen können, habe ich nie wieder eine Karte in die Hand genommen.“

„Das hört sich ziemlich clever an“, sagte Tom.

„Ich habe nichts zu verlieren außer dem Lohn, den du mir noch schuldest“, warf Archer ein. „Und du hast nichts zu verlieren außer einem Logger, den du nicht mehr willst.“

„Dein Lohn gegen die Odyssee? Soll das ein Witz sein?“

Archer zuckte die Schultern. „Wenn ich gewinne, verdoppelst du ihn. Wenn du gewinnst, schuldest du mir nichts mehr. Du sparst dir, was du mir bezahlt hättest. Zusammen mit dem, was du für die Odyssee kriegst, kannst du dann zwei neue Schiffe kaufen.“

Garth strich über seinen Schnurrbart. Tom hatte erwartet, dass er sofort abwinken würde, aber offensichtlich kannte Archer ihren Arbeitgeber besser als er selbst. „Und wovon willst du in der Nachsaison leben, wenn du verlierst?“

Archer verschwieg aus gutem Grund, dass er beim Spielen gewann. „Ich habe immer noch mehr als den halben Vorschuss, den du mir gegeben hast, als ich angeheuert habe. Damit werde ich schon klarkommen.“

„Wenn ich gewinne, arbeitest du in der nächsten Saison wieder für mich.“

„Ich habe nichts Besseres zu tun.“

Garth wandte sich an Tom. „Und was ist mit dir? Machst du auch mit? Ich möchte euch beide nicht verlieren.“

Tom sah, dass Archer ihm fast unmerklich zunickte, um ihn zu ermutigen. Hätte er andere Pläne gehabt, hätte er das Angebot vielleicht abgeschlagen, aber er wollte in der nächsten Saison ohnehin wieder arbeiten. „Ich bin dabei. Aber pass auf, Garth! Er ist gewieft. Und er ist gut.“

„Ihr Amerikaner glaubt wohl, ihr seid in allem besser, wie?“ Garth orderte ein Kartenspiel und eine weitere Flasche Gin.

„Wenn der Abend vorbei ist, gehört die Odyssee uns“, meinte Archer aufgeräumt. „Und sag hinterher nicht, wir hätten dich nicht gewarnt!“

Willow schlief noch nicht, als Tom an diesem Abend nach Hause kam. Sie war zu Respekt und Pflichtbewusstsein erzogen worden, nicht dazu, das Leben zu genießen. Stattdessen hatte sie sich all dem widersetzt und war nun die Geliebte eines Mannes, der sie vergötterte.

Und sie betete ihn ebenfalls an. Tom war ein gut aussehender, freundlicher Mann und trotzdem stark genug, um Bobby Chinn abzuschrecken. Er hatte sie in sein Haus geholt, in dem die Büsche in wunderschönen Farben blühten und sie ungesehen auf der Veranda sitzen und die frische Luft genießen konnte. Die Erinnerung an die überfüllten Gassen in Chinatown, die stickige Wäscherei ihres Vaters und das schmutzige Zimmer, in dem man ihren Körper hatte verkaufen wollen, verblasste mit jedem Tag mehr.

Jetzt dachte Willow nur noch an Tom und was sie tun könnte, um ihm eine Freude zu machen. Er kaufte ihr oft Geschenke, wenn er in der Stadt war. Einmal einen kleinen Handspiegel, ein anderes Mal eine bemalte Zinndose oder eine Jadekette, die sie in die Dose legen konnte. Im Gegenzug versuchte sie ihm das zu geben, was in ihren Möglichkeiten stand. Eine Hibiskusblüte neben seinem Teller. Eine Tasse mit seltenem Jasmintee, den sie vom Haushaltsgeld abgespart hatte.

Aber sie wusste, dass nichts, was sie ihm geben könnte, so wertvoll war wie ihre Liebe. Zu Anfang hatte er sie wie ein seltenes und sehr wertvolles Schmuckstück behandelt. Er war sanft und sehr besorgt um sie gewesen, als hätte er Angst, ihr wehzutun. Doch mit der Zeit hatte sie die Leidenschaft bemerkt, die unter der Oberfläche brodelte. Sie hatte ihm gezeigt, dass sie auch leidenschaftlich sein konnte, keine zarte Pflanze, die man nur bewundern und umsorgen darf.

Nie hätte sie geglaubt, eines Tages einen Mann zu treffen, dem sie ihr Innerstes offenbaren würde. Tom wollte alles von ihr wissen und ermutigte sie zum Reden. Er erinnerte sich an jede Einzelheit, sodass er das Leben nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Es brannten beispielsweise jeden Abend Kerzen auf dem Tisch, weil sie ihm erzählt hatte, dass sie Kerzen mochte. Oder er betrachtete mit ihr den aufgehenden Mond, weil sie diese Stimmung so sehr liebte.

An diesem Abend kam er viel später zurück, als sie erwartet hatte. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass Bobby Chinn sich schließlich doch an ihm gerächt hatte. Oder dass im Hotel ein Streit entflammt war und Tom verletzt sein könnte. Als er dann durch die Tür trat, aufrecht und stark, und die Arme ausbreitete, lief sie zu ihm wie ein verschrecktes Kind.

„Ich habe Angst gehabt.“ Sie schmiegte ihre Wange an seine Brust, während er sie an sich zog.

„Warum? Ist irgendetwas passiert?“

„Nein. Ich hatte Angst, dass du nicht zurückkommen würdest.“

„Das würde ich dir nie antun, Willow.“

„Aber vielleicht würde jemand anders uns das antun, Tom. Ein anderer könnte uns wehtun.“

„Niemals! Ich würde es nicht zulassen.“ Er legte seine Hand unter ihr Kinn und küsste sie. Sie schmeckte den scharfen Alkohol und wusste nun, warum er nicht früher zurückgekommen war.

„Du wirst nicht glauben, was heute Abend passiert ist, Willow! Ich kann es selbst noch nicht fassen.“

Er presste sie zu fest an sich, aber es war ihr egal. „Was denn?“

„Archer und ich haben unseren eigenen Logger. Die Odyssee, das Boot, auf dem wir in der letzten Saison gearbeitet haben. Archer hat es heute beim Kartenspiel gewonnen.“

Sie löste sich ein wenig von ihm, um ihn ansehen zu können. „Ein Mann hat sein Boot in einem Spiel verloren? Wie muss er sich jetzt fühlen?“

„Nun ja, nicht gut, natürlich. Aber er ist ein Mann, und ein ehrenwerter noch dazu. Er hat gespielt und verloren. Er hätte jederzeit aufhören können, aber er wollte nicht.“ Willow runzelte die Stirn. „Spielen ist nichts Ehrenwertes.“

„Ich habe nicht das richtige Händchen dafür. Aber ich kann Archer wohl kaum verurteilen, wenn es für uns beide so viel bedeutet.“

„Bedeutet es wirklich so viel für uns?“

„Archer und ich, wir können zusammen ein Vermögen machen. Er will sofort die australische Staatsbürgerschaft beantragen, dann gibt es keine Probleme wegen der Lizenz. Er ist eigentlich kein Seemann; wenn er genug Geld zusammenhat, will er Land kaufen. Er will Rinder züchten und Söhne zeugen und wird endlich ein bisschen Glück finden. Ich bleibe hier bei dir, Willow. Wir beide werden eines Tages eine ganze Flotte Segelschiffe haben! Und wir werden unsere Söhne in Broome aufziehen und hier unser Glück finden.“ Er küsste sie auf die Haare, die Stirn und schließlich wieder auf den Mund.

Sie fragte sich, warum ihr so schwer ums Herz war, wenn er sich doch so sehr freute. Tom hatte ihr gerade ein Leben ausgemalt, von dem sie nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Doch wenn sie ihre Augen schloss, sah sie ihre Zukunft nicht in goldenem Licht erstrahlen. Sie sah nichts als Dunkelheit.

Archer konnte sich viele Möglichkeiten vorstellen, wie er Freddy Colson in die Knie zwingen würde. Wenn er dann nachts in sein Zimmer im Roebuck Bay Hotel schwankte, warf er sich aufs Bett und dachte darüber nach, bis er mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief.

Er hatte inzwischen herausgefunden, wie er Freddy zu Fall bringen könnte, und es machte ihm Spaß, immer wieder die einzelnen Schritte durchzugehen. Die Monate bis zur nächsten Saison schienen sich endlos hinzuziehen, und das Wetter war so grauenhaft, dass man sich auf jede Weise Ablenkung verschaffen musste, die möglich war. Und während die Straßen von Broome in Regen und Schlamm versanken, die Ratten, Spinnen und Schlangen in die schützenden Häuser krochen, weil die feuchte Hitze fast unerträglich war, dachte Archer über Freddy nach und wie es weitergehen würde.

Eines Abends war es dann so weit. Archer wartete vor dem Roebuck auf den Hausboy der Somersets. Er hatte sich den jungen Mann mit kleinen Geschenken und ein wenig Freundlichkeit gefügig gemacht. Vor zwei Tagen hatte er ihn im Gegenzug dann um einen Gefallen gebeten und ihm aufgetragen, Viola eine Nachricht von ihm zu überbringen. Wie erwartet, hatte der Junge sich gefügt.

So wie am vergangenen Abend wartete Archer nun auf Ashwar und hoffte, dass er mit Nachrichten kommen würde. In dem kurzen Schreiben hatte Archer Viola darum gebeten, sich mit ihm zu treffen oder ihm zumindest einen Ort zu nennen, an dem sie sich heimlich treffen könnten. Er hatte angedeutet, Neuigkeiten zu haben, die sie erfreuen würden.

Die Zeit verging, und die Stimmung in der Bar wurde immer trostloser. Die Nachsaison war eine Zeit der Intrigen und der Melancholie. Wenn Regen und Hitze ihren Höhepunkt erreicht hatten, wurden Freunde zu Feinden. Vor wenigen Minuten war ein Streit entflammt, den der Wirt schnell niedergeschlagen hatte, aber es konnte nicht lange dauern, bis die Männer wieder aufeinander losgehen würden.

Archer spürte, dass auch seine Anspannung mit jeder Minute wuchs. Er konnte nur zu gut verstehen, dass die Männer bei diesem Wetter aggressiv wurden. Zum Nichtstun verdammt, blieb ihm kein Ventil für all seine Energie. Und die Freude darüber, dass er die Odyssee gewonnen hatte, war längst verblasst. Selbst wenn er und Tom in der nächsten Saison ungewöhnlich erfolgreich sein würden, war es noch ein weiter Weg, bis sie ein Vermögen gemacht hätten. An Viola und deren Erbe war also noch lange nicht zu denken. Und wenn er dann endlich um ihre Hand anhalten könnte, wäre sie sicher schon mit einem anderen verheiratet.

Aber nicht mit Freddy Colson.

„Sir?“ Archer merkte, dass jemand an seiner Jacke zupfte.

Als er sich umdrehte, entdeckte er Ashwar, den Hausboy. Ein großer, schlaksiger Junge von knapp fünfzehn Jahren, der Archer immer mit einem verschüchterten Grinsen bedachte.

„Ashwar.“ Archer streckte ihm die Hand hin. „Hast du endlich Neuigkeiten für mich?“

„Sehr nass draußen. Hat länger gedauert.“

„Du siehst aus, als wärest du hierher geschwommen.“

„Gehen fast genauso schlimm.“ Ashwar griff in seine Hosentasche und zog ein in Baumwolle eingewickeltes Päckchen heraus. „Das ist für Sie.“

Archer wickelte es aus und entdeckte ein einzelnes Blatt Papier, das gefaltet und versiegelt war. „Könntest du einen Moment warten?“

Der Junge verschränkte die Hände hinter dem Rücken und sah respektvoll zu Boden.

Hastig erbrach Archer das Siegel und las, was Viola ihm in knapper Form geschrieben hatte. Ihre Eltern seien nicht da. Er solle um neun zu ihr kommen, aber nicht mit der Kutsche, sollten die Eltern wider Erwarten früher nach Hause kommen. Ashwar würde ihn begleiten.

Archer ließ den Brief in seiner Jackentasche verschwinden. „Sieht so aus, als ob ich mit dir zurückgehe. Warte draußen auf mich, ich muss mir nur schnell was überziehen.“ Archer ging zu seinem Zimmer und zog Gummistiefel und ein Regencape an. Dann wickelte er einen Stapel Dokumente in das Baumwolltuch, das Viola benutzt hatte, ehe er zu Ashwar nach draußen ging.

Der Fußmarsch zum Bungalow der Somersets dauerte doppelt so lange wie sonst. Als sie dann endlich vor dem Haus standen, war Archer nass bis auf die Knochen und schlammverschmutzt. Im Schutz der Dunkelheit, die einen neuen Sturm mit sich brachte, folgte er Ashwar zum rückwärtigen Teil des Hauses und wartete auf der Veranda, während der Junge Viola Bescheid sagte.

Es dauerte eine Weile, bis sie erschien, und er war sicher, dass sie ihn absichtlich hatte warten lassen. Sie trug einen violetten Rock und eine Hemdbluse, die mit Blumen bestickt war. Eine lange Haarsträhne hing über ihrer Brust und wippte auf und ab, wenn sie sich bewegte.

„Ein merkwürdiger Abend für einen Besuch“, murmelte sie zur Begrüßung.

„Wenn ich hier nicht willkommen bin, sollte ich vielleicht gehen, bevor ich Ihnen das Geschenk gebe, das ich mitgebracht habe.“

Sie legte den Kopf schräg. „Ein Geschenk? Sie machen mich neugierig. Was könnte ein Mann wie Sie einer Frau denn schenken, Mr Llewellyn?“

„Was ist denn Ihr größter Wunsch, Viola?“

„Ein Ticket, das mich aus dieser Stadt herausbringt. Aber ich bezweifele, dass Sie mir eines mitgebracht haben.“

„Nein, aber ich habe Ihnen etwas mitgebracht, das fast genauso gut ist. Etwas, nach dem Sie verlangt haben.“

„Freddys Kopf auf einem Tablett?“

„Beinahe.“

Zum ersten Mal erschien auf ihrer gewollt gelangweilten Miene so etwas wie Interesse. „Erzählen Sie.“

„Nein.“

„Und warum sind Sie dann gekommen?“.

„Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich habe einiges auf mich genommen, um hierherzukommen, und werde empfangen, als sei ich eine Plage. Als Mann wünscht man sich einen herzlicheren Empfang.“

„Ach ja? Aber Sie sind doch fast ein Fremder für mich, Mr Llewellyn.“

„Archer.“

Sie hob eine Braue.

Er lächelte nicht. „Mein Name ist Archer. Sagen Sie es.“ „Hat das Wetter Ihnen so zugesetzt?“

„Sie setzen mir zu. Gute Nacht, Viola.“ Er wandte sich ab, fest entschlossen zu gehen.

„Archer … bitte. Was haben Sie denn mitgebracht?“

Er drehte sich wieder zu ihr um. „Freuen Sie sich, mich zu sehen, Viola?“

„Das kann ich erst sagen, wenn ich weiß, warum Sie gekommen sind.“

„Das ist nicht das, was ich hören wollte.“

Ihre angespannte Miene zeigte ihm, dass sie nachdachte, wie sie weiter verfahren sollte. Er tippte an seinen Hut und wandte sich wieder zum Gehen.

„Na schön. Ich freue mich, Sie zu sehen. Ich langweile mich zu Tode, und der Regen macht mich verrückt. Ich hasse dieses Land. Ich hasse dieses Wetter. Und ich will unbedingt wissen, warum Sie hier sind.“

„Und wie ist es mit mir, Viola? Hassen Sie mich auch? Oder haben Sie überhaupt keine Gefühle?“

„Ich finde Sie … aufregend.“

Es war fast mehr, als er zu hoffen gewagt hatte. Doch da er ein Spieler war, drängte er weiter. „Wie aufregend?“

Ihre Augen weiteten sich, und sie lächelte. „So etwas kann man doch nicht bemessen.“

„Nein? Meinen Sie nicht?“ Er griff nach ihr, zog sie an sich, sodass ihre Hemdbluse gegen sein nasses Cape gedrückt wurde. „Das wollen wir doch mal sehen.“ Ehe sie noch protestieren konnte, hatte er ihre Lippen schon mit einem Kuss versiegelt. Er ließ sich Zeit und hielt sie mit seinen starken Armen fest, um ihr deutlich zu machen, wer hier das Sagen hatte.

Als er sie schließlich losließ, schlug sie mit den Fäusten gegen seine Brust. „Sie Bastard!“

„Ich bin als eheliches Kind auf die Welt gekommen.“

„Wie können Sie es wagen?“

„Hat es Ihnen denn nicht gefallen? Wenigstens ein ganz kleines bisschen?“

Sie hob die Hand, um ihn zu schlagen, doch er hielt ihr Handgelenk fest. „Ich bin nicht Freddy Colson. Er würde vielleicht zulassen, dass Sie ihn schlagen, aber ich nicht. Niemals. Aber ich werde meine Frage selbst beantworten. Es hat Ihnen gefallen, mehr als nur ein bisschen. Und das, was nach unserer Hochzeit passiert, wird Ihnen genauso gefallen.“

„Eher heirate ich Freddy!“

„Ach ja?“ Er trat zurück, griff in seinen Umhang und wickelte seelenruhig die Papiere aus dem Baumwolltuch. „Dann habe ich hier wohl nur meine Zeit verschwendet, wie? Ich kann diese Papiere zerreißen. Sie können tun, was Ihr Vater von Ihnen verlangt, während ich mir eine Frau suche, die zu dem steht, was eine Frau will.“

Er hielt die Papiere hoch und drehte sie zwischen den Händen, als wollte er sie zerreißen.

„Nein!“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm.

„Nein?“

„Was ist das?“

„Freddys Untergang. Ich zerreiße die Papiere, als Hochzeitsgeschenk für Sie beide. Für Mr und Mrs Freddy Colson. Ich würde es ja als Geschenk für Ihre Kinder aufheben, aber ich fürchte, es wird keine geben. Wie sich herausgestellt hat, bevorzugt Freddy nämlich Männer.“

„Ist es das, was auf den Papieren steht? Das haben Sie also herausgefunden?“

„Nein. Ich habe herausgefunden, dass Freddy ein Angebot von einem Unternehmen aus London bekommen hat. Er soll hier in Broome in deren Namen ein Büro eröffnen. Jetzt überlegt er, ob er dieses Angebot annehmen soll. Er wird all die Tricks anwenden, die er bei Ihrem Vater gelernt hat, und sie zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Ich habe Briefe von ihm, eine Anfrage an eine Bank in Perth und Dokumente, aus denen das Warum und Wozu ersichtlich wird. All das, was er bei Ihrem Vater gelernt hat, würde er dazu einsetzen, um ihn zu untergraben. Dass Freddy pervers ist, spielt da wohl eher eine untergeordnete Rolle, nicht wahr? Ich fürchte, dass Ihrem Vater Freddys Loyalität sehr viel mehr bedeutet als Ihr Glück im Ehebett.“

„Wollen Sie damit sagen, dass er ein Konkurrenzunternehmen eröffnen will?“

„Natürlich hat er mir erzählt, er hätte sich dagegen entschieden und dass er Ihren Vater außerordentlich schätzt.“ Er hielt kurz inne. „Aber ich habe Beweise, dass Freddy sich mit dem Londoner Unternehmen in Verbindung gesetzt hat. Sie verhandeln noch über sein Gehalt.“

„Freddy …“

„Freddy ist nicht länger eine Bedrohung für Sie – oder für mich. Falls ich Ihnen die Papiere aushändige.“

„Falls?“

„Hat mein Kuss Ihnen irgendetwas bedeutet, Viola?“ Schweigend stand sie da, den Blick auf die Papiere gerichtet.

„Ich bitte Sie nicht um Ihre Hand oder darum, mich in mein Hotelzimmer zu begleiten. Ich will nur wissen, ob mein Kuss Ihnen etwas bedeutet hat.“

Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Sie sind ziemlich von sich selbst überzeugt.“

„Ein Mann kann nicht hoch genug von sich denken, vor allem, wenn es kein anderer tut.“

„Es wäre eine Sünde, Sie auch noch zu ermutigen.“ „Vermutlich.“ Er wartete.

„Ja, es hat mir etwas bedeutet“, sagte sie schließlich. „Aber küssen Sie mich nie wieder ohne meine Erlaubnis! Haben Sie verstanden?“

„Ich verstehe, dass wir beide uns für den Rest unseres Lebens in dieser Weise streiten werden.“ Er hielt die Dokumente hoch. „Wollen Sie die Unterlagen jetzt haben?“

Sie riss ihm die Papiere aus der Hand. „Ich lasse Sie wissen, wie es weitergeht, wenn mein Vater das hier gesehen hat.“

„Natürlich werden Sie ihm nicht sagen, woher Sie die Papiere haben.“

„Ich bin doch nicht dumm.“

„Sind Sie bereit, auf einen Mann zu warten, der nur Ihr Bestes im Sinn hat?“

„Ich könnte es – jetzt, wo Freddy nicht mehr im Spiel ist.“

„Aber werden Sie es auch tun?“

Sie lächelte. „Ich werde nichts versprechen, außer dass ich einen reichen Mann heiraten werde. Vielleicht sind Sie ja dieser Mann.“