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Schließlich legten wir uns alle für ein paar Stunden nieder – ich teilte Saboas Pritsche –, schliefen jedoch sehr unruhig und standen in der Morgendämmerung zum Chorgesang der Frösche in den Schilfbänken am Ufer des Lhyl auf.
Ich half Saboa, die Fensterläden zu öffnen und betrachtete mein neues Zuhause, während die anderen das Feuer schürten und Töpfe aufsetzten. Die Wände des rechteckigen Raumes bestanden aus grob verputzten Backsteinen. Der Raum selbst war groß, wenn auch schmucklos. An den Wänden standen Pritschen, auf Regalbrettern waren Kleidung, Töpfe und Krüge gestapelt. Weitere Krüge waren im Boden eingegraben, um ihren Inhalt kühl zu halten. Neben der Kohlenpfanne in der Raummitte standen drei Holzstühle mit geflochtenen Schilfsitzen, ein niedriger Tisch sowie mehrere Schilfmatten; von den Deckenbalken hingen Öllampen herab. Das war es eigentlich auch schon. Selbst unsere kleine Behausung in Viland war wohnlicher gewesen.
Die beiden Fenster wiesen in eine Gasse hinaus. Eine Tür führte zur Straße, eine andere in einen kleinen Lagerraum, und eine dritte zu einem Waschraum in einem winzigen Innenhof, der allen Wohnungen dieses Gebäudes auch zur Verrichtung der Notdurft diente. Es waren keine Innentreppen zu sehen, aber auf dem Hof führte eine außen zu den höheren Stockwerken.
Isphet hatte Raguel nach draußen zum Waschraum geholfen, und jetzt kehrte diese wieder zurück; ihr Gesicht war grau, und das Leid hatte Furchen hineingegraben. Sie setzte sich ans Feuer und nahm schweigend einen Napf mit warmem Haferbrei entgegen, rührte ihn geistesabwesend mit dem Löffel um.
Isphet betrachtete meine von der Reise mitgenommene Kleidung und schickte mich hinaus, damit ich mich reinigen konnte. Als ich fertig war, gab sie mir ein großes Stück hellen Baumwollstoffes mit schmalen grünen Streifen und zeigte mir, wie man sich darin einwickeln mußte, um es in ein praktisches Kleidungsstück zu verwandeln, das Beine und Arme unbedeckt ließ. Alle Frauen trugen solche Wickelgewänder.
»An diesem Ort wirst du nicht viel mehr brauchen, Tirzah. Anmutige Gewänder sind nur noch Teil deiner Vergangenheit. Und binde dein Haar zurück; in meiner Werkstatt dulde ich kein loses Haar.«
Sonst sagte niemand ein Wort, und jeder versuchte zu überhören, daß Raguel die ganze Zeit leise in ihren Napf weinte. Ich aß etwas von dem warmen Haferbrei, aber mein Magen hatte sich noch immer nicht von den Ereignissen der vergangenen Nacht erholt, und nach einigen Minuten stellte ich den Napf zur Seite.
Als Kiath die Kohlen abdeckte und Saboa die Laken auf den Pritschen ordnete, nahm Isphet den mit den beschmutzten Tüchern eingewickelten Brotlaib und gab ihn Raguel. Ihre Stimme war streng, aber der Blick in ihren Augen war sanft. »Nimm es, Raguel, und lege es in den Ofen, wenn die Wächter hinsehen. Schau mich nicht so an, es ist bloß Brot.«
Das konnte schon sein, aber in welchem Krug lag das tote Kind? Und warum wollte Isphet es aufbewahren? So schlimm der Tod ihres Kindes auch war, sicherlich würde das Wissen, daß ihr Kind in der Nähe war, Raguel nicht helfen.
Ich hoffte, Kiath hatte den Krug gut versiegelt.
»Auf zur Arbeit«, sagte Isphet.
Die Werkstatt befand sich in der Nähe, was gut war, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß Raguel zu einem weiten Weg stark genug gewesen wäre. Wie sich herausstellte, mußten Kiath und Saboa sie dann bei den letzten Schritten stützen.
Auf dem Weg durch die Gassen konnte ich die Gegenwart der Pyramide spüren, aber ich konnte sie wegen der hohen Wohngebäude noch immer nicht sehen.
Isphet sah, wie ich mir den Hals verrenkte. »Du wirst bald schon mehr von der Pyramide sehen, als dir lieb ist, Tirzah. Geduld.«
Und dann hatten wir die Werkstatt erreicht.
Ich trat ein und blieb erstaunt stehen. In Viland hatten mein Vater und ich in einer winzigen Werkstatt gearbeitet, die gerade unseren Bedürfnissen entsprach, und die Arbeitsstätten der benachbarten Handwerker waren ähnlich klein gewesen. Aber Isphet leitete eine Werkstatt von gewaltigen Ausmaßen, die leicht mehr als einem Dutzend Handwerker Platz geboten hätte. In einer Ecke warteten drei Öfen darauf, von uns für die Arbeit angeheizt zu werden. An einer Wand standen breite Gestelle mit Hunderten von Glasplatten. An der anderen Wand standen auf Regalen Dutzende von Töpfen und Krügen mit den Pulvern und Metallen unseres Handwerks. Anderswo lagen sorgsam geordnet Werkzeuge, die die Werkzeuge meines Vaters im Vergleich wie unbedeutendes Kinderspielzeug aussehen ließen. In der Werkstatt verteilt standen die Werkbänke und Geräte, die für die Glasherstellung nötig waren. Eine Wendeltreppe führte zu einer zweiten Etage, wo die Feinarbeit erledigt wurde, die gutes Licht und starke Konzentration brauchte. Würde ich dort arbeiten?
Kiath versetzte mir einen sanften Stoß, und so schwieg ich und betrat die Werkstatt. Sieben oder acht Männer waren bereits da, unter ihnen mein Vater, und ein junger Mann stellte ihn Isphet vor.
Seine Vorstellung war sehr knapp, denn er hatte Raguel und das traurige Bündel gesehen, das sie an die Brust drückte.
»Bei der Zuflucht im…«
»Vorsicht!« zischte Isphet. »Es sind Neue unter uns!«
Da beherrschte er sich und fragte ruhig: »Was ist geschehen?«
Isphet erzählte es ihm kurz, das heißt, sie erzählte ihm, daß das Kind von Ta’uz entdeckt worden war, als er mich bei Isphet abgeliefert hatte, und von diesem dann getötet wurde.
Die Lippen des Mannes wurden schmal, und er betrachtete mich abschätzend. Er sah gut aus, war vielleicht sieben oder acht Jahre älter als ich, mit kurz geschnittenem schwarzem Haar, das nachlässig nach hinten gestrichen war, mit intelligenten braunen Augen und einem großzügigen, sinnlichen Mund, der, als die Anspannung nachließ, ein warmes und freundliches Lächeln zeigte.
»Mein Name ist Yaqob, und du bist Tirzah. Druse hat mir erzählt, wie gut du Glasnetze schleifen kannst.« Er ergriff kurz meine Hand, und ich versuchte zu lächeln.
»Das mag schon sein«, sagte Isphet. »Aber wie alle Neuen fängt sie an den Mahltischen an, bis sie lernt, wie es in meiner Werkstatt zugeht. Yaqob, du bringst das Mädchen und ihren Vater zu Yassars Tisch und versorgst sie mit Arbeit.«
Glas mahlen? Das war eine Aufgabe für einen Lehrling im ersten Jahr, aber ich sagte nichts und begleitete Yaqob, der mich in der Werkstatt vorstellte und mir erklärte, wie hier alles vonstatten ging.
Als ich mich an Yassars Tisch setzte, neben meinen Vater, der die Mahlstößel vor uns mit einem Ausdruck äußersten Widerwillens ansah, flog die Tür auf, und die ganze Werkstatt erstarrte.
Ta’uz.
Mehrere Wächter standen neben ihm, und zwei weitere waren weit in die Werkstatt vorgedrungen.
Ta’uz starrte zu den Öfen hin, und alle Blicke folgten ihm.
Raguel stand in der Nähe der offenen Tür einer der Öfen, das umwickelte Bündel im Arm. Sie starrte zu Ta’uz hinüber, und ich fragte mich kurz, wieviel Haß sie ihm entgegenbringen mußte, aber dann schüttelte sie sich sichtbar und warf das Bündel mit einem Ruck in die Flammen, bevor es sich jemand zu genau ansehen konnte.
Dann wandte sie sich mit zuckenden Schultern ab und wollte weder den Magier noch den Ofen anschauen.
Ta’uz ging wortlos hinaus, aber die beiden Wächter blieben.
Ich spürte eine Hand auf der Schulter, und Yaqob ging vor meinem Schemel in die Hocke. »War das das Kind?« fragte er leise, die Augen noch immer auf Raguel gerichtet.
Ich zögerte. »Nein.«
Jetzt sah Yaqob mich an. »Aber es ist doch wohl tot?«
»Ja.«
Er schwieg einen Augenblick lang. »Also hat Isphet es auf die Seite geschafft.«
»Ja.«
Er nickte knapp. »Gut.« Seine Hand drückte kurz zu, dann stand er auf und ließ meine Schulter los. »Tirzah, du wirst heute und morgen an diesem Tisch arbeiten, aber dann wird Isphet mir bestimmt das Privileg einräumen, dir unsere kleine Welt zu zeigen.«
Dann ging er.
Mein Vater sah Yaqob hinterher, dann sah er mich an und lächelte.
Ich gewöhnte mich schnell ein. Zwei Tage lang zermahlten mein Vater und ich Glasscherben zur Herstellung von Emaille, dann rettete uns Yaqob wie versprochen und wies uns anspruchsvollere Aufgaben zu.
Das war Isphets Werkstatt, aber sie schien damit einverstanden, daß Yaqob sich in den ersten Wochen um uns kümmerte. Ich sah sie abends, wenn sie mich über meinen Arbeitstag befragte, aber ich glaube, sie wollte nicht zu sehr mit meiner Arbeit in Verbindung gebracht werden, solange die Wächter uns noch ihre ganze Aufmerksamkeit widmeten.
Davon abgesehen war Isphets Fachgebiet genau wie das meines Vaters das Mischen und Brennen von Glasmasse, und sie blieb bei den Öfen. Nicht nur, um das Schmelzen und Brennen zu überwachen, sondern auch um sicherzugehen, daß Raguel nicht in ihrer Trauer dem in Tücher gewickelten Bündel hinterhersprang. Raguel sagte kaum ein Wort, und während sie sich körperlich von der Geburt ihrer Tochter erholte, erkrankte ihre Seele.
Drei Tage nach meiner Ankunft führte Yaqob meinen Vater in die Ecke der Werkstatt, wo die Glasmasse gemischt und geformt wurde, und übergab ihn Isphet, dann kam er zu mir und lächelte. »Hier entlang.«
Er führte mich in die obere Etage, wo zwei Männer an einem Tisch saßen; ein breiter Strahl Sonnenlicht fiel durch Glasscheiben in der Decke. Der Raum war sauber und luftig, und ich holte tief Luft. Ich war entzückt. Beide Männer stellten Glasnetze her.
Sie schauten von ihrer Arbeit auf und grinsten über meine unverhohlene Freude.
»Die Wächter kommen nur selten her«, sagte Yaqob. »Dir wird die Arbeit gefallen, und ich kann kaum erwarten zu sehen, wie gut du bist. Die Geschichte über deine Arbeit in Setkoth hat sich in fast ganz Gesholme verbreitet.«
Sicherlich log er, aber er gab sich immerhin Mühe, und mein Lächeln vertiefte sich. »Wird die Werkstatt immer so scharf bewacht?«
»Nein. Ta’uz bestraft uns für den Versuch, Raguels Schwangerschaft vor ihm verborgen zu haben. Er wird es bald leid sein und die Wächter abziehen. Normalerweise stellen die Magier die Wächter um Gesholme herum auf sowie in und um die Pyramide – wo man uns manchmal zur Arbeit ›ermuntern‹ muß. Gelegentlich besuchen die Magier uns, aber auch sie halten sich lieber in der Nähe der Pyramide auf.«
»Yaqob…« Ich sah nach draußen. Eine offene Tür führte auf einen Balkon, und ich konnte einen gewaltigen Schatten sehen, der über Gesholme fiel.
Ich hatte nur einen kurzen Blick auf die Pyramide werfen können, aber sie beherrschte jede Nacht meine Träume.
»Hab Geduld, Tirzah.« Yaqobs Stimme hatte sich zusammen mit meiner Stimme verfinstert. »Sieh dir zuerst an, woran Orteas und Zeldon arbeiten.«
Keinem von ihnen schien der Gedanke Unbehagen zu bereiten, daß sich eine solch junge Frau zu ihnen gesellen würde – vielleicht hatte sich die Geschichte von dem Glasnetz, das ich für Gayomar und Boaz gemacht hatte, tatsächlich herumgesprochen. Wir plauderten höflich ein paar Minuten lang, während ich ihre Arbeit neugierig betrachtete.
Die Männer arbeiteten an flachen Platten, die so beschaffen waren, daß sie in große Verschalungen hineinpassen würden. Das Glas leuchtete golden – es war großartig gemischt und gebrannt worden.
»Isphets Arbeit«, murmelte Yaqob und strich mit den Fingern über Zeldons Glas. »Niemand kommt an ihre Fertigkeiten heran, die Glasschmelze herzustellen. Sie verfügt über eine Liebenswürdigkeit, die selbst die sturste Mischung beschwatzt.«
Orteas und Zeldon starrten Yaqob schweigend an, dann richteten sie die Blicke wieder hastig auf ihre Arbeit.
Mir war der Blickwechsel nicht entgangen, aber ich zog es vor, darüber hinwegzusehen, da ich von dem Muster so fasziniert war. Ich trat näher an Zeldon heran und zeigte auf seine Arbeit. »Yaqob, was ist das?«
Seine Züge verhärteten sich. »Das ist ein Teil dessen, das die Magie der Pyramide ausmacht. Gefährliche Magie. Siehst du? Diese Kurven bilden Teile von Zahlen, und dieses Stück hier ist das untere Segment von einem Schriftzug.«
»Warum ist das gefährlich?«
Yaqob holte tief Luft. Ihm war offensichtlich unbehaglich zumute. »Du weißt über die Magier und ihre Faszination für die Mathematik Bescheid?«
»Ja, Isphet hat es kurz angedeutet.«
»Kurz ist schon zu lang, aber du mußt Bescheid wissen. Tirzah, kannst du lesen oder schreiben?«
»Ich kann etwas rechnen und Zahlen schreiben. Alle Glasmacher müssen das können, vor allem, um Pulver und Metalle abmessen zu können. Aber von Alphabeten und Worten verstehe ich nichts.«
»Dann sei froh drum. Die Magier beherrschen die Macht der Zahlen und geometrischen Formen, aber dadurch haben sie das Alphabet verdorben. Für sie ist jeder Buchstabe des Alphabetes mit einer Zahl verbunden, so daß, wenn sie schreiben, wenn sie Worte und damit Sätze bilden, das Geschriebene eine zweite, dunklere Bedeutung annimmt. Ist dir klar, worauf ich hinauswill?«
»Ja, ich glaube schon. Jedesmal, wenn ein Magier Worte schreibt, dann sind das zugleich Berechnungen und Formeln. Zaubereien.«
»Alles an ihnen ist gefährlich, Tirzah, und böse. Nimm dich vor ihnen in acht, und vor allem hüte dich vor ihren Schriften.«
Er war jetzt wütend, und ich nickte schnell.
»Laß niemals zu, daß einer von ihnen versucht, dir Buchstaben beizubringen, Mädchen, denn mit jedem Wort, das du schreibst, wird er deine Seele verzaubern wollen. Lauf schreiend davon, denn wenn du nicht läufst, wirst du ihrem Zauberwerk verfallen.« Er brachte ein kleines Lächeln zustande, auch wenn es nicht seine Augen erreichte. »Und dann wirst du nicht länger das liebenswerte Mädchen sein, das gerade vor mir steht.«
»Yaqob, ich schwöre, daß ich nicht die Absicht habe, jemals schreiben zu lernen. Ich werde mich nicht einfangen lassen, und ich werde auch dich nicht einfangen.«
»Gut.«
Das Versprechen stellte ihn schließlich zufrieden, und er fuhr fort, das Glasnetz zu erklären. »Die Magier brauchen Handwerker, die Glasnetze schleifen können, für zwei Bezirke der Pyramide. Der erste ist die Zentralkammer, die man die Kammer zur Unendlichkeit nennt, wo diese Gläser schließlich eingesetzt werden. Alle Wände und der ganze Boden sollen mit Glasnetzen ausgekleidet werden, die die Worte und Beschwörungen der Formeln darstellen.«
»Und die Decke?«
»Es gibt keine Decke, Tirzah. Nein, warte, du wirst es irgendwann selbst sehen. Du wirst deine Arbeit dort hineinbringen müssen, damit sie eingepaßt wird.«
»Und der zweite Bezirk, der Glasnetze braucht?«
Er verstummte und sah hinaus. »Der Schlußstein.«
»Schlußstein?«
Yaqob lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln, und er ergriff meine Hand und drückte sie sanft. »Es ist Zeit, dich die Pyramide sehen zu lassen, Tirzah. Dann kann ich es dir erklären.«
Wie ich bald herausfinden sollte, nahmen die Glasmacher einen hohen Rang in dem Sklavenlager von Gesholme ein, und vielleicht war das der Grund, warum Isphets Werkstatt über einen großzügigen Balkon verfügte. Oder vielleicht sollte ja auch die sichtbare Anwesenheit der Pyramide dafür sorgen, daß sie ihren Einfluß leichter in einer ihrer wichtigsten Werkstätte verbreiten konnte.
Draußen war es heiß und schwül, aber ich achtete nicht darauf, als ich schließlich die Holzbohlen betrat und nach Norden starrte.
Die Pyramide war über einhundertfünfzig Schritt weit entfernt, aber sie wuchs so hoch in den Himmel, daß ich den Kopf in den Nacken legen mußte, um alles sehen zu können. Ihr Schatten schnitt sauber über die Wände der Werkstatt.
Yaqob stand tröstend nah, seine Hand auf meiner Schulter fühlte sich warm und vertraut an. »Das ist sie also.«
Es war eine massive Steinpyramide, aber sie hatte trotzdem keinerlei Ähnlichkeit mit denen, von denen man mir als Kind erzählt hatte. Ich runzelte die Stirn, dann deutete ich mit der Hand auf sie.
»Yaqob, was ist das? Warum hat man sie nicht ausgefüllt? Muß das noch getan werden?«
Auf den beiden Seiten der Pyramide, die ich sehen konnte, klafften überall Lücken in den Wänden. Auf jeder Seite mehrere Dutzend, in regelmäßigen Abständen, und ich vermutete, daß die beiden Seiten, die sich meiner Sicht entzogen, ähnliche Lücken aufwiesen. Männer wimmelten überall auf dem Bauwerk, und ich erkannte, daß in einer Wand ein großes schwarzes Loch gähnte. Es war der Eingang. Während ich hinsah, traten drei Magier heraus, die den Kopf über eine große Schriftrolle beugten.
Yaqob starrte die Pyramide lange Zeit an, bevor er schließlich antwortete.
»Was du dort siehst, ist das steinerne Kernhaus, das mehr Jahre und Leben verschlungen hat, als wir auch nur ahnen können. Jetzt erhöhen die Magier die Zahl der Glasmacher auf der Baustelle, denn unsere Arbeit ist entscheidend.«
Er machte eine Pause. »Die Magier wollen die Pyramide am Ende völlig mit Platten aus blaugrünem Glas bedecken.«
Mir stockte der Atem; ich starrte ihn an, dann wieder die Pyramide. Es würde wunderschön sein!
»Der Schlußstein kommt auf die Spitze, Tirzah, und er wird aus dem gleichen goldenen Glasnetz bestehen, an dem du Orteas und Zeldon arbeiten gesehen hast. Und die Lücken im Stein? Sie werden gefüllt werden, aber nicht mit Stein. Das sind Schachtöffnungen, die letztlich in die Kammer zur Unendlichkeit führen; der Schlußstein wird den großen Zentralschacht abdecken. Alles bis auf den Zentralschacht wird mit den blaugrünen Glasplatten verkleidet sein. Entlang der Schächte gibt es Tore, die die Lichtmenge regulieren können, die in die Kammer zur Unendlichkeit fließt. Die Magier befehlen die Gerätschaften, die die Ausleuchtung der Kammer bestimmen. Ich schätze, es wird möglich sein, jeden Schacht zu öffnen und die Unendlichkeit mit Licht zu fluten.«
Wir standen lange Zeit schweigend dort, starrten die Pyramide an, starrten das Ungeheuer an, das auf der Lauer lag und wartete.
Wartete. Beobachtete.
Der Schatten wurde dunkler.