Daniel Keyes
Blumen für Algernon

 

Tagesrüpport 1  5. Merz 1965

Dr. Strauss sagt ich soll niderschreiben was ich denke unt auch alles was von jezt ab mit mir passirt. Ich weis nicht warum aba er sagt es ist wichtik damit sie sehen können ob sie mich brauchen. Ich hoffe sie brauchen mich. Miss Kinnian sagt vileicht können sie mich kluk machen. Ich möchte gern kluk sein. Ich heisse Charlie Gordon. Ich bin 37 und for zwei Wochen hatte ich geburtztag. Ich weiss jezt nichts mehr zu schreiben darum mache ich heute Schluss.

 

tagesrüpport 2 6. Merz

Heute haben sie mit mir einen test gemacht. Ich glaube ich bin nicht durchgekomen und vileicht nemen sie mich jezt nich. was los war war das ein netter junger Mann war in dem zimmer und er hatte ein pahr weisse karten mit lauter tinten klekssen darauf. Er fragte Charlie was sihste auf dise karte. Ich hatte grosse Ankst trozdem ich meine Hasenfoote in der tasche hatte weil als ich noch klein war bin ich in der Schule imer durch di Prifungen gefalen, unt tinten habe ich auch imer verschittet.

Ich sagte zu im ich see tintenklekssen. Er sagte ja unt ich war fro. Ich dachte das were alles aba als ich aufschten will sagt er nein. Er sagt jezt sezt dich wida hin Charlie wir sint noch nich fertik. ab dan eriner ich mich nich mer so gut aba ich solte sagen was in der tinte war. ich habe rein gar nichtz nich gesen aba er sagt da weren Bilder andere leute sen Bilder sagte er. Ich konte gar keine Bilder nich seen. wirklich habe ich mich angestrenkt. Ich habe die Karte weit wek unt ganz dicht rangehalten. Dan sage ich wenn ich meine Brülle hette könte ich vileicht besser seen weil fir geweenlich setze ich meine Brille nur im kinoo auf unt auch wenn ich fernsee aba ich sagte ich hette sie im schrank aufm fluhr. Ich holte sie. dann sagte ich lassen sie mich nochmal auf die Karte kucken ich wette dann see ich was.

Ich strenkte mich doll an aba ich konte einfach die bilder nich seen imer nur die tinte. Ich sagte ihm vileicht brauche ich neuhe Brillen gleser. Er schrip etwas auf ein Blattpapir unt ich krikte ankst das ich durch die Prifung fallen würde. Ich sagte ihm das es ein ser schöner tintenkleksser were mit lauta punktten an den ekken. Er sah seer traurig aus unt ich krikte noch meer ankst. ich sagte bitte ich will es nochmal versuchen, ich habs bestirnt in ein pahr Minuten weil manchmal bin ich etwas lanksam. In der Klasse von Miss Kinnians für zurück Geblibene bin ich auch seer lanksam im lesen aber ich strenge mich doli an.

Er gab mir eine andere karte mit zwei verschidenen tinten drauf rot und blau.

Er war seer net und redete so lanksam wi Miss Kinnian unt er erklerte mir das were ein ror schack. Er sagt die Leute seen dinge drin, in der tinte. Ich sagte zeigen sie mir wo. Er sagte denken soll ich. Ich sagte ihm ich denke einen tintenklekss aba das war auch nich richtik. Er sagt woran erinern sie sich ich soll mir was forstelln. Ich machte lange zeit die äugen zu um mir was forzustellen. Ich sagte ich stelle mir einen Brunnen for aus dem an allen Seiten die tinte heraus läuft auf ein saubres Tischtuch. Da stant er auf und gink wek.

Ich glaube nich das ich den ror schack test bestanden habe.

 

tagesrüpport 3  7. Merz

Dr Strauss und Dr Nemur sagen das mit den tintenklekssen schadet nicht. Ich habe ihnen gesagt ich habe die tinte nich auf die karten geschittet und auch konnte ich in der tinte rein garnichts seen. Sie sagten das hilft mir vileicht trozdem. Ich sagte Miss Kinnian hat mir nimals nicht solche teste aufgegeben immer nur bustabiren und lesen. Sie fragten wie es kommt das ich fon gantz allein in die abentschule gegangen bin. Miss Kinnian sagt ich bin ihr bester Schüler weil ich mir die gröste mühe gebe und wirklich lernen will. Sie fragten wieso ich von der abentschule wußte. Ich sagte ich fragte leute und jemant hat mir dann gesagt wo ich hingehn soll damit ich richtik lesen und schreiben lerne. Sie fragten warum ich das will. Ich sagte ich will mein ganzes leben lang klug sein nicht immer nur dumm. Aber es is seer schweer klugzusein. Sie sagten das is nur jezt noch speter nich meer. Ich sagte ja ich weiss. Miss Kinnian hat es mir schon gesagt. Es macht mir nichts wenn es schweer is.

Dann hatte ich nachher noch meer tests. Die nette Frau die sie mir gegeben hat hat mir den Namen gesagt und ich habe sie gefragt wie schreibt man das damit ich es in meinen tagesrüpport schreiben kann. THEMATISCHER APPERZEPTIONSTEST. Ich kenne die beiden ersten Wörter nich aber was test heisst weiss ich. Einen test muß man besteen oder man kriekt schlechte noten. Dieser test sa leicht aus weil ich die Bilder seen konnte. Nur diesmal wollte sie nich das ich ihr die Bilder sage. Ich war gans durcheinander. Ich sagte ihr der Mann gestern wollte wissen was ich in der tinte see und sie sagte das is egal. Sie sagte ich soll geschichten über die leute in den bildern machen.

Ich sagte ihr wie kann man geschichten fon leuten erzeelen die man gar nicht kent. Ich sagte warum soll ich lügen erzeelen. Ich lüge nimals meer weil ich imer geschnapt wurde dabei.

Sie sagte mir dieser test und der andere der ror schack is damit man perseenlichkeit kriegt. Ich muste furchbar lachen. Ich sagte wie kan man das von tintenklekssen und fotos kriegen. Sie kriekte schlechte laune und pakte ihre bilder wek. das is mir egal. Ich fand es furchbar bled. Ich schetze ich bin auch durch den test gefallen. Dann brachten mich Menner in weissen Menteln in einen anderen teil von der Klinnik und gaben mir ein spil zum spilen. Es war wie die jakt mit einer weissen maus. Sie nannten die maus Algernon. Algernon war in einer kiste mit vilen wegen und bigungen überal waren wende und sie gaben mir einen bleistift und ein stück papir mit linjen und vilen kesten. Auf einer seite stant START unt auf der anderen seite ZIEL. Sie sagten Algernon und ich sollen durch den selben IRRGARTEN geen so nannten sie es. Ich konnte nicht einseen wiso wir durch den selben IRRGARTEN geen können wo doch Algernon eine kiste hatte und ich hatte ein stück papir aber ich sagte nichts. Unt dann hatte ich auch gar nicht zeit was zu sagen weil die jakt schon losgink.

Der eine von den Mennern hatte eine ur die wollte er immer verstecken so das ich sie nich seen soll und versuchte immer nich hinzuseen und das machte mich ganz nerwös.

Überhaupt dieser test war schlimmer wie die anderen weil sie alles zenmal mit uns machten und immer mit anderen IRRGARTEN und jedesmal hat Algernon gewonnen. Ich habe nich gewußt das meuse so kluk sind. Vileicht ist das auch darum weil Algernon eine weisse maus is. Vileicht sind weisse meuse klüger wie die anderen.

 

Tagesrüpport 4  8. Merz

Sie wollen mich nehmen! Ich bin so aufgeregt das ich gar nich richtig schreiben kann. Dr Nemur und Dr Strauss haben deshalb diskuttiert. Dr Nemur war in dem Büro als Dr Strauss mich reinbrachte. Dr Nemur hatte bedenken mich zu nehmen aber Dr Strauss sagte ihm das Miss Kinnian mich als besten ihrer Schüler für geeignet halten würde. Ich habe Miss Kinnian gern weil sie ein sehr kluger leerer ist. Und sie sagte zu mir Charlie sie geben dir noch eine chanze. Wenn du dich für dies eckspriment zur Ferfügung stellst wirst du vileicht klug werden. Sie wissen nicht ob es für dauernt ist aber es könnte sein. Darum habe ich ja gesagt auch wenn ich ankst habe als sie sagte es ist eine Operazion. Sie sagte hab keine angkst Charlie du hast mit so wenig so viel geschafft darum glaube ich du ferdienst es am meisten von allen.

Deshalb kriekte ich wieder angkst als Dr Nemur und Dr Strauss deshalb diskuttiert haben. Dr Strauss sagte ich hätte was was dafür sehr gut ist. Er sagte ich habe eine gute Muttivierung. Ich habe gar nicht gewusst das ich das habe. Ich war stolz als er sagte das nicht jeder mit einem ikuh von 68 sowas hat. Ich weiss nicht was das ist unt auch nicht wo ich das herhab aba er sagte Algernon hat das auch. Algernons Muttivierung ist der Kese den sie in seine kiste legen. Aber das kann es doch nicht sein weil ich diese Woche keinen Kese gegessen hab.

Dann erzeelte er Dr Nemur was was ich nicht versteen konnte darum schrieb ich in der zeit ein paar Wörter auf.

Er sagte Dr Nemur ich weiss Charlie ist nicht so wie sie sich den ersten ihrer neuen intellik rasse** (habe das nich richtig mitgekriegt) Supermann. Aber die meisten Menschen von seiner niedrign ment** sind feindselig und nicht kooper** sie sind meistens treg und appat** und es is schwierik an sie ran zu kommen. Aber er hat den wünsch zu gefallen und das rechte zu tun. Dr Nemur sagte vergessen sie nicht er wird der erste Mensch sein von dem die intellegenz verdrei fach wird durch operazion.

Dr Strauss sagt das stimmt. Seen sie nur wie gut er lesen und schreiben gelernt hat für seine niedrige intellegenz ist das genauso erstaunlich wie wenn sie und ich ein steinz relattifirori ohne hilfe versteen. Ich finde wir sollten Charlie ruhik nehmen.

Ich habe nicht alle Wörter verstanden weil sie so schnell gesprochen haben aber mir kam es so for als wäre Dr Strauss auf meiner seite und der andere gegen mich.

Dann aber nikte Dr Nemur und sagte in Ordnung vileicht haben sie recht. Wir wollen Charlie benuzen. Als er das sagte war ich so aufgerekt das ich aufgesprungen bin und seine hand geschüttelt habe. Ich sagte danke doktor das sie mir noch eine chanze geben wollen. Und das war wirklich ehrlich gemeint von mir. Nach der operazion will ich versuchen klug zu werden. Ich gebe mir bestimmt große mühe das verspreche ich.

 

tagesrüpport 5  10. Merz

ich habe dolle angst. Eine menge leute die hier arbeiten und die Schwestern sind alle zu mir gekommen und haben mir bonbon gebracht und glück gewünscht. Ich habe meine hasenfote bei mir Und auch den glücksfennig und das hufeisen. Aber als ich zu der klinick ging ist mir eine schwarze kaze über den weg gelaufen. Dr strauss sagt sei nich aber gleubich Charlie dies is wissenschafft. trozdem behalte ich meine hasenfote bei mir.

Ich habe Dr Strauss gefragt ob ich nach der operazion Algernon besigen werde und er sagte vieleicht. Wenn die operazion gelingt dann zeige ich dieser Maus das ich genau so klug bin wie sie. Vieleicht sogar noch klüger. Dann werde ich auch besser lesen können und richtig schreiben und vieles wissen und wie die anderen Leute sein. Ich möchte so klug sein wie die anderen leute. Wenn es gelingt das ich immer klug bleibe werden sie alle leute auf der Erde klug machen.

Sie haben mir heute nichts zu essen gegeben. Ich weiss nicht was essen mit klug sein zu tun hat. Ich habe dollen hunger und Dr Nemur hat meine bonbon weg genommen. Dieser Dr Nemur is ein alter misepeter. Dr Strauss sagt ich kann sie nach der operazion wieder kriegen. Vor einer operazion darf man nicht essen …

 

Tagesreport 6  15. März

Die Operazion hat nicht weh getan. Ich habe die ganze Zeit über geschlafen. Sie haben mir die Verbände von den Augen und vom Kopf genommen damit ich meinen TAGESREPORT schreiben kann. Dr Nemur hat sich angesehen was ich geschrieben habe und hat mir gesagt daß ich REPORT falsch bustabiere und wie ich es richtig schreiben muß. Hoffentlich kann ich es behalten.

Ich habe ein sehr schlechtes gedechtnis was richtig schreiben betrifft. Dr Strauss sagt es ist schon richtig alles zu schreiben was mit mir passiert aber ich soll mehr davon berichten was ich fühle und denke. Als ich ihm sagte ich weiß nicht wie ich denken soll sagte er ich soll es versuchen. Die ganze Zeit als die Binden um meinen Kopf waren habe ich versucht zu denken. Aber es ging irgendwie nicht richtig. Ich weiß nicht was ich denken soll. Wenn ich ihn frage sagt er mir vielleicht wie ich es anstellen soll richtig zu denken jetzt wo ich doch klug werden soll. Was denken wohl kluge leute? Bestimmt besondere Sachen.

 

Tagesreport 7 19. März

Es ist nichts passiert. Ich muß ne menge tests machen und viele wettleufe mit Algernon. Ich hasse die maus. Sie besiegt mich immer. Dr Strauss sagt ich muß diese spiele machen. Und er sagt auch das ich nochmal die tests durchmachen muß. Das mit den tintenkleksen finde ich albern. Und auch die Bilder sind blöd. Ich male gern bilder von nem Mann und ner Frau aber ich erfinde keine lügen über Leute die ich garnicht kenne.

Ich kriegte kopfschmerzen weil ich mich so angestrengt habe etwas zu denken. Ich dachte Dr Strauss is mein freund aber er hilft mir nich. Er sagt mir nich was ich denken soll oder wann ich klug werde. Miss Kinnian hat mich nich besucht. Ich finde es auch dumm diesen Tagesreport zu schreiben.

 

Tagesreport 8  23. März

Ich gehe wieder in die Fabriek. Sie sagten es wäre besser wenn ich wieder arbeite aber ich soll niemandem sagen wofür die Operazion war und ich soll jeden abend eine stunde lang nach der arbeit in die Klinik kommen. Sie wollen mir jeden monat geld bezahlen weil ich lerne klug zu werden.

Ich bin froh daß ich wieder zur arbeit gehen kann ich habe meine arbeit schon vermißt und auch meine freunde mit denen ich immer soviel spahs hatte.

Dr Strauss sagt ich soll weiter alles aufschreiben aber ich brauche es nicht jeden tag tun nur wenn ich mir was besondres denke oder was besondres passiert. Er sagt laß dich nich entmutigen Charlie weil es nur langsam voran geht. Er sagt es hat lange gedauert bis Algernon drei mal so klug wurde wie vorher. Darum besiegt Algernon mich auch immer weil er auch eine Operazion mitgemacht hat. Ich bin froh darüber. Wahrscheinlich könnte ich schneller durch den IRRGARTEN kommen wie eine gewöhnliche maus. Vielleicht besiege ich Algernon doch noch mal. Bis jetzt sieht es so aus als würde Algernon für ständig klug bleiben.

 

25. März

Ich brauche nicht immer TAGESREPORT drüber zu schreiben, nur ein mal die woche wenn ich ihn Dr Nemur zu lesen gebe. Ich muß nur das Datum schreiben. Das spart zeit.

Heute hatten wir in der Fabrik eine menge spahs. Joe Carp sagte he seht mal was sie mit Charlie bei der operazion gemacht haben sie haben ihm mehr gripps eingebaut. Ich wollte es ihm sagen aber dann erinnerte ich mich daran das Dr Strauss nein gesagt hat. Dann sagte Frank Reilly was hast du gemacht Charlie hast du deinen Schlüssel vergessen und die tür aufgebrochen. Darüber mußte ich lachen. Sie sind wirklich meine freunde und haben mich gern.

Manch mal sagt jemand he seht euch Joe oder Frank oder George an der is ganz Charlie Gordon. Ich weiß nicht warum sie das sagen aber dabei fangen sie immer an zum lachen. Heute morgen sagte Amos Borg das ist der 4. Mann bei Donnegans meinen namen als er Ernie den laufjungen anschrie. Ernie ließ ein Packet fallen. Er sagte umhimmelswillen Ernie was tust du willst du wie Charlie Gordon sein. Ich verste nicht warum er das gesagt hat. Ich habe niemals nich packete fallen gelassen.

 

28. März

Dr Strauss kam heute abend in mein Zimmer zu mir um zu sehen warum ich nich in die klinick gekommen bin wie ich sollte. Ich sagte ihm ich will nich mehr mit Algernon um die wette rennen. Er sagte das brauche ich nich für eine zeit aber ich soll auf alle fälle kommen. Er hatte mir ein geschenck mitgebracht aber es war kein richtiges geschenck sondern nur zum borgen. Ich dachte es wäre ein kleiner Fernsehapparat aber das war es nich. Er sagt ich soll ihn anmachen wenn ich schlafen geh. Hat man so was schon mal gehört. Aber er sagt wenn ich wirklich gescheit werden will muß ich tun was er sagt. Ich sagte ihm ich glaube nich daß ich klug werde, aber er legte die hand auf meine Schulter und sagt Charlie du merkst es noch nich aber du wirst andauernd klüger. Ich glaube er will mich nur trösten weil ich noch nich klüger ausseh.

Ach ja fast habe ich vergessen. Ich fragte ihn wann ich wieder zu Miss Kinnian in die Schule gehen kann. Er sagt ich kann da nich mehr hingehn. Er sagt Miss Kinnian wird bald in die Klinick kommen um mir extra Unterricht zu geben. Ich war bös auf sie weil sie nich zu mir in die Klinick gekommen is als ich die Operazion hatte aber ich mag sie trozdem und vielleicht sind wir doch noch gute freunde.

 

29. März

Der verrückte fernseher hat mich die ganze nacht nich schlafen lassen. Wie soll ich schlafen können wenn die ganze nacht etwas komisehe Dinge blökt bis meine Ohren dröhnen. Ich versteh nich was es sagt wenn ich auf bin wie soll ich also was verstehnwenn ich schlafe. Dr Strauss sagt es ist schon in ordnung. Er sagt mein Gehirn lernt wenn ich schlafe und das wird mir auch helfen wenn Miss Kinnian mit dem Unterricht anfängt. Ich habe aber jetzt heraus gefunden daß es gar keine Klinick is sondern ein labohr. Ich finde es is schon eine verrückte sache. Wenn man klug wird wenn man schläft warum geh n dann die leute in die Schule. Ich glaube nich daß das funkzioniert. Ich habe früher immer die spätsendung im Fernsehn angesehn aber klug gewordn bin ich doch nich. Vielleicht muß man schlafen wenn man zusieht.

 

Tagesreport 9  5. April

Dr Strauss hat mir gezeigt wie man den Fernsehr leise stellt und so kann ich jetzt schlafen. Aber ich versteh immer noch nich was er sagt. Ein paar mal habe ich mir morgens überlegt was ich gelernt hab aber ich glaube nich das es was is. Miss Kinnian sagt vielleicht is es ne andre spräche oder so. Aber meistens hört es sich amerikanisch an. Sie sprechen so schnell viel schneller als Miss Gold in derVolkschule und ich weiß noch gut sie sprach so schnell daß ich niemals was verstehn konnte.

Ich fragte Dr Strauss wozu es gut is wenn ich im Schlaf klug werde. Ich will klug sein wenn ich wach bin. Er sagt das is das selbe und ich habe zwei mal ein bewußtsein. Es gibt das Unterbewußtsein und das Bewußtsein (so wird das richtig geschrieben). Und man sagt dem anderen nich was das eine tut. Sie reden nich mal mit ein ander. Darum träume ich. Junge Junge habe ich komische Träume gehabt. Herr je. Seit dem ich den Fernsehr habe. Ich habe ganz vergessen ihn zu fragen ob das nur bei mir so is oder ob ein jeder zwei mal ein Bewußtsein hat.

(Ich habe gerade die Wörter im Lexikon nach gesehen das Dr Strauss mir gegebn hat. Das Wort heißt unterbewußt, adj. geistige Tätigkeit, die noch nicht ins Bewußtsein gedrungen ist; wie unterbewußter Konflikt von Wünschen.) Es steht noch mehr da aber ich weiß noch nich was es bedeutet. Das is nämlich kein gutes Lexikon für dumme Leute wie mich.

Auf jeden fall kommen die Kopfschmerzen von der Parti. Meine freunde von der fabrik Joe Carp und Frank Reilly haben mich eingeladen mit ihnen in eine Kneipe zu gehn und was zu trinken. Ich trinke nich gern aber sie haben gesagt wir werden eine menge spaß habn. Es war wirklich sehr lustig finde ich.

Joe Carp sagte ich soll den mädchen zeigen wie ich das Klo in der fabrik aufwische und holte mir einen besen. Ich zeigte es ihnen und alle lachten furchtbar als ich ihnen sagte Mr Donnegan hätte gesagt ich wäre der beste Klomann den er jemals gehabt hat weil ich meine Arbeit gern tu und nie zu spät komme oder mal weg bleibe. Außer als ich meine Operazion hatte.

Ich sagte Miss Kinnian sagt immer Charlie du mußt stolz sein auf deinen job weil du ihn gut machst.

Alle lachten und wir waren so fröhlieh und sie gaben mir eine Menge zum trinken und Joe sagte Charlie is ein Ass wenn er einen sitzen hat. Ich weiß nich genau was er damit meint aber alle haben mich gern und es war ein großer spaß. Ich kann gar nich abwarten bis ich so gescheit bin wie meine freunde Joe Carp und Frank Reilly.

Ich weiß nich mehr wie die Parti zu ende ging aber ich glaube ich bin rausgegangn um Zeitungen und kaffee für Joe und Frank zu kaufen und wie ich dann zurück kam war niemand mehr da. Ich habe sie lange überall gesucht. Was dann war weiß ich nich mehr so gut, aber ich glaube ich war müde und schlecht war mir auch. Ein netter Polizist hat mich nach hause gebracht. Das sagt meine wirtin Mrs Flynn.

Aber ich hab nen schweren Kopf und überall blaue flecke. Ich glaube ich bin hin gefallen aber Joe Carp sagt das is der Polizist gewesn die haun betrunkene immer zusammen. Aber das kann ich nich glauben. Miss Kinnian sagt die Polizisten helfen den Leuten. Auf alle fälle ist mir ganz schlecht. Ich glaube nich daß ich noch mal was trinke.

 

6. April

Ich habe Algernon besiegt! Ich wußte es nich einmal daß ich ihn besiegt habe bis der Prüfer es mir gesagt hat. Beim zweiten mal habe ich dann aber verloren weil ich so aufgeregt war daß ich vom Stuhl gefallen bin bevor ich fertig war. Aber dann habe ich ihn 8 mal besiegt. Ich muß wohl doch gescheit werden wenn ich eine kluge maus wie Algernon besiegen kann. Aber ich komme mir garnicht klüger vor. Ich wollte noch weiter machen und mit Algernon um die Wette durch den Irrgarten gehn aber Burt sagte für heute ists genug. Ich durfte Algernon eine Minute halten. Er is garnich so übel. Er is weich wie wolle. Er kneift die äugen immer auf und zu. Sie sind schwarz.

Ich sagte kann ich ihn füttern weil es mir so leid tut daß ich ihn besiegt habe. Ich will sein freund sein. Burt sagt aber nein Algernon is ne ganz besondere Maus mit nerOperazion wie ich und er is das erste Tier das nach ner Operazion so lange klug bleibt. Er sagte zu mir Algernon is so gescheit daß er jeden tag erst mal einen Test machen muß damit er dann sein fressen kriegt. Es is ein ding wie ein schloß an der Tür immer anders und Algernon muß es jedes mal aufkriegen um hinein zu kommen weil sein fressen drin is. Das finde ich traurig weil wenn er nicht lernt is er hungrig.

Ich finde nich daß es richtig is daß man erst ne prüfung machen muß damit man was zu essen kriegt. Was Dr Nemur wohl sagen würde wenn er immer erst nen Test machen muß bis er was zu essen kriegt. Ich glaube Algernon wird mein Freund.

 

6. April

Heute abend war Miss Kinnian in dem Labor. Sie machte ein Gesicht als wäre sie froh mich wieder zu sehen aber als hat sie auch Angst. Ich sagte zu ihr machen sie sich keine sorgen Miss Kinnian ich bin noch nich gescheit und sie hat gelacht. Sie sagte ich habe Vertraun zu dir Charlie wie du dich so angestrengt hast besser zu lesen und zu schreiben als alle die anderen. Wenn es schlimm kommt, hast du es wenigstens für eine weile und hast was für die Wissen schafft getan.

Wir lesen ein sehr schweres Buch. Ich habe noch nie son schweres Buch gelesen. Es heißt Robinson Crusoe und is über nen Mann der auf ne Insel kommt ganz allein. Er is klug und denkt sich alle möglichen Dinge aus um ein Haus zu baun und essen zu suchn und er kann prima schwimmen. Er tut mir aber leid weil er ganz alleine is und gar keine Freunde hat. Aber ich glaube es is noch jemand auf der Insel weil in dem Buch nen Bild is wie er mit seinem komischen regenschirm dasteht und auf Fuß spuren runtersieht. Ich hoffe er kriegt einen Freund und is nich mehr so allein.

 

Tagesreport 10  10. April

Miss Kinnian lernt mir richtig zu schreiben. Sie sagt sieh dir ein Wort an und mach die Augen zu und sag es immer wieder und wieder bis du es nich mehr vergißt. Manchmal kann ich was gar nicht begreifen weil es ganz anders gesprochen wird. Ich bin ganz durcheinander aber Miss Kinnian sagt für die Rechtschreibung gibt es keine Gründe.

 

14. April

Habe Robinson Crusoe zu ende gelesen. Ich möchte gern wissen was noch weiter mit ihm passiert aber Miss Kinnian sagt das is alles mehr gibt es nicht. Warum.

 

15. April

Miss Kinnian sagt ich lerne schnell. Sie hat in dem Tagesreport gelesen und mich ganz komisch angesehn. Sie sagt ich bin ein feiner Mensch und ich werde es ihnen allen schon zeigen. Ich fragte sie warum. Sie sagte es ist nichts aber ich soll mir nichts draus machen wenn ich herausfinde daß nicht jeder so nett ist wie ich glaube. Sie sagte für einen Menschen dem Gott so wenig gegeben hat habe ich mehr getan als andere Leute mit Verstand den sie nie gebraucht haben. Ich sagte alle meine Freunde sind klug aber sie sind nett. Sie haben mich gern und haben nie was getan was nicht nett ist. Da wurden ihre Augen ganz komisch und sie ist rausgelaufen.

 

16. April

Heute habe ich das Komma gelernt. Das ist ein Komma (,) Miss Kinnian, sagt, es ist wichtig, weil, es schreiben, besser macht, sie sagt, jemand, kann eine Menge, Geld, verlieren, wenn er, es nicht richtig, gebraucht, und das Komma, nicht an der, richtigen Stelle, steht, ich habe, kein Geld, und ich sehe nicht ein, wie ein Komma, es verhindern, kann, daß man welches, verliert,

Aber sie sagt, alle, benutzen ein Komma, wenn sie schreiben, deshalb will ich, es auch machen, wenn ich, schreibe,

 

17. April

Ich habe das Komma nicht richtig gesetzt. Es ist Interpunktion. Miss Kinnian hat gesagt ich soll im Lexikon nach langen Wörtern suchen, damit ich lerne sie richtig zu schreiben. Sie hat mir auch erklärt wann man ein Wort groß und wann man ein Wort klein schreibt. Ich sagte was macht es schon, wenn man es auch so lesen kann. Sie sagt, das gehört mit zur Bildung und zum Klugsein, deshalb sehe ich jetzt alles nach wenn ich mal nicht weiß wie man ein Wort richtig schreibt. Es dauert lange so zu schreiben, aber ich glaube ich kann es behalten. Ich brauche jedes Wort nur immer einmal nachzusehen und danach weiß ich es. Jedenfalls konnte ich so das Wort Interpunktion richtig schreiben. (So steht es im Lexikon.) Miss Kinnian sagt ein Satz-teil gehört auch zur Interpunktion, und es gibt noch viele andere Zeichen, die ich lernen muß. Ich sagte ihr ich glaube jeder Satzteil wird mit einem Komma getrennt, aber sie sagte nein das ist nicht so.

Man muß sie auseinanderhalten, und sie zeigte? mir« wie. Man muß! sie (immer durcheinander, verwenden; und jetzt kenne ich eine Menge Satzzeichen! Es gibt? viel! Regeln; zu lernen; aber ich – werde! sie schon, lernen.

Etwas mag ich? sehr, gern an Miss Kinnian: (so macht man es in nem Geschäftsbrief!) sie sagt, mir’ immer! einen Grund? wenn ‘ ich sie frage. Sie ist ’nen Genie! Ich möchte gern! so klug sein – wie sie; (Interpunktion, macht; Spaß!)

 

18. April

Was für ein Idiot bin ich doch! Ich habe überhaupt nicht richtig verstanden, was sie mir gesagt hat. Ich habe gestern abend das Grammatikbuch gelesen. Das erklärt alles. Dann sah ich auch, daß darin das gleiche stand, was Miss Kinnian mir beizubringen versucht hat. Mitten in der Nacht stand ich auf, und plötzlich war mir alles klar. Miss Kinnian sagt, daß der Fernseher, der an ist, wenn ich schlafe, das gemacht hat. Sie sagte, ich hätte ein Plateau erreicht. Das ist die flache Spitze eines Berges.

Nachdem ich herausgefunden hatte, wie das mit der Interpunktion ist, habe ich meine ganzen alten Tagesreports noch einmal gelesen. Junge, Junge, hab’ ich komisch geschrieben! Ich sagte Miss Kinnian, ich würde alles ausbessern, aber sie sagte: »Nein, Charlie, Dr. Strauss will sie so haben, wie sie sind. Deshalb hat er sie dir gelassen, nachdem er sie fotokopiert hat, damit du selbst sehen kannst, was für Fortschritte du machst. Du kommst schnell voran, Charlie.«

Darüber war ich wirklich sehr froh. Nach dem Unterricht ging ich hinunter, um mit Algernon zu spielen. Wir veranstalten jetzt keine Wettrennen mehr.

 

20. April

Mir ist übel. Nicht so, wie wenn man einen Arzt braucht, sondern tief in meinem Innern fühlt sich alles ganz leer an, und das Herz tut mir weh.

Eigentlich wollte ich es gar nicht aufschreiben, aber ich glaube, ich sollte es doch tun, denn es ist wichtig. Heute bin ich zum erstenmal nicht zur Arbeit gegangen.

Gestern abend haben mich Joe Carp und Frank Reilly zu einer Party eingeladen. Es waren eine Menge Mädchen dort und auch ein paar Männer von der Fabrik. Ich mußte daran denken, wie übel mir das letztemal gewesen war, weil ich zuviel getrunken hatte. Deshalb sagte ich zu Joe, daß ich nichts zu trinken haben wolle. Er gab mir statt dessen eine Coca Cola. Es schmeckte irgendwie komisch, aber ich dachte, das käme von einem schlechten Geschmack in meinem Mund.

Eine Weile hatten wir großen Spaß. Joe sagte, ich solle mit Ellen tanzen, sie würde mir die Schritte beibringen. Ich fiel ein paarmal hin und konnte eigentlich nicht verstehen, warum, weil außer Ellen und mir sonst niemand tanzte. Die ganze Zeit stolperte ich, weil immer irgendwo von jemandem der Fuß heraussteckte. Dann, als ich aufstand, sah ich den Ausdruck auf Joes Gesicht, und plötzlich hatte ich ein ganz komisches Gefühl im Magen. »Er ist zum Totlachen«, sagte eines der Mädchen. Alle lachten.

»Ich hab schon lange nicht mehr so gelacht, außer, als wir ihn damals nach den Zeitungen schickten und ihn fertigmachten«, sagte Frank.

»Seht ihn an. Er ist ganz rot im Gesicht.«

»Er wird rot. Charlie wird rot!«

»He, Ellen, was hast du mit Charlie gemacht? So habe ich ihn noch nie gesehen.«

Ich wußte nicht, was ich tun und wo ich hinsehen sollte. Alle starrten mich an und lachten, und ich fühlte mich nackt. Ich wollte mich verstecken. Ich lief hinaus auf die Straße und übergab mich. Dann ging ich nach Hause. Komisch, daß ich nie bemerkt habe, daß Joe und Frank und die anderen mich nur bei sich haben wollten, um sich über mich lustig zu machen.

Jetzt weiß ich, was es heißt, wenn sie sagen: »Ganz wie Charlie Gordon.«

Ich schäme mich.

 

Tagesreport 11  21. April

Ich gehe noch immer nicht in die Fabrik. Ich habe Mrs. Flynn, meiner Wirtin, aufgetragen, anzurufen und Mr. Donnegan zu sagen, daß ich krank wäre. Mrs. Flynn sieht mich seit neuestem immer so komisch an, als hätte sie vor mir Angst.

Ich finde, es ist gut, daß ich herausgefunden habe, wie sich alle über mich lustig machen. Ich habe viel darüber nachgedacht. Das kommt daher, weil ich so dumm bin und nicht einmal merke, wenn ich etwas Dummes tue. Die Leute finden es komisch, wenn ein dummer Mensch die Dinge nicht so tun kann wie sie selbst.

Jedenfalls weiß ich jetzt, daß ich von Tag zu Tag klüger werde. Ich kenne die Interpunktion und kann gut buchstabieren. Es macht mir Spaß, all die schweren Wörter im Lexikon nachzusehen und sie zu behalten. Ich lese jetzt sehr viel, und Miss Kinnian sagt, daß ich sehr schnell lese. Manchmal verstehe ich sogar, worüber ich lese und behalte es im Gedächtnis. Manchmal mache ich die Augen zu und denke an eine Seite, und dann kehrt alles zu mir zurück, wie ein Bild.

Außer Geschichte, Geografie und Arithmetik hat mir Miss Kinnian geraten, auch einige Fremdsprachen zu lernen. Dr. Strauss gab mir ein paar neue Bänder, die ich spiele, wenn ich schlafe. Ich verstehe immer noch nicht, was es mit dem Bewußtsein und dem Unterbewußtsein auf sich hat, aber Dr. Strauss sagt, ich solle mir darüber keine Gedanken machen. Er hat mir das Versprechen abgenommen, daß ich, wenn ich in der nächsten Woche anfange, Fachgebiete aus dem Lehrplan der Universität zu studieren, keine Bücher über Psychologie lese – außer, wenn er mir die Erlaubnis dazu gibt.

Heute ist mir schon viel wohler, aber ich schätze, ich ärgere mich immer noch ein wenig darüber, daß die Leute die ganze Zeit lang über mich gelacht haben und mich komisch fanden, weil ich nicht so klug war. Wenn ich so intelligent werde, wie Dr. Strauss sagt, mit einem Intelligenzquotienten, der dreimal so groß ist wie achtundsechzig, dann bin ich vielleicht wie alle anderen, und die Leute werden mich mögen und freundlich zu mir sein.

Ich weiß nicht genau, was ein Intelligenzquotient ist. Dr. Nemur sagt, es wäre etwas, das mißt, wie intelligent man ist – wie eine Skala auf der Waage im Lebensmittelgeschäft. Aber Dr. Strauss hatte eine große Diskussion mit ihm und sagte, ein I.Q. wäge die Intelligenz ganz und gar nicht. Er sagte, ein I.Q. zeige, wieviel Intelligenz man aufbringen könnte, wie die Zahlen am Äußeren eines Meßbechers. In den muß man auch erst hineinschütten, was man messen will.

Dann, als ich Burt fragte, der mir Intelligenztests aufgibt und mit Algernon arbeitet, sagte der, daß beide unrecht hätten (ich mußte ihm allerdings versprechen, ihnen das nicht wiederzuerzählen). Burt sagt, daß der I.Q. eine Menge verschiedener Dinge mißt, wie auch einiges von dem, was man schon gelernt hat, und im übrigen tauge er überhaupt nichts.

Ich weiß also immer noch nicht, was ein I.Q. ist, außer, daß meiner bald über zweihundert sein wird. Ich wollte ja nichts sagen, aber trotzdem sehe ich nicht ein, wie sie, wenn sie nicht wissen, was es ist oder wo es ist – ich sehe einfach nicht ein, woher sie wissen wollen, wieviel man davon hat.

Dr. Nemur sagt, daß ich morgen einen RorschachTest machen muß. Ich bin schon neugierig, was das ist.

 

22. April

Ich habe herausgefunden, was ein Rorschach ist. Es ist der Test, den ich vor der Operation durchmachen mußte – der mit den Tintenklecksen auf den weißen Karten. Der Mann, der mir den Test stellte, war der gleiche.

Ich fürchtete mich vor diesen Tintenklecksen. Ich wußte, daß er mich fragen würde, was für Bilder ich sehe, und ich wußte genauso gut, daß ich es nicht könnte. Ich dachte bei mir, daß ich viel darum gäbe, zu erfahren, was für Bilder darin versteckt liegen. Vielleicht gab es gar keine Bilder. Vielleicht war es nur ein Trick, um zu sehen, ob ich dumm genug war, nach etwas zu suchen, das es gar nicht gab. Schon der Gedanke daran machte mich wütend.

»Also schön, Charlie«, sagte er, »du hast die Karten doch schon gesehen, erinnerst du dich daran?«

»Natürlich erinnere ich mich daran.«

Die Art, wie ich das sagte, ließ ihn erkennen, daß ich wütend war, und er blickte mich erstaunt an. »Ja, natürlich. Ich möchte, daß du dir jetzt diese Karte ansiehst. Was könnte das sein? Was siehst du auf dieser Karte? Die Leute sehen alle möglichen Dinge in den Tintenklecksen. Sag mir, was es für dich bedeuten könnte – woran mußt du dabei denken.«

Ich war schockiert. Ich hatte ganz und gar nicht erwartet, daß er gerade das zu mir sagen würde. »Sie meinen, daß in diesen Tintenklecksen überhaupt keine Bilder versteckt sind?«

Er runzelte die Stirn und nahm seine Brille ab. »Was?«

»Bilder. In den Tintenklecksen versteckt. Das letztemal haben Sie mir erzählt, daß sie jeder sehen könnte und daß Sie wollten, daß ich sie auch finde.«

Er erklärte mir, daß er das vorige Mal fast genau die gleichen Worte benutzt hatte wie jetzt. Ich glaubte das nicht, im Gegenteil, ich hegte noch immer den Verdacht, daß er sich nur über mich lustig machen wollte.

Langsam gingen wir die Karten durch. Auf der einen sah der Tintenklecks aus wie ein paar Fledermause, die an etwas zogen. Auf der anderen wie zwei Männer, die mit Säbeln gegeneinander kämpften. Ich stellte mir alle möglichen Dinge vor. Ich schätze, ich übertrieb etwas. Aber ich traute ihm nicht mehr, und deshalb drehte ich sie immer um, betrachtete sie von allen Seiten, um zu sehen, ob noch irgend etwas da wäre, was ich noch erkennen mußte. Als er sich Notizen machte, bemühte ich mich angestrengt, sie zu lesen. Aber es war alles in Kode und sah so aus:

 

WF + A DdF – Ad orig.

WF-A SF + obj

 

Der Test erscheint mir noch immer nicht sehr sinnvoll. Ich finde, daß jeder Lügen erzählen kann über Dinge, die er nicht wirklich sieht. Wie sollte er wissen, daß ich mich nicht über ihn lustig machte, indem ich Dinge erwähnte, die ich mir nicht wirklich vorstellte? Vielleicht werde ich es verstehen, wenn Dr. Strauss mich Bücher über Psychologie lesen läßt.

 

25. April

Ich habe mir eine neue Möglichkeit ausgedacht, wie man die Maschinen in der Fabrik praktisch anordnen sollte, und Mr. Donnegan sagte, das ersparte eine Menge Geld im Jahr und steigerte die Produktion. Er gab mir eine Prämie von 25 Dollar.

Ich wollte Joe Carp und Frank Reilly zum Mittagessen einladen, um das zu feiern, aber Joe sagte, er müßte noch ein paar Dinge für seine Frau einkaufen, und Frank sagte, er hätte sich mit seinem Cousin zum Essen verabredet. Ich schätze, daß es eine Weile dauern wird, bis sie sich an die Veränderung in mir gewöhnt haben. Alle scheinen sich vor mir zu fürchten. Als ich zu Arnos Borg ging und ihm auf die Schulter klopfte, sprang er fast in die Luft.

Niemand spricht viel mit mir, und sie reißen auch nicht mehr die Witze wie früher. Das läßt mir die Arbeit etwas einsam werden.

 

27. April

Heute habe ich es gewagt, Miss Kinnian zu fragen, ob sie morgen abend mit mir essen will, um meine Prämie zu feiern.

Zuerst war sie sich nicht sicher, ob es recht wäre, aber ich fragte Dr. Strauss, und er sagte, das wäre in Ordnung. Dr. Strauss und Dr. Nemur scheinen nicht gut miteinander auszukommen. Die ganze Zeit über diskutieren sie miteinander. Heute abend, als ich hinging, um Dr.

Strauss zu fragen, ob Miss Kinnian j mit mir essen gehen könnte, hörte ich, wie sie sich anbrüllten. Dr. Nemur sagte, daß es sein Experiment wäre und seine Forschungsarbeit, und Dr. Strauss schrie zurück, daß er genauso viel dazu beigetragen hätte, denn er hätte mich durch Miss Kinnian gefunden und die Operation durchgeführt. Dr. Strauss sagte, daß später einmal Tausende von Neurochirurgen seine Technik benutzen könnten, in der ganzen Welt.

Dr. Nemur wollte das Ergebnis des Experiments gegen Ende des Monats veröffentlichen. Dr. Strauss wollte noch ein wenig länger warten, um ganz sicher zu sein. Dr. Strauss sagte, daß Dr. Nemur mehr Interesse an dem Lehrstuhl für Psychologie in Princeton hätte als an dem Experiment selbst. Dr. Nemur sagte, daß Dr. Strauss nichts wäre als ein Opportunist, der versuchte, sich mit fremden Federn zu schmücken.

Als ich wieder ging, fühlte ich, daß ich zitterte. Ich weiß nicht genau, warum, aber es war, als hätte ich beide Männer zum erstenmal wirklich deutlich gesehen. Ich erinnere mich daran, daß Burt einmal gesagt hatte, daß Dr. Nemur einen Zankteufel zur Frau habe, die ihn die ganze Zeit anhielt, seine Forschungsergebnisse zu publizieren, damit er berühmt würde. Burt sagte, daß der Traum ihres Lebens wäre, einen berühmten Mann zu haben.

Wollte sich Dr. Strauss wirklich mit fremden Federn schmücken?

 

28. April

Ich verstehe nicht, wieso ich niemals zuvor bemerkt habe, wie schön Miss Kinnian wirklich ist. Sie hat braune Augen und flauschiges, braunes Haar, das sie im Nacken zusammenhält. Sie ist erst vierunddreißig Jahre alt! Ich glaube, daß ich von Anfang an das Gefühl gehabt habe, daß sie ein unerreichbares Genie wäre – und sehr, sehr alt. Jetzt aber wird sie mit jedem Mal, das ich sie sehe, jünger und schöner.

Wir aßen zusammen und unterhielten uns lange. Als sie sagte, daß ich so schnell vorankäme, daß ich sie bald weit hinter mir lassen würde, mußte ich lachen.

»Es ist wahr, Charlie. Du kannst schon besser lesen als ich. Du liest eine ganze Seite mit einem Blick, während ich nur immer wenige Zeilen auf einmal erfassen kann. Und du erinnerst dich an jedes einzelne Wort, das du liest. Ich bin schon froh, wenn ich die hauptsächlichsten Gedanken und die allgemeine Bedeutung es behalte.«

»Ich fühle mich gar nicht intelligent. Es gibt so viele Dinge, die ich nicht verstehe.«

Sie nahm eine Zigarette heraus, und ich zündete sie für sie an. »Du mußt ein bißchen Geduld haben. Du erreichst in Tagen und Wochen, wozu normale Menschen ein halbes Leben brauchen. Das macht die Sache ja so wunderbar. Du bist jetzt wie ein riesiger Schwamm, der alles in sich aufsaugt. Tatsachen, Zahlen, Allgemeinwissen. Und bald wirst du beginnen, alles miteinander zu verbinden. Du wirst erkennen, wie die verschiedensten Wissensgebiete miteinander in BeZiehung stehen. Es gibt viele Ebenen, Charlie, wie die Sprossen auf einer riesigen Leiter, die dich immer höher und höher hinaufführt, um mehr und mehr von der Welt ringsherum zu sehen.

Ich kann nur ein ganz klein bißchen davon sehen, Charlie, und ich werde auch nicht höher hinauf kommen, als ich es jetzt bin. Aber du wirst immer weiterklettern und klettern, und mehr und mehr sehen, und jeder Schritt wird neue Welten vor dir öffnen, von denen du nie gewußt hast, daß sie überhaupt existierten.« Sie runzelte die Stirn. »Ich hoffe … ich hoffe nur zu Gott …«

»Was?«

»Ach, nichts, Charles. Ich hoffe nur, daß ich nicht falsch daran getan habe, dir zu raten, dich in diese Sache einzulassen.«

Ich lachte. »Wie könnte das sein? Es hat doch alles geklappt, nicht wahr? Sogar Algernon ist noch immer klug.«

Eine Weile saßen wir schweigend da, und ich wußte, worüber sie nachdachte, während sie mich beobachtete, wie ich mit der Kette mit meinem Hasenfuß und meinen Schlüsseln spielte. Ich wollte an diese Möglichkeit nicht mehr denken als alte Leute an den Tod. Ich wußte, daß dies nur der Anfang war. Ich wußte, was sie mit ver-schiedenen Stufen meinte, denn ich hatte einige schon gesehen und miterlebt. Der Gedanke, sie hinter mir zu lassen, stimmte mich traurig.

Ich liebe Miss Kinnian.

 

Tagesreport 12  30. April

Ich habe meine Arbeit bei Donnegans Fabrik für Plastikkisten aufgegeben. Mr. Donnegan bestand darauf, daß es für alle Beteiligten besser wäre, wenn ich ginge. Was habe ich getan, daß sie mich alle so hassen?

Ich erfuhr zum erstenmal davon, als Mr. Donnegan mir die Petition zeigte. Achthundertvierzig Namen standen darauf, alles Angestellte der Fabrik, außer dem von Fanny Girden. Ich warf einen kurzen Blick auf die Liste und stellte sofort fest, daß ihr Name als einziger fehlte. Alle anderen forderten, daß ich hinausgeworfen würde.

Joe Carp und Frank Reilly wollten mit mir nicht darüber sprechen. Niemand wollte mit mir darüber reden, außer Fanny. Sie war einer der wenigen Menschen, die ich kannte, der, wenn er einmal an etwas glaubte, auch dabei blieb, und was immer auch bewiesen wurde – Fanny glaubte nicht daran, daß ich hinausgeworfen werden sollte. Sie war aus Prinzip gegen die Petition, trotz des Drucks und der Drohungen, denen sie ausgesetzt war.

»Das soll aber nicht heißen«, bemerkte sie, »daß ich nicht finde, daß mit dir etwas höchst Sonderbares los ist, Charlie. Diese Veränderung! Ich weiß nicht. Du warst immer ein netter, verläßlicher, normaler Mann – vielleicht nicht sehr gescheit, aber dafür ehrlich. Wer weiß, was du dir angetan hast, daß du ganz plötzlich so gescheit bist. Das finden alle. Charlie, es ist nicht richtig.«

»Aber wie kannst du das sagen, Fanny? Was ist daran so schlimm, wenn jemand intelligent wird, Wissen erringen möchte und die Welt ringsum verstehen will?«

Sie starrte auf ihre Arbeit, und ich drehte mich um, um hinauszugehen. Ohne mich anzusehen, sagte sie: »Es war böse, als Eva auf die Schlange hörte und von dem Baum der Erkenntnis aß. Es war böse, als sie bemerkte, daß sie nackt war. Wenn das nicht gewesen wäre, müßte niemand von uns je alt und krank werden und sterben.«

 

Wieder fühlte ich Scham in mir aufsteigen. Die Intelligenz hat zwischen mich und all die anderen Leute, die ich einst kannte und liebte, einen Keil getrieben. Früher haben sie über mich gelacht und mich wegen meiner Unwissenheit und Dummheit verachtet; jetzt hassen sie mich wegen meines Wissens und Verstehens. Was,umGottes willen, wollen sie eigentlich von mir?

Sie haben mich aus der Fabrik verstoßen. Jetzt bin ich einsamer als je zuvor …

 

15. Mai

Dr. Strauss ist sehr böse auf mich, daß ich seit zwei Wochen meinen Tagesreport nicht mehr geschrieben habe. Er hat recht, denn das Labor zahlt mir jetzt ein regelmäßiges Gehalt. Ich sagte ihm, ich wäre zu sehr mit Denken und Lesen beschäftigt. Als ich hervorhob, daß das Schreiben ein so langsamer Vorgang wäre und daß es mich ungeduldig machte, schlug er vor, ich solle Schreibmaschine schreiben lernen. Es ist jetzt viel leichter, denn ich kann fast fünfundsiebzig Worte in der Minute tippen. Dr. Strauss erinnert mich fortwährend an die Notwendigkeit, einfach zu sprechen und zu schreiben, damit die anderen Menschen mich auch verstehen können.

Ich werde versuchen, alles, was während der letzten zwei Wochen mit mir geschehen ist, nachzutragen. Algernon und ich wurden der American Psychological Association vorgeführt, die am letzten Dienstag einen Kongreß für die World Psychological Association abhielt. Wir haben eine ganz nette Sensation hervorgerufen. Dr. Nemur und Dr. Strauss waren sehr stolz auf uns.

Ich fürchte, daß Dr. Nemur, der sechzig ist – zehn Jahre älter als Dr. Strauss – es als notwendig erachten wird, greifbare Ergebnisse seiner Arbeit zu sehen. Zweifellos drängt ihn Mrs. Nemur.

Ganz im Gegensatz zu meinen früheren Eindrücken stelle ich jetzt fest, daß Dr. Nemur ganz und gar kein Genie ist. Er hat einen sehr guten Verstand, der aber ständig mit Zweifeln zu kämpfen hat. Er möchte, daß alle ihn für ein Genie halten. Deshalb ist es für ihn wichtig zu fühlen, daß die Welt seine Arbeit akzeptiert. Ich glaube, daß Dr. Nemur vor weiteren Verzögerungen nur deshalb Angst hat, weil er fürchtet, daß irgend jemand anders eine Entdeckung auf diesem Gebiet machen könnte und den Ruhm statt seiner einsteckt.

Dr. Strauss andererseits könnte als Genie bezeichnet werden, obgleich ich fühle, daß sein Wissen zu begrenzt ist. Er wurde zu einem Spezialisten erzogen; alle anderen Wissensgebiete wurden mehr als notwendig vernachlässigt – selbst für einen Neurochirurgen.

Ich war schockiert, zu erfahren, daß die einzigen alten Sprachen, die er lesen konnte, Lateinisch, Griechisch und Hebräisch waren, und daß er fast nichts über Mathematik weiß – außer den elementaren Gleichungen. Als er mir das eingestand, fühlte ich mich fastverärgert. Es war, als hätte er diesen Teil seines Ichs vor mir verborgen, um mich zu hintergehen. Er gab vor – wie so viele Leute – etwas zu sein, was er gar nicht ist. Niemand, den ich kenne, ist wirklich das, für das er sich nach außen hin ausgibt.

Dr. Nemur scheint sich in meiner Gegenwart unbehaglich zu fühlen. Manchmal, wenn ich versuche, mich mit ihm zu unterhalten, blickt er mich nur seltsam an und wendet sich dann ab. Zuerst hat es mich geärgert, daß Dr. Strauss mir sagte, daß ich bei Dr. Nemur einen Minderwertigkeitskomplex hervorrufe. Ich dachte, er wollte sich über mich lustig machen, und in dieser Hinsieht bin ich übersensibel.

Woher sollte ich wissen, daß ein angesehener Psychoexperimentalforscher wie Nemur keine Ahnung von Hindustanisch und Chinesisch hat? Das ist absurd, wenn man die Arbeit bedenkt, die auf seinem Forschungsgebiet heute in Indien und China vollbracht wird.

Ich fragte Dr. Strauss, wie Nemur Rahajamatis Angriff auf seine Methode und seine Ergebnisse ablehnen könne, wenn er nicht einmal zu lesen vermöge, was dieser geschrieben hat. Der seltsame Blick in Dr. Strauss’ Augen kann nur eines bedeuten. Entweder er will Nemur nicht sagen, was man in Indien über ihn sagt, oder aber – und das macht mir Sorgen – Dr. Strauss weiß es auch nicht. Ich muß mich bemühen, klar und deutlieh zu sprechen und zu schreiben, so einfach, damit die Leute nicht über mich lachen.

 

18. Mai

Ich bin beunruhigt. Gestern abend sah ich Miss Kinnian wieder. Ich vermied jede Diskussion über intellektuelle Konzepte und versuchte, die Unterhaltung auf einer einfachen, alltäglichen Ebene zu belassen, aber sie starrte mich groß an und fragte mich, was ich mit der mathematischen Variantenäquivalenz in Dorbermanns fünftem Konzert meinte.

Als ich es ihr zu erklären versuchte, unterbrach sie mich und lachte. Ich glaube, ich wurde wütend, aber vielleicht nähere ich mich ihr auf der falschen Basis. Ganz gleich, was immer ich mit ihr zu diskutieren versuche, ich bin nicht in der Lage, zu kommunizieren. Ich muß mir noch einmal Vrostadts Gleichungen über Ebenen semantischer Progression vornehmen. Ich finde, daß ich mich nicht mehr sehr gut mit anderen Menschen verständigen kann. Gott sei Dank habe ich Bücher, Musik und Dinge, über die ich nachdenken kann. Die meiste Zeit bin ich allein in meiner Wohnung bei Mrs. Flynn und spreche kaum zu jemandem.

 

20. Mai

Wenn der Vorfall nicht passiert wäre, hätte ich den neuen Tellerjungen, einen Buben von ungefähr sechzehn Jahren, in dem Eckrestaurant, in dem ich meine Abendmahlzeit einnehme, wahrscheinlich gar nicht bemerkt.

Die Teller flogen zu Boden, zersplitterten und verstreuten sich in kleinen, weißen Stücken unter den Tischen. Benommen und erschreckt stand der Junge da und hielt das leere Tablett in den Händen. Die Pfiffe und Rufe der Gäste (die Schreie wie »Hallo, dahin ist der Profiit! …« und »nun, der hat wirklich nicht lange hier durchgehalten …«, die unweigerlich dem Brechen von Geschirr in einem Restaurant folgen) schienen ihn zu verwirren.

Als der Wirt kam, um nachzusehen, was los war, kauerte sich der Junge zusammen, als erwartete er, geschlagen zu werden, und warf die Arme hoch, um sich dagegen zu schützen.

»Schon gut! Schon gut, du Idiot«, rief der Wirt, »steh nicht so blöd herum! Hol den Besen und feg den Dreck zusammen. Einen Besen … einen Besen, du Idiot! Er ist in der Küche. Räum den Dreck weg.«

Der Junge sah, daß er nicht bestraft werden würde. Der furchtsame Ausdruck verschwand von seinem Gesicht, er lächelte und summte eine Melodie vor sich hin, während er mit dem Besen den Boden säuberte. Ein paar der ungehobelteren Gäste machten noch ein paar Bemerkungen, amüsierten sich auf seine Kosten.

»He, Freundchen, da hinter dir ist noch ein nettes Stück …«

»Los, nochmal …«

»Der ist gar nicht so blöd. Es ist einfacher, sie zu zerbrechen, als sie abzuwaschen …«

Seine Augen schweiften über die Menge amüsierter Zuschauer, dann spiegelte sich ihr Lächeln langsam in seinem Gesicht wider und wurde endlich zu einem ungewissen Grinsen über einen Witz, den er ganz offensichtlich nicht verstand.

Mir wurde übel, als ich dieses dumme, läppische Lächeln sah, die großen, hellen Augen eines Kindes, das nichts als gefallen wollte. Sie lachten über ihn, weil er geistig zurückgeblieben war.

Auch ich hatte über ihn gelacht.

Plötzlich war ich sehr wütend auf mich. Ich sprang auf und schrie: »Seid ruhig! Laßt ihn zufrieden! Es ist nicht sein Fehler, er kann nichts dafür! Er versteht es nicht! Aber schließlich ist er doch ein Mensch!«

Stille breitete sich im Raum aus. Ich verfluchte mich, weil ich die Beherrschung verloren hatte und eine Szene heraufbeschwor. Ich versuchte, nicht mehr den Jungen anzusehen, während ich meine Rechnung bezahlte und, ohne das Essen berührt zu haben, das Lokal verließ. Ich schämte mich für uns beide. Es ist seltsam, daß Leute mit ehrlichen Gefühlen, die nie aus jemandem einen Vorteil schlagen würden, der ohne Arme oder Beine oder Augen geboren wird – wie solche Leute sich über jemanden mit geringer Intelligenz lustig machen können. Es machte mich wild, daran zu denken, daß vor nicht allzu langer Zeit ich selbst, wie dieser Junge, den Clown für sie gespielt hatte.

Fast hätte ich es vergessen.

Ich hatte das Bild des alten Charlie Gordon vor mir selbst versteckt, weil es jetzt, da ich intelligent war, aus meinen Gedanken gestrichen werden mußte. Aber heute, als ich diesen Jungen beobachtet hatte, habe ich mich zum erstenmal selbst klar erkannt. Ich war wie er gewesen!

Vor noch gar nicht so langer Zeit hatte ich erfahren, daß die Menschen über mich lachten. Jetzt mußte ich erkennen, daß ich, ohne es zu wissen, mit ihnen in das Gelächter über mich selbst einstimmte. Das schmerzt wohl am meisten von allem.

Ich habe meinen Tagesreport immer wieder und wieder gelesen und die kindische Naivität erkannt, diese Einfältigkeit! Ich kann sehen, daß ich selbst in meiner Dummheit gewußt hatte, daß ich minderwertig war und daß andere Leute etwas besaßen, das mir fehlte – etwas, das mir verwehrt war. In meiner geistigen Blindheit hatte ich geglaubt, daß es irgendwie mit der Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben, zusammenhing, und ich war sicher gewesen, daß ich automatisch intelligent werden würde, wenn ich mir diese Fähigkeiten aneignete.

Selbst ein begrenzt intelligenter Mensch möchte wie die anderen sein.

Ein Kind weiß zwar nicht, wie es essen oder was es essen soll, aber es kennt den Hunger.

So war ich gewesen. Ich hatte es nur nicht erkannt.

Dies war ein guter Tag für mich. Jetzt, da ich die Vergangenheit ganz klar vor mir sehe, habe ich mich entschlossen, mein Wissen und meine Fähigkeiten dazu zu benutzen, um auf dem Gebiet zu arbeiten, das sich mit dem Steigern der menschlichen Intelligenz beschäftigt. Wer wäre für eine solche Arbeit besser geeignet als ich? Wer sonst hatte in beiden Welten gelebt? Dies sind meine Menschen. Ich will meine Gabe dazu benutzen, um etwas für sie zu tun.

Morgen will ich mit Dr. Strauss darüber sprechen, wie ich mich am besten auf diesem Gebiet betätigen kann. Vielleicht kann ich ihm dabei helfen, die Probleme der Verbreitung und Anwendung der Mittel zu bearbeiten, die er bei mir angewandt hat. Ich habe einige gute, eigene Ideen.

Mit dieser Technik könnte soviel gemacht werden. Wenn ich zu einem Genie gemacht werden konnte, warum dann nicht tausend andere auch? Welch phantastische Idee, wenn man sie auch auf völlig normale Menschen anwendete? Auf Genies? Es gibt so viele Türen, die geöffnet werden müssen. Ich bin ungeduldig und möchte sofort beginnen.

 

Tagesreport 13  23. Mai

Heute geschah es. Algernon hat mich gebissen. Ich ging in das Labor, um ihn, wie ich es gelegentlich tue, zu besuchen, und als ich ihn aus seinem Stall nahm, schnappte er nach meiner Hand. Ich tat ihn zurück und beobachtete ihn eine Weile. Er war ungewöhnlich unruhig und bösartig.

 

24. Mai

Burt, der die Experimentiertiere versorgt, sagt mir, daß Algernon sich verändert. Er ist nicht mehr zur Zusammenarbeit bereit; er weigert sich, durch den Irrgarten zu laufen; und er frißt auch nichts mehr. Alle machen sich darüber Gedanken, was das bedeuten könnte.

 

25. Mai

Sie haben Algernon gefüttert, der sich jetzt auch weigert, die Türen zum Freßkasten zu öffnen. Jeder identifiziert mich mit Algernon. Auf eine gewisse Art sind wir beide der erste unserer Rasse. Sie tun alle so, als wäre Algernons Benehmen nicht unbedingt auch für mich kennzeichnend. Aber es ist schwer, die Tatsache zu verbergen, daß auch einige der anderen Tiere, die bei dem Experiment benutzt wurden, ein seltsames Benehmen zutage legen.

Dr. Strauss und Dr. Nemur haben mich gebeten, nicht mehr ins Labor zu kommen. Ich weiß, was sie denken, aber ich kann das nicht akzeptieren. Ich arbeite an meinen Pianen weiter, ihre Forschungen fortzuführen. Bei allem Respekt für diese guten Wissenschaftler bin ich mir ihrer Grenzen voll bewußt. Wenn es eine Antwort gibt, werde ich sie selbst herausfinden. Plötzlich ist die Zeit etwas sehr Wichtiges geworden.

 

29. Mai

Ich habe ein eigenes Labor bekommen und auch die Erlaubnis, meinen Forschungen nachzugehen. Ich bin etwas auf der Spur. Ich arbeite Tag und Nacht. Ich habe mir ein Bett in mein Labor stellen lassen. Ich notiere alles nur auf Zettel, die ich in einen Ordner einhefte, aber von Zeit zu Zeit halte ich es für notwendig, meine Stimmungen und Gedanken niederzuschreiben. Ich finde, daß der Kalkulus der Intelligenz ein faszinierendes Thema ist. Hier kann ich all das Wissen, das ich errungen habe, richtig anwenden. In gewissem Sinn ist das das Problem, mit dem ich mich mein ganzes Leben lang beschäftigt habe.

 

31. Mai

Dr. Strauss findet, daß ich zu hart arbeite. Dr. Nemur sagt, ich dränge die Forschungsarbeit eines ganzen Lebens in ein paar Wochen zusammen. Ich weiß, daß ich mich ausruhen sollte, aber irgend etwas in mir treibt mich voran, und ich kann es nicht aufhalten. Ich muß den Grund für den krassen Rückfall bei Algernon herausfinden. Ich muß wissen, ob und wann es mit mir geschehen wird.

 

4. Juni

Brief an Dr. Strauss (Kopie)

Sehr geehrter Herr Dr. Strauss, mit getrennter Post sende ich Ihnen eine Kopie meines Berichts mit dem Titel »Der AlgernonGordonEffekt: Ein Studium der Struktur und Funktion erhöhter Intelligenz«, den ich Sie bitte, zu lesen und zu publizieren. Wie Sie sehen, habe ich meine Experimente beendet. Ich habe meinem Bericht alle Vormein beigefügt, sowie auch die mathematischen Analysen im Anhang vermerkt. Natürlich sollten diese noch verifiziert werden.

Wegen seiner Wichtigkeit für Sie und Dr. Nemur (und – muß ich es noch erwähnen? auch für mich selbst) habe ich meine Ergebnisse Dutzende Male überprüft, in der Hoffnung, einen Fehler zu finden. Es tut mir leid, eingestehen zu müssen, daß die Resultate endgültig sind. Aber zum Wohle der Wissenschaft bin ich für das Wenige dankbar, das ich hiermit dem Wissen über die Funktion des menschlichen Gehirns und der Gesetze, die das künstliche Ansteigen der menschlichen Intelligenz beherrschen, beigetragen habe.

Ich wiederhole, was Sie selbst einmal zu mir gesagt haben: Ein experimenteller Mißerfolg oder das Widerlegen einer Theorie ist für den Fortschritt genauso wichtig wie ein Erfolg. Ich weiß jetzt, daß das wahr ist. Es tut mir jedoch leid, daß mein eigener Anteil auf diesem Gebiet auf der Asche der Arbeit zweier Männer ruhen muß, die ich so hoch schätze. Ihr sehr ergebener

Charles Gordon

Anlage

 

5. Juni

Ich darf mich nicht von Gefühlen hinreißen lassen. Die Tatsachen und Ergebnisse meiner Experimente sind klar, und die sensationellen Aspekte meines eigenen, raschen Aufstiegs können die Tatsache nicht verdunkeln, daß die Verdreifachung der Intelligenz durch chirurgische Mittel, die von Dr. Strauss und Dr. Nemur entwickelt wurden, nur wenig oder gar keine praktische Anwendbarkeit (im augenblicklichen Stadium) für die Erhöhung menschlicher Intelligenz haben.

Wenn ich die Aufzeichnungen und Daten über Algernon durchsehe, stelle ich fest, daß seine geistigen Fähigkeiten nachgelassen haben, obgleich er sich körperlich noch in einem frühen Stadium befindet. Die Aktivität seines Gehirns ist beeinträchtigt; die Drüsentätigkeit verringert sich; ein ständiger Verlust der Koordination ist bemerkbar.

Ebenfalls lassen sich auffällige Hinweise von progressiver Amnesie feststellen.

Wie meinem Bericht zu entnehmen ist, können diese und andere physische und geistige Entartungs-Symptome mit statistischer Genauigkeit vorherbestimmt werden – durch die Anwendung meiner Formel.

Der chirurgische Stimulus, dem wir beide unterworfen wurden, resultierte in einer Intensivierung und einem Ansteigen aller geistigen Prozesse. Die unvorhergesehene Entwicklung, die ich die Freiheit hatte, den Algernon-Gordon-Effekt zu nennen, ist die logische Ausdehnung der gesamten Intelligenzbeschleunigung. Die Hypothese, die hier bewiesen wird, kann mit folgenden Worten einfach beschrieben werden: Künstlich gesteigerte Intelligenz verringert sich in einer Zeitspanne, die der Quantität der Steigerung direkt proportional ist. Ich glaube, daß dies allein eine wichtige Entdeckung ist.

Solange ich fähig bin, zu schreiben, werde ich fortfahren, meine Gedanken im Tagesreport niederzulegen. Das ist eins der wenigen Vergnügen, die ich noch habe.

Allen Anzeichen nach wird meine eigene geistige Rückentwicklung jedoch sehr schnell vorangehen.

Ich habe bereits begonnen, Anzeichen emotionaler Instabilität und Vergeßlichkeit zu bemerken, die ersten Symptome des Ausbrennens.

 

10. Juni

Verschlechterung schreitet schnell voran. Ich bin zerstreut. Algernon ist vor zwei Tagen gestorben. Die Sektion zeigt, daß meine Voraussage stimmte. Sein Gehirn hatte an Gewicht verloren, es war verweicht, und die Spalten und Risse darin hatten sich vertieft und erweitert.

Ich schätze, daß mit mir bald das gleiche geschehen wird. Jetzt, da es endgültig ist, möchte ich nicht, daß es geschieht.

Ich legte Algernons Körper in eine Käsekiste und begrub ihn im Hinterhof. Ich weinte.

 

15. Juni

Dr. Strauss wollte mich wieder besuchen. Ich habe die Tür nicht geöffnet und ihm gesagt, er solle weggehen. Ich möchte allein sein. Ich bin nervös und leicht reizbar geworden. Ich fühle, wie sich die Dunkelheit um mich schließt. Es ist schwer, Selbstmordgedanken beiseitezuschieben. Ich halte mir immer wieder vor Augen, wie wichtig dieser anschauliche Bericht sein wird.

Es ist ein seltsames Gefühl, ein Buch in die Hand zu nehmen, das man vor wenigen Monaten noch gelesen und an dem man sich erfreut hat, und feststellen zu müssen, daß man sich nicht mehr daran erinnern kann. Ich weiß noch, wie hoch ich John Milton einschätzte, aber als ich Paradise Lost ergriff, konnte ich es absolut nicht mehr verstehen. Ich wurde so wütend, daß ich das Buch quer durch das Zimmer schleuderte.

Ich muß versuchen, mich an einige Dinge zu klammern. An einige der Dinge, die ich gelernt habe. O Gott, bitte nimm mir nicht alles fort.

 

19. Juni

Manchmal mache ich nachts einen Spaziergang. Gestern nacht konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, wo ich wohnte. Ein Polizist hat mich nach Hause gebracht. Ich habe das seltsame Gefühl, daß mir all dies schon früher einmal passiert ist – vor sehr, sehr langer Zeit. Ich sage mir immer wieder, daß ich der einzige Mensch in der Welt bin, der beschreiben kann, was mit mir geschieht.

 

21. Juni

Warum kann ich mich nicht erinnern? Ich muß kämpfen. Tagelang liege ich im Bett und weiß nicht, wer oder wo ich bin. Dann kommt alles blitzartig zu mir zurück. Amnesie. Symptome von Senilität – zweite Kindheit. Ich kann beob-achten, wie es näher kommt. Es ist so grausam logisch. Ich habe so viel und so schnell gelernt. Jetzt entartet mein Geist rasch. Ich darf es nicht geschehen lassen. Ich werde dagegen ankämpfen. Ich muß immer an den Jungen im Restaurant denken, den leeren Gesichtsausdruck, das alberne Grinsen, an die lachenden Leute. Nein – bitte – nur das nicht wieder …

 

22. Juni

Ich vergesse Dinge, die ich erst kürzlich gelernt habe. Es scheint den klassischen Mustern zu folgen – die letztgelernten Dinge sind die ersten, die man vergißt. Oder ist es anders herum? Ich sehe besser einmal nach …

Ich habe meine Niederschrift über den Algernon-Gordon-Effekt noch einmal gelesen, und ich habe das seltsame Gefühl, daß jemand anderes sie geschrieben hat. Es sind Teile darin, die ich nicht einmal verstehe.

Progressive Amnesie. Andauernd stolpere ich über Dinge, und es fällt mir ständig schwerer, die Schreibmaschine zu benutzen.

 

23. Juni

Ich habe es aufgegeben, die Schreibmaschine zu benutzen. Meine Koordination ist schlecht. Ich fühle, daß ich mich nur noch langsam bewegen kann. Heute bekam ich einen furchtbaren Schreck. Ich nahm eine Kopie eines Artikels auf, den ich während meiner Forschungsarbeit benutzt hatte, Kruegers Über psychische Ganzheit, um zu sehen, ob er mir helfen würde, zu verstehen, was ich getan habe. Zuerst glaubte ich, daß mit meinen Augen irgend etwas nicht stimmte. Dann wurde mir klar, daß ich nicht mehr Deutsch lesen kann. Ich versuchte es in anderen Sprachen. Es ist alles weg.

 

30. Juni

Eine Woche ist vergangen, seitdem ich das letztemal geschrieben habe. Es entgleitet mir wie Sand in den Fingern. Die meisten der Bücher, die ich besitze, sind jetzt zu schwierig für mich. Ich ärgere mich über sie, weil ich weiß, daß ich sie noch vor wenigen Wochen lesen und verstehen konnte.

Ich halte mir immer wieder vor, daß ich diese Berichte schreiben muß, damit irgend jemand wissen wird, was mit mir geschehen ist. Aber es fällt mir immer schwerer, die Worte zu formen und richtig zu schreiben. Selbst einfache Wörter muß ich im Lexikon nachschlagen, und das läßt mich ungeduldig mit mir selbst werden.

Dr. Strauss kommt fast jeden Tag vorbei, aber ich habe ihm gesagt, daß ich niemanden sehen oder sprechen will. Er fühlt sich schuldig. Alle haben ein schlechtes Gewissen. Aber ich mache keinen verantwortlich. Ich wußte, was geschehen könnte. Aber wie sehr es schmerzt!

 

7. Juli

Ich weiß nicht, wie die Woche vergangen ist. Heute ist Sonntag, denn ich kann durch mein Fenster die Leute zur Kirche gehen sehen. Ich glaube, ich bin die ganze Woche im Bett geblieben, aber ich erinnere mich daran, daß Mrs. Flynn mir manchmal etwas zum Essen gebracht hat. Immer wieder sage ich mir, daß ich etwas tun muß, aber dann vergesse ich es wieder, oder vielleicht ist es auch einfach leichter, nicht zu tun, was ich tun wollte.

Ich denke jetzt viel an meine Mutter und an meinen Vater. Ich habe ein Bild gefunden, auf dem sie und ich am Strand zu sehen sind. Mein Vater hält einen großen Ball unter dem Arm, und meine Mutter führt mich an der Hand. Ich erinnere mich nicht so an sie, wie sie auf dem Bild sind. Alles, woran ich mich erinnere, ist, daß mein Vater die meiste Zeit über getrunken hat und mit Mutter über Geld stritt. Er rasierte sich nie, und wenn er mich auf den Arm nahm, zerkratzte er mir das Gesicht. Meine Mutter sagte, er wäre gestorben, aber mein Cousin Miltie sagte, er hätte seine Mutter und seinen Vater sagen hören, daß mein Vater mit einer anderen Frau davongelaufen wäre. Als ich meine Mutter danach fragte, schlug sie mir ins Gesicht und sagte, mein Vater wäre tot. Ich glaube, ich habe es nie herausgefunden, was nun eigentlich stimmte, aber jetzt ist es mir egal. (Er sagte, er würde mich zu einer Farm führen, um Kühe anzusehen, aber er hat es nie getan. Er hat sein Versprechen nie gehalten …)

 

10. Juli

Meine Wirtin, Mrs. Flynn, macht sich große Sorgen meinetwegen. Sie sagt, so wie ich den ganzen Tag herumliege und nichts tue, erinnere ich sie an ihren Sohn, den sie später hinauswarf. Sie sagt, sie kann Faulenzer nicht leiden. Wenn ich krank bin, dann ist das eine Sache, aber wenn ich ein Faulenzer bin, dann ist das etwas völlig anderes, und sie duldet es nicht. Ich sagte ihr, ich wäre krank.

Ich versuche jeden Tag ein wenig zu lesen, meistens Geschichten, aber manchmal muß ich dieselbe Seite immer wieder und wieder lesen, weil ich nicht weiß, was es bedeutet. Und das Schreiben ist so schwierig. Ich weiß, ich sollte alle Worte im Lexikon nachschlagen, aber es ist so schwierig, und ich bin die ganze Zeit so müde.

Mir kam die Idee, nur noch die leichten Worte zu gebrauchen anstatt der langen schwierigen. Das spart Zeit. Einmal in der Woche lege ich frische Blumen auf Algernons Grab. Mrs. Flynn findet es verrückt, Blumen auf das Grab einer Maus zu legen, aber ich sagte ihr, daß Algernon etwas Besonderes war.

 

14. Juli

Es ist wieder Sonntag. Ich habe nichts zu tun, jetzt, wo auch noch mein Fernsehgerät kaputt ist und ich kein Geld habe, um es reparieren zu lassen. (Ich glaube, ich habe diesen Monat meinen Scheck vom Labor verloren. Ich kann mich nicht daran erinnern.)

Ich kriege furchtbare Kopfschmerzen, und Aspirintabletten helfen kaum. Mrs. Flynn weiß, daß ich wirklich krank bin, und sie bedauert mich. Sie ist eine wunderbare Frau, wenn jemand krank ist.

 

22. Juli

Mrs. Flynn hat einen fremden Arzt geholt. Sie hatte Angst ich würde sterben. Ich sagte dem Doktor ich wäre sehr krank und daß ich nur manchmal alles vergesse. Er fragte mich ob ich Freunde oder Verwandte hätte und ich sagte nein ich habe keine. Ich erzählte ihm ich hätte einen Freund gehabt mit dem Namen Algernon aber es war eine Maus und wir sind immer um die Wette durch Irrgärten gelaufen. Er blickte mich ziemlich komisch an als dächte er ich wäre verrückt.

Er lächelte als ich ihm sagte ich wäre einmal ein Genie gewesen. Er redete mit mir als wäre ich ein Baby und blinzelte Mrs. Flynn zu. Ich wurde wütend und jagte ihn hinaus weil er sich über mich lustig machte wie früher all die anderen.

 

24. Juli

Ich habe kein Geld mehr und Mrs. Flynn sagt ich muß mir irgendwo Arbeit suchen und die Miete bezahlen weil ich schon über zwei Monate nichts mehr bezahlt habe. Ich kann keine andere Arbeit außer dem Job den ich früher in der Piastigfabrik von Mr. Donnegan verrichtet habe. Ich möchte nicht dorthin zurückgehen weil sie mich dort alle kannten als ich klug war und vielleicht werden sie über mich lachen. Aber ich weiss nicht was ich sonst tun soll um Geld zu kriegen.

 

25. Juli

Ich habe mir ein baar Seiten von früher angesehen die ich im Tagesreport geschriben habe und es ist sehr komisch aber ich kann nichts mer davon lesen. Ich kann ein paar der Wörter verstehen aber sie geben keinen Sin.

Miss Kinnian war an der Tür aber ich sagte gehen Sie weg ich will Sie nicht sehen. Sie weinte und ich weinte auch aber ich lies sie nicht herein, weil ich nicht wollte daß sie über mich lacht. Ich sagte ihr das ich sie nicht mer mag. Ich sagte ihr das ich nicht mer klug sein wolte. Das ist nicht war. ich liebe sie noch imer und ich möchte auch noch imer klug sein aber ich muste das sagen damit sie wegging. Sie gab Mrs. Flynn geld für die miete. Das will ich nicht.

Bitte … bitte last mich nicht vergessen wie man liest und schreibt …

 

27. Juli

Mr. Donegan war ser nett als ich zurückkam und fragte ob ich meinen alten job wieder haben kann, zuerst war er sehr mißtrauisch aber ich erzählte im was mit mir geschehn war dann blikte er mich ser traurik an und legte die hand auf meine schulter und sagte Charlie Gordon du hast mut.

Alle sahen mich an als ich die treppen runterging und in der toilette zu arbeiten begann und auffegte wie früher immer, ich sagte mir Charlie wenn sie sich über dich lustig machen ärgere dich nich weil du erinnerst dich daß sie früher einmal nich so gescheit waren wi du. und dann waren sie auf einmal deine freunde unt wenn sie mal über dich lachten dann hat das nichts zu bedeuten weil sie dich auch gern haben.

Einer der neuen männer der erst in der faprik zu arbeiten anfing nachdem ich wegwar machte einen schlechten Witz er sagte he Charlie ich höre du bist ein so gescheiter knabe ein richtiger quizjunge, sak was intellegentes. los. es war nicht schön aber Joe Carp kam rüber und packte in am hemd und sagte laß ihn zufrieden du dreckige laus oder ich brech dirs genick. ich habe nich erwartet daß Joe meine partei ergreift.

Später kam Frank Reilly rüber und sagte Charlie wenn dir irgentjemand was will oder versucht dich übers ohr zu hauen rufst du mich oder Joe und wir werden in uns vornemen. ich sagte danke Frank und kriegte einen klumpen indi kehle so daß ich mich wegdrehn mußte und in den lagerraum ging damit er nicht sehn konte wie ich weinte, es ist schön freunde zu haben.

 

28. Juli

Heute hab ich was furchtbar dummes gemacht ich vergaß das ich gar nich mehr in Miss Kinnians klasse für Erwachsene war wie früher. Ich ging hin und setzte mich auf meinen alten Plaz hinten hin und sie sah mich ganz komisch an und sagte Charles zu mir. Ich glaube nich daß sie mich früher so genannt hat nur immer Charlie und so sagte ich hallo Miss Kinnian heute bin ich wida da zum lesen nur hab ich mein lese Buch verlorn. Sie fink an zu heuin und rannte aus dem klassen zimmer und alle haben mich angesehn und da merkte ich das das garnich die selben Schüler warn wie in meiner alten klasse.

Dann fiel mir ganz plötzlich was über die operazion ein und wie ich gescheit geworden bin un ich rufe heiliger bimbam das is wirklich un warhaftik ganz Charlie Gordon. Ich bin weg gegangen noch befor sie wieder kam.

Darum will ich fort fon New York für immer. So was will ich nich noch mal machn. Ich will nich daß Miss Kinnian wegen mir traurik is. In der fabrick da bedauan mich alle un das will ich auch nich un darum gehe ich wo hin wo mich niemant nich kennt und wo niemantweiß das Charlie Gordon mal nen Jenie war un jezt kann er nich mal meer lesen un schreiben. Ich nehm en pahr bücher mit und wenn ich se auch nich lesen kann will ichs doch versuchn un vileicht werd ich dann doch noch en bischen gescheiter wie forder operazion. Ich hab meinn Hasenfuß und den glüksfennik un vileicht helfn die mir.

Miss Kinnian wenn sie das lesen was ich schreibe seinse nich traurik ich bin fro das ich noch ne chanze hatte klug zu wem und ich bin fro das ich sovil Sachen geseen hab von denen ich nich mal wußte das es si giebt. Ich weiß nich warum ich wieder dum bin oder was ich falsch gemacht hab vileicht weil ich mich nich genuk an gestrenkt habe. Aber wenn ich mir müe gebe und imer übe vileicht wer ich dann ein bizschen klüger un weis wie man die Wörter schreibt. Ich weis noch wie schön es war als ich das blaue buch gelesn habe das mit dem kaputten Umschlag. Darum strenge ich mich so an damit ich das wider mal fülen kann. Es is nen schönes gefül alles zu wissen und klug zu sein. Ich möchte das jezt auch gerne habn dann würde ich mich sofort hinsezen und lesen. Auf alle feile bin ich scheze ich die einzigsste Person auf der Erde die dumm is un doch was wichtiges für die wissen Schaft rausgefundn hat. Ich weiss das ich was gefundn habe aber nich mehr was. Darum scheze ich ist das so wie wenn ichs für alle dummen Leute auf der Erde getan hette so wi ich.

Aufwiderseen Miss Kinnian un Dr Strauss und alle. Un sagen sie wohl bitte PS Dr Nemur er soll nich son mise peter sein wenn andere lachen und dann wird er vil meer freunde habn. Es is leicht freunde zu habn wenn man andre leute über sich lachn lest. Wo ich hin gee werde ich vil freunde habn. PPS Bitte wenn sie können legn sien paar blumen auf Algernons grab im hof …