Kapitel 24 Total Recall
Wer verheiratet ist, weiß, dass man den richtigen Moment abwarten muss, um ein schwieriges Thema anzusprechen. Der Recall von Gray Davis war noch nicht in trockenen Tüchern, als ich für Terminator 3 auf Werbetour ging, und am Telefon sprach ich mit Maria in den drei Wochen, die ich weg war, nicht über die Abwahl und das, was sie für mich bedeutete. Aber am ersten Abend zu Hause nahmen wir, nachdem die Kinder im Bett waren, wie so oft ein Entspannungsbad im Whirlpool, und das war jetzt mein Moment.
»Bald ist ja dieser Recall«, fing ich ganz harmlos an.
»Ja, die Leute reden davon, dass du antreten willst, und ich sage ihnen, dass sie verrückt sind«, antwortete sie. »So etwas würdest du nie tun.«
»Na ja, eigentlich wollte ich mit dir genau darüber reden. Was hältst du davon, wenn ich kandidiere?« Sie schaute mich an, aber bevor sie etwas sagen konnte, sprach ich schnell weiter: »Sieh dir doch an, was mit dem Staat los ist! Wir werden zur Lachnummer. Als ich hierherkam, war Kalifornien Spitze. Ich weiß, dass ich hingehen und die Dinge wieder ins Lot bringen könnte …«
»Meinst du das ernst?«
»Ja, das ist mein voller Ernst.«
»Ach komm, sag mir bitte, dass du einen Witz machst. Tu mir das nicht an.«
Ich antwortete zögernd: »Ich habe nur … Ich habe mich noch nicht zu irgendetwas verpflichtet. Ich denke nur darüber nach. Wenn du nein sagst, werde ich natürlich nicht antreten. Aber ich finde, die Gelegenheit ist günstig. Es ist ein Recall, das heißt nur zwei Monate Wahlkampf. Ich glaube, dass wir diese zwei Monate überstehen können. Und dann bin ich Gouverneur! Und, Maria, ich kann mir das vorstellen. Ich spüre es. Ich kann es wirklich schaffen!«
Beim Reden darüber übermannte mich die Begeisterung schon wieder. »Die Schauspielerei hängt mir zum Hals raus«, sagte ich. »Ich brauche eine neue Herausforderung. Ich möchte mal etwas anderes machen. Dies ist die Gelegenheit, sich in den Dienst der Öffentlichkeit zu stellen, wie dein Vater es immer verlangt. Und ich glaube, dass ich das viel besser könnte als Gray Davis.«
Ich redete immer weiter, bis meine Frau zu meiner Verblüffung plötzlich zu zittern und zu weinen anfing. Ich konnte es einfach nicht glauben. Wahrscheinlich hatte ich erwartet, dass sie wie Eunice reagieren und sagen würde: »Okay, wenn du das wirklich willst, sollten wir uns sofort hinsetzen und ein paar Dinge entscheiden. Lass uns Berater zusammentrommeln und mit den Besprechungen anfangen.« Das wäre der Kennedy-Stil gewesen. Ich wollte von ihr hören: »Die Kennedys haben also auf dich abgefärbt, und jetzt steigst du auch in die Politik ein. Bravo! Du hast wirklich eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht, seit wir uns kennen. Und jetzt bist du bereit, auf Millionen Dollar zu verzichten und dich für das Gemeinwohl zu engagieren. Ich bin so stolz auf dich!«
Aber da hatte ich wohl geträumt.
»Warum weinst du?«, fragte ich. Und sie redete über die Qual, in einer Politikerfamilie aufzuwachsen. Ich wusste, dass Maria es hasste, zu irgendwelchen Veranstaltungen und öffentlichen Anlässen mitgeschleppt zu werden, bei allen Fototerminen als Staffage herumzustehen und dann am Sonntagabend das Haus voller Berater und Amtsträger zu haben, für die sie sich auch noch in Schale werfen musste. Sie hatte die Wahlkämpfe ihres Vaters gehasst, bei denen sie morgens um fünf Uhr an irgendeinem Fabriktor stehen und die Arbeiter mit »Wählt meinen Papa, wählt meinen Papa« begrüßen musste.
Dass sie als Kind ein regelrechtes Trauma erlitten hatte, war mir allerdings bisher verborgen geblieben. Wir waren sechsundzwanzig Jahre zusammen, davon siebzehn verheiratet, und es traf mich wie ein Schock, jetzt feststellen zu müssen, dass ihre Kindheit als eine Kennedy sie bis ins Mark erschüttert hatte. Zugegeben, ihr Vater war im Kampf um die Vizepräsidentschaft und die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten gescheitert. Ich hatte das abgebucht unter Erfahrungen, die einen nur stärker machen. Dass ihr diese öffentliche Niederlage peinlich war, konnte ich nicht nachvollziehen. In der Politik wissen alle über alles Bescheid. Man führt ein öffentliches Leben. In der Schule war Maria ständig Gesprächsthema. Sie hatte darunter gelitten, nicht nur unter den zwei verlorenen Wahlkampagnen ihres Vaters, sondern auch unter dem tragischen Tod ihrer Onkel John F. Kennedy und Robert Kennedy und dem Drama um den Autounfall ihres Onkels Teddy auf Chappaquiddick. Immer gab es schreckliche Geschichten in der Presse und dementsprechend Spötteleien in der Schule, auf dem Sportplatz und überall, wo sie auftauchte. Kinder stellten grausame Fragen: »Dein Dad hat verloren. Wie fühlt es sich an, ein Verlierer zu sein?« Es war jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube. Und jetzt saß ich hier im Whirlpool und erklärte ihr, dass ich Gouverneur werden wollte. Es war für sie wie bei einem Unfall, wenn das ganze Leben noch einmal an einem vorüberzieht. Alle früheren Verunsicherungen und Ängste schwappten wieder über sie hinweg, und deshalb zitterte und weinte sie.
Ich nahm sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf. Zunächst einmal ein totaler Schock, als ich ihre Qualen sah. Ich wusste, dass sie eine Menge durchgemacht hatte, aber ich dachte, sie habe das gut verarbeitet. Als ich Maria kennenlernte, war sie voller Energie und Begeisterung und Lebenslust. Sie wollte eine Rebellin sein, einen Job auf dem Kapitolshügel verschmähte sie. Stattdessen setzte sie alles daran, Fernsehjournalistin und Produzentin zu werden, vor der Kamera zu stehen und eine der Besten ihres Fachs zu sein. Sie wollte nicht mit den Kennedys in einen Topf geworfen werden. Sie wollte eine Shriver sein, die Frau, die Castro und Gorbatschow und Ted Turner und Richard Branson interviewte. Ich dachte damals: »Ich bin genauso, das haben wir gemeinsam! Beide wollen wir wirklich gut sein und einzigartig und hervorragend.« Als es später ernster mit uns wurde, hatte ich das Gefühl, dass sie die Frau war, die mir helfen konnte, alles zu erreichen, was ich wollte, egal welches Ziel ich mir setzte. Und umgekehrt wollte ich ihr helfen, all das zu schaffen, was sie sich vorgenommen hatte.
Zugegeben war die Politik nie Teil dieser Abmachung gewesen. Im Gegenteil. Als Maria mich kennenlernte, war sie einundzwanzig Jahre alt und wollte unbedingt einen Mann, der absolut nichts mit Politik zu tun hatte. Und dann kam ich, dieser österreichische Junge vom Lande mit den starken Muskeln, der Bodybuilding-Champion war und Filmstar in Hollywood werden wollte, um dann später mit Immobilien reich zu werden. Sie dachte: »Großartig! Das führt uns so weit weg von der Politik und von Washington wie nur möglich.« Doch jetzt, fast dreißig Jahre später, schloss sich der Kreis, und ich sagte plötzlich: »Was hältst du von der Idee, dass ich Gouverneur werde.« Kein Wunder, dass sie völlig verstört war. Mir wurde klar, dass sie mir manches von dem, was sie jetzt belastete, schon erzählt hatte, aber ich hatte es einfach nicht so ernst genommen.
Später an diesem Abend lag ich im Bett und dachte: »Verdammt, das funktioniert nicht. Wenn Maria nicht hinter mir steht, kann ich unmöglich da rausgehen und Wahlkampf machen.« Ich wollte ihr niemals solche Qualen zumuten.
Was ich Maria verschwiegen hatte, war ein Auftritt bei Jay Leno, der bereits geplant war. Gerade an dem Tag, als feststand, dass es zum Recall kommen würde, hatte ich Leno, Moderator der Tonight Show, zufällig beim Friseur getroffen. »Ob du antrittst oder nicht, ich möchte, dass du zuerst in meiner Show darüber sprichst«, hatte er gesagt. Und ich dachte: »Wenn ich mich wirklich bewerbe, wäre das eine coole Art, es zu verkünden.« Also sagte ich zu, und wir einigten uns auf einen Auftritt am 6. August, drei Tage vor Bewerbungsschluss.
Es war keine angenehme Nacht. All die Tränen, all die Fragen, kaum Schlaf. »Wenn sie es nicht will, werden wir es einfach nicht machen«, dachte ich. Das hieß, dass ich meine Vision würde aufgeben müssen – eine sehr schwierige Sache, nachdem ich jetzt so darauf fixiert war. Ich würde den Autopiloten ausschalten und das Flugzeug eigenhändig zum Flughafen zurücklenken müssen.
Am nächsten Morgen erklärte ich Maria: »Bei der Wahl anzutreten ist mir nicht das Wichtigste. Die Familie ist das Wichtigste. Du bist das Wichtigste, und wenn dies eine so furchtbare Belastung für dich ist, werden wir es nicht tun. Ich finde nur, dass sich hier eine großartige Chance bietet, und ich glaube, wenn du willst, dass es Kalifornien bessergeht …«
»Nein«, sagte sie. »Es wäre schrecklich. Ich will nicht, dass du es machst.«
»Gut, dann ist das geklärt. Ich werde nicht antreten.«
An jenem Abend verkündete sie den Kindern beim Abendessen: »Ihr solltet euch alle bei Daddy bedanken, denn er hat eine Entscheidung getroffen, die gut für unsere Familie ist. Daddy wollte sich um das Amt als Gouverneur bewerben.« Natürlich redeten die Kinder alle durcheinander und reagierten ganz unterschiedlich. »Danke, Daddy«, wurde gesagt. Es hieß aber auch: »Das wäre echt cool, als Gouverneur zu kandidieren, wow.«
In den nächsten Tagen passierte so einiges. Jay Leno rief an, um alles klarzumachen, und ich fühlte mich verpflichtet, ihm zu sagen, dass ich wohl nicht antreten würde. Er meinte nur: »Kein Problem.« Es hatte so viele Spekulationen um meine Kandidatur gegeben, dass ihm auf jeden Fall hohe Einschaltquoten sicher waren. »Du wirst der erste Gast sein«, sagte er.
Inzwischen hatte Maria mit ihrer Mutter gesprochen, und Eunice war gar nicht glücklich über die Entscheidung. Sie und Sarge hatten immer an mich geglaubt und mich ermutigt, mich fürs Gemeinwohl einzusetzen. Nachdem ich im Juni ein paar Reportern erzählt hatte, dass ich mit dem Gedanken spielte, selbst ins Rennen zu gehen, hatte Sarge mir eine kleine Notiz geschickt: »Ich freue mich sehr darüber. Ich kann mir heute niemand anderen vorstellen, den ich lieber in diesem Amt sehen würde. Ich hoffe, dir ist klar, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben republikanisch wählen würde, wenn ich Kalifornier wäre!« Eunice ihrerseits hatte immer das Bedürfnis gehabt, am öffentlichen Leben teilzunehmen, und sie blickt ausschließlich nach vorn, um Niederlagen und Tragödien hinter sich zu lassen. Maria verglich mich immer mit ihr und witzelte: »Ich habe meine Mutter geheiratet.« Als Maria ihrer Mutter jetzt erklärte, dass sie gegen meine Kandidatur war, fuhr Eunice sie geradezu an. Sie schimpfte: Maria solle sich zusammenreißen! »Was ist los mit dir?«, sagte sie. »Wir Frauen in unserer Familie stehen immer hinter unseren Männern, wenn sie sich etwas vornehmen!« Ich war bei dem Gespräch natürlich nicht dabei, aber Maria hat mir später davon erzählt. »Und außerdem«, fuhr ihre Mutter fort, »wenn ein Mann den Ehrgeiz hat zu kandidieren, kannst du diesen Ehrgeiz nicht auslöschen. Und wenn du ihn bremst, wird er für den Rest seines Lebens wütend darüber sein. Also beklag dich nicht. Geh an die Öffentlichkeit und hilf ihm!«
Damals trafen wir uns fast täglich mit meinem Freund Dick Riordan, dem ehemaligen Bürgermeister von Los Angeles. Er und seine Frau Nancy wohnten nur ein, zwei Kilometer von uns entfernt. Dick war ein gemäßigter Republikaner wie ich. Er hatte im Jahr zuvor die Vorwahlen für das Gouverneursamt verloren. Viele erwarteten, dass er beim Recall antreten würde, und er hatte sehr gute Aussichten auf einen Sieg. Seinen hervorragenden Wahlkampfmanager Mike Murphy hatte er schon wieder eingestellt. Doch dann hörte man, dass Dick politische Treffen schwänzte und stattdessen lieber Golf spielte.
Ich rief ihn an, um zu hören, was da los war. »Ich werde wohl nicht kandidieren«, erklärte ich ihm, »und wenn ich nicht antrete, heißt das, dass ich dich unterstütze.«
Er dankte mir und lud uns später zu einem Abendessen in ihrem neuen Strandhaus in Malibu ein. Während des ganzen Essens redeten wir darüber, dass die Riordans ins Rennen gehen würden und wir nicht. Und da spürte ich zum ersten Mal, dass Marias Einstellung sich langsam änderte.
»Arnold hatte sich schon fast zu einer Kandidatur entschlossen, und dann hat er entschieden, doch nicht anzutreten, weil wir uns mit dieser Vorstellung einfach nicht anfreunden konnten«, erzählte Maria unseren Gastgebern.
»Ja, man muss Prioritäten setzen«, fügte ich hinzu, »und ich bin froh, dass ich mich gegen die Kandidatur entschieden habe.«
Maria wandte sich mir zu. »Ich weiß, dass es dir schwergefallen ist. Aber letztendlich musst du dich entscheiden. Du solltest tun, was du willst.«
Das machte mich stutzig. Sagte sie da etwa: »Es hat mich völlig umgehauen, als du mir davon erzählt hast, aber jetzt kann ich schon besser damit umgehen?«
Nach dem Essen ging Dick mit mir nach draußen auf die Terrasse, boxte mich spielerisch und sagte: »Du solltest antreten.«
»Was soll das heißen?«
»Um ehrlich zu sein, fehlt mir die Begeisterung, die ich bei dir spüre. Du solltest antreten. Warum soll ich nicht dich unterstützen?«
Auf der Heimfahrt machte ich einen erneuten Versuch: »Du glaubst nicht, was gerade passiert ist«, und ich erzählte Maria von unserem Gespräch.
»Ich dachte schon beim Abendessen, dass da etwas im Busche ist!«, meinte sie. »Und, was hast du ihm geantwortet?«
»Ich habe ihm von dir erzählt, dass du ganz und gar dagegen bist …«
»Also, ich will nicht die Spielverderberin sein. Die Verantwortung lasse ich mir nicht zuschieben. Vielleicht solltest du wirklich kandidieren.«
Darauf konnte ich nur antworten: »Maria, wir müssen uns bis nächste Woche entscheiden.«
Und so ging es tagelang hin und her. Ihr Dilemma konnte ich jetzt gut verstehen. Einerseits war Maria wagemutig und tapfer und wollte eine starke Partnerin sein, andererseits sagte ihr eine innere Stimme: »Diese Achterbahnfahrt hast du schon einmal mitgemacht. Es besteht die große Gefahr, dass er verliert, und damit wirst du selbst zur Verliererin. Du steigst da in eine absolut heikle Sache ein, die du nicht zu verantworten hast.« Sie sagte mir immer wieder, ich müsse das selbst entscheiden, aber jedes Mal, wenn ich andeutete, dass ich ernsthaft über eine Kandidatur nachdachte, wirkte sie beunruhigt.
Ich war selbst völlig aus dem Tritt. Bisher war es immer unglaublich befriedigend gewesen, über den nächsten Karriereschritt nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen. Etwa, als ich mit der Schauspielerei anfing und beschloss, dass ich nicht mehr als Bodybuilder an Wettbewerben teilnehmen würde. Die Vision hatte mir klar vor Augen gestanden, ich hatte mich dafür entschieden, und fertig. Aber es war eine ganz andere Sache, als Ehemann und Vater solche Entscheidungen zu treffen.
Normalerweise hätte ich so etwas mit meinen Freunden besprochen, aber eine Kandidatur als Gouverneur, in der gegenwärtigen Situation – ein brisantes Thema, mit dem ich mich an niemanden wenden konnte. Ich betonte das auch Maria gegenüber: »Das geht nur uns etwas an. Wir werden das entscheiden.«
In dieser Zeit lud mich Danny DeVito zu sich nach Hause ein. Er hatte drei Filmprojekte, die er mir schmackhaft machen wollte, darunter Twins 2 und eines, das er selbst geschrieben hatte und bei dem er Regie führen wollte. Ich sagte: »Das ist eine tolle Idee, Danny, ich würde wahnsinnig gern wieder mit dir arbeiten. Aber weißt du, Kalifornien geht es furchtbar schlecht.«
»Ja, da hast du wohl recht, aber was hat das mit meinen Filmen zu tun?«
»Na ja, wenn meine Frau nichts dagegen hat, könnte es sein, dass ich mich um das Amt des Gouverneurs bewerbe.«
»Was! Bist du verrückt? Lass uns lieber einen Film zusammen machen!«
»Danny, das hier ist wichtiger. Kalifornien ist wichtiger als meine Karriere, als deine Karriere oder die Karriere von wem auch immer. Ich werde antreten, wenn meine Frau mich lässt.«
Er stimmte zu und dachte wohl, dass das sowieso nicht passieren würde. Und plötzlich war Mittwoch, der 6. August, da, der Tag, an dem ich vor die Kamera treten sollte. Ich wusste noch immer nicht, was ich sagen würde. Morgens war ich noch im Badezimmer, als ich Maria nach mir rufen hörte. »Ich muss zur NBC«, sagte sie. Sie stand bereits vor der Tür. »Ich habe dir etwas aufgeschrieben, das dir bei der Tonight Show helfen wird.« Damit schob sie zwei Zettel unter der Tür durch.
Auf dem waren eine Reihe von Statements aufgelistet, die im wesentlichen darauf hinausliefen: »Ja, Jay, du hast völlig recht, es sieht katastrophal aus für Kalifornien und wir brauchen eine neue Führung. Eine Alternative gibt es nicht, und deshalb bin ich heute hier, um zu erklären, dass ich Dick Riordan bei seiner Kandidatur um das Amt des Gouverneurs unterstützen werde. Ich werde mit ihm zusammenarbeiten, aber ich werde selbst nicht antreten.« Dick hatte seinen Hut noch nicht in den Ring geworfen, aber sie nahm an, dass er das letztendlich tun werde.
Auf dem anderen Zettel stand ungefähr: »Ja, Jay, du hast völlig recht, es sieht katastrophal aus für Kalifornien, und wir brauchen eine neue Führung. Deshalb möchte ich heute erklären, dass ich für das Amt des Gouverneurs des Staates Kalifornien kandidieren werde. Ich werde dafür sorgen, dass wir die Probleme lösen«, und so weiter.
Ich erwischte Maria nicht mehr, um das mit ihr zu besprechen. Sie war gegangen. Ich sagte mir: »Okay, sie hat mir diese Zettel dagelassen. Wir hatten eine Woche lang diese Gespräche. Ich werde jetzt nicht mehr darüber nachdenken, bis ich in der Show bin. Und was immer mir dann über die Lippen kommt, wird schon richtig sein.« Natürlich neigte ich zu einer Bewerbung.
Kein politischer Berater würde je empfehlen, eine ernsthafte Kandidatur in der Tonight Show zu verkünden, aber ich war dort Dutzende Male zu Gast gewesen und fühlte mich sicher auf diesem Parkett. Jay war ein guter Freund. Ich wusste, dass er mich fair behandelte und vernünftige Fragen stellte und das Publikum einbezog. Bei einer Pressekonferenz bekommt man die Reaktionen der eigentlichen Adressaten nicht mit.
Leno hatte unzählige Male angedeutet, dass ich da sei, um eine sehr wichtige Ankündigung zu machen. Jeder, von meinen engen Freunden bis hin zu dem Fahrer, der mich zum Studio brachte, fragte sich: Was wird er sagen? Leno stellte mir kurz vor der Sendung dieselbe Frage. Aber in der politischen Welt, wo jeder irgendeinem Journalisten noch etwas schuldig ist und jeder Journalist einen Knüller braucht, bleibt nichts geheim. Ich konnte nur dann etwas wirklich Neues verkünden, wenn ich niemandem antwortete. Ich sagte nichts, solange wir nicht auf Sendung waren.
Als die Sonne unterging, war es geschehen: Ich war mit im Rennen. Die Tonight Show wird um dreiundzwanzig Uhr ausgestrahlt, aber um 17.30 Uhr kalifornischer Zeit aufgezeichnet. Nachdem ich meine Bewerbung verkündet hatte, beantwortete ich Fragen von Hunderten von Reportern und Fernsehteams, die sich vor dem Ausgang versammelt hatten. Die verrückte Recall-Initiative in Kalifornien hatte plötzlich ein Gesicht! Ein paar Tage später war ich auf dem Cover des Time-Magazins, mit einem breiten Grinsen und einer Schlagzeile, die nur aus einem Wort bestand: »Ahhnold!?«
Am nächsten Tag verwandelte sich mein Büro in Santa Monica in die Zentrale der »Schwarzenegger for Governor«-Kampagne. Wenn man einen Wahlkampf startet, sollte man schon Tausende Dinge vorbereitet haben – Themen, Slogans, ein Fundraising-Konzept, Mitarbeiter, eine Website. Das alles gab es nicht, weil ich alle im Ungewissen gelassen hatte. Selbst das Anwerben von Spendensammlern hätte meine Absichten verraten. Also konnte ich mich nur auf das Team stützen, das schon »Proposition 49« mit mir durchgeboxt hatte. Wir organisierten alles ganz spontan.
Das führte natürlich auch zu dem einen oder anderen peinlichen Moment. Am Freitag stand ich um drei Uhr morgens auf, um der Today-Show sowie Good Morning America und CBS This Morning Interviews zu geben. Den Anfang machte Matt Lauer von Today. Als er mich mit Fragen unter Druck setzte, wie ich denn nun genau die kalifornische Wirtschaft wieder in Schwung bringen wollte und ob ich meine Steuererklärungen veröffentlichen würde, merkte ich plötzlich, dass ich nicht vorbereitet war. Ich wusste keine Antwort und musste schließlich bei dem alten Groucho-Marx-Gag Zuflucht nehmen und so tun, als sei die Verbindung schlecht: »Sagen Sie das bitte noch einmal?« Ich legte eine Hand an den Ohrknopf. »Ich habe Sie akustisch nicht verstanden.«
Lauer beendete das Interview schließlich mit der sarkastischen Bemerkung: »Offenbar haben wir die Verbindung zu Arnold Schwarzenegger in Los Angeles verloren.« Es war mein schlechtester Auftritt überhaupt.
Maria hatte bisher Abstand gehalten und versuchte, sich an diese neue Entwicklung in unserem Leben zu gewöhnen. Als sie mich jedoch im Fernsehen herumstottern sah, erwachte die Kennedy-Löwin in ihr. Später an diesem Morgen kam sie zu einem Treffen der Berater, die sich alle Mühe gaben, einen Wahlkampf auf die Beine zu stellen. Sie bombardierte mich sofort mit Fragen: »Was hast du vor? Wo ist dein Stab? Wie lautet dein Slogan? Was hast du mit diesen Fernsehauftritten bezweckt? In welche Richtung läuft die Kampagne?« Ganz ruhig, ohne auch nur die Stimme zu erheben, brachte sie zwei Generationen Autorität und Erfahrung ein.
Danach beschloss sie: »Wir brauchen mehr Leute, und zwar schnell. Und wir brauchen jemanden, der die ganze Sache in die Hand nimmt und Kontinuität hineinbringt.« Sie rief Bob White in Sacramento an, der mitgeholfen hatte, die Kampagne für die Nachschulbetreuung in Gang zu bringen, und der die meisten Leute empfohlen hatte, mit denen ich jetzt zusammenarbeitete. »Sie müssen herkommen«, erklärte sie ihm. »Wir brauchen Ihre Hilfe.« Also öffnete Bob sein Adressbuch und lieferte uns einen Wahlkampfmanager, einen Strategen, einen politischen Leiter und einen Kommunikationschef, und dann blieb er selbst gleich da, um hinter den Kulissen alles zu überwachen. Auch Ex-Gouverneur Pete Wilson packte mit an: Er unterstützte mich nicht nur, sondern organisierte auf eigene Faust eine Fundraising-Party im Regency Club und half mir, mit Telefonanrufen Großspender zu gewinnen.
Zu meinen ersten Schritten als Kandidat gehörte es, Teddy Kennedy einen Besuch abzustatten. Ich konnte bei ihm kaum auf offizielle Unterstützung hoffen. Teddy hatte vielmehr eine schriftliche Erklärung herausgegeben, in der es hieß: »Ich mag und respektiere Arnold … Aber ich bin Demokrat. Und ich unterstütze die Bemühungen der Recall-Initiative nicht.« Und doch riet mir Eunice, ihn zu besuchen. Als sie hörte, dass ich kurz nach Bekanntgabe meiner Kandidatur wegen einer anderen Verpflichtung, die ich Monate zuvor eingegangen war, nach New York fliegen musste, drängte sie mich, in Hyannis Port vorbeizuschauen und mit ihrem Bruder zu reden. »Du bist politisch nicht auf seiner Linie«, sagte Eunice, »aber er hat so viele Wahlkämpfe geführt und alle außer der Präsidentschaftskandidatur gewonnen. Ich würde mir also zu Herzen nehmen, was er sagt.«
Teddy und ich redeten mehrere Stunden miteinander, und er gab mir einen Rat, den ich mir wirklich zu Herzen nahm: »Arnold, geh nie in die Einzelheiten.« Er erzählte mir eine kleine Geschichte, um das zu erklären. »Es gibt niemanden, der mehr über Gesundheitsfürsorge weiß als ich, stimmt’s? Gut, einmal veranstaltete ich eine vierstündige öffentliche Anhörung, in der wir bis ins kleinste Detail über Gesundheitsfürsorge sprachen. Dann kam ich aus dem Saal und ging in mein Büro, wo mich dieselben Reporter, die gerade bei der Anhörung gewesen waren, einholten: ›Senator Kennedy, Senator Kennedy, können wir mit Ihnen über Gesundheitsfürsorge reden?‹
›Ja natürlich, was wollen Sie wissen?‹
›Wann werden wir endlich Genaueres zu hören bekommen?‹« Teddy lachte. »Das zeigt nur, dass man noch so viele Details liefern kann, sie verlangen immer noch mehr. Eigentlich wollen sie nämlich nur, dass du irgendetwas Spektakuläres sagst. Über eine vierstündige Kongressanhörung zu berichten ist gut und schön, aber Journalisten wollen Schlagzeilen. Nur damit kommen sie groß raus.«
Teddy fuhr fort: »Von Anfang an sollte man nur sagen: ›Ich bin hier, um das Problem zu lösen.‹ Das ist der einzig richtige Ansatz. In Kalifornien musst du sagen: ›Ich weiß, dass wir große Probleme haben, wir haben den Stromausfall, wir haben die Arbeitslosigkeit, wir haben eine Abwanderung von Unternehmen, wir haben Menschen, die Hilfe brauchen – und ich werde diese Probleme lösen.‹« Das beeindruckte mich zutiefst. Ohne Teddys Ratschlag hätte mich die Frage der Reporter: »Wann werden wir Genaueres zu hören bekommen?« wahrscheinlich jedesmal eingeschüchtert. Matt Lauer von Today hatte mich vorgeführt, als er Details hören wollte. Aber Teddy zeigte mir, dass ich nicht auf diese Frage antworten musste, sondern stattdessen voller Selbstvertrauen sagen konnte: »Ich möchte Ihnen eine klare Vision für Kalifornien aufzeigen.«
Es war mein Finanzberater Paul Wachter, der darauf hinwies, dass die erste Hürde, die wir in meiner Wahlkampagne nehmen mussten, meine Glaubwürdigkeit sein würde. Er, Maria und Bonnie Reiss waren meine engsten Berater, und Paul war frühzeitig aus einem Familienurlaub zurückgekehrt, sobald er gehört hatte, dass ich kandidieren würde. Als der Wahlkampf in die zweite Woche ging, berichtete er mir, er habe Anrufe von Freunden aus der Geschäfts- und Finanzwelt bekommen, die meinten: »Jetzt mal ehrlich, er meint das doch nicht ernst, oder?« Zugegeben, alle kannten mich, und wenigstens einige wussten auch, was ich schon für die Öffentlichkeit geleistet hatte, aber in dem allgmeinen »Recall-Zirkus«, wie die Reporter es inzwischen nannten, musste ich zeigen, dass meine Kandidatur nicht einfach nur ein weiteres Spaßprojekt irgendeines Promis war. Aber wie sollte ich das anpacken?
Mein Wahlkampfteam drängte mich dazu, George Shultz anzurufen. Er war so eine Art graue Eminenz. Shultz war unter Reagan Außenminister und unter Nixon Finanzminister gewesen, jetzt lehrte er an der Hoover Institution in Stanford und war vielleicht Amerikas angesehenster republikanischer Elder Statesman. Er erwartete meinen Anruf, doch als ich ihn in der Leitung hatte, knurrte er bloß: »Sie haben zwei Minuten, um mir zu erklären, warum ich Sie unterstützen sollte.«
Ich sagte in etwa: »Der Staat sollte nicht mehr Geld ausgeben, als er hat, und er braucht eine Führungsfigur, die ihn dazu in die Lage versetzt. Ich möchte diese Führungspersönlichkeit sein, und ich würde Ihre Hilfe zu schätzen wissen.«
Das war die richtige Antwort.
»Ich bin dabei«, sagte er. Also schlug ich ihm gleich eine gemeinsame Pressekonferenz vor.
»Ich rufe Sie zurück«, antwortete er. Bei unserem nächsten Telefongespräch erklärte er mir: »Ich habe eine Idee. Warren Buffett hat sich positiv über Sie geäußert, und er ist Demokrat. Vielleicht wäre es klug, wenn Sie ihn anriefen und ihn auch zu dieser Pressekonferenz einladen würden. Das vermittelt den Eindruck, dass Sie kein Parteisoldat sind, sondern einfach nur die Probleme lösen wollen. Wir werden über Ziele reden, die nichts mit den politischen Grabenkämpfen zu tun haben.«
Ich hatte mich schon einmal mit Buffett unterhalten, und wir hatten uns gleich gut verstanden. Es hatte mich sehr gefreut, dass er mir anbot, mich im Falle einer Kandidatur zu unterstützen, obwohl er Demokrat war. Aber natürlich können die Leute kalte Füße bekommen, wenn es ernst wird. Also bat ich Paul, der Warren gut kannte, vorzufühlen, ob er sich noch immer engagieren wollte. Warren war sofort dazu bereit.
Meine Mitarbeiter rieten mir, mehr an die Öffentlichkeit zu gehen – schließlich waren es nur zwei Monate bis zur Wahl. Ich hatte die Leidenschaft, die Vision und das Geld, aber ich wusste auch, dass ich die komplizierten Probleme, mit denen sich der Staat konfrontiert sah, erst einmal genauer verstehen musste, bevor ich mich als Kandidat aus der Deckung wagen konnte. Shultz schickte einen Kollegen von der Hoover Institution, der mir ein intensives fünfstündiges Seminar zu den Schulden und Defiziten Kaliforniens gab. Es war eine Kombination aus Schaubildern und Gesprächen und Lektüre, und es war so interessant und nützlich, dass ich sofort vorschlug, auch zu den anderen wichtigen Themen ähnliche Unterrichtseinheiten zu organisieren. »Ich möchte die besten Fachleute weltweit hören«, sagte ich, »egal, welcher Partei sie angehören.«
In den nächsten paar Wochen versuchte ich möglichst viel in mich aufzunehmen. Mein Stab nannte es die »Schwarzenegger University«, und es ging zu wie im Taubenschlag. Die Fachleute gaben sich die Klinke in die Hand, darunter Ed Leamer, ein liberaler Wirtschaftswissenschaftler und Leiter der Anderson School of Business an der UCLA, und der frühere Gouverneur Wilson. Republikanische Politiker, die selbst mit dem Gedanken an eine Kandidatur gespielt hatten, nahmen sich freundlicherweise ebenfalls die Zeit, mir Nachhilfe zu geben: unter anderem Dick Riordan sowie die Kongressabgeordneten Darrell Issa und David Dreier. Ich befasste mich mit allen möglichen Themen, von der Energie über die Unfallversicherung von Arbeitnehmern bis hin zu den Collegegebühren. Meine Mitarbeiter wollten diese Treffen so kurz wie möglich halten – ihrer Meinung nach sollte ich lieber rausgehen und Wahlkampf machen –, aber ich weigerte mich. Ich brauchte das Wissen nicht nur für die Kampagne, sondern vor allem, um den Staat lenken zu können. Irgendwie ging ich davon aus, dass ich ganz sicher gewinnen würde.
Ich erfuhr, dass der Gouverneur von Kalifornien mehr Ernennungen aussprechen kann als jeder andere Volksvertreter in Amerika mit Ausnahme des US-Präsidenten und des Bürgermeisters von Chicago. Der Gouverneur kann außerdem jedes Staatsgesetz und jede Verordnung aussetzen, indem er den Notstand erklärt, und er kann zusätzliche Volksabstimmungen anordnen, wenn er über Vorschläge direkt von den Wählern abstimmen lassen will. Alles Machthebel, die womöglich wichtig werden konnten.
Als die »Schwarzenegger University« ihre Pforten schloss, stellten meine Mitarbeiter mir eine weiße Mappe mit den wichtigsten Inhalten der Unterrichtseinheiten zusammen. Ich trug sie im ganzen Wahlkampf immer mit mir herum. Darin befand sich auch eine Liste mit den Dingen, die ich als Gouverneur tun wollte, und auf der Rückseite eine Liste mit allen Versprechen, die ich während der Wahlkampagne machte.
Man konnte davon ausgehen, dass Buffett und Shultz sich nicht einfach zurücklehnten, wenn sie jemandem ihre Unterstützung versprochen hatten. Als unsere gemeinsame Pressekonferenz näherrückte, griffen sie Pauls Idee auf, einen überparteilichen Gipfel von Wirtschaftsführern einzuberufen, um auszuloten, wie man die Wirtschaft wieder ins Gleis bekommen könnte. Wir gaben der Veranstaltung den Namen »California Economic Recovery Council«, denn genau darum ging es, um die wirtschaftliche Erholung Kaliforniens.
Sie wollten diese zweistündige Zusammenkunft, die vor der Pressekonferenz hinter verschlossenen Türen stattfinden sollte, nicht nur gemeinsam leiten, sondern lieferten mir auch eine Liste mit fast zwei Dutzend Namen. Paul und ich luden diese Fachleute selbst zum Gipfel ein, wir saßen in meiner Küche und telefonierten einen nach dem anderen ab. Darunter waren Schwergewichte wie Michael Boskin, der Präsident Bush senior beraten hatte, Arthur Rock, Mitbegründer von Intel und ein Vorreiter von Wagniskapitalbeteiligungen im Silicon Valley, außerdem der frühere Staatssekretär von Kalifornien, Bill Jones, sowie Ed Leamer von der UCLA. Dem typischen Terminator- oder Twins-Fan sagten diese Namen vielleicht nichts, den politischen Medien und dem Establishment jedoch signalisierten sie unmissverständlich, dass ich es mit meiner Kandidatur ernst meinte.
Bei der Zusammenkunft am 20. August kamen nützliche Ideen heraus, und die anschließende Pressekonferenz, war ein voller Erfolg. Wir hatten den Ballsaal des Westin Hotel in der Nähe des Flughafens von Los Angeles gemietet. Er war gesteckt voll mit Reportern und Fernsehteams aus der ganzen Welt, und man spürte die Aufregung. Ich hatte zuletzt im Mai eine Pressekonferenz für Terminator 3 in Cannes gegeben. Aber diese hier war von einem anderen Kaliber.
»Perfekt!«, dachte ich. Der Demokrat Buffett und der Republikaner Shultz saßen neben mir und machten so schon optisch deutlich, dass ich der Kandidat für ganz Kalifornien war. Nach ein paar einleitenden Worten von ihnen antwortete ich fünfundvierzig Minuten lang auf Fragen und redete über das, was ich tun würde, wenn die Wähler mich auf den Posten von Gray Davis wählten. Erste Priorität, so sagte ich, hatte die ökonomische Gesundung Kaliforniens, und dazu sei schnelles Handeln nötig, um den Haushalt auszugleichen. »Heißt das, dass wir bei den Staatsausgaben Einschnitte machen werden? Ja. Heißt das, dass die Bildung zur Disposition steht? Nein. Heißt das, dass ich die Steuern erhöhen will? Nein. Zusätzliche Steuern sind eine Belastung, die wir den Bürgern und Unternehmen Kaliforniens nicht aufbürden dürfen.«
Ich war vorher sehr nervös gewesen, denn hier waren die offiziellen Qualitätssender versammelt, nicht der Boulevard. Also überlegte ich: Sollte ich den Ton ändern? Sollte ich staatstragender klingen? Doch Mike Murphy, der gerade als mein Wahlkampfmanager dazugestoßen war, meinte: »Zeig, dass du dich wohlfühlst. Dass du liebst, was du tust. Sei sympathisch, sei du selbst, sei witzig, amüsier dich. Mach dir keine Gedanken darüber, dass du etwas Falsches sagen könntest, versuch nur, schlagfertig zu sein. Die Leute erinnern sich nicht an das, was du sagst, sondern nur daran, ob sie dich mögen oder nicht.« Es war also okay, wenn ich mich einfach ganz natürlich verhielt. Ich ging raus und hatte wirklich viel Spaß. In einer der ersten Fragen ging es um Warren Buffett und »Proposition 13«. Eine Woche zuvor hatte er dem Wall Street Journal erklärt, dass Kalifornien mehr einnehmen könnte, wenn man dieses Gesetz überdenken würde, das die Vermögenssteuern unrealistisch niedrig hielt. »Es ist unsinnig«, hatte er gesagt. Und so fragte ein Reporter jetzt: »Warren Buffett sagt, dass Sie Proposition 13 ändern und die Vermögenssteuern erhöhen sollten. Was meinen Sie dazu?«
»Zunächst einmal habe ich Warren gewarnt: Wenn er Proposition 13 auch nur noch ein einziges Mal erwähnt, muss er fünfhundert Sit-ups machen.« Damit hatte ich die Lacher auf meiner Seite, und Warren, der kein Spielverderber ist, grinste. Dann machte ich unmissverständlich klar, dass ich die Vermögenssteuern nicht erhöhen würde.
Es kamen Fragen zu allen Themen, von der Einwanderung bis zu meinem Verhältnis zu den Demokraten, die in beiden Kammern des Parlaments, Senat und Assembly, die Mehrheit stellten. »Ich bin es gewohnt, mit Demokraten umzugehen«, sagte ich. Schließlich war ich mit einer verheiratet.
Und natürlich kam auch die Frage, wann ich denn nun Details zu meinen Wirtschafts- und Haushaltsplänen liefern würde. Ich antwortete: »Die Leute interessieren nicht dürre Zahlen und Daten. Sie haben in den letzten fünf Jahren viele Zahlen gehört. Was sie wirklich wissen wollen, ist, ob man durchsetzungsfähig genug ist, um den Augiasstall auszumisten. Die Bürger von Kalifornien können auf eines zählen: Ich werde hart arbeiten.« Es hätte keinen Sinn, fügte ich hinzu, genaue Positionen zu komplizierten Fragen zu entwickeln, solange ich mir kein klares Bild über die tatsächliche Situation machen konnte.
Ein Reporter fragte, ob ich nicht vor dem Wahltag am 7. Oktober mit Einzelheiten herausrücken müsse. Im stillen dankte ich Teddy und sagte einfach: »Nein.«
Meine Berater waren begeistert – und die Berichterstattung über meine Stellungnahmen war in den folgenden Stunden und Tagen überwältigend positiv. Lachen musste ich allerdings, als ich am nächsten Morgen die Schlagzeile des San Francisco Chronicle las: »Mit markigen Sprüchen gegen das Haushaltsdefizit – Details liefert der Schauspieler kaum«.
Maria, die gerade mit den Kindern aus Hyannis Port zurückgekommen war, meinte, ich hätte mich gut geschlagen. Es freute sie, dass die Kampagne jetzt sehr viel strukturierter und markanter war, vor allem dank der Veränderungen, die sie in jenen ersten Tagen in Gang gesetzt hatte. Und dann war da noch etwas. Ich glaube, zum ersten Mal witterte sie den Sieg, glaubte sie, dass ich tatsächlich eine Chance hatte zu gewinnen.
Von diesem Tag an nahm der Wahlkampf Fahrt auf. Wir suchten uns jede Woche ein Thema: Wirtschaft, Bildung, Arbeit, Umwelt. Wir organisierten sogar eine Pressekonferenz im Bahnhof von Sacramento, wo Anfang des Jahrhunderts Gouverneur Hiram Johnson seine historische Rede gegen die Eisenbahnbarone gehalten und sich für Volksentscheide und Wählerinitiativen ausgesprochen hatte, mit deren Hilfe die Bürgerinnen und Bürger sich den Staat zurückerobern sollten. Ich entschied mich für diesen Ort, auch um deutlich zu machen, dass ich gewisse im Wahlsystem angelegte Probleme aufgreifen wollte, etwa die Manipulation der Wahlkreisgrenzen (das sogenannte »Gerrymandering«), mit der die gewählten Amtsträger den Zuschnitt ihrer Wahlbezirke so änderten, dass sie sich dort ewig halten konnten.
Maria legte ihre Zurückhaltung ab und stieg voll ein. Man merkte sofort, dass sie in unserem Hauptquartier ganz in ihrem Element war. Sie beteiligte sich an Besprechungen zu allen möglichen Themen, von der Strategie bis zu den Wahlslogans. Sie brachte Ideen und Vorschläge ein, manchmal bei den Mitarbeitern, manchmal auch privat im Gespräch mit mir. Außerdem machte sie uns auf etwas Wichtiges aufmerksam, das wir irgendwie übersehen hatten: Sie schlug vor, irgendwo ein Wahlkampfbüro im Erdgeschoss einzurichten. »Ihr könnt nicht hier oben im zweiten Stock bleiben«, sagte sie. Die Leute finden es gut, wenn sie vorbeikommen können und sehen, was hier passiert. Sie reden gern, trinken einen Kaffee und nehmen Flugblätter mit, die sie dann weitergeben können.« Wir fanden ganz in der Nähe ein Geschäft mit großer Schaufensterfront und mieteten es für den Wahlkampf. Wir schmückten es mit Flaggen und Plakaten und Luftballons. Dann veranstalteten wir eine große Eröffnungsparty. Ich hatte im Filmgeschäft Menschenmengen gesehen, bei Bodybuilding-Wettkämpfen und auch bei unserer Kampagne zur Nachschulbetreuung, aber diesmal war die Stimmung irgendwie ganz anders. Dies war wirklich ein richtiger politischer Wahlkampf.
Im September flogen Maria und ich nach Chicago, um in Oprah Winfreys erster Sendung nach der Sommerpause aufzutreten. Ich freute mich darauf, denn die Republikaner hatten aus schierer Dummheit die Frauen vor den Kopf gestoßen, und es war entscheidend, sie wieder an Bord zu holen. Ich musste vor allem um die Stimmen der Frauen werben, weil mein Filmpublikum immer stark männerlastig gewesen war. Immerhin hatte ich progressive Ansichten zu Themen, die vor allem Wählerinnen interessierten: zur Bildungsreform, zur Gesundheitsreform, zum Umweltschutz, zur Erhöhung des Mindestlohns –, und Oprahs Sendung bot die perfekte Bühne für mein Anliegen.
Inzwischen machten einige gestandene Demokraten Wahlkampf für Gray Davis. Bill Clinton verbrachte einen ganzen Tag mit ihm in Los Angeles, im Bezirk Watts und in South Los Angeles. Senator John Kerry, Jesse Jackson und Al Sharpton ließen sich sehen. Der einzige wichtige Demokrat, der nicht auftauchte, war Teddy.
Präsident Bush wie auch sein Vater boten an, mir im Wahlkampf zu helfen, doch ich lehnte dankend ab. Ich wollte der kleine David sein, der gegen die große Wahlkampfmaschinerie des Goliaths Gray Davis antrat.
Maria wertete die Meinungsumfragen aus wie ein Profi. Sie verfolgte zum Beispiel sehr genau, wie der ultrakonservative Tom McClintock mir immer mehr Anhänger unter den Republikanern abspenstig machte. Natürlich hatten wir auch eigens Mitarbeiter, die die Daten analysierten, doch Maria fielen auch Dinge auf, die sich nicht direkt in den Zahlen niederschlugen. Einmal verblüffte sie mich mit der Feststellung: »Kein einziger wichtiger Politiker attackiert dich. Das ist ein gutes Zeichen.«
»Was meinst du damit?«, fragte ich. Wie konnten fehlende Angriffe etwas bedeuten?
Sie erklärte, wenn die Leute der Meinung wären, dass ich verrückt wäre oder untragbar und dass meine Wahl das Staatswohl gefährden würde, dann hätte ich eine sehr viel breitere und erbittertere Opposition gegen mich. »Nur die äußerste Linke und die äußerste Rechte greifen dich an. Das heißt, dass du als glaubwürdiger Kandidat akzeptiert bist.«
Jedenfalls zeigten die Umfragen Mitte September, dass Gray Davis erledigt war. Die Wähler sprachen sich zu fast zwei Dritteln dafür aus, ihn abzusetzen.
Doch der Hauptherausforderer war nicht ich, sondern Vizegouverneur Cruz Bustamante. Für ihn sprachen sich 32 Prozent der Befragten aus. Ich lag bei 28 Prozent. Tom McClintock bei 18 Prozent, und die übrigen 22 Prozent der befragten Wähler hatten sich entweder noch nicht entschieden oder verteilten sich auf unsere 132 Rivalen im Recall-Zirkus.
Bustamante war ein sehr ernst zu nehmender Gegner. Nicht, weil er eine besonders charismatische Persönlichkeit war, sondern weil er Demokraten ansprach, die Gray Davis nicht mochten. Er verkaufte sich als die einzige Alternative für Wähler, die auf Nummer sicher gehen wollten, und das mit dem vielsagenden Slogan: »Wir sagen Nein zum Recall und Ja zu Bustamante«. Mit anderen Worten: Ich möchte meinem demokratischen Kollegen Gray Davis nicht in den Rücken fallen, aber wenn ihr ihn aus dem Amt werft, wählt mich an seiner Stelle!
Inzwischen lief unsere Kampagne auf Hochtouren. Mit meinem Privatjet konnte ich an einem Tag viele Termine schaffen. Wir reisten von Flughafen zu Flughafen, und manchmal fanden die Wahlveranstaltungen direkt dort statt, mit tausend Leuten in einem Hangar. Wir flogen ein, parkten das Flugzeug, ich ging in den Hangar, brachte die Menge in Stimmung und flog in die nächste Stadt weiter. Wir machten auch ein paar verrückte Sachen, fuhren in einem Kampagnenbus namens »Running Man« (nach dem gleichnamigen Film von 1987) herum und ließen eine Abrissbirne auf ein Auto fallen, um zu zeigen, was ich mit Gray Davis’ Kfz-Zulassungssteuer machen wollte, sobald ich gewählt war. Jeden Tag erweiterte ich mein Wissen über Politik und Regierungsführung. Meine Pressekonferenzen wurden besser. Ich lernte, meine Vorbereitungszeit für große Reden von einer Woche auf einen Abend einzudampfen und schneller zu reagieren. Unsere Fernsehspots machten sich wirklich gut. Mein Lieblingsspot begann mit einem Spielautomaten mit dem Etikett »California Indian Casinos«, und man sah, wie die Zahl 120000000 in den Fenstern erschien. 120 Millionen Dollar hatten die casinobetreibenden Indianerstämme zu den politischen Kampagnen der Gray-Davis-Ära beigesteuert. Dann trat ich vor die Kamera und sagte: »Alle Spitzenkandidaten nehmen das Casino-Geld und begünstigen die Casino-Betreiber. Ich mache dieses Spiel nicht mit. Geben Sie mir Ihre Stimme, und ich garantiere Ihnen, dass sich die Dinge ändern werden.« Die Leute waren schockiert, dass ich mich mit den Indianerstämmen anlegte. Sie dachten: »Er ist wirklich der Terminator.«
Wir versuchten nicht, Bustamantes Anhänger zu beeinflussen, sondern wollten die Millionen unabhängigen und noch unentschiedenen Wähler auf unsere Seite bringen. Die beste Gelegenheit dazu bot die Debatte am 24. September, gerade einmal zwei Wochen vor der Wahl. Zum ersten und einzigen Mal kamen dafür die fünf aussichtsreichsten Kandidaten auf einer Bühne zusammen: Cruz Bustamante, Staatssenator Tom McClintock, Peter Camejo von den Grünen, die Journalistin Arianna Huffington und ich.
Die Vorbereitung auf die Debatte war ein großer Spaß gewesen. Meine Mitarbeiter spielten die anderen Teilnehmer. Alle Kandidaten bekamen die Fragen im voraus, doch die Debatte selbst sollte offen geführt werden, jeder konnte sich äußern. Wir feilten an der Strategie, überlegten uns alle möglichen Angriffe und die passenden Antworten dazu.
»Wie können Sie sich für den Umweltschutz einsetzen, wenn Sie selbst ein Privatflugzeug fliegen?«
»Sie verdienen 30 Millionen Dollar pro Film. Wie können Sie wissen, was es bedeutet, arm zu sein?«
»In Ihren Filmen wimmelt es vor Gewaltszenen – wie können Sie glaubwürdig Recht und Ordnung vertreten?«
Und ich musste selbst angreifen. Ich wusste, ich konnte McClintock nicht mit Konzepten schlagen – er war ein Streber –, und Arianna nicht in Wörtern pro Minute. Meine Chance war der Humor. Also erfanden wir kurze, witzige Sprüche, und gaben Witze bei John Max in Auftrag, der Gagschreiber für Jay Leno war. Die Sprüche probten wir so, dass ich sie jederzeit parat hatte. Falls Arianna sich zu sehr aufregen sollte, wollte ich sagen: »Ich weiß ja, dass Sie Griechin sind«, oder: »Sie sollten besser nur koffeinfreien Kaffee trinken.«
Wir mieteten ein Studio und übten, in einer V-Formation sitzend, einem imaginären Publikum zugewandt. Drei Tage lang spielten wir die Situation immer wieder durch. Ich versuchte immer daran zu denken: »Verzettel dich nicht in Einzelheiten. Sei sympathisch, sei humorvoll. Lass die anderen Fehler machen. Bring sie dazu, dumme Sachen zu sagen.«
Das Ereignis hatte die volle Aufmerksamkeit der Medien. Als ich ankam, war der ganze Parkplatz schon voll. Es sah aus wie bei einem Spiel der Lakers: ein Heer von Übertragungswagen und Anhängern, Satellitenschüsseln vom japanischen, französischen und britischen Fernsehen und von allen amerikanischen Sendern. Im Zentrum einer solchen Aufmerksamkeit zu stehen, war ebenso beängstigend wie aufregend.
Wir durften keine Notizen mit auf die Bühne bringen. Sechzig Sekunden vor Beginn der Sendung machte ich noch einen letzten Stichprobentest. »Das Gesundheitswesen – was würden Sie ändern?«, fragte ich mich selbst. Doch plötzlich fiel mir zum Gesundheitswesen überhaupt nichts mehr ein. »Okay«, dachte ich, »machen wir mit den Pensionen weiter.« Aber ich hatte einen Blackout. Mein Gehirn war völlig lahmgelegt. Ein- oder zweimal hatte ich bei Dreharbeiten einen solchen Blackout erlebt, aber häufiger nicht. Und dort konnte ich mir den Text einfach geben lassen. Glücklicherweise hatte ich noch meinen Sinn für Humor. Na, das wird jetzt interessant, dachte ich mir.
Die Debatte begann damit, dass jeder Kandidat seinen Standpunkt zu der Frage erläuterte, ob es diesen Recall überhaupt geben sollte. Wir waren übereinstimmend der Meinung, dass er nötig war – bis auf Bustamante, der die ganze Initiative eine »furchtbare Sache« nannte. Sehr schnell wurde der Wortwechsel »lebhaft« und »streitlustig«, wie Journalisten es später beschrieben. Bustamante verlor keine Zeit und warf mir sofort meine fehlende Erfahrung vor. Praktisch jeden an mich gerichteten Satz leitete er mit den Worten »Das werden Sie wahrscheinlich nicht wissen, aber …« ein. Dieser herablassende Ton fiel auf ihn selbst zurück, weil die Leute ihn unsympathisch fanden und weil er mir damit die Gelegenheit gab, ihnen zu zeigen, dass ich mich durchaus auskannte. Das beeindruckte, ebenso wie mein Humor. Sobald es besonders heiß herging und die Kandidaten sich gegenseitig anbrüllten, sagte ich irgendetwas Freches, das das Publikum zum Lachen brachte.
Arianna und ich gerieten ein paar Mal aneinander. An einem Punkt führte sie die Haushaltskrise des Bundesstaats auf Steuerschlupflöcher und die Gewissenlosigkeit von Republikanern und Konzernchefs zurück. Ich sagte: »Worüber reden Sie, Arianna? Sie nutzen Steuerschlupflöcher, so groß, dass ich mit meinem Hummer durchfahren könnte.«
In den Meinungsumfragen am nächsten Tag lag ich deutlich vorn. Meine Zustimmungswerte stiegen von 28 auf 38 Prozent, die von Bustamante gingen von 32 auf 26 Prozent in den Keller.
Obwohl es doch eigentlich um einen Zweikampf zwischen Bustamante und mir ging, konzentrierten sich die Medien hinterher auf meinen Schlagabtausch mit Arianna. Als es in der Debatte um den Haushalt ging, beklagte sie sich darüber, dass ich sie unterbrochen hätte, und warf mir Sexismus vor. »Das ist eben die Art, wie Sie mit Frauen umgehen«, sagte sie. »Das ist uns schon klar. Doch hier kommen Sie damit nicht durch.« Ich antwortete zum Spaß: »Mir fällt gerade auf, dass es in Terminator 4 eine Rolle gibt, die Ihnen wie auf den Leib geschneidert ist.« Damit meinte ich den brutalen weiblichen Terminator. Arianna war beleidigt und erzählte am nächsten Tag einem Reporter, die Frauen seien über meine Bemerkung empört. »Ich hatte wirklich das Gefühl, dass er Mühe hatte mit mir als Frau. Das war schon immer sein wunder Punkt.«
Arianna bezog sich auf Sexismus-Vorwürfe, die im Laufe der Jahre immer wieder aufgetaucht waren. Eine Woche später, fünf Tage vor der Wahl, kam es in der Los Angeles Times zu folgender Schlagzeile: »Frauen sagen: Schwarzenegger hat uns begrapscht und gedemütigt«. Meine Mitarbeiter tobten. Offenbar gibt es ein ungeschriebenes Gesetz in der Politik, dass man in der letzten Woche vor einer Wahl keine solchen Storys über die Kandidaten mehr veröffentlicht. Aber ich hatte ja mit so etwas gerechnet, als ich in dieses Rennen ging. Schon bei Jay Leno hatte ich an dem Abend, an dem ich meine Kandidatur im Fernsehen verkündete, gesagt: »Die Leute werden sagen, dass ich keine Erfahrung habe und dass ich ein Macho bin und ein furchtbarer Mensch. Darauf bin ich gefasst. Aber ich möchte den Augiasstall in Sacramento ausmisten.« Ich war nicht als Konservativer mit einer Werteagenda angetreten. Sobald meine Kandidatur stand, hatte die Los Angeles Times ein Reporterteam losgeschickt, um eine ganze Reihe von investigativen Berichten über mich zu machen. Verschiedene Artikel waren schon erschienen, darunter die Geschichte über die Nazi-Vergangenheit meines Vaters und meinen Steroid-Einsatz als Bodybuilder. Bei solchen rufschädigenden Vorwürfen folgte ich einer Grundregel: Wenn der Vorwurf falsch war, wandte ich mich mit allen Mitteln dagegen, wenn er stimmte, akzeptierte ich ihn, und wenn es mir möglich schien, entschuldigte ich mich. Als also die ersten Geschichten erschienen, gab ich zu, dass ich in jungen Jahren Steroide genommen hatte – das hatte ich auch vorher schon eingeräumt –, und ich arbeitete mit dem Simon Wiesenthal Center zusammen, um Dokumente ausfindig zu machen, die klärten, was genau mein Vater im Dritten Reich getan hatte und was nicht.
Die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung stimmten alle nicht. Ich hatte mich allerdings manchmal ziemlich danebenbenommen und hatte deshalb allen Grund, mich für mein früheres Verhalten zu entschuldigen. In meiner ersten Rede am nächsten Tag erklärte ich meinen Zuhörern in San Diego: »Viele dieser Geschichten sind nicht wahr. Aber ich sage immer: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Und deshalb muss ich auch sagen: Ja, ich habe mich manchmal schlecht benommen. Ja, es stimmt, ich war am Filmset oft ordinär, und ich habe Dinge getan, die nicht richtig waren, die ich damals lustig fand, von denen ich aber heute weiß, dass ich Menschen damit beleidigt habe. Und diesen Menschen, die ich beleidigt habe, möchte ich sagen, dass mir das sehr leid tut und dass ich dafür um Entschuldigung bitte.«
Wie früher schon, sprangen mir auch diesmal wieder viele Menschen bei, und meine wichtigste Verbündete war Maria. In einer Rede vor einer Organisation republikanischer Frauen sagte sie an jenem Tag, dass sie Gossenpolitik und Gossenjournalismus verabscheue. »Sie können diese Geschichten natürlich glauben, und Sie können diesen Leuten glauben, die Arnold nie kennengelernt haben oder die ihn vor dreißig Jahren fünf Sekunden lang getroffen haben. Oder Sie können mir glauben«, sagte sie und lobte mich für den Mut, um Entschuldigung zu bitten.
Wie unsere Meinungsumfragen zeigten, waren es aber ganz andere Themen, die die kalifornischen Wählerinnen und Wähler viel mehr interessierten. Vor allem das Thema Wirtschaft natürlich. Meine Rede in San Diego stand am Beginn einer letzten Bustour mit Wahlkampfveranstaltungen im ganzen Bundesstaat. An jenem Morgen kamen dreitausend Menschen, bei der nächsten Veranstaltung in Inland Empire, der Region östlich von Los Angeles, waren es schon sechstausend und dann achttausend am Samstagmorgen in Fresno. Als wir schließlich Sonntag nach Sacramento hineinfuhren, hatten sich fast zwanzigtausend Menschen vor dem Kapitol versammelt. Ich stand auf den Stufen und hielt eine kurze Ansprache, dann spielte die Band – eine angesagte Band, die den jungen Leuten gefallen sollte –, und dann zog ich einen Besen hervor. Das war das Bild für die Presse: Schwarzenegger ist hier, um auszumisten. Man konnte die Begeisterung der Leute richtig fühlen. Das war es! Wir waren bereit, die Sache klarzumachen.
Am Wahlabend zog ich mich für die Party um. Das Ergebnis kannte ich noch nicht, dafür war es noch zu früh, aber ich hatte das Gefühl, dass die Chancen auf einen Sieg wirklich gut standen. Ich ging gerade ins Schlafzimmer, um meine Schuhe anzuziehen, da hörte ich einen Sprecher auf CNN sagen: »Wir haben das Wahlergebnis jetzt vorliegen. Arnold Schwarzenegger wird der neue Gouverneur.« Mir liefen Tränen über die Wangen. Ich konnte es einfach nicht glauben. Natürlich hatte ich damit gerechnet, aber die Nachricht jetzt wirklich auf CNN zu hören – als offizielle Meldung eines internationalen Senders –, das war überwältigend. Nie hatte ich mir vorgestellt, ich würde einmal an einem Fernseher vorbeilaufen und den Satz: »Schwarzenegger wird der neue Gouverneur von Kalifornien« hören. Eine Weile saß ich einfach nur da. Plötzlich kam Katherine herein und fragte: »Daddy, was meinst du zu diesem Kleid?« Schnell wischte ich mir die Tränen weg. Maria, die sich in einem anderen Zimmer angezogen hatte, kam zu mir vor den Fernseher und war auch überglücklich: Ihr gefiel nicht nur die Vorstellung, Kaliforniens First Lady zu werden, dieser politische Sieg konnte ihr auch helfen, frühere Niederlagen ihrer Familie zu vergessen.
Die Menschen hatten sich mit 55 zu 45 Prozent dafür ausgesprochen, Gray Davis seines Amtes zu entheben, und eine große Mehrheit hatte ihr Kreuzchen nicht bei Cruz Bustamante oder einem der anderen Kandidaten, sondern bei mir gemacht. Es waren schließlich 49 Prozent für mich, 31 Prozent für Cruz, 13 Prozent für McClintock, 3 Prozent für Camejo und 4 Prozent für die restlichen Bewerber.
Meinen Sieg richtig auskosten konnte ich eine Woche später, als Präsident George W. Bush auf dem Weg zu einer diplomatischen Mission in Asien einen Zwischenstopp in Kalifornien einlegte. Wir trafen uns im Mission Inn, einem historischen Hotel in Riverside, in dem schon zehn Präsidenten zu Gast gewesen waren. Karl Rove und der Präsident warteten schon, als ich in die Suite geführt wurde, und nach der Begrüßung sagte Rove: »Ich werde dann mal gehen, damit Sie beide allein reden können.«
Präsident Bush, der wusste, dass sein Politikstratege mir empfohlen hatte, nicht anzutreten, versuchte die Wogen zu glätten. »Seien Sie nicht böse auf Rove wegen dem, was er Ihnen in Washington gesagt hat. Karl ist Karl. Er ist einer von den Guten. Und wir müssen zusammenarbeiten.«
Ich sagte, dass persönliche Reibereien uns nie davon abhalten sollten, das Beste für Amerika und Kalifornien zu erreichen. »Die Zusammenarbeit mit ihm wird mir eine Freude sein. Ich weiß, dass er gute Arbeit leistet.«
Bush rief Rove wieder herein und sagte: »Er mag Sie.« Karl schüttelte mir die Hand und lächelte. »Ich freue mich darauf, mit Ihnen zu arbeiten«, sagte ich.
Wahrscheinlich ahnten sie schon, was ich als Nächstes sagen würde. Nach der Debatte hatte ich den Medien gegenüber darüber geklagt, wie viele Steuern die Kalifornier an die Bundesregierung abführten und wie wenig Kalifornien im Vergleich zu Staaten wie etwa Texas dafür zurückbekam. CNN hatte ich gesagt: »Ich bin nicht nur der Terminator, sondern auch der Collectinator« – der »Geldeintreiber« –, und hatte versprochen, als Gouverneur einen gerechten Anteil unserer Steuern aus Washington zurückzuholen.
Also schmiedete ich das Eisen, solange es heiß war: »Wir werden bestimmt gut miteinander auskommen, aber ich brauche Ihre Hilfe. Wie Sie wissen, bekommen wir von jedem Steuerdollar, den wir bezahlen, nur 79 Cent zurück. Ich möchte mehr Geld für den Staat Kalifornien, weil wir ernste Probleme haben.«
»Also, Geld habe ich auch keines«, antwortete der Präsident. Aber wir redeten ausführlich über die Angelegenheit, und er versprach mir, nach Wegen zu suchen, wie er mir vor allem bei Infrastrukturprogrammen helfen könne.
Drei Wochen später war ich wieder in Sacramento, auf denselben Stufen zum Kapitol, auf denen ich den Besen geschwungen hatte, und wurde als der 38. Gouverneur des Staates vereidigt. Vanessa Williams, die mit mir zusammen in Eraser gespielt hatte, sang »The Star Spangled Banner«. Maria hielt die alte, in Leder gebundene Bibel, auf die ich den Eid ablegte.
In meiner Rede sprach ich über das, was ich vor meiner Einbürgerung gelernt hatte – dass die Souveränität beim Volke liegt, nicht bei der Regierung, und dass die Vereinigten Staaten in einer unruhigen Zeit durch einen Zusammenschluss miteinander streitender Parteien entstanden waren. Damals habe man vom »Wunder von Philadelphia« gesprochen, sagte ich. »Jetzt müssen die Abgeordneten von Senat und Assembly und ich das Wunder von Sacramento vollbringen. Ein Wunder, das sich auf Kooperation, gutem Willen, neuen Ideen und der Hingabe an das langfristige Wohlergehen Kaliforniens gründet.« Ich verwies darauf, dass ich als Neuling eine Menge Hilfe brauchen würde, aber ich sagte den Menschen, die mir zuhörten, auch, wie gern ich diese gewaltige Herausforderung annahm. Ich wollte, dass unser Staat weithin sichtbar leuchtete, wie er das damals für einen Einwanderer wie mich getan hatte. Die Menge jubelte, und ein Chor sang Lieder aus The Sound of Music, während die ersten Gäste gratulierten. Gray Davis, der seine Niederlage mit großem Anstand eingeräumt hatte, und seine beiden Vorgänger, George Deukmejian und Pete Wilson, waren zu meiner Vereidigung gekommen. Sie nahmen mich beiseite, als wir zum Empfang gingen, und wirkten überraschend gut gelaunt.
»Genießen Sie diesen Tag«, sagte Deukmejian, der älteste der drei. »Es gibt nur noch einen Tag, an dem Sie sich genauso gut fühlen werden.«
»Und welcher soll das sein?«
»Der letzte Amtstag.« Die beiden anderen grinsten und nickten. Als sie die Skepsis in meinen Augen sahen, erklärten sie, was sie meinten. »Bald werden Sie an Trauerfeiern für Feuerwehrleute und Polizisten teilnehmen, und es wird Sie zu Tränen rühren. Es wird Sie ziemlich fertigmachen, wenn Sie die Hand eines Dreijährigen schütteln müssen, der gerade seinen Vater verloren hat. Und dann werden Sie im Sommer drei Monate lang hier in Sacramento festsitzen, statt mit Ihren Kindern Urlaub zu machen, bloß weil diese Vollidioten im Parlament den Haushalt nicht bewilligen. Sie werden hier sitzen und vor Wut und Enttäuschung in die Luft gehen.«
Dann klopften sie mir auf die Schulter und sagten: »Also genießen Sie das hier! Gehen wir erst mal einen trinken.«