Kapitel 17    Hochzeit und großes Kino

Als wir den Termin festsetzten (»Okay, nächstes Jahr am 26. April heiraten wir«), hatten wir keine Ahnung, ob ich zu diesem Zeitpunkt einen Film drehen würde. Anfang 1986 versuchte ich, die Dreharbeiten für mein neuestes Filmprojekt, Predator, ein paar Wochen zu verschieben, doch Produzent Joel Silver fürchtete, wenn wir warteten, könnten wir in die Regenzeit geraten. So fand ich mich achtundvierzig Stunden bevor ich am Altar stehen sollte, im mexikanischen Dschungel wieder, in der Nähe der alten Maya-Stadt Palenque. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich ein Flugzeug chartern, damit ich rechtzeitig zum »Rehearsal Dinner«, dem traditionellen Probeessen am Abend vor der Hochzeit, in Hyannis Port war.

Am Tag meiner Abreise drehten wir eine Action-Sequenz im Dschungel. Jesse Ventura versteckte sich im Gebüsch und war in der Szene nicht zu sehen. Ich sollte den anderen Jungs zurufen: »Runter! Runter!«, und jedes Mal hörten wir Jesse mit seiner tiefen Stimme brummen: »Mach ich doch, mach ich doch.« Wir lachten uns halb tot und verpatzten einen Take nach dem anderen. »Jetzt konzentriert euch doch endlich!«, schimpfte der Regisseur.

Maria war alles andere als glücklich darüber, dass ich bei den letzten Hochzeitsvorbereitungen nicht dabei war. Sie wollte, dass ich gedanklich bei der Hochzeit war, doch als ich ankam, beschäftigte mich innerlich noch immer der Film. Predator machte uns riesige Probleme, und in der öffentlichen Wahrnehmung ist der Star verantwortlich für den Erfolg eines Films. Gerüchten zufolge musste die Produktion eingestellt werden. Wenn so etwas geschieht, sind die Dreharbeiten womöglich ein für alle Mal beendet. Es war ein heikler Punkt in meiner Karriere. Natürlich konzentrierte ich mich auf unsere Hochzeit, aber zu hundert Prozent war ich nicht bei der Sache. Einige unserer Gäste fragten sich unterdessen, warum der Bräutigam mit militärischem Bürstenschnitt zu seiner Hochzeit aufkreuzte. Die Umstände waren alles andere als ideal, dafür aber recht aufregend und unkonventionell.

Die dummen Bemerkungen meiner Freunde über die Ehe hatte ich komplett ausgeblendet. »Ha! Als Nächstes streitet ihr euch darüber, wer die Windeln wechselt.« – »Nach welchem Essen weigert sich deine Frau, dir einen zu blasen? Nach dem Hochzeitsessen!« Oder: »Junge, warte nur, bis die Wechseljahre kommen.« Ich achtete nicht auf solches Gerede. »Lasst mich einfach machen«, sagte ich ihnen. »Ihr braucht mich nicht zu warnen.«

Man kann immer alles hinterfragen. Alles hat auch seine Schattenseiten, und je mehr man darüber weiß, desto zögernder wagt man sich heran. Genau wie ich mich nie auf den Immobilienmarkt, ins Filmgeschäft und ins Bodybuilding gewagt hätte, so hätte ich wohl auch nie geheiratet, wenn ich gewusst hätte, was alles auf mich zukommen würde. Zum Teufel damit! Für mich zählte nur, dass Maria die beste Frau für mich war.

Ich vergleiche das Leben immer mit einer Klettertour, nicht nur, weil es anstrengend ist, sondern auch, weil ich gern klettere und gern den Gipfel erreiche. Die Ehe stellte ich mir als ein Gebirge vor, als eine ganze Ansammlung von Bergen: die Planung der Hochzeit, die Hochzeit selbst, die Entscheidung, wo wir leben, wann und wie viele Kinder wir haben, in welchen Kindergarten und in welche Schule wir sie schicken würden und so weiter. Den ersten Berg hatte ich bereits erobert, nämlich die Hochzeitsplanung. Dabei war mir klargeworden, dass ich den Ablauf dieses Ereignisses weder aufhalten noch beeinflussen konnte. Es spielte keine Rolle, was ich von den Tischdecken hielt, vom Menü oder von der Gästeliste. Ich musste einfach akzeptieren, dass sich das alles meiner Kontrolle entzog. Die Planung war in guten Händen, und ich wusste, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte.

Maria und ich hatten unsere Hochzeit ausgiebig geplant und lange gewartet. Sie war dreißig, ich siebenunddreißig. Unsere Karriere ging jeweils steil nach oben. Kurz nach unserer Verlobung war sie zur stellvertretenden Chefsprecherin der CBS Morning News ernannt worden, und bald würde sie zu einem ähnlich gut bezahlten und anspruchsvollen Job bei NBC wechseln. Die Sendestudios befanden sich in New York, aber ich hatte ihr immer zu verstehen gegeben, dass ich ihr nicht im Weg stehen wollte. Wenn wir in unserer Ehe von einer Küste zur anderen pendeln mussten, würden wir das schon schaffen, daher wollten wir das vorerst nicht weiter diskutieren.

Ich war immer der Meinung gewesen, dass man mit dem Heiraten warten sollte, bis man finanziell abgesichert ist und die härtesten Karrierekämpfe hinter sich hat. Zu oft hatte ich von Sportlern und erfolgreichen Leuten aus Unterhaltung und Wirtschaft gehört: »Mein Hauptproblem ist, dass meine Frau mich zu Hause haben will, ich aber mehr Zeit für meine Arbeit brauche.« Diese Vorstellung war mir zuwider. Es ist nicht gut, wenn sich die Ehefrau fragen muss, wo sie eigentlich bleibt, weil man vierzehn oder achtzehn Stunden am Tag mit seiner Karriere beschäftigt ist. Da die meisten Ehen an finanziellen Problemen scheitern, wollte ich vor meiner Hochzeit finanziell abgesichert sein.

Die meisten Frauen haben zu Beginn einer Ehe eine bestimmte Erwartungshaltung an ihren Ehemann, die sich meistens, wenn auch nicht immer, aus der Ehe ihrer Eltern ableitet. In Hollywood setzte der Milliardär Marvin Davis, dem 20th Century Fox, das Pebble Beach Ressort und das Beverly Hills Hotel gehörten, den Maßstab für eheliches Engagement. Dreiundfünfzig Jahre war er mit Barbara verheiratet, Mutter seiner fünf Kinder. Alle Frauen schwärmten von Marvin Davis. Wenn wir bei ihnen zu Hause zu einer Dinnerparty eingeladen waren, erklärte Barbara: »Marvin war noch nie eine einzige Nacht ohne mich weg. Wenn er auf eine Geschäftsreise geht, kommt er jedes Mal noch am selben Abend zurück. Er ist nie über Nacht weg, und wenn es doch mal sein muss, nimmt er mich mit.« Die anwesenden Ehefrauen fragten dann ihre Männer: »Warum ist das bei dir nicht so?« Oder die Männer wurden unter dem Tisch von ihren Frauen gestupst und getreten. Nach Marvins Tod im November 2005 berichtete Vanity Fair allerdings, dass Marvin völlig pleite war und Barbara nun Schwierigkeiten hatte, ihre Wohltätigkeitsaktivitäten fortzusetzen und den Stapel Rechnungen zu begleichen. Viele Ehefrauen in Hollywood waren nun von dem großen Vorbild enttäuscht. Ich schwor mir, dass wir nie auf Marias Geld würden zurückgreifen müssen, weder auf das, was sie verdiente, noch auf das Geld ihrer Familie. Ich heiratete sie nicht, weil sie wohlhabend war. Zu der Zeit hatte ich für Predator 3 Millionen Dollar bekommen, und wenn der Film im Kino ein Erfolg wurde, würde ich für das nächste Projekt 5 Millionen bekommen und für das übernächste 10 Millionen, weil wir meine Forderung mit jeden Film annähernd verdoppelten. Ich wusste nicht, ob ich am Ende reicher sein würde als Joe Kennedy, aber ich war zuversichtlich, dass wir nie auf das Geld der Familie Shriver oder Kennedy angewiesen sein würden. Was Maria gehörte, war ihrs. Ich fragte sie nie, wie viel sie besaß oder was ihre Eltern hatten. Ich hoffte, dass sie zufrieden waren, hatte aber keinerlei Interesse daran. Mir war natürlich klar, dass sich Maria nicht mit einer Drei-Zimmer-Mietwohnung zufriedengeben würde. Ich musste ihr einen Lebensstil bieten, der dem ihrer Jugend entsprach.

Maria und ich waren stolz auf das, was wir bereits erreicht hatten. Sie suchte ein Haus aus, das ich nach unserer Verlobung kaufte und das erheblich großzügiger und luxuriöser war als unser erstes. Es hatte auf tausend Quadratmetern Wohnfläche vier Schlafzimmer und war im spanischen Stil auf einem knapp einem Hektar großen Grundstück auf einer Anhöhe in Pacific Palisades erbaut worden. Wo man hinsah, standen wunderschöne Platanen, und wir konnten den gesamten Talkessel von Los Angeles überblicken. Unsere Straße, Evans Road, führte in den Will Rogers State Park, wo es ein herrliches Ausreitgelände, Fahrradwege und Polofelder gab. Maria und ich hatten eigene Pferde und ritten oft dort hinauf. Es war so nahe an unserem Haus, dass es uns vorkam wie ein riesiger Spielplatz, den wir Tag und Nacht benutzen konnten.

In den Monaten vor der Hochzeit rührte ich die Werbetrommel für Das Phantom-Kommando und drehte Der City Hai, den Actionfilm, den ich Dino versprochen hatte. Außerdem bereitete ich mich auf die Dreharbeiten für Predator vor. Obwohl Maria in New York noch mehr um die Ohren hatte, fanden wir Zeit für die Renovierung und Innenausstattung unseres Hauses. Wir ließen den Swimmingpool vergrößern und einen Whirlpool bauen, ebenso einen Kamin, kümmerten uns um Fliesen, Beleuchtung und die Pflanzung von Bäumen. Unterhalb des Hauses, wo das Gelände zum Tennisplatz hin abfiel, ließen wir eine zusätzliche Terrasse ins Gelände graben, auf der ein Tennishaus, ein Unterhaltungsbereich und zusätzlicher Platz für Gäste entstanden.

Maria hatte sich Vorhänge und Stoffe ausgesucht, doch als ich Ende Mai nach den Dreharbeiten für Predator zurückkehrte, waren sie noch nicht fertig. Maria wollte erst drei Wochen später aus New York nach Hause kommen. Deshalb kümmerte ich mich darum, dass die Renovierung abgeschlossen wurde und Maria und ich als Eheleute in ein perfektes Haus einziehen konnten. Ich drängte den Raumgestalter, die Arbeiten zu Ende zu bringen, und es wurde wild gemalt, eingerichtet und dekoriert. Ich hatte bereits vom Drehort für Predator aus und an den Wochenenden, an denen ich nach Hause geflogen war, den Kontakt mit den Handwerkern gehalten, damit Maria bei ihrer Rückkehr ein Haus betreten konnte, das genau so war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Zudem kaufte ich ihr einen Porsche 928, der vor dem Haus auf sie wartete.

Im Wohnzimmer sollte die schönste Wand mein Hochzeitsgeschenk für Maria schmücken – ein Siebdruck-Porträt, mit dem ich Andy Warhol beauftragt hatte. Ich mochte die berühmten Drucke, die er in den sechziger Jahren von Marilyn Monroe, Elvis Presley und Jackie Onassis angefertigt hatte. Dafür hatte er zunächst Polaroidbilder gemacht und anschließend als Grundlage für den Siebdruck vergrößert. Ich rief ihn an. »Andy, Sie müssen mir einen Gefallen tun. Ich habe da eine verrückte Idee. Sie wissen doch, die Starporträts, die Sie gemacht haben. Wenn Maria mich heiratet, wird sie ein Star sein! Sie werden einen Star malen! Sie werden Maria malen!« Andy musste lachen. »Ich würde Maria gern zu Ihnen ins Studio schicken, damit Sie sie fotografieren und anschließend malen können.« Das Bild, das er von Maria machte, war ein hinreißendes Porträt, einen Meter im Quadrat, das Marias umwerfende Schönheit und Energie perfekt einfing. Er stellte sieben Drucke in verschiedenen Farben her: eins für mein Büro, eins für Marias Eltern, eins, das er behielt, und vier für diese Wand, wo sie in einem riesigen Quadrat angeordnet waren. Im Wohnzimmer hingen Lithographien und Gemälde von Miró, Picasso, Chagall und weiteren Künstlern. Doch unter all diesen aufregenden Sammlerstücken war Marias Porträt der Glanzpunkt.

Zur Einrichtung unseres Hauses hatte ich viel beigetragen, was man von unserer Hochzeit nicht sagen konnte. Die Kennedys haben für Hochzeiten in Hyannis Port ein ausgeklügeltes System entwickelt. Sie stellen die richtigen Hochzeitsplaner an, kümmern sich um Autos und Busse und erstellen die Gästeliste so, dass wirklich jeder in der Kirche Platz findet. Für den Empfang werden auf dem Gelände der Familie beheizte Zelte aufgestellt, in denen es Cocktails und Essen gibt und getanzt werden kann. Sie regeln den Zugang, damit Gratulanten die Hochzeitsgesellschaft kommen und gehen sehen können und die Journalisten ihre Fotos und Filme bekommen, ohne zu stören. Auf jede kleinste Kleinigkeit beim Essen, bei der Unterhaltung und der Unterkunft wird geachtet. So kommt am Ende jeder auf seine Kosten.

Franco war mein Trauzeuge, und ich hatte ein paar Dutzend Angehörige, Freunde und Bekannte eingeladen, die mir im Leben besonders geholfen hatten, darunter Fredi Gerstl, Albert Busek, Jim Lorimer, Bill Drake und Sven Thorsen, den Dänen, mit dem ich mich bei den Dreharbeiten zu Conan angefreundet hatte.

Auf Marias Liste standen allein knapp hundert Verwandte, langjährige Freunde wie Oprah Winfrey und Bonnie Reiss sowie befreundete Kollegen wie der Nachrichtensprecher Forrest Sawyer. Dazu kamen Freunde, die wir gemeinsam kennengelernt hatten, und eine Vielzahl hinreißender Menschen, die mit Rose, Eunice oder Sarge bekannt waren: Tom Brokaw, Diane Sawyer, Barbara Walters, Art Buchwald, Andy Williams, Arthur Ashe, Quincy Jones, Annie Leibovitz, Abigail Van Buren, mindestens fünfzig Leute, die mit den Special Olympics zu tun hatten – und so weiter und so weiter. Alles in allem hatten wir vierhundertfünfzig Gäste, von denen ich wohl nur ein Drittel kannte.

Die vielen neuen Gesichter lenkten mich nicht von der Hochzeit ab, sondern machten das Ereignis im Gegenteil für mich umso aufregender. Ich lernte jede Menge neue Leute kennen, die alle unterhaltsam, fröhlich und gut gelaunt waren. Marias Familie war unglaublich liebenswürdig. Immer wieder kamen meine Freunde zu mir und erklärten mir, wie schön alles sei. Sie fühlten sich wirklich wohl.

Meine Mutter hatte Eunice und Sarge schon bei einem ihrer jährlichen Besuche im Frühjahr kennengelernt. Sarge machte dauernd Späßchen mit ihr. Er liebte Deutschland und Österreich, sprach deutsch mit ihr und kümmerte sich ganz reizend um sie, damit auch sie sich unter all den fremden Menschen wohlfühlte. Er sang für sie deutsche Volkslieder vor und forderte sie zum Walzer auf, und dann drehten sie ihre Runden durchs Wohnzimmer. Immer wieder betonte er, wie gut sie mich erzogen hatte. Er unterhielt sich mit ihr über Städte, durch die er mit dem Fahrrad gekommen war, und über die Zeit nach dem Krieg, als die Russen das Land verließen und Österreich unabhängig wurde. Er lobte, wie toll die Österreicher ihr Land wieder aufgebaut hatten, und schwärmte vom österreichischen Wein und von der Oper. »So ein netter Mann«, sagte meine Mutter hinterher immer, »so gebildet. Ich weiß so wenig über Amerika, und er weiß so viel über Österreich!« Sarge war ein Charmeur. Er war ein Profi.

Auf der Hochzeit lernte meine Mutter auch Teddy und Jackie kennen. Sie waren unglaublich freundlich zu ihr. Teddy bot ihr seinen Arm an und führte sie nach der Hochzeitszeremonie aus der Kirche. Kleine Gesten wie diese beherrscht er unheimlich gut. Er kümmerte sich immer sehr rührend um seine Familie. Jackie machte viel Aufhebens um meine Mutter, als wir am Nachmittag vor der Hochzeit zu ihr nach Haus gingen. Ihre Tochter Caroline, die Trauzeugin war, gab ein Essen für die Brautjungfern, Trauzeugen und enge Verwandte – insgesamt dreißig Leute. Jeder, der Jackie zum ersten Mal begegnete, war beeindruckt. So erging es meiner Mutter, und so war es auch mir ergangen, als ich ihr im Elaine’s vorgestellt worden war. Sie unterhielt sich mit jedem, und zwar so, dass sie sich zu ihm setzte und sich wirklich in das Gespräch vertiefte. Ich kannte sie nun schon ein paar Jahre, und mir war klar, warum sie als First Lady so beliebt gewesen war. Sie hatte die faszinierende Fähigkeit, einen mit Fragen zu überraschen, die immer echtes Interesse und große Kenntnis verrieten. »Woher weiß sie das?«, fragte man sich unwillkürlich. Wenn ich Freunde mit nach Hyannis brachte, hieß sie sie immer willkommen. Auch meine Mutter war ganz hingerissen von ihr.

Meine Mutter gab das Rehearsal Dinner an jenem Abend im Haynnisport Club, einem Golfclub mit Blick auf das Haus der Shrivers, den die Familie für diesen Anlass gemietet hatte. Wir kündigten den Abend als ein österreichisches Muschelessen an, und Thema war die Mischung aus amerikanischer und österreichischer Kultur. Wir deckten die Tische mit rot-weiß karierten Tischtüchern ein, und ich trug die traditionelle Tiroler Tracht mit Hut. Auf dem Menü stand eine Kombination aus österreichischer und amerikanischer Küche: Zum Hauptgang gab es Wiener Schnitzel und Hummer, zum Dessert Sachertorte und Erdbeerkuchen.

Es wurden großartige Tischreden gehalten, von unseren Freuden aus Österreich und Deutschland sowie von Seiten der Familie. In den Reden auf Marias Seite ging es darum, was für ein wunderbarer Mensch sie war und was für ein Glück ich hatte, ihr Ehemann zu werden. Auf meiner Seite hieß es, was für ein toller Kerl und guter Mensch ich sei, und was für ein Glück Maria hatte, mich abbekommen zu haben. Gemeinsam würden wir das perfekte Paar abgeben. Die Kennedys wissen, wie man solche Momente feiert. Sie sind alle zur Stelle und sind ausgelassen. Für Außenstehende war das sehr unterhaltsam. Viele meiner Freunde kamen überhaupt zum ersten Mal mit dieser Welt in Kontakt. Sie hatten noch nie so viele Tischreden und so ein lebhaftes Publikum erlebt. Ich ergriff die Gelegenheit, Eunice und Sarge ihre Kopie von Andy Warhols Porträt ihrer Tochter zu überreichen. »Ich nehme euch Maria nicht weg, sondern gebe euch dies hier, damit ihr sie immer bei euch habt«, sagte ich. Und dann versprach ich allen Gästen: »Ich liebe sie und werde mich immer um sie kümmern. Macht euch keine Sorgen.« Sargent trug seinen Teil dazu bei, indem er sich als glücklichsten Menschen der Welt bezeichnete. »Du bist der glücklichste Mann der Welt, weil du Maria heiratest, und ich bin der größte gottverdammte Glückspilz, weil ich mit Eunice zusammen bin. Wir sind beide Glückspilze!«

Die kirchliche Trauung fand in St. Francis Xavier statt, einer hübschen weißen Kirche mit roten Schindeln mitten in Hyannis, mehrere Kilometer vom Anwesen der Kennedys entfernt. Sie fand an einem Samstagvormittag statt. Als wir dort ankamen, warteten buchstäblich Tausende von Gratulanten. Ich kurbelte das Fenster unserer Limousine herunter und winkte der Menge hinter der Absperrung zu. Es waren auch Dutzende von Journalisten, Fotografen und Kameraleuten da.

Es war atemberaubend, Maria über den Mittelgang auf mich zukommen zu sehen. In ihrem wunderschönen Spitzenkleid mit der langen Schleppe, getragen von zehn Brautjungfern, sah sie geradezu königlich aus und strahlte doch gleichzeitig Glück und Wärme aus. Die Hochzeitsgesellschaft lauschte der förmlichen Brautmesse, in der nach etwa einem Drittel das Eheversprechen ausgetauscht wird. Als der Augenblick kam, standen Maria und ich vor dem Priester. Wir wollten schon sagen: »Ich will«, als sich plötzlich polternd die Tür der Kirche öffnete. Alle Gäste drehten sich um und sahen nach, was da los war. Der Priester starrte an uns vorbei, und wir sahen uns über die Schulter um. Dort, im Gegenlicht der geöffneten Tür nur als Silhouetten zu erkennen, standen ein dürrer Mann mit abstehenden Haaren und eine riesenhafte schwarze Frau, die einen grün gefärbten Nerzhut trug: Andy Warhol und Grace Jones. Es war die letzte Szene aus Die Reifeprüfung, nur dass die beiden nicht die Braut entführen wollten.

Sie wirkten wie Revolverhelden, die in einem Western durch die Pendeltüren des Saloons platzen, oder jedenfalls kam es mir so vor. »Blöder Kerl«, dachte ich, »das ist doch wohl nicht zu glauben. Stiehlt mir auf meiner eigenen Hochzeit die Show.« Aber natürlich war es wunderbar. Andy wirbelte gern Staub auf, und für Grace Jones war Zurückhaltung ein Fremdwort. Maria und ich freuten uns, dass sie noch gekommen waren, und als der Priester uns in seiner Predigt riet, mindestens zehnmal am Tag miteinander zu lachen, waren wir bereits auf einem guten Weg.

Es gibt wohl nicht viele Menschen, die ihren Hochzeitsempfang als bereichernd und lehrreich bezeichnen würden, doch für mich war es tatsächlich so. Als mich mein neuer Schwiegervater seinen Gästen vorstellte, wurde mir einmal mehr und voller Ehrfurcht klar, in wie vielen verschiedenen Zirkeln sich Sarge und Eunice bewegten.

»Der da drüben hat eine Friedenscorps-Operation in Simbabwe geleitet, das damals noch Rhodesien hieß.« – »Den magst du bestimmt … er hat bei den Tumulten in Oakland das Kommando übernommen, da haben wir mit VISTA und Head Start helfen können.« Ich war in meinem Element, weil ich mich als Weltbürger verstand und immer darauf aus war, möglichst viele Menschen aus verschiedenen Arbeitsfeldern und unterschiedlicher Herkunft kennenzulernen. Den Löwenanteil der Gäste aus Politik, Journalismus, Wirtschaft und gemeinnützigen Organisationen hatte Sarge eingeladen. Es waren Menschen, mit denen er im Friedenscorps und in der Regierung Kennedy zusammengearbeitet hatte, in der Politik, in seinen Unternehmungen in Moskau, während seiner Zeit als Botschafter in Paris und so weiter. Ein Mann, den er mir vorstellte, kam aus Chicago: »Unglaublich, Arnold, ein außergewöhnlicher Mensch. Er hat völlig allein den gesamten juristischen Teil der Armenhilfe organisiert, den ich dort eingerichtet habe. Jetzt können auch Menschen, die kein Geld haben, juristischen Rat einholen und sich vertreten lassen.« So ging das den ganzen Tag. »Arnold, komm mal her! Darf ich dir meinen Freund aus Hamburg vorstellen. Ha, ha … du wirst dich bestimmt gern mit ihm unterhalten. Er hat damals ein Geschäft mit den Russen durchgezogen …«

Als es ans Tanzen ging, tauschte Maria ihre Pumps gegen weiße Turnschuhe ein, um ihren großen Zeh zu schonen, den sie sich in der Woche zuvor gebrochen hatte. Dann, als Peter Duchin und sein Orchester einen Walzer spielten, wickelte sie sich die Schleppe ihres Kleides fünf- oder sechsmal um die Taille, und wir legten eine heiße Sohle aufs Parkett, für die wir viel Applaus einheimsten. Mein Freund Jim Lorimer aus Columbus hatte uns einen Tanzkurs organisiert, und das Üben zahlte sich nun aus.

Der Kuchen war eine Kopie des legendären Hochzeitskuchens, den Eunice und Sarge einst gehabt hatten: eine achtstöckige Möhrentorte mit weißem Zuckerguss, die knapp eineinhalb Meter hoch war und 280 Kilo wog. Als sie hereingetragen wurde, bot das Anlass für weitere Tischreden.

Beim Empfang sagte ich etwas, damals eher eine Randbemerkung, das mich noch jahrelang verfolgte. Es ging um Kurt Waldheim, den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, der sich in Österreich um das Präsidentenamt beworben hatte. Ihn und andere Führungspolitiker hatten wir auch eingeladen, darunter die Präsidenten der USA und von Irland und sogar den Papst. Wir erwarteten nicht, dass sie kamen, freuten uns aber, Antwortbriefe für unser Hochzeitsalbum zu bekommen. Ich hatte Waldheim als Kandidaten der ÖVP unterstützt, zu der ich seit meinen Gewichthebertagen in Graz einen engen Kontakt pflegte. Ein paar Wochen vor unserer Hochzeit hatte der Jüdische Weltkongress Waldheim vorgeworfen, seine Vergangenheit als NS-Offizier in Griechenland und Jugoslawien verheimlicht zu haben. Damals waren Juden in die Todeslager geschickt und Partisanen erschossen worden. Ich konnte das nicht glauben. Wie für die meisten Österreicher war Waldheim für mich einer der Großen und als UN-Generalsekretär nicht nur eine nationale, sondern eine internationale Führungspersönlichkeit. Dass er Geheimnisse aus der NS-Zeit haben sollte, bezweifelte ich. Das wäre doch schon lange ans Licht gekommen, dachte ich. Viele Österreicher hielten die Sache für eine Schmutzkampagne, die im Wahljahr von den rivalisierenden Sozialdemokraten losgetreten worden war – ein dämlicher Schachzug, der Österreich vor aller Welt beschädigte. »Ich unterstütze ihn weiter«, sagte ich mir.

Waldheim nahm zwar nicht an unserer Hochzeit teil, doch die ÖVP schickte zwei Vertreter zu unserem Empfang, die ein lustiges Geschenk mitbrachten, das für Aufsehen sorgte: Maria und ich in österreichischer Tracht als lebensgroße Pappmachéfiguren. In einer Tischrede dankte ich den vielen Gratulanten für die Briefe und Geschenke und erwähnte auch dieses Präsent. »Ich danke den Vertretern der ÖVP für ihr Kommen und für das Geschenk. Ich weiß, dass es auch den Segen Kurt Waldheims hat, und möchte ihm ebenfalls danken. Es tut mir leid, dass er derzeit diesen Angriffen ausgesetzt ist, aber das liegt eben in der Natur politischer Wahlkämpfe.« Jemand gab diese Worte an die Tageszeitung USA Today weiter, die sie in einem Bericht über die Hochzeit erwähnte. So wurde ich in eine internationale Kontroverse verwickelt, die noch Jahre andauern sollte. Als schließlich bewiesen war, dass Waldheim hinsichtlich seiner Militärkarriere gelogen hatte, wurde er zum Symbol für das Versagen der Österreicher, sich mit ihrer NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ich hatte selber noch Schwierigkeiten, die entsetzlichen Vorgänge der NS-Zeit in ihrer Gänze zu begreifen, und wenn ich die Wahrheit gekannt hätte, dann hätte ich Waldheims Namen sicher nicht erwähnt.

Das alles wurde mir allerdings erst später klar. Nach unserer Hochzeit setzten Maria und ich uns in die Limousine und fuhren zum Flughafen. Für uns war es die denkbar schönste Hochzeit gewesen. Es war ein besonderer Tag. Alle waren glücklich.

Maria hatte ihren Fans auf CBS Morning News gesagt, dass sie ein paar Tage freinehmen würde. Auch ich hatte nicht viel Zeit für Flitterwochen. So flogen wir für drei Tage nach Antigua, und dann kam sie mit mir nach Mexiko, wo sie ein paar Tage auf dem Filmset zu Predator verbrachte. Als wir dort ankamen, hatte ich schon alles arrangiert: Die Blumen standen auf dem Tisch, und ich führte Maria zu einem romantischen Abendessen mit Mariachi-Musik aus. Als wir in unser Zimmer zurückkamen, öffnete ich einen erstklassigen kalifornischen Wein, der uns, wie ich hoffte, in Stimmung bringen würde. Es war ein herrlicher Abend – bis Maria unter die Dusche ging. Aus dem Badezimmer drangen plötzlich laute Schreie wie in einem Horrorfilm.

Ich hätte es ahnen müssen. Joel Kramer und seine Stunt-Leute hatten den Frischvermählten einen Streich gespielt. Im Grunde war es eine Revanche, denn einige der Stunt-Leute und ich hatten Joel Spinnen ins Hemd und Schlangen in die Tasche gemogelt. Am Drehort ging es ein bisschen zu wie im Sommerferienlager. Als nun Maria den Duschvorhang öffnete, starrten sie jede Menge Frösche an. Man sollte annehmen, dass sie Spaß verstand, denn die Cousins und Cousinen in Hyannisport spielten sich untereinander ständig Streiche. Aber es ist eigenartig: Wenn es um Sport geht, sind alle Kennedys äußerst mutig – Maria würde nicht zögern, von einer zehn Meter hohen Klippe ins Meer zu springen –, aber wenn sie eine Spinne oder eine Biene oder auch nur eine Ameise im Zimmer sehen, drehen sie durch, als wäre eine Bombe explodiert. Deshalb waren die Frösche eine echte Katastrophe. Joel hatte das nicht ahnen können, aber sein Streich war höchst erfolgreich – er verhagelte mir die romantische Nacht.

Als Maria nach Hause flog, machte ich mich wieder an die Arbeit, in Gestalt des Filmhelden Major Dutch Schaefer. Predator ist ein Science-Fiction-Film, in dem ich mein Team durch den Dschungel von Guatemala führe und meine Jungs entführt und bei lebendigem Leib von einem uns unbekannten Feind gehäutet werden. Wie sich später herausstellt, ist es ein Außerirdischer, der mit Hightech-Waffen ausgestattet ist, sich unsichtbar machen kann und zur Erde gekommen ist, um sich mit der Menschenjagd zu vergnügen.

Wir, das heißt, die Produzenten Joel Silver, Larry Gordon, John Davis und ich, waren mit der Wahl des Regisseurs ein ziemliches Risiko eingegangen. John McTiernan hatte erst einen Film gedreht, den Low-Budget-Horrorfilm Nomads – Tod aus dem Nichts, in dem Geister aus einer anderen Welt Menschen in den Tod treiben. Was den Film auszeichnete, war die extreme Spannung, die McTiernan zu erzeugen verstand. Und das in einem Film mit einem Budget von weniger als einer Million Dollar. Wir hatten überlegt, wenn er mit so wenig Geld eine so dichte Atmosphäre aufbauen konnte, dann musste er Talent haben. In Predator musste die Spannung von dem Augenblick an stehen, in dem die Männer im Dschungel ankommen. Wir wollten dem Zuschauer schon Angst einjagen, ehe der außerirdische »Menschenjäger«, der Predator, überhaupt auftaucht, nur mit Hilfe des Nebels, der Kameraführung und der Handlungsführung. Vor allem deshalb spekulierten wir darauf, dass McTiernan auch mit einer zehnmal so teuren Produktion zurechtkam.

Wie bei jedem Actionfilm waren die Dreharbeiten zu Predator alles andere als das reine Vergnügen, sondern eher die reinste Tortur. Zum einen hatten wir es mit allem zu tun, was man im Dschungel so antrifft: Blutegel, Schlamm, Giftschlangen, eine erdrückende Hitze und extreme Luftfeuchtigkeit. Das Gelände, das sich McTiernan ausgesucht hatte, war so zerklüftet, dass man keinen Schritt zu ebener Erde machen konnte. Das größte Kopfzerbrechen jedoch bereitete uns der Predator selbst. Die meiste Zeit ist er unsichtbar, doch wenn er auf der Leinwand erscheint, soll er so außerirdisch und so schrecklich aussehen, dass er noch den größten Macho in Angst und Schrecken versetzt. Der Predator, den wir hatten, war dieser Aufgabe nicht gewachsen. Er war von einer Special-Effects-Firma entworfen worden, die das Filmstudio aus wirtschaftlichen Überlegungen ausgesucht hatte: Stan Winston, der den Terminator entwickelt hatte, hätte 1,5 Millionen Dollar gekostet, die beauftragte Werkstatt berechnete nur 750000 Dollar. Doch die Kreatur wirkte nicht bedrohlich, sondern einfach nur lächerlich. Sie sah aus wie ein Kerl in einem Echsenkostüm mit dem Kopf einer Ente.

Schon die Probeaufnahmen deuteten das Dilemma an, und nach wenigen Szenen war klar, dass die Sorgen berechtigt waren. Die Kreatur war völlig ungeeignet, wirkte künstlich und unglaubhaft. Jean-Claude Van Damme, der in dem Predator steckte, beschwerte sich unablässig. Wir dachten, wir könnten uns um das Problem herummogeln. Doch als wir Mexiko verlassen hatten und der Film im Schnitt war, merkten wir, dass sich das Filmmaterial mit der Kreatur im Nachhinein nicht korrigieren ließ. Schließlich beauftragten die Produzenten Stan Winston mit einer Überarbeitung des Predators. Wir wurden zurück nach Palenque geschickt, wo wir die finale Konfrontation noch einmal drehten. Es war eine Nachtszene, in der der Predator zu sehen ist und mit Dutch Mann gegen Mann im Sumpf kämpft.

Mittlerweile war es allerdings November, und im Dschungel war es nachts bitterkalt. Stan Winstons Außerirdischer war größer und angsteinflößender als der ursprüngliche, ein grüner, 2,50 Meter großer Hüne mit eingesunkenen Knopfaugen und insektenhaften Kauwerkzeugen statt eines Mundes. Im Dunkeln findet er seine Beute mit hoch entwickelter Wärmebildtechnik, und Dutch, der an dieser Stelle des Films keine Kleider mehr am Leib hat, schmiert sich zur Tarnung mit Schlamm ein. Damit wir das drehen konnten, musste ich genau das tun: kalten, nassen Schlamm auf meinen Körper klatschen. Die Maskenbildner verwendeten Ton, dasselbe Material, aus dem die Flaschenkühler in den Restaurants sind. »Der wird den Körper ein paar Grad abkühlen«, warnte mich der Maskenbildner. »Es kann sein, dass du frierst.« Ich fror wie ein Schneider. Man musste mich mit Wärmelampen aufwärmen, doch da der Ton dadurch trocknete, gaben wir das auf. Ich trank guten heißen Jagertee, was ein wenig half, mich aber so beschwipst machte, dass ich die Szene kaum noch drehen konnte. Um das Zittern unter Kontrolle zu bekommen, klammerte ich mich, während die Kamera lief, an irgendetwas fest und ließ nicht mehr los, bis die Einstellung vorüber war. Ich erinnerte mich daran, wie ich mich am Thalersee als Kind immer mit Schlamm eingeschmiert hatte, und dachte: »Was war daran bloß so schön?«

Kevin Peter Hall, der 2,20 Meter große Schauspieler, der in die Verkleidung des Predators geschlüpft war, hatte mit anderen Problemen zu kämpfen. Er musste wendig wirken, doch das Kostüm war schwer, und mit der Maske auf dem Kopf konnte er nichts sehen. Er sollte ohne die Maske proben, um später blind zu wissen, wo alles war. Meistens funktionierte das ganz gut. Doch einmal sollte er mich schlagen, ohne meinen Kopf zu berühren. Plötzlich gab es ein lautes Klatschen, und ich hatte seine Hand samt der Krallen direkt im Gesicht.

Unsere Mühen machten sich dann im darauffolgenden Sommer an den Kinokassen zum Glück bezahlt. Predator hatte in jenem Jahr das zweitbeste Eröffnungswochenende (nach Beverly Hills Cop 2) und brachte am Ende 100 Millionen Dollar ein. McTiernan erwies sich als exzellente Wahl und demonstrierte im folgenden Jahr mit Stirb langsam, dass sein Erfolg mit Predator kein Zufall gewesen war. Hätte ein Regisseur seines Kalibers auch die Fortsetzung zu Predator gedreht, so hätte der Film ebenso viel Erfolg haben können wie die Fortsetzungen zu Terminator oder Stirb langsam.

Mit den Studio-Chefs hatte ich darüber eine Auseinandersetzung. Was mit Predator geschah, passiert oft, wenn ein unerfahrener Regisseur einen erfolgreichen Film abliefert. Er dreht anschließend Erfolgsfilme, und sein Honorar steigt. Nach Stirb langsam war McTiernan bei 2 Millionen Dollar. Und natürlich waren die Kosten in den sieben Jahren seit dem ersten Predator gestiegen. Die Studio-Bosse wollten aber eine Fortsetzung drehen, die nicht mehr kosten durfte als der erste Film. Damit kam McTiernan nicht mehr infrage. Stattdessen stellte man einen Regisseur ein, der relativ unerfahren und günstig zu haben war, in diesem Fall den Regisseur von Nightmare on Elm Street 5. Joel Silver wollte, dass ich in der Predator-Fortsetzung wieder die Hauptrolle übernahm, aber ich erklärte ihm, dass der Film ein Flop werden würde. Nicht nur, dass er den falschen Regisseur hatte, auch das Drehbuch taugte nichts. Die Geschichte spielte in Los Angeles. »Keiner will einen Predator in Los Angeles herumrennen sehen. Bei uns ist es auch so schon gefährlich genug. In den Bandenkriegen kommen ständig Leute ums Leben. Da müssen wir nicht auch noch einen Außerirdischen auf die Stadt loslassen.« Ohne einen guten Regisseur und ein anständiges Skript konnte ich den Film auch nicht retten. Da mir Silver nicht entgegenkam, war die Sache für mich erledigt. Joel und ich arbeiteten nie wieder zusammen.

Mittlerweile haben die Studios ihre Taktik geändert. Sie geben für Fortsetzungen mehr Geld aus, bezahlen Schauspieler und Drehbuchschreiber besser und heuern auch den Regisseur des Originals wieder an. Es spielt keine Rolle, ob die Fortsetzung zu Batman oder Iron Man 160 Millionen Dollar kostet, wenn sie an der Kinokasse 350 Millionen Dollar einspielt. Die Predator-Filme hätten dasselbe Potenzial gehabt. Doch mit einem billigen Regisseur, billigen Drehbuchschreibern und Schauspielern wurde der Film zu einem der größten Flops des Jahres. Man lernte nicht daraus, sondern machte denselben Fehler noch einmal mit Predator 3. Zugegeben, hinterher ist man immer schlauer.

Es war die Zeit der großen Actionfilme, einem völlig neuen Genre, das vor allem Sylvester Stallone mit seinen Rocky-Filmen losgetreten hatte, und ich war ganz vorne mit dabei. Im ersten Rocky im Jahr 1979 hatte Stallone noch ausgesehen wie ein ordentlicher Boxer, doch in Rocky 2 war er schon erheblich besser durchtrainiert. Auch seine Rambo-Filme, besonders die ersten beiden, hatten eine gigantische Wirkung. Mein Film Das Phantom-Kommando, der im selben Jahr herauskam wie der zweite Rambo und Rocky 4, führte diesen Trend weiter, und Terminator und Predator erweiterten das Genre in Richtung Science-Fiction. Einige dieser Filme wurden von der Kritik gelobt, und alle brachten den Filmstudios so viel Geld ein, dass sie sie nicht mehr als B-Movies abtun konnten. Actionfilme wurden für die achtziger Jahre so wichtig wie es die Cowboyfilme für die fünfziger waren.

Die Studios hatten es nun eilig, an neue Drehbücher zu kommen, die mir möglichst auf den Leib geschrieben sein sollten. Sylvester Stallone und ich gaben in dem Genre den Ton an. Stallone war mir etwas voraus und bekam auch mehr Geld. Aber bald gab es mehr Arbeit, als wir bewältigen konnten, und so betraten weitere wichtige Akteure die Bühne: Chuck Norris, Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren, Bruce Willis. Sogar Leute wie Clint Eastwood, die schon von jeher Actionfilme gedreht hatten, trainierten, rissen sich die Hemden vom Leib und zeigten ihre Muskeln.

Der Körper spielte die entscheidende Rolle. Muskulöse Männer galten mittlerweile als attraktiv, heldenhaftes Aussehen wurde zum ästhetischen Ideal. Ein solcher Mann strahlte Macht aus und vermittelte dem Zuschauer das sichere Gefühl, dass er die anstehenden Probleme bewältigen konnte. Egal, wie ausgefallen ein Stunt war, das Publikum dachte: »Ja, das könnte er schaffen.« Predator war auch deshalb ein Erfolg, weil die anderen, die mit mir in den Dschungel gingen, beeindruckend groß und muskulös waren. Jesse Ventura gab in diesem Film sein Schauspieldebüt. Ich war zugegen, als er sich bei Fox Studios um den Job bewarb, und als er den Raum verlassen hatte, sagte ich: »Leute, den sollten wir unbedingt nehmen. Er war Kampfschwimmer bei der Navy, er ist professioneller Wrestler, und so sieht er auch so aus. Er ist groß und stattlich und hat eine tiefe, männliche Stimme.« Ich fand, dass wir in den Filmen nicht genügend echte Männer hatten, und er war genau der Richtige.

Mein Plan war es, meine Gage mit jedem neuen Film zu verdoppeln. Dieses Ziel verfolgte ich hartnäckig, und obwohl es nicht immer klappte, hatte ich doch meistens Erfolg. Nachdem ich bei Conan der Barbar mit 250000 Dollar eingestiegen war, erreichte ich Ende der achtziger Jahre die 10-Millionen-Dollar-Marke. Die Entwicklung lief wie folgt:

Terminator    

750000 Dollar

Conan der Zerstörer    

1 Million Dollar

Das Phantom-Kommando    

1,5 Millionen Dollar

Red Sonja    

1 Million Dollar

Predator    

3 Millionen Dollar

Running Man    

5 Millionen Dollar

Red Heat    

5 Millionen Dollar

Total Recall    

10 Millionen Dollar

Es folgten 14 Millionen Dollar für Terminator 2 und 15 Millionen Dollar für True Lies. Das ging Schlag auf Schlag.

In Hollywood hängt die Gage davon ab, wie viel man einspielen kann. Die Produktionsfirmen fragen sich, was bekommen wir für unsere Investition? Ich konnte meine Forderungen verdoppeln, weil meine Filme weltweit so viel einspielten. Ich kümmerte mich bewusst um die ausländischen Märkte. »Spricht der Film auch ein internationales Publikum an?«, war immer meine erste Frage. »Der asiatische Markt mag keine Gesichtsbehaarung, warum also soll ich in dieser Rolle einen Bart tragen? Wollen wir wirklich auf das viele Geld verzichten?«

Was mich von anderen Action-Stars wie Stallone, Eastwood und Norris absetzte, war der Humor. Meine Figuren waren immer ein wenig ironisch angelegt, und ich warf stets ein paar witzige Bemerkungen ein. In Phantom-Kommando breche ich einem der Entführer meiner Tochter den Hals, setze ihn aufrecht neben mich in den Flugzeugsitz und erkläre der Stewardess: »Stören Sie meinen Freund nicht, er ist todmüde.« In Running Man töte ich einen Gegner namens Fireball mit einer Fackel und kommentiere das mit den Worten: »So ein Hitzkopf.«

Diese witzig-trockenen Kommentare folgen gewöhnlich nach einer besonders actionreichen Szene, um dem Zuschauer erst einmal wieder Entspannung zu verschaffen. Begonnen hatte das eher zufällig in Terminator. An einer Stelle hat sich der Terminator in eine billige Absteige zurückgezogen, um sich zu reparieren. Ein schmieriger Hausmeister, der einen Putzwagen durch den Gang schiebt, klopft an der Zimmertür an und sagt: »Hey Kumpel, hast du da ’ne tote Katze drin, oder was?« Aus dem Blickwinkel des Terminators, auf seinem inneren Bildschirm, sieht man eine Liste »möglicher Antworten«, aus denen er auswählt:

JA/NEIN

WAS?

VERSCHWINDEN SIE

KOMMEN SIE SPÄTER WIEDER

FICK DICH SELBER, DU ARSCHLOCH

Dann hört man, welche er angewählt hat: »Fick dich selber, du Arschloch.« Im Kino lachten sich die Leute über diesen Satz halb tot, weil er mit einem Schlag die Spannung abbaute. Der Zuschauer hatte sich gefragt, ob der Typ das nächste Opfer werden würde, ob ich ihn hinwegfegen, ihn zermalmen oder sonst wie zur Hölle schicken würde. Stattdessen erklärt ihm der Terminator, er solle sich schleichen, und der Kerl geht weg. Das ist genau das Gegenteil dessen, was man erwartet, und komisch ist es, weil es die Spannung durchbricht. Da ich merkte, wie wichtig solche Momente sind, baute ich auch in meinen nächsten Actionfilm, Das Phantom-Kommando, solche flapsige Bemerkungen ein. Am Ende des Films bringt mich der Erzbösewicht Bennett fast um. Ich trage den Sieg davon, als ich ihn an einer zerbrochenen Dampfleitung aufspieße. »Ja, lass Dampf ab«, sage ich. Das Publikum der Testvorführungen war begeistert. »Ich mag den Film, weil man da auch lachen kann«, sagten die Leute hinterher. »Manche Actionfilme sind so heftig, dass man wie benommen ist. Wenn das aufgebrochen wird und ein bisschen Humor in die Sache kommt, ist das unglaublich erfrischend.«

Von da an baten wir in allen meinen Actionfilmen die Drehbuchschreiber, komische Momente einzubauen, und wenn es nur zwei oder drei kleine Sätze waren. Manchmal wurde ein Autor speziell damit beauftragt, sie in das Drehbuch einzuarbeiten. Diese witzigen Bemerkungen wurden zu meinem Markenzeichen, und der trockene Humor schwächte die Kritik ab, dass Actionfilme einzig und allein auf Gewalt fixiert seien. Die Komik öffnete den Film einem breiteren Publikum.

Ich überlegte mir auch genau, wie meine Filme in den verschiedenen Ländern verstanden werden würden. Man kann sich das vorstellen wie die Liste möglicher Antworten des Terminators in der Szene mit dem Hausmeister. »Wie kommt das in Deutschland an?«, fragte ich mich. »Verstehen die Menschen das in Japan? Wie wird es in Kanada aufgenommen? Was ist in Spanien? Oder im Nahen Osten?« In den meisten Fällen verkauften sich meine Filme im Ausland noch besser als in den USA. Zum Teil lag das daran, dass ich wie besessen durch die Welt reiste und Werbung dafür machte. Es lag aber sicherlich auch daran, dass sie alle betont einfach strukturiert waren: Terminator, Das Phantom-Kommando, Predator, Der City Hai, Total Recall – sie alle behandelten universelle Themen: Gut gegen Böse, Verbrechen und Rache oder die Vision einer Zukunft, vor der jeder Angst hatte.

Red Heat war der einzige Film, der zumindest ansatzweise eine politische Aussage hatte. Es war die erste amerikanische Produktion aller Zeiten, für die auf dem Roten Platz gefilmt werden durfte. Es war die Zeit des Glasnost, als die UdSSR und die USA gemeinsam nach einem Ausweg aus dem Kalten Krieg suchten. Mir schwebte allerdings in erster Linie ein Film über Freundschaft vor: Ich spielte einen Polizisten aus Moskau und Jim Belushi einen aus Chicago. Die beiden raufen sich zusammen und verhindern, dass russische Kokainhändler Drogen in die USA liefern. Walter Hill, unser Regisseur, war auch für Drehbuch und Regie von Nur 48 Stunden verantwortlich gewesen. Ziel war es, Action und Komik zu verbinden.

Am Anfang hatte Walter nichts als die Eröffnungsszene. Viele Filme entstehen so: Man hat eine Idee und setzt sich dann hin und schreibt die hundert Seiten Drehbuch dazu. In dieser Szene bringe ich als sowjetischer Polizist Ivan Danko einen Kriminellen zur Strecke. Ich erwische ihn in einer Kneipe in Moskau, er widersetzt sich der Verhaftung, und es kommt zum Kampf. Als er hilflos am Boden liegt und ich auf ihm knie, hebe ich zum Entsetzen der umstehenden Menschen sein rechtes Bein an und reiße es brutal nach oben. Die Kinogänger sind entsetzt. Warum bricht der dem Typ das Bein? Im nächsten Moment sieht man, dass es sich um eine Prothese handelt, die mit weißem Pulver gefüllt ist – Kokain. Das war Walters Idee, und als er mir davon erzählte, sagte ich: »Ich finde es toll, ich bin dabei.«

Während er das Skript verfasste, sprachen wir uns immer wieder ab. Wir wollten eine Freundschaft zeigen, die das Verhältnis zwischen Ost und West widerspiegelt. Zwischen Belushi und mir sollte es zuerst heftig zum Krach kommen. Wir mussten eigentlich an einem Strang ziehen, gerieten uns aber immer wieder in die Haare. Er macht sich über meine grüne Uniform und meinen Akzent lustig. Wir streiten uns darüber, welches die mächtigste Handfeuerwaffe der Welt ist. Als ich sage, das sei die sowjetische Podbyrin, erwidert er: »Kommen Sie, jeder weiß, die Magnum 44 ist der treffsicherste Prügel. Sogar Dirty Harry steht drauf.« Und ich sage: »Wer ist Dirty Harry?« Und so geht das die ganze Zeit.

Walter bat mich, mir Greta Garbo in Ninotschka anzusehen, damit ich mir vorstellen konnte, wie Danko als loyaler Sowjetbürger im Westen agieren würde. Ich lernte ein bisschen Russisch, und diesmal war mein Akzent sogar von Vorteil. Die Filmarbeiten in Moskau waren ein einmaliges Erlebnis. Toll war auch die Kampfszene in der Sauna, in der ein Gangster Danko herausfordert, indem er ihm ein glühendes Stück Kohle in die Hand legt. Er wundert sich, als Danko nicht mit der Wimper zuckt, sondern die Hand um die heiße Kohle schließt. Dann schleudert Danko den Kerl durchs Fenster nach draußen, springt hinterher und setzt den Kampf im Schnee fort. Die erste Hälfte der Szene drehten wir im Rudas-Bad in Budapest, die zweite in Österreich, weil in Budapest kein Schnee lag.

Red Heat war mit einem Erlös von 35 Millionen Dollar in den USA ein Erfolg, aber nicht der Riesenhit, den ich erwartet hatte. Die Gründe dafür sind gar nicht so leicht zu benennen. Vielleicht war das Publikum noch nicht bereit für Russland, vielleicht waren Jim Belushi und ich nicht komisch genug, vielleicht war auch die Arbeit des Regisseurs nicht gut genug. Egal, woran es lag: Der Film erfüllte ganz offensichtlich nicht die Erwartungen.

Wenn ich einen Film abgedreht hatte, war für mich die Arbeit erst zur Hälfte erledigt. Jeder Film muss beworben werden. Man kann den besten Film der Welt machen, aber wenn er nicht den Weg in die Kinos findet und wenn die Leute nichts davon erfahren, dann nützt das alles nichts. Dasselbe gilt für Literatur, Malerei oder auch Erfindungen. Ich war immer fassungslos, dass die größten Künstler, von Michelangelo bis van Gogh, kaum etwas verkauften, weil sie nicht wussten, wie. Sie mussten sich darauf verlassen, dass ein Schmarotzer von Agent, Manager oder Galerist kam und das für sie in die Hand nahm. Picasso lieferte gegen eine Mahlzeit im Restaurant eine Zeichnung ab oder bemalte einen Teller. Wenn man solche Restaurants in Madrid besucht, hängen an der Wand Picassos Bilder, die heute Millionen von Dollar wert sind. So etwas sollte mit meinen Filmen nicht passieren. Im Bodybuilding und in der Politik hielt ich es nicht anders. Egal, was ich im Leben tat: Mir war klar, dass man es verkaufen musste.

»Leg dich früh ab, steh früh wieder auf, bring dich auf Trab, mach Werbung für den Verkauf«, sagte Ted Turner immer. Deshalb machte ich es mir zur Gewohnheit, bei den Testvorführungen anwesend zu sein. Der Ablauf war immer derselbe: Ein Kinosaal voller Menschen füllte Fragebögen zur Bewertung des Films aus, und danach baten wir zwanzig oder dreißig von ihnen, noch dazubleiben und zu berichten, wie der Film bei ihnen ankam. Die Experten aus dem Studio wollten zweierlei wissen: Zum einen, ob der Film noch verändert werden musste. Wenn aus den Fragebögen hervorging, dass den Leuten das Ende nicht gefiel, baten die Marketingleute die jeweiligen Zuschauer, dies näher zu erläutern. »Ich fand es unglaubwürdig, dass der Held so eine Schießerei überlebt«, hieß es beispielsweise, oder: »Ich hätte es gut gefunden, wenn man seine Tochter noch einmal gezeigt hätte, damit wir wissen, was aus ihr geworden ist.« Manchmal kamen Dinge zur Sprache, über die man während der Dreharbeiten überhaupt nicht nachgedacht hatte.

Zum Zweiten loteten die Marketingleute aus, wie sie den Film positionieren sollten. Wenn sie feststellten, dass der Mehrheit der Zuschauer die Action gefiel, bewarben sie ihn als Actionfilm. Wenn die Leute den kleinen Jungen mochten, der am Anfang vorkam, dann bauten sie ihn in den Trailer ein. Fanden die Zuschauer ein Thema besonders interessant – die Beziehung der Protagonistin zu ihrer Mutter beispielsweise –, dann wurde auch das stärker herausgearbeitet.

Ich war wegen des persönlichen Feedbacks dort. Ich wollte hören, was die Leute von der Figur hielten, wie sie die Qualität meines Spiels bewerteten und in welcher Richtung sie gern mehr oder weniger sehen wollten. So erfuhr ich, woran ich noch arbeiten musste und was für Rollen ich als Nächstes übernehmen sollte. Viele Schauspieler holen sich diese Informationen aus der Marketingabteilung des Filmstudios, aber ich wollte sie unmittelbar von den Zuschauern hören. Die Zuschauer gaben mir auch wichtige Stichworte für die Werbung. Wenn jemand sagte: »In dem Film geht es nicht nur um Rache und Vergeltung, es geht vor allem um das Bewältigen großer Hindernisse«, dann schrieb ich mir das auf und erwähnte es in den Medieninterviews.

Man muss sein Publikum hegen und pflegen und es mit jedem neuen Film ausbauen. Es war wichtig, dass ein bestimmter Prozentsatz der Zuschauer bei jedem Film sagte: »So einen Film würde ich mir jederzeit wieder ansehen.« Das sind die Leute, die ihren Freunden erzählen: »Den Typ müsst ihr gesehen haben.« Wenn man einen Film zum Erfolg bringen will, muss man auch auf die Vertriebsleute hören, die den Kinobesitzern nahelegen, diesen und nicht jenen Film zu zeigen. Damit sie wissen, dass man sie nicht im Regen stehen lässt, besucht man ShoWest, die Fachmesse der Kinobesitzer in Las Vegas, lässt sich mit Messeteilnehmern fotografieren, stellt seinen Film vor und nimmt an der Pressekonferenz teil. Wenn man den Kinobesitzer zeigt, dass man an sie und ihre Bedürfnisse denkt, dann bringen sie den Film auch mit aller Macht in ihre Filmtheater. Ein paar Tage später kann es vorkommen, dass ein Verleiher anruft und sagt: »Sie haben da neulich einen Vortrag über Ihren Film gehalten. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie nützlich das war. Die Besitzer dieser oder jener Multiplex-Kinos haben sich bereit erklärt, uns nicht nur jeweils einen, sondern gleich zwei Kinosäle zu geben, weil Sie sich so für den Film engagieren und daran glauben, und auch, weil Sie versprochen haben, in ihre Stadt zu kommen und den Film zu bewerben.«

In den ersten Jahren meiner Filmkarriere fiel es mir schwer, irgendeine Arbeit zu delegieren, die Kontrolle aus der Hand zu geben. Im Bodybuilding hatte alles an mir gelegen. Zwar war ich auf die Hilfe Joe Weiders und meiner Trainingspartner angewiesen, aber für meinen Körper war ganz allein ich verantwortlich. Im Film dagegen ist man von Anfang an hochgradig von anderen abhängig. Wenn der Produzent mir ein Projekt anträgt, muss ich mich darauf verlassen, dass er den richtigen Regisseur aussucht. Und am Drehort ist man vollständig auf den Regisseur und eine Menge weiterer Menschen angewiesen. Wenn ich einen guten Regisseur wie Milius oder Cameron hatte, gingen meine Filme los wie eine Rakete, weil der Regisseur gut war. Wenn ich aber einen Regisseur hatte, der sich verzettelte oder keine klare Vision hatte, floppte auch der Film. Da ich beide Male derselbe Arnold war, musste es am Regisseur liegen. Als mir das erst bewusst war, fiel es mir leichter, mich zurückzunehmen, auch wenn ich mit Lob überschüttet wurde. Nicht ich führte Terminator zu diesem enormen Erfolg, sondern Jim Camerons Vision. Er schrieb das Drehbuch, er führte Regie, und er machte den Film zu etwas Großartigem.

Bei vielen Filmen war ich in die Entscheidungsfindung eingebunden, konnte das Drehbuch und die Besetzung absegnen und sogar den Regisseur auswählen. Für mich war es jedoch immer eine feste Regel, dem Regisseur, wenn er erst feststand, blind zu vertrauen. Wenn man alles, was der Regisseur anordnet, infrage stellt, kommt man aus dem Streiten gar nicht mehr heraus. Viele Schauspieler tun das, ich nicht. Ich nahm den Regisseur im Vorfeld unter die Lupe, rief andere Schauspieler an und fragte sie: »Kommt er gut mit Stress zurecht? Schreit er viel?« Aber wenn er an die Arbeit ging, verließ ich mich auf sein Urteil. Auch wenn man sich für den Falschen entschieden hat, kann man sich nicht die gesamten Dreharbeiten lang mit ihm herumstreiten.

Beim Projekt Running Man im Jahr 1987 wurde der Regisseur Andy Davis nach nur einer Woche Dreharbeiten geschasst. Die Produzenten und Studio-Bosse zettelten am Set einen Putsch an, während ich ein paar Tage weg war, um für die Frühjahrswettkämpfe im Bodybuilding in Columbus in Ohio Werbung zu machen. Als ich wieder zurückkam, hatte man Andy durch Paul Michael Glaser ersetzt, der als Fernsehschauspieler angefangen und danach Fernsehfilme gemacht hatte. (Er war in den Siebzigern der Starsky in Starsky und Hutch.) Glaser hatte noch nie einen Spielfilm gedreht, doch da er gerade Zeit hatte, nahm man ihn unter Vertrag.

Das war eine Fehlentscheidung. Glaser kam vom Fernsehen und drehte den Film wie einen Fernsehfilm. Dabei gingen sämtliche tieferen Nuancen verloren. Running Man ist eine actionreiche Science-Fiction-Geschichte nach einem Roman von Stephen King. Sie ist angesiedelt in der albtraumhaften Vision eines Amerika des Jahres 2017, damals also dreißig Jahre in der Zukunft. Die Wirtschaft steckt in einer Rezession, und die USA sind zu einem faschistischen Staat geworden. Mit Fernsehsendungen, die auf riesigen Leinwänden in den Städten übertragen werden, will die Regierung die Menschen davon ablenken, dass sie keine Arbeit haben. Das Programm bringt eine ziemlich extreme Mischung aus Comedy, Drama und Sport. Die beliebteste Sendung ist Running Man, ein live übertragener Wettkampf, in dem verurteilte Gefangene die Chance erhalten, in die Freiheit zu fliehen. Aber sie werden gejagt und in der Regel abgeschlachtet, und das vor laufender Kamera. In der Geschichte geht es um den Polizisten Ben Richards, der, unschuldig verurteilt, zum »Runner« wird und um sein Überleben kämpft.

Der Fairness halber muss man sagen, dass Glaser nicht die Zeit hatte, sich in Ruhe in die zentralen Themen des Films einzuarbeiten, nämlich wie Unterhaltung und Staat sich entwickeln und was es zu bedeuten hat, wenn das reale Töten von Menschen zur Live-Unterhaltung wird. Im Fernsehen bekommt man als Regisseur den Vertrag über einen Film, den man in der Woche darauf dreht – das war Glasers Arbeitsfeld. Running Man schöpfte daher sein Potenzial nicht aus. Der Film hätte gut 150 Millionen Dollar einspielen können. Das Konzept war ausgezeichnet, doch dass man sich einen unerfahrenen Regisseur aussuchte und ihm nicht die Zeit einräumte, sich anständig vorzubereiten, war sein Ruin.

Für Die totale Erinnerung – Total Recall waren in Hollywood schon so lange gleich mehrere Drehbücher im Umlauf, dass es mittlerweile hieß, das Projekt sei verhext. Dino De Laurentiis besaß in den achtziger Jahren die Rechte und nahm zweimal Anlauf, den Film zu produzieren, erst in Rom und dann noch einmal in Australien. Sein Film unterschied sich stark von dem, der letztendlich gedreht wurde, denn er hatte weniger Gewaltszenen und betonte stärker die virtuelle Reise zum Mars.

Ich ärgerte mich über Dino, weil er mir den Film nicht anbot, obwohl er wusste, dass der Stoff mir gefiel. Aber er hatte etwas anderes damit vor. Für den Versuch in Rom engagierte er Richard Dreyfuss, für den in Australien Patrick Swayze aus Dirty Dancing, während ich die Rolle in Der City Hai bekam. In Australien waren schon die Tonbühnen aufgebaut worden, und man wollte mit den Dreharbeiten beginnen, als Dino, wie schon mehrmals in seiner Karriere, das Geld ausging und er einige seiner Projekte einstellen musste.

Ich rief Mario Kassar und Andy Vajna bei Carolco Pictures an, deren unabhängige Produktionsfirma damals rasant wuchs und Erfolge mit den Rambo-Filmen feierte. Die beiden hatten Red Heat finanziert, und ich fand, dass sie für Total Recall genau die Richtigen waren. »Dino ist pleite«, sagte ich. »Er hat eine Menge großartiger Projekte, und eins davon würde ich besonders gern machen.«

Sie reagierten sofort und und kauften ihm innerhalb weniger Tage das Projekt ab. Nun stellte sich die Frage, wer Regie führen sollte. Sie war noch Monate später unbeantwortet, als ich in einem Restaurant Paul Verhoeven traf. Ich kannte ihn nur vom Sehen – ein hagerer, ernst wirkender Typ, etwa zehn Jahre älter als ich. In Europa hatte er einen guten Ruf, und ich war von seinen ersten beiden englischsprachigen Filmen sehr beeindruckt, Flesh and Blood und Robocop. Ich ging an seinen Tisch und sagte: »Ich würde gern einmal mit Ihnen arbeiten. Ich habe Ihren Robocop gesehen. Er ist fantastisch. Flesh and Blood war auch fantastisch.«

»Ich würde auch gern mit Ihnen arbeiten«, sagte er. »Vielleicht finden wir ein Projekt.« Am nächsten Tag rief ich ihn an. »Ich habe das Projekt«, sagte ich und erzählte ihm von Total Recall. Als Nächstes rief ich bei Carolco an und bat darum, Paul Verhoeven gleich das Drehbuch zu schicken.

Einen Tag später erklärte mir Verhoeven, er finde das Drehbuch sehr gut, auch wenn er gern ein paar Sachen ändern würde. Das war normal. Jeder Regisseur will in einem Drehbuch seine Duftmarke setzen. Seine Vorschläge waren allerdings klug und zum Vorteil der Handlung. Sofort machte er sich an Nachforschungen über den Mars: Wie setzt man den Sauerstoff frei, der in den Felsen eingeschlossen ist? Dafür musste es eine wissenschaftliche Grundlage geben. Paul eröffnete dem Film eine realistische und wissenschaftliche Dimension. Die Kontrolle über den Mars hing in der Geschichte ausschließlich von der Kontrolle über den Sauerstoff ab. Vieles von dem, was Verhoeven sagte, war einfach genial. Er hatte eine klare Vorstellung und war voller Leidenschaft. Mit Carolco besprachen wir die von ihm geforderten Änderungen, und Paul unterzeichnete den Vertrag für die Regie.

Das war im Herbst 1988. Wir machten uns mit Feuereifer daran, das Drehbuch umzuschreiben und den geeigneten Drehort zu finden. Anschließend ging es mit voller Kraft in die Vorproduktion, und Ende März begannen im Studio in Churubusco, in Mexiko-Stadt, die Dreharbeiten. Wir drehten den ganzen Sommer über, fünf, sechs Monate lang. Mexiko-Stadt wählten wir auch wegen der Architektur aus, denn einige der Gebäude dort hatten genau den futuristischen Touch, den wir brauchten. Da die Computergrafik noch nicht so weit fortgeschritten war, mussten wir vieles real drehen, indem wir entweder einen passenden Drehort auftaten oder maßstabsgerechte Kulissen oder Miniaturen bauen ließen. Die Produktion von Total Recall war so komplex, dass Conan der Barbar dagegen vergleichsweise simpel wirkte. Die Filmcrew umfasste mehr als fünfhundert Mitarbeiter, und wir brauchten fünfundvierzig Kulissen, die sechs Monate lang acht Tonbühnen erforderlich machten. Die Arbeit in Mexiko brachte eine gewisse Ersparnis, aber der Film kostete schließlich über 50 Millionen Dollar und war damit damals die zweitteuerste Produktion aller Zeiten nach Rambo 3. Ich war froh, dass Carolco Pictures Rambo 3 produziert hatte. Mario und Andy waren es bereits gewohnt, ein hohes Risiko einzugehen.

Was mich an der Geschichte faszinierte, war die Vorstellung einer virtuellen Reise. Ich spiele den Bauarbeiter Doug Quaid, der sich für die Werbung einer Firma namens Rekall interessiert und einen virtuellen Urlaub auf dem Mars bucht. »Rufen Sie Rekall an, wenn Sie eine Erinnerung fürs Leben wollen«, heißt es in der Werbung, »Rekall, Rekall, Rekall.«

»Nehmen Sie bitte Platz, machen Sie es sich bequem«, sagt der Reisevermittler. Quaid will nicht allzu viel Geld ausgeben, doch von Anfang an will der etwas schmierige Angestellte ihm Zusatzleistungen unterjubeln. »Was ist in jedem Urlaub, den Sie gemacht haben, stets genau dasselbe geblieben?«

Quaid fällt nichts ein.

»Sie! Sie sind derselbe«, sagt der Reisevermittler. »Ganz egal, wo Sie hingehen, Sie sind dort. Sie sind immer derselbe.« Dann bietet er ihm für die Reise verschiedene Identitäten an. »Wieso sollten Sie auf den Mars als Tourist gehen und nicht als Playboy, Spitzensportler …«

Nun wird Quaid doch neugierig. Er fragt, ob er auch als Geheimagent reisen kann.

»Ahaaa«, sagt sein Gegenüber, »glauben Sie, dass ich Sie zappeln lasse? Sie sind eine Spitzenkraft, zurückgekehrt unter falscher Identität auf Ihrer absolut wichtigsten Mission. Menschen versuchen Sie zu töten, von rechts und von links. Sie treffen diese wunderhübsche, exotische Frau … Ich will Ihnen das nicht verderben, Doug. Aber Sie können beruhigt sein, bis der Trip vorbei ist, bekommen Sie das Mädchen, töten die Gangster und retten den gesamten Planeten.«

Ich mochte diese Szene, in der mir einer eine Reise verkauft, die ich nie wirklich machen würde, weil alles virtuell ablief. Als aber die Rekall-Chirurgen Quaid den Chip mit den Mars-Erinnerungen einsetzen wollen, finden sie dort schon einen Chip, und die Hölle bricht los. Denn Quaid ist gar nicht Quaid. In Wahrheit ist er ein staatlicher Agent, der einst zu den aufständischen Bergbaukolonien auf dem Mars geschickt wurde, dessen Identität aber gelöscht und durch Quaids ersetzt wurde.

Die Geschichte nimmt alle möglichen Wendungen, und bis zum Ende weiß man nicht: Mache ich die Reise wirklich, bin ich wirklich der Held? Oder spielt sich alles nur in meinem Kopf ab, und bin ich doch nur ein schizophrener Bauarbeiter? Bis zum Ende des Films bleibt die Unsicherheit. Dieses Gefühl war mir nicht unbekannt. Ich dachte oft: Mein Leben ist zu schön, um wahr zu sein. Mein schlimmster Albtraum wäre, dass mich jemand schüttelt und ich die Stimme meiner Mutter höre: »Arnold, aufstehen! Du hast verschlafen. Du bist schon zwei Stunden zu spät dran. Beeil dich! Du musst in die Fabrik!« Und ich würde sagen: »O nein! Warum hast du mich geweckt? Ich hatte gerade einen so schönen Traum. Ich möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht.«

Verhoeven verstand es, die innere Reise des Protagonisten und die Action im Gleichgewicht zu halten. In einer Szene steht Quaid, mittlerweile auf dem Mars, vor einer breiten Front aus Feinden, die aus kurzer Entfernung auf ihn schießen. Er wird von Kugeln durchsiebt, bricht zusammen, steht dann aber auf, lacht schallend und löst sich auf. Seine Gegner haben nur auf ein Hologramm geschossen. Kurz darauf steht Quaid wieder vor ihnen. »Denkt ihr, das hier ist der echte Quaid?«, sagt er. »Er ist es.« Dann eröffnet er erneut das Feuer. Das ist eine grandiose Szene. So etwas kommt international an und wirkt auch nach vielen Jahren noch nach. Filme wie Total Recall oder etwa Westworld kann man sich auch nach zwanzig Jahren noch ansehen, und sie wirken frisch wie am ersten Tag. Futuristische Filme mit guter Action und glaubhaften Figuren üben einen ganz eigenen Reiz aus.

Die Dreharbeiten zu dem Film waren anstrengend. Es mussten viele Stunts gemacht werden, es wurde nachts gedreht, tags gedreht, in Staub und Schmutz gedreht. Doch die Arbeiten in den Tunneln des Mars waren wirklich interessant. Verhoeven war für mich und die anderen Hauptdarsteller, Rachel Ticotin, Ronny Cox, Michael Ironside und Sharon Stone, ein wunderbarer Regisseur. Sharon, die Quaids Frau Lori spielt, ist in Wahrheit eine Agentin, die ihn im Auge behalten soll. Sie folgt ihm zum Mars, bricht in sein Zimmer ein und versetzt ihm einen Tritt in den Bauch. »Das ist dafür, mich zu zwingen, auf den Mars zu kommen«, sagt sie. Am Ende der nächsten Szene fleht sie ihn an: »Doug, du würdest mir doch nicht wehtun, Liebling? Liebling, sei doch vernünftig … Wir sind doch verheiratet!« Währenddessen zieht sie eine Waffe, um ihn umzubringen. Er verpasst ihr eine Kugel zwischen die Augen. »Betrachte das hier als Scheidung«, sagt er. In was für einem Film kommt man mit so etwas durch? Ein Mann schießt seiner wunderschönen Ehefrau in den Kopf und macht anschließend noch einen Witz? So etwas geht nicht? Und ob das geht! Deswegen ist Science-Fiction so wunderbar. Und deswegen ist die Schauspielerei so wunderbar.

Die Arbeit mit Sharon ist immer eine Herausforderung. Sie ist eine Seele von einem Menschen, wenn sie nicht dreht, aber am Set kann sie extrem heikel sein. Eine Gewaltszene konnten wir kaum filmen, weil sie völlig durchdrehte, als ich sie am Hals packte. »Fass mich nicht an! Fass mich nicht an!«, schrie sie. Zuerst dachte ich, sie stellt sich nur zimperlich an oder übertreibt, aber es steckte mehr dahinter. Wir erfuhren, dass sie einmal schwer am Hals verletzt worden war und deshalb so heftig reagierte. Ich glaube, sie hatte sogar eine Narbe.

»Sharon«, sagte ich, »wir haben das doch im Hotelzimmer schon geprobt. Paul war da, alle waren da, und wir sind Szene für Szene durchgegangen. Warum hast du nicht gesagt, dass du ein Problem mit der Würgeszene hast? Wir hätten die Szene vorher üben können.« Auch Paul redete mit ihr und beruhigte sie, und schließlich war sie bereit, die Szene zu Ende zu spielen.

Als Schauspieler und Regisseur hat man ständig mit solchen Problemen zu tun. Keiner nimmt sich morgens, wenn er aufsteht, vor: »Heute mache ich den anderen das Leben schwer«, oder: »Ich sorg dafür, das die Dreharbeiten ein Desaster werden.« Die Menschen haben eben Schwächen und Unsicherheiten, die beim Schauspielern extrem zutage treten können. Immerhin wird man unmittelbar von anderen beurteilt, der Gesichtsausdruck, die Stimme, die Persönlichkeit, das Talent. Das geht an die Substanz und macht einen Schauspieler sehr verletzlich. Etwas anderes ist es, wenn man etwas hergestellt hat, zum Beispiel eine Kulisse oder ein Make-up. Wenn jemand die Maskenbildnerin bittet: »Kannst du das Make-up noch ein bisschen abschwächen? Da ist zu viel Puder drauf«, dann sagt sie: »Oh, tut mir leid«, und wischt das Puder eben weg. Wenn aber jemand sagt: »Könntest du in dieser Szene mal das gehemmte Lächeln sein lassen? Dein Gesicht sieht merkwürdig aus«, dann trifft einen das bis ins Mark. Plötzlich weiß man nicht mehr, was man mit seinem Gesicht anfangen soll, und man ist tatsächlich gehemmt. Ein Schauspieler nimmt Kritik viel persönlicher. Jeder Job hat eben auch seine Schattenseiten.

Trotz Verhoevens ausgezeichneter Arbeit ging Total Recall auf dem Weg in die Kinos fast unter. Der Trailer, der vorab in den Kinos lief, war unglaublich schlecht. Er griff zu kurz, vermittelte weder eine Ahnung von der Dimension der Geschichte noch die unheimliche Atmosphäre. Wie immer ließ ich mir die Marktanalysen des Studios geben, die »tracking studies«, wie sie auch genannt werden, mit denen die Zustimmung für einen Film gemessen werden. In den Marketingabteilungen werden Hunderte von Statistiken erstellt, aus denen man sich die Zahlen heraussuchen muss, die wirklich wichtig sind. Ich suchte nach den Punkten »Bekanntheitsgrad« und »Will ich sehen«. Hier wird die Antwort der Leute auf die Frage gemessen: »Von welchem haben Sie gehört und welchen wollen Sie sich ansehen?« Wenn die Leute sagen: »Ich habe von Total Recall und Stirb langsam 2 gehört und ich will sie unbedingt sehen«, dann weiß man, dass der Film ein Erfolg wird. Ein Bekanntheitsgrad von neunzig oder fünfundneunzig Prozent bedeutet, dass der Film wahrscheinlich beim Filmstart die Nummer eins wird und mindestens 100 Millionen Dollar einspielt. Mit jedem Prozentpunkt, den er darunter liegt, sinken die Einnahmen um mindestens 10 Millionen Dollar, was dazu führt, dass die Studios und Regisseure oft noch in letzter Minute an ihren Filmen herumbasteln. Auch die sogenannte »ungestützte Bekanntheit« ist ein nützlicher Wert, der zeigt, ob die Menschen den Film unter den Neustarts spontan nennen können. Ein Wert von vierzig Prozent und mehr bedeutet, dass man einen Renner an der Hand hat. Zwei weitere Kategorien spielen eine wichtige Rolle: die »erste Wahl« (welchen Film würde man unter einer Auswahl von Filmen auswählen), die bei einem Wert von 25 bis 30 Prozent den Erfolg garantiert, und das »konkrete Interesse«, das zwischen 40 und 50 Prozent liegen muss.

Bei manchen Filmen, etwa bei Conan der Barbar, sind diese Zahlen von Anfang an vielversprechend. Bei anderen deuten sie an, dass der Film floppen könnte. Das war bei Total Recall der Fall. Nachdem der Trailer und die Werbung schon wochenlang in Umlauf waren, lag die Bekanntheit noch irgendwo knapp über vierzig Prozent statt über neunzig, die »erste Wahl« nur bei zehn Prozent, und in der Rubrik »Will ich sehen« tauchte der Film gar nicht auf.

Meine Erfahrungen mit der Filmvermarktung halfen mir hier nicht weiter. Die Ursache für das Problem war nicht Total Recall, sondern TriStar, der Filmverleih, der für die Produktion des Trailers und für die Werbung verantwortlich war. Die Marketingleute wussten nichts mit dem Film anzufangen, und das Studio war im Umbau begriffen. TriStar und sein Schwesterstudio Columbia wurden damals im Rahmen eines Mega-Deals gerade von Sony übernommen und fusionierten.

Das neue Führungsduo – Peter Guber und Jon Peters – war schon da, um die Umstrukturierung zu überwachen. Das bedeutete auch, dass viele Führungskräfte bei TriStar in Bälde ihren Job verlieren würden.

Veränderungen im Studio-Management können einen Film zu Fall bringen. Die neuen Mitglieder der Führungsetage haben nicht nur ihre eigenen Projekte mitgebracht, sondern sie wollen ihre Vorgänger auch in ein schlechtes Licht rücken. Das war bei Guber und Peters zum Glück nicht der Fall. Die beiden wollten nur eins: Erfolg, egal, wer das Projekt angeschoben hatte. Im Lauf der Jahre hatte ich Guber gut kennengelernt. Ich konnte ihn daher anrufen, um Alarm zu schlagen. »Peter, wir stehen drei Wochen vor dem Filmstart, und der Film hat nur vierzig Prozent Bekanntheit«, sagte ich. »In meinen Augen ist das verheerend.«

»Woran liegt das?«, fragte er.

»Das Problem ist, dass dein Studio die Werbekampagne in den Sand gesetzt hat und der Trailer nichts taugt. Aber verlasst euch nicht auf mein Wort. Ich möchte, dass du und Jon euch den Film und den Trailer einmal anseht. Ich bin gern dabei. Und dann sagst du mir, was du davon hältst.«

Gemeinsam sahen wir uns Total Recall und den Trailer an. »Das ist unglaublich«, sagte Peter. »Der Film sieht aus wie ein 100-Millionen-Dollar Film, und der Trailer macht einen 20-Millionen-Dollar-Film daraus.« Er war drauf und dran, die Marketingleute bei TriStar herzuzitieren.

Doch ich hielt ihn auf. »Ich glaube, wir brauchen Hilfe von außen«, sagte ich. »Lass nicht die Studioleute solche Entscheidungen treffen. Dazu sind sie nicht in der Lage, solange du da nicht aufgeräumt hast. Und das steht ja noch aus. Die alte Garde ist noch da. Lass den Film von einer Fremdfirma vermarkten. Machen wir doch eine Ausschreibung unter den Top Drei und schauen, welche Firma die beste Idee hat.«

Sie hörten auf mich, und wir trafen uns mit drei Werbefirmen. Cimarron/Bacon/O’Brien, die Nummer eins im Geschäft, brachte die Mängel des Trailers zu Total Recall sofort überzeugend auf den Punkt. Die Firma erhielt den Auftrag, und am folgenden Wochenende waren wir mit neuem Trailer und einer völlig neuen Werbekampagne auf dem Markt. Der Film wurde mit Slogans beworben wie »Sie haben ihm die Erinnerung gestohlen. Jetzt will er sie wiederhaben. Freu dich auf den Trip deines Lebens« und »Woher weißt du, ob nicht jemand deine Erinnerungen gestohlen hat?« Die Trailer stellten die Action und die Spezialeffekte in den Mittelpunkt. Sie machen den Zuschauern den Film so schmackhaft, dass die Bekanntheit innerhalb von vierzehn Tagen von vierzig auf zweiundneunzig Prozent stieg. Der Film war in aller Munde. Obwohl wir uns über Predator zerstritten hatten, rief mich Joel Silver an und sagte: »Fantastisch, einfach fantastisch. Das schlägt alles.«

Und tatsächlich war Total Recall am Wochenende des Filmstarts an den Kinokassen nicht nur die Nummer eins, sondern hatte für einen Film, der kein Sequel war, das beste Eröffnungswochenende aller Zeiten. Allein in den ersten drei Tagen nahmen wir 28 Millionen Dollar ein und erreichten in jenem Jahr allein in den USA 120 Millionen Dollar. Heute entspräche das mehr als 200 Millionen Dollar, weil sich die Preise der Eintrittskarten verdoppelt haben. Der Film war auch im Ausland ein Riesenerfolg und spielte weltweit über 300 Millionen Dollar ein. Für die visuellen Effekte erhielt er einen Special-Achievement-Oscar, der von der Motion Picture Academy für eine besondere Leistung ohne vorherige Nominierung verliehen wird. Paul Verhoeven setzte eine meisterhafte Vision hervorragend um. Ich war stolz, dass ich mit meinem Interesse und meiner Hartnäckigkeit zum Entstehen des Films beigetragen hatte. Doch diese Erfahrung lehrt auch, wie wichtig die Vermarktung ist. Man muss den Leuten sagen, worum es in dem Film geht, und sie so neugierig machen, dass sie ihn unbedingt sehen wollen.