31

31

Edinburgh Castle war voller Vampire.

Es machte Gareth krank, das mit anzusehen. Er hatte seinem Bruder den strikten Befehl erteilt, dass die Pale sich auf das erbärmliche Luftschiff zu beschränken hatten, das über dem Burghof schwebte. Eine gereizte Flay war gegangen, um ihnen die Nachricht zu überbringen.

»Du lebst hier wie ein Bettler«, meinte Cesare höhnisch über einem Kelch dicken, nahrhaften Blutes zu Gareth. »Du bist noch törichter, als ich glaubte. Da dachte ich, du lebst hier wie ein Gott in diesem trostlosen Königreich. Deine Herden haben es ja besser als du.«

Gareth verbarg seine Wut – nur eine leichte Verfärbung seiner bleichen Wangen deutete darauf hin. »Ich ziehe sie meiner gegenwärtigen Gesellschaft vor.«

»Du bist nicht mehr ein Prinz als diese lächerliche Kreatur.« Mit einem lässigen Winken deutete Cesare auf eine vorbeischleichende Katze.

Gareth rang sich ein kaltes Lächeln ab und trommelte mit langen Fingern ungeduldig auf den Tisch.

»Weißt du, Gareth, ich habe über die Prinzessin nachgedacht.« Cesare lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Gareths Herz setzte einen Schlag aus, doch seine Finger gerieten nicht aus dem Rhythmus, und sein Gesichtsausdruck blieb unbeteiligt und gelangweilt. »Was du nicht sagst.«

»Ich denke, ihre Nützlichkeit hat sich erschöpft. London wurde bereits von den Menschen angegriffen.« Nun lächelte er über Gareths hochgezogene Augenbraue. »Oh ja. Ganz offensichtlich warst du zu dem Zeitpunkt fort oder hast dich versteckt. Der Gefährte der Prinzessin kam vom Himmel herunter und schlachtete ein paar hilflose Wanderer ab. Flay hat ihn ohne große Schwierigkeiten verjagt.«

»Dann hat sie ihn nicht getötet?«

»Nein. Er hat offensichtlich nach seiner Gefährtin gesucht. Aber da war sie schon auf der Flucht, dank dieses … dieses … Mannes.«

»Greyfriar«, ergänzte Gareth etwas zu schnell.

»Ja. Greyfriar.« Cesare nahm einen weiteren tiefen Schluck Blut. Missbilligend ließ er die Auslese im Glas kreisen. »Ein wenig dünn, finde ich. Wie dem auch sei, Greyfriar. Bist du ihm begegnet, als du die Prinzessin fandest?«

»Nein. Die Prinzessin war allein.« Gareth lachte spöttisch. »Vielleicht hat Flay ihn umgebracht.«

»Nein, das hat sie nicht.« Ein bitterer Ausdruck huschte über Cesares Gesicht. »Das hat sie nicht.«

»Hm. Nun, ich habe ihn nicht gesehen.«

»Was für ein glücklicher Zufall, dass du über die Prinzessin gestolpert bist, als sie allein in der Wildnis umherwanderte.«

»Ganz recht.«

Cesare richtete sich auf. »Wie ich schon sagte, der Krieg hat begonnen, in jeder Hinsicht. Wir wurden blutig angegriffen, zuerst in Bordeaux und jetzt in London. Offensichtlich werden diese Verrückten in Alexandria nicht zögern, ihren Krieg voranzutreiben. Also bedeutet ihnen ihre kostbare Prinzessin nichts.« Er starrte seinen Bruder an. »Deshalb bedeutet sie mir jetzt auch nichts mehr.«

»Und?«

»Und deshalb muss sie sterben.«

Gareth hörte auf, mit den Fingern zu trommeln, und einen Augenblick lang hörte er auch auf zu atmen. Dann fand er seine gleichgültige Haltung wieder. »Interessante Folgerung. Leider ist sie meine Gefangene. Also sage ich, was mit ihr geschieht.«

»Einstweilen. Sobald wir in London sind, ist sie Eigentum des Königs, und er kann sich ihrer entledigen, wie er wünscht. Ich frage mich, wem er sie wohl geben wird? Dir oder mir?«

Cesare lachte wie ein boshaftes Kind, als Gareth abrupt aufstand und zum kalten Kamin hinüberging. Er konnte seinen Bruder nicht länger ansehen. Spuren von Asche lagen noch im Kamin von dem Abendessen vor wenigen Tagen, dem ersten Mal seit über einem Jahrhundert, dass er wieder benutzt worden war. Seit diesem aufregenden Abend schien ebenfalls ein ganzes Jahrhundert vergangen zu sein. Baudoin zog den Blick seines Prinzen auf sich, als er, ganz der aufmerksame Diener, mit einem leeren Tablett aus dem Zimmer schritt.

Gareth folgte ihm hinaus. »Was gibt es?«

»Prinz Cesares Rudel wird nicht lange auf dem Schiff bleiben. Es wird bald auf die Jagd gehen wollen.«

Gareth nickte. »Die Stadtbewohner wurden gewarnt, in ihren Häusern zu bleiben. Aber ich fürchte, du hast recht. Irgendwann werden sie gejagt werden.«

»Je länger der Aufschub, umso größer das Risiko.«

»Wir sollten morgen früh fort sein.«

»Was werden Sie und die Prinzessin tun?«

Gareth betrachtete seinen alten Freund und sah nichts als aufrichtige Sorge. Ein müdes Schulterzucken war die Antwort. »Ich bin mir noch nicht sicher.«

»Ich werde heute Nacht bei der Prinzessin bleiben, um sie zu bewachen.«

Gareth lächelte. »Danke. Obwohl ich vermute, dass sie von uns allen am sichersten ist. Cesare wird es nicht wagen, ihr an diesem Ort etwas anzutun. Eine Sache, die Cesare immer noch respektiert, ist das Protokoll.«

»Protokoll.« Baudoin spuckte aus. »Ich werde in ihrer Nähe bleiben. Sie müssen vielleicht dem Rest Ihrer Untertanen helfen, falls sich irgendeiner unserer Brüder auf einen Mitternachtsimbiss fortschleichen sollte.«

Gareth lachte leise, trotz der ernsten Situation. Baudoin hatte schon immer eine lakonische Art besessen, das Offensichtliche auszusprechen. »Danke. Ich weiß nicht, was geschehen wird, wenn ich nach London zurückkehre. Ich lasse mein Reich unter deiner Obhut.«

Baudoin verbeugte sich tief.

Gareth kletterte auf den Festungswall seiner Burg und starrte wütend zu Cesares marodem Luftschiff hinauf, das an seinem Zuhause vertäut lag. Er glaubte, Flay übers Deck wandern zu sehen. Der Himmel war bedeckt, wie es in diesem Land die Norm war. Bedrückend und dunkel. Die Wolken hingen tief, beinahe bis hinunter zur Brustwehr. Sein Heim war eingehüllt wie in einen Kokon, sicher vor der Welt da draußen.

Deshalb war es ein ziemlicher Schock, als ein anderes Luftschiff aus den Wolken tauchte, das die amerikanische Flagge wehen ließ und eine donnernde Salve aus seinen Kanonen abfeuerte. Die Erde bebte, und Vampire stoben auseinander. Flay hechtete auf die nächstbeste Deckung zu, als ein Schuss nahe genug kam, dass der Rauch hinter ihr herwirbelte.

Taue fielen von der schlanken Fregatte wie Lianen im Dschungel, und schwer bewaffnete Kommandotruppen strömten über die Reling. Die Soldaten waren auf Blut und Rache aus. Sie schlugen eine Schneise durch Flays verwirrte Wachen. Die Pale fielen unter der Raserei der Menschen zurück.

Als der Kampf auf dem Festungswall wütete, verließ Flay das Schiff und eilte an Cesares Seite. »Wir werden angegriffen!«

Cesare hatte das Donnern der Kanonen gehört, doch immer noch fiel es ihm schwer, solch unfassbare Dreistigkeit zu glauben. Dann traf ihn ein schrecklicher Gedanke. »Das ist Clark! Wie ist das möglich? Er ist gekommen, um die Prinzessin zu holen!«

Soll der Schlächter sie doch haben, dachte Flay. Die Menschenfrau hatte von Anfang an nichts als Ärger gemacht. Aber ihr Herr hielt die Gefangene immer noch für wichtig für die Zukunft ihrer Art, deshalb nickte die Kriegsführerin nur und machte sich auf den Weg zu Prinzessin Adeles Zimmer.

Ein kleiner Trupp menschlicher Soldaten tauchte vor ihr auf, überrascht, der heranstürmenden Vampirin zu begegnen. Flays Hände beschrieben mit ausgefahrenen Krallen einen doppelten Bogen und töteten sie alle. Cesare lächelte, als er durch die Leichen watete, die ihren Pfad pflasterten. Der Rest des Weges war frei. Flay trat Adeles Tür ein, und Cesare stürmte in das Zimmer. Es war leer.

»Wo ist sie?«, brüllte Cesare, erzürnt darüber, dass seine Beute verschwunden war.

Flay stand neben ihm, und von ihren Fingern tropfte es rot auf den blütenweißen Fellvorleger vor dem Kamin, der immer noch warm glühte. »Sie ist fort. Lass mich gehen, dann werde ich die Amerikaner vernichten.«

Cesare hörte sie, antwortete jedoch nicht, ganz in Gedanken versunken. Flay packte ihren Lord am Arm und zog ihn aus dem Zimmer. »Lass mich los! Wie kannst du es wagen?«

Sie fletschte die Zähne in der Hoffnung, zu seinem ängstlich gewordenen Verstand durchzudringen. »Vergiss die Prinzessin! Der menschliche Kriegsführer ist hier. Jetzt! Lass mich gehen, und ich werde die amerikanische Kriegsmaschinerie enthaupten!«

»Ich darf die Prinzessin nicht verlieren«, murmelte Cesare. »Sonst werde ich vor den Clanlords wie ein Idiot dastehen. Du musst sie finden, Flay, und dann entkommen wir nach London. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, sich um die Menschen Sorgen zu machen.«

»Es ist der perfekte Zeitpunkt! Sie sind weit von zu Hause entfernt. Sie haben keine Verstärkung. Lass mich sie vernichten! Der Krieg wird jetzt enden!«

Cesare hob die Faust. »Tu, was ich dir sage! Finde die Prinzessin. Glaubst du denn, ich habe Interesse daran, Menschen zu töten? Ich werde nicht zulassen, dass Gareth mich zum Narren macht!«

Geschlagen beugte Flay den Kopf und stampfte mit einem grimmigen Knurren aus dem Zimmer.

Prinz Gareth und Prinzessin Adele rannten den Festungswall entlang. In dem Augenblick, als der Angriff begonnen hatte, war Gareth zu Adeles Zimmer geeilt. Er kannte diese Burg und alle ihre geheimen Gänge. Es war kein taktisches Genie nötig, um zu erkennen, dass Cesare versuchen würde, die Prinzessin in seine Gewalt zu bringen. Während sie rannten, erhaschte Adele einen ersten Blick auf das schlanke amerikanische Kriegsschiff, das über der großen Burg schwebte. Die Ranger war gekommen, um sie zu holen. Vom Deck aus überzogen Schützen mit Büchsen und Maschinengewehren den Burghof mit mörderischem Gewehrfeuer. Die Backbordkanonen durchlöcherten Cesares Schiff mit einer ohrenbetäubenden Breitseite. Das hohe Schrillen von Kreischern durchschnitt die Luft, was Gareth zusammenzucken ließ.

Sein Griff um ihre Hand verstärkte sich, und er schrie über den Schmerz hinweg: »Du musst mit Senator Clark fliehen. Ich werde meinen Bruder davon abhalten, euch zu verfolgen.«

»Aber … ich …« Eine heftige Explosion ließ Adele erzittern, und dichtes, öliges Gas hüllte sie ein. Mit klingelnden Ohren verbarg sie instinktiv Mund und Nase in der Armbeuge. Beißender Rauch brannte ihr in den fest zugekniffenen Augen.

Etwas schleuderte Gareth gegen die Steine. Durch den wabernden Rauch tauchte die undeutliche Gestalt eines Mannes auf, der eine blaue Uniform mit glänzenden Knöpfen trug. Sein Gesicht war eine lederne Maske mit leblosen runden Messingaugen. Er hatte ein Gewehr an der Schulter, das auf den Prinzen zielte.

Sofort wirbelte Adele herum und sprang vor Gareth, der sich gerade wieder aufrichtete. Sie spürte einen harten Schlag an der Schulter, der sie in Gareths Arme katapultierte, und sie taumelten miteinander zu Boden. Auf dem Rücken liegend starrte sie nach oben und rang in dem violetten Rauch nach Atem. Gareth stand auf und berührte sie mit einer Hand. Durch den Nebel sah sie sein verwirrtes, entsetztes Gesicht, das auf sie herabstarrte. Sie wollte ihm sagen, dass ihr nichts passiert war, konnte aber nicht sprechen.

Der Rauch klebte an Gareth wie eine zweite Haut. Er konnte kaum etwas sehen oder riechen, und die entfernten Kreischer zerrten an seinen Ohren. Aber er war Adele nah genug, um das Blut zu riechen, das zwischen seinen Fingern aus der Wunde in ihrer Schulter quoll. Er packte ihren zusammengesunkenen Körper und spürte, wie das Leben aus ihr heraus und über seine Hände sickerte. Inmitten des ganzen Chaos erfasste ihn Entsetzen bei der Erkenntnis, dass er sie verlieren würde. Nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten, konnte sie ihm innerhalb weniger Sekunden genommen werden.

Ein kräftiger Wind teilte den stinkenden Qualm, und nun sah Gareth den gesichtslosen Mann. Er wusste, dass es Senator Clark war, der erst auf ihn und dann auf Adele geschossen hatte, als sie versucht hatte, ihn zu beschützen. Sanft legte Gareth Adeles Körper auf den Steinplatten ab. Dann, in einem verschwommenen Wirbel, dem kein menschliches Auge folgen konnte, griff der Vampirprinz an.

Der Senator feuerte direkt in das verwischte Grau. Im nächsten Moment fühlte er sich, als hätte ihn eine Kanonenkugel getroffen. Sein Gewehr, das er immer noch fest umklammert hielt, zerschellte, als der Senator gegen die steinerne Brüstung prallte.

Gareths scharfe Krallen zerfetzten Stoff und Fleisch. Er brannte darauf, Rache zu nehmen, da ihm sonst nichts mehr blieb. Ein brutaler Schlag schickte Clark auf die Knie, doch er schwang den Lauf des zerschmetterten Gewehrs, was den Kopf des Prinzen zur Seite fliegen ließ. Unbeeindruckt wirbelte der Vampir zurück, die Zähne gebleckt. Noch nie hatte der Senator einen solchen Ausdruck auf dem Gesicht eines Vampirs gesehen. Es waren beinahe Gefühle und kein Hunger. Eine Sekunde lang lernte Clark etwas kennen, das Angst gleichkam.

Eine zur Klaue erstarrte Hand schnellte auf Clarks Kehle zu. Nägel, so scharf wie Rasiermesser, gruben sich tief in verletzliches menschliches Fleisch. Dann hob Gareth Clark hoch, der sich in dem verzweifelten Versuch wand, sich zu befreien.

Der Prinz trat an den Rand der Zinnen. Weit unten lagen dunkle Felsen, auf die das helle Blut dieses Mörders spritzen konnte. Gareth wollte es sehen. Vielleicht würde es einen Augenblick lang den Schmerz von ihm nehmen.

Doch plötzlich erklang eine Stimme – eine, die er nie mehr zu hören erwartet hatte.

»Ga…reth … nicht!«

Mitten im Töten hielt er inne, und ein Funken Hoffnung fand den Weg in seine Seele. Er drehte sich um.

Blutend streckte Adele die Hand nach ihm aus, während sich die letzten Rauchfäden um sie herum auflösten. »Bitte … nicht.«

Grob schleuderte Gareth den Mann von sich und rannte an Adeles Seite. Er hielt sie wieder in den Armen und vergrub den Kopf an ihrer Wange.

Mit den Händen versuchte Gareth, das Blut aufzuhalten, das langsam hervorsickerte. Sanft strich er ihr das Haar aus den Augen.

»Du darfst ihm … nicht wehtun«, murmelte sie.

Gareth konnte nicht verstehen, was er da hörte. War das Liebe? Loyalität gegenüber ihresgleichen? Bloße Güte? Es spielte keine Rolle mehr. Die Prinzessin würde sterben. Er warf einen Blick auf den zusammengesunkenen Mann auf dem Steinpfad. Da er wusste, was geschehen musste.

»Du musst mit ihm gehen«, flüsterte Gareth ihr zu. »Er kann dich retten.«

»Ga…reth …« Sie hob eine zitternde Hand zu dem Gesicht, das nicht mehr wild und grausam wirkte.

»Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit …« Seine Stimme brach, und er streifte zart ihre Wangen mit den Lippen. »Ich werde dich nie vergessen. Versprich mir, dass du mich nie vergessen wirst.«

Gareth erhob sich. Adele versuchte sich an ihm festzuhalten, doch er machte sich los, und der Saum seines Gehrocks glitt ihr aus den Fingern. Der Prinz betrachtete den jämmerlichen Clark mit seinem unmenschlichen, falschen Gesicht, der sich nun aufsetzte und sich die blutende Kehle hielt. Clarks andere Hand tastete nach etwas an seiner Hüfte, doch er war immer noch zu benommen, um sich tatsächlich koordiniert zu bewegen.

Gareth holte tief Luft und sprach den Senator an: »Nimm sie und geh.« Schnell drehte er sich um und verschwand im zerstörten Herzen der Burg.

Senator Clark kam taumelnd auf die Füße. Der Vampir hatte ihn völlig in seiner Gewalt gehabt und es dann nicht zu Ende gebracht. Stattdessen hatte sich der Abschaum umgedreht, um sich an der Prinzessin zu laben. Eine typische feige Bestie. Er richtete sich auf und zog seine Pistole aus dem Holster. Kurz überlegte er, ob er der Kreatur nachsetzen und sie dafür bezahlen lassen sollte, doch dann erregte Adele seine Aufmerksamkeit. Sie versuchte zur Tür der Burg zu kriechen, dorthin, wo sie glaubte, Schutz zu finden. Er justierte den Filter seiner Schutzbrille, da Adele in einem weißlichen Glühen erschien, das nicht normal für Menschen war. Die Maske musste während des Kampfes beschädigt worden sein.

»Nur ruhig, Liebling. Ich bin jetzt bei dir.« Clarks Stimme kam schwer und gedämpft hinter der Gasmaske hervor, als er die Prinzessin auf die Arme hob. »Ich bringe dich nach Hause.«

Senator Clark rannte auf die Ranger zu. Adeles Kopf rollte gegen seine Schulter. Seine Soldaten waren überall in der Burg verstreut, auf der Suche nach genau dem, was er im Arm hielt. Als er sich seinem Schiff näherte, stellte die Mannschaft – die Mann für Mann ordnungsgemäß in menschlichem Rot glühte – klugerweise das Feuer ein, und eine Trompetenfanfare blies das Signal zum Sammeln.

Ein blauer Schemen landete leichtfüßig vor Clark und unterbrach damit seinen Tagtraum von der erfolgreichen Rückkehr eines Helden. Der Vampirsoldat reckte seine hochgewachsene Gestalt mit einem grausamen Lächeln und besaß sogar die Kühnheit, ihn anzufauchen.

Clark hörte nicht einmal, wie der zweite Vampir auf ihn herabstieß und ihm die Krallen in die Schultern schlug. Er wurde in die Höhe gerissen, und Adele entglitt seinem Griff. Wild schwang er die Pistole nach oben und feuerte hektisch über sich. Die geschmeidige Vampirin schleuderte ihn über zehn Meter weit zur Seite.

Clark rollte halb über den unsicheren Rand der Festungsmauer. Sogar während er sich verzweifelt an den Steinen festklammerte, warf er den Kopf auf der Suche nach Adele wild hin und her. Er entdeckte sie im Griff eines schlanken Vampirs, der sie auf das marode Vampirschiff schleppen wollte. Clark kämpfte sich zurück auf die Festungsmauer der Burg, doch er wusste, dass er es niemals rechtzeitig schaffen würde, Adele zu retten. Rasend vor Wut schrie er auf, als der Wind in die Segel des feindlichen Schiffes fuhr. Er würde seinen Kanonieren dafür den Hals umdrehen, dass sie das Vampirschiff nicht in flugunfähiges Kleinholz verwandelt hatten.

Im selben Augenblick schoss Flay auf die Ranger zu und wich dabei mühelos den sich wieder sammelnden Kommandotruppen aus, die auf die unter der Fregatte herabhängenden Fallleinen zueilten. Sie landete in der Takelage, um ein paar der Spiere des Schiffs zu zerschmettern. Dann stieß sie sich von einem Mast ab und stieg in die Luft. Dabei schlitzte sie mit ihren Krallenhänden die sich blähenden Segel auf, sodass sie lose und zerfetzt im Wind flatterten.

»Tötet sie!«, kreischte Clark, während er sich die Maske vom Gesicht riss und auf das Schiff zu humpelte. »Blast sie vom Himmel!«

Die Antwort war eine Salve, die in einer grünen Rauchwolke aus einer Vielzahl von Kanonenrohren hervordonnerte. Flay schlüpfte aus der Takelage des Luftschiffs in den freien Himmel, während die Kugeln an ihr vorbeipfiffen. Ein paar der Soldaten hörten sie über das Getöse des Kanonenfeuers hinweg lachen. Sie schraubte sich von der Ranger fort in die Luft, während die Mannschaft das lahmgelegte Schiff für einen verzweifelten Startversuch bereit machte.

An Deck des Vampirschiffes wurde die Prinzessin Cesare vor die Füße geworfen. Es kümmerte den Prinzen nicht, ob sie noch lebte oder tot war. Er war zufrieden genug, den Sieg davongetragen zu haben. Er würde gewinnen trotz des großen Vampirtöters Clark, trotz des menschlichen Helden namens Greyfriar und trotz seines verräterischen Bruders.

Als sich das Luftschiff der Vampire in den dämmrigen Himmel erhob, blitzte ein Streifen Grau und Stahl auf den Zinnen auf. Greyfriar sprang von einem abbröckelnden Turm und griff verzweifelt nach einem herabhängenden Haltetau.

Flay, die sich dem Schiff näherte, verharrte tatsächlich mitten in der Luft, um die Gestalt, die unter dem Luftschiff baumelte, ungläubig anzustarren. Ihr Gesicht wurde hart und verschlagen, und ihre Augen verengten sich vor Hass zu schmalen Schlitzen. Sie nahm Geschwindigkeit auf und flog auf Greyfriar zu. Unglaublicherweise zog er, sogar während er an einem vom Wind hin und her geschleuderten Tau hing, eine Pistole und schoss. Sie wich der Kugel mühelos aus und stürzte wie eine Todesfee auf ihn herab, schlitzte ihm Schulter und Rücken auf. Die schiere Wucht ihres Angriffs riss ihm die Pistole aus der Hand und ließ ihn beinahe den Halt am Tau verlieren.

Sofort zog Greyfriar sein Schwert, doch er befand sich in einer ungünstigen Position. Flay nutzte diesen Vorteil weidlich aus, um ihn mit ihren klauenartigen Händen erneut zu treffen, als sie an ihm vorbeischoss. Ihr heiteres Lachen wurde lauter und verklang, je nachdem, ob sie sich in seiner Reichweite befand oder nicht. Er konnte nicht loslassen und sich ihr im Kampf stellen. Die Last seiner Waffen behinderte ihn, und er würde sowohl das Schiff als auch Adele verlieren. Wenn die Prinzessin in Cesares Reich zurückkehrte, würde er sie nie mehr lebend wiedersehen.

Flay beschrieb einen Bogen am Himmel und kehrte um. Greyfriar ließ wie besiegt das Schwert sinken, wie jeder Mensch es mit diesen schrecklichen Wunden tun würde. Mit einem selbstgefälligen Grinsen stürzte die Vampirin herab und setzte, die Hände mit den triefenden Krallen erhoben, zum Todesstoß an. Als sie in Reichweite war, riss er das Schwert in einem mächtigen Hieb hoch, der sie von der Hüfte bis zur Schulter aufschlitzte. Flay kreischte. Der Schwertstreich ließ sie taumeln, die Hand fest auf ihre blutgetränkte Brust gepresst. Sie schoss zum Luftschiff empor.

Adele sah Flay an Deck landen und torkeln, als wäre sie schwer verletzt. Es kam der Prinzessin seltsam vor, dass das Erste, was die Kriegsführerin tat, darin bestand, das Ende eines über die Reling hängenden Haltetaus zu packen und es mit den Krallen zu bearbeiten. Die bloße Absonderlichkeit dieses Verhaltens veranlasste Adele, sich an die Reling zu schleppen und nach unten zu sehen. Weit unter ihr hing Greyfriar und kletterte, so schnell er konnte, nach oben.

Beim Anblick von Greyfriar durchwogte Adele eine Wärme, die der Glückswelle in Canterbury ähnelte, an die sie sich so liebevoll erinnerte. Diese unbegreifliche Welle des Trostes vertrieb ihren Schmerz und die Taubheit und erfüllte sie mit einer euphorischen Stärke, die es ihr ermöglichte, sich wieder auf Taten zu konzentrieren. Verblüfft stellte sie fest, dass sie immer noch ihre Fahrenheit-Klinge im Gürtel trug. Cesare war zu hochmütig, um sie zu durchsuchen, und die Blutdiener handelten nie ohne direkten Befehl. Die Finger fest um den Griff des Dolches geklammert, richtete sie sich auf wackligen Beinen auf. Dann stieß sie sich ab und warf sich mit der Klinge voran auf Flay. Das Khukri drang tief ein. Flays schlangenhafte Augen weiteten sich aufgrund der Verletzung und zuckten zu Adele. Eine Krallenhand schleuderte die Prinzessin wieder aufs Deck.

Adele schrie auf, als sich Dunkelheit um sie schloss. Schmerz loderte in jedem Nerv auf. Angestrengt kämpfte sie darum, bei Bewusstsein zu bleiben, weil Gareth sie brauchte. Als sich die Kriegsführerin nach ihr bückte, sammelte Adele all ihre Kraft und stieß Flay die zischende Klinge in den Hals.

Die Vampirin taumelte zurück, und Blut sprudelte zwischen ihren krallenbewehrten Fingern hervor. Adele wusste, dass sie nicht stark genug für diesen Kampf war, doch sie musste Gareth Zeit verschaffen. Also kämpfte sie sich auf die Knie hoch. Flay packte sie am Hals, um das verbliebene Leben aus ihr herauszuquetschen, doch die Vampirin kreischte bei der Berührung auf. Adele versuchte nicht einmal, nach Flay zu greifen. Stattdessen riet ihr der Überlebensinstinkt, die Hand nach dem Kreuz auszustrecken, das sie aus dem Staub in Greyfriar’s Kirk gerettet hatte.

Trotz ihres vernebelten Blicks schlang Adele die Kette um Flays Hals, ein fieberhaftes Gebet auf den Lippen. Sofort spürte die Prinzessin, wie sich Wärme in ihr ausbreitete, die ihr Kraft und Trost verlieh, während Flay vor Schmerz schrie. Die Vampirin ließ das Mädchen los und prallte gegen die Reling. Panisch zerrte sie an dem Gegenstand, der sie umschlang. Adele stemmte ihren gestiefelten Fuß gegen Flay und stieß die Vampirin über die Reling. Dann brach die junge Frau über dem Schanzkleid zusammen und sah zu, wie die abscheuliche Flay wie ein Stein in die Tiefe stürzte und schreiend in den Wolken unter ihr verschwand.

Im nächsten Moment flog Adeles Blick zu Greyfriar. Sie packte das Ende des Taues genau in dem Moment, als es riss.

»Lass nicht los!«, rief Gareth. »Ich kann mit dem Schiff nicht mithalten.«

Das harte Tau riss Adeles Hände auf. Der Schmerz rüttelte ihre betäubten Sinne wach, doch er verlieh ihr keine Kraft. Sie würde ihn verlieren. Frisches Blut quoll aus ihren Händen und machte das Seil noch rutschiger. Wild sah sie sich nach irgendetwas um, das ihr helfen konnte. Alles, was sie entdeckte, waren mannschaftsangehörige Blutdiener.

»Helft mir!«, flehte sie. Sicher mussten sie noch einen Funken Menschlichkeit in sich haben. Doch sie starrten sie nur dümmlich an, bevor sie sich wieder ihren Pflichten zuwandten.

Eine dunkle Gestalt glitt hinter ihr übers Deck, und sein Schatten fiel auf sie.

Cesare.

Mit einem knurrenden Zähnefletschen packte er Adele und schleuderte sie aufs Deck. Dann entriss er ihr das Tau und warf es über die Reling.

»Nein!«, schrie sie, während sie vergeblich hinter dem verschwundenen Tau herkroch.

Verwundert über ihren Gefühlsausbruch wegen eines Taus warf Cesare einen Blick über die Bordwand. Blitzend fuhr ein Schwert hoch und durchbohrte seine Brust. Cesare fiel rückwärts, wie betäubt von der Waffe, die aus seinem Fleisch ragte.

Angestrengt versuchte Gareth mit einer Hand Halt an der Reling zu finden. Seine Verletzungen waren schwer, und er hatte eine Menge Blut verloren. Er war geschwächt und sich nicht sicher, ob er es schaffen würde, ganz nach oben zu klettern.

Doch plötzlich war Adele da und streckte ihm mit verzweifelter Hoffnung ihren unverletzten Arm entgegen. »Beeil dich!«

Ohne zu zögern, ergriff Gareth die ihm angebotene Hand und zog sich an Deck. Mit wackligen Beinen richtete er sich auf, während Adele, die endgültig all ihre Kraftreserven aufgebraucht hatte, zusammensackte.

Cesare riss sich die Klinge aus der Brust. Er sah keine Vampire in der Nähe. Keiner der Pale hatte den Angriff der Amerikaner überlebt. »Tötet sie!«, schrie Cesare den menschlichen Drohnen ringsum zu, wobei er auf Adele und Greyfriar deutete. »Tötet sie sofort!«

Sie gehorchten – ohne nachzudenken, ohne Verstand. Wie eine heranstürmende Meute griffen sie an.

Greyfriar wollte diese Menschen nicht töten, aber er hatte keine andere Wahl. Nichts durfte ihn aufhalten. Adele musste überleben. Blut, Fleisch und Stahl wirbelten, bis unvermittelt Ruhe herrschte und nur noch Greyfriar stand, durchnässt vom frischen Blut der Getöteten. Voller Entsetzen starrte Cesare ihn an. Nun war er allein.

Cesare war zwar verwundet, doch Greyfriar ging es schlechter. Mit einem dröhnenden Brüllen stürzte sich Cesare auf seinen Feind.

Er hatte noch nie gegen einen Menschen mit solcher Kraft und Schnelligkeit gekämpft. Greyfriar wich Schlag um Schlag Cesares Klauen aus. Der Mensch rammte Cesare den Unterarm in den Bauch, was ihn zusammenklappen ließ. Mit einem boshaften Hieb nach Greyfriars Gesicht kam Cesare wieder hoch, doch der menschliche Krieger wich aus, und die Krallen rissen stattdessen seine Brust auf, sodass er taumelte. Seine Vampirreflexe retteten Cesare vor einem üblen Gegenschlag von Greyfriars Klinge. Der Mensch griff einfach immer weiter an, ganz gleich, welche Verletzungen Cesare ihm zufügte. Blut strömte an ihnen beiden herunter, bei beiden scharlachrot, bei beiden ein Zeichen ihrer schwindenden Lebenskraft.

Das unbemannte Luftschiff schlingerte im Wind und neigte sich zur Seite. Der geschwächte Cesare fiel hart gegen das Schanzkleid. Er warf einen Blick zu Adele hinüber. Es wäre nur ein Augenblick nötig, um sich von ihr zu nähren und wieder die Oberhand zu gewinnen. Schon wollte er sich auf die Füße mühen, doch Greyfriars Schatten fiel über ihn, das Schwert zum Todesstoß erhoben. Nichts würde Gareth daran hindern, dem Leben seines Bruders nun ein Ende zu setzen, doch mit blutiger Klinge trat er einen Schritt zurück.

»Geh«, sagte Greyfriar müde. »Geh jetzt, und du wirst leben.«

Wie betäubt starrte Cesare ihn an. Er dachte kurz daran, die Dummheit dieses Menschen auszunutzen, doch er war vernünftig genug, um zu wissen, dass er nicht die Oberhand hatte. Er wusste nicht, ob er ihn töten konnte. Und Cesare kämpfte nur, wenn er sich des Sieges sicher war. Es war besser, zu warten und später erneut zu kämpfen. Und wenn dieser Greyfriar ihm diese Gelegenheit gab, dann sollte es so sein.

Höhnisch verzog Cesare das Gesicht. Dieser Mensch namens Greyfriar war schwach. Der Vampirprinz war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, dennoch brachte er es nicht fertig, ihn zu töten. Dieser Narr! Cesare beschloss, dass er Adele doch nicht brauchte. Die Würfel waren gefallen, dank der Angriffe durch die Menschen, besonders durch Senator Clark, der die Vampire bei drei verschiedenen Gelegenheiten auf ihrem eigenen Territorium attackiert hatte. Der Clan gehörte Cesare, er brauchte ihn sich nur noch zu nehmen. Der Krieg würde mit oder ohne Prinzessin seinen Lauf nehmen. Cesare sprang in die Luft und ließ sich von den Winden weit außerhalb der Reichweite des Menschen tragen.

Gareth sah seinem Bruder nach, als er floh. Adele kämpfte sich auf die Beine und trat neben ihn.

»Warum hast du ihn nicht getötet?«, fragte sie und umklammerte Gareths Arm, als das Schiff sich in einer Windböe zur Seite neigte.

»Ich werde Cesare nicht als Mensch töten. Wenn ich ihn töte, dann will ich es mit meinen Händen tun.« Gareth fiel auf ein Knie nieder, und Adele sank neben ihm zu Boden. »Und ich kann mich keinen weiteren Schritt mehr bewegen.«

Indem sie ihm ihre eigene schwindende Kraft anbot, drückte Adele seinen Arm. Sie verstand. Dies war mehr als nur ein Krieg zwischen Familienmitgliedern, es war ein Krieg zwischen Nationen. Wenn der Zeitpunkt kam, würden alle seiner Art wissen müssen, dass es Prinz Gareth war, der ihre widerwärtigen Traditionen infrage stellte. Das würde die Vampire bis ins Mark erschüttern und ihnen die Chance geben, etwas Besseres zu werden. Cesare als Greyfriar zu töten würde den Krieg zwischen Menschen und Vampiren nur noch weiter anfachen, anstatt ihn zu beenden.

Gareth drückte ihre Hand leicht und sah sie an. »Du lebst.«

»Es ging mir schon besser.« Adele versuchte ein schwaches Lächeln. »Aber ich denke, ich werde es überleben. Ein paar von Morganas leckeren Mahlzeiten und ich bin wieder wie neu.«

Gareths Blick suchte nach der verschwindenden Gestalt seines Bruders, dann sah er in die andere Richtung. Achtern waren die Segel der Ranger zu sehen. Die Fregatte holte das sinkende Wrack von einem Luftschiff ein.

»Nein«, sagte er. »Du musst nach Hause gehen.« Gareth erhob sich und zog Adele mit sich hoch.

Als sie sich umdrehte, sah sie, dass die Ranger längsseits ging. Die Freude über den Sieg wich aus ihrem Gesicht. Sie stieß den Atem aus und ließ geschlagen den Kopf sinken, als sich die Enterhaken in die Reling krallten.

Senator Clark schwang sich mit einem Trupp Soldaten herüber, alle mit gezückten Säbeln und Revolvern und weißen Cowboyhüten, die hinter ihnen herwehten. Gareth spannte sich an und wappnete sich für den Kampf, doch Senator Clark ergriff dankbar Gareths Hand und schüttelte sie voller Stolz.

»Der Greyfriar, nehme ich an! Ich bin Senator Clark. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Sir. Wir haben diese Teufel gehörig in die Flucht geschlagen!«

»Und die Prinzessin ist in Sicherheit«, merkte Gareth an.

»Ja, ja!« Senator Clark wandte sich Adele zu. »Dem Himmel sei Dank dafür.« Er zog das zerbrechliche Mädchen in die stählernen Arme und drückte einen kräftigen Kuss auf die blutverkrustete Wange seiner zukünftigen Braut.

Adele verzog das Gesicht, da Clarks leidenschaftliche Begrüßung ihre Wunden schmerzen ließ und sein Bart sie im Gesicht kratzte. Sie kämpfte darum, sich nicht zu winden, und ihre Erwiderung seines Kusses war regelrecht verkrampft.

Clark zog sich sofort wieder von ihr zurück. »Du hattest Glück, mein Liebes, dass du nicht ernsthafter verletzt wurdest, als dich dieser schmutzige Vampir als Schutzschild benutzte.«

Adele suchte Gareths Blick, doch er hatte sich abgewandt.

»Ich werde dich zur Ranger hinüberbringen lassen, wo sich unser Schiffsarzt um dich kümmern wird.« Clark stellte Adele an Deck ab und ging hinüber zum Schanzkleid, um seiner Crew ein Zeichen zu geben, einen Transportkorb vorzubereiten.

Adele drehte sich zu Gareth um und formte lautlos mit den Lippen: »Verlass mich nicht! Komm mit nach Alexandria!«

»Ich kann nicht«, entgegnete er leise, als er näher trat.

»Aber ich liebe dich!«

»Du meinst Greyfriar.«

»Nein. Das warst immer du.« Es kümmerte sie nicht, welche Hindernisse zwischen ihnen standen. Mit einem Mal war alles, was sie wollte, bei ihm zu sein.

Bei dieser Enthüllung neigte Gareth tief den Kopf. Ehrfürchtig berührte er ihr Gesicht, von Bedauern verzehrt, und seine Hand zitterte, als sie langsam über ihre Wange strich. So jäh, wie die Freude über diese Worte in ihm aufgeblüht war, wurde sie von Kummer verdrängt. Er wusste, was getan werden musste, und er betete, dass er die Kraft haben würde, es zu Ende zu bringen, während er sich darum bemühte, seiner Stimme nichts von der glühenden Leidenschaft anmerken zu lassen, die ihn versengte. »Wir müssen zuerst unsere Völker retten. Eines Tages werden wir uns vielleicht wiedersehen, aber einstweilen ist es das Beste, wenn du nach Equatoria zurückkehrst. Wenigstens können wir beide daran arbeiten, einen richtigen Krieg zwischen unseren Arten zu verhindern.«

Sie drängte ihre Verzweiflung zurück. »Aber ich werde gezwungen sein, zu … heiraten.« Ihr Blick flog zu ihrem Verlobten, der immer noch Befehle brüllte. Mit sanften Fingern zog sie Greyfriars Maske nur ein paar Zentimeter herunter, um seinen Mund freizulegen. Dann nahm sie sein Gesicht in ihre bebenden Hände und küsste ihn.

Senator Clarks Schritte hallten über das Deck, als er sich ihnen näherte. Gareth zog seine Maske wieder hoch.

»Wir sind bereit aufzubrechen«, informierte Clark sie mit fragendem Blick.

Greyfriar nickte. Schnell hob er Adele auf die Arme und schritt an dem verdutzten Clark vorbei, um sie sanft in den Transportkorb zu legen. Dann sah er zu, wie die Amerikaner sie vorsichtig aus seiner Reichweite in den schwindelerregenden Schlund zwischen den beiden Luftschiffen zogen. Adeles Blick verließ ihn nicht – nicht einmal, nachdem die Mannschaft der Ranger sie aus ihrem Korb gehoben hatte.

Sein Herz schmerzte, als er zusah, wie sie ihm genommen wurde, und die Qual verdunkelte seine Augen.

Clark legte ihm eine eiserne Hand auf die Schulter. »Kommen Sie mit uns, Greyfriar. Wir könnten ein paar Kriegsgeschichten austauschen, während unsere Verletzungen heilen.«

Greyfriar schüttelte den Kopf und kämpfte gegen den Drang an, die Hand fortzuschlagen, doch die Trauer schwächte seine Glieder. »Ich wünsche Ihnen alles Gute, Senator Clark. Aber ich werde Sie hier verlassen.«

»Hören Sie, dieses Schiff ist erledigt. Wir würden es ja als Prise in Schlepptau nehmen, aber es ist nicht einmal mehr wert, ausgeschlachtet zu werden. Sie können auf diesem Seelenverkäufer nicht bleiben.«

»Danke, aber mein Platz ist hier.«

»Nun, ich hoffe, wir begegnen uns eines Tages wieder. Kämpfen Sie weiter für die gute Sache!«

Der große Amerikaner lachte laut, als er ein Tau ergriff und sich über die Reling zur Ranger hinüberschwang. Er winkte Greyfriar zum Abschied, während er Adele den Arm um die Schulter legte. »Ich werde sie nicht wieder aus den Augen lassen«, rief er zu Greyfriar hinüber.

Adeles Blick blieb unverwandt auf Gareth geheftet. Die Fregatte nahm Fahrt auf und drehte ab.

Mit dem scharfen Sehvermögen eines Vampirs konnte Gareth Adele länger nachsehen als sie ihm. Sie stand weinend an der Reling, allein nun, während ihr Schiff in den Wolken verschwand.

Schattenprinz
cover.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-1.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-2.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-3.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-4.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-5.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-6.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-7.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-8.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-9.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-10.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-11.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-12.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-13.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-14.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-15.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-16.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-17.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-18.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-19.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-20.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-21.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-22.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-23.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-24.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-25.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-26.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-27.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-28.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-29.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-30.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-31.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-32.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-33.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-34.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-35.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-36.html
Vampire_Empire_-_Schattenprinz_ePub-37.html