9. KAPITEL

Steve Reyes lag ausgestreckt in einem Liegestuhl, seinen Kopf der heißen Sonne Floridas zugewandt und seine Red-Sox-Baseballkappe bis über die Augenbrauen gezogen.

Es war einer von diesen heißen, lässigen und faulen Nachmittagen, die nur ein Minimum an Bekleidung erforderten – in seinem Fall ausgefranste Shorts und ausgetretene Turnschuhe – und dazu ein eiskaltes Corona, das Steve gerade aus der Kühltasche gleich neben seinem Stuhl geholt hatte.

Er war völlig zufrieden mit sich und nahm einen langen, angenehmen Schluck aus der Flasche.

Wenn von Zeit zu Zeit ein Motorboot den Intracoastal Waterway entlangfuhr, schlugen Wellen gegen den Rumpf der “Time Out”, seines Hausbootes, das jetzt sein Zuhause war.

Hinter den dunklen Gläsern seiner Pilotensonnenbrille hielt er die Augen geschlossen, nahm aber jedes Geräusch und jede Bewegung um sich herum wahr. Das war eine Angewohnheit, die er sich früh in seiner journalistischen Karriere zu Eigen gemacht und nie wieder abgelegt hatte.

Zwar hatte er sich am Morgen rasiert, doch die dunklen Bartstoppeln, die ein Vermächtnis seiner kubanischen Herkunft waren, bildeten bereits wieder einen deutlich erkennbaren Bartansatz. Sein dichtes schwarzes Haar, das zum größten Teil unter der Baseballkappe verborgen war, war schon seit Wochen nicht mehr mit der Schere eines Friseurs in Berührung gekommen und begann sich im Nacken bereits zu wellen, was ihn aber nicht störte. Hier im Hafen von Fort Lauderdale, wo er die letzten sieben Jahre verbracht hatte, regierte der lässige Look.

Gleich neben der “Time Out” pulsierte T-Bones 12-Meter-Schaluppe zum Rhythmus von Salsa-Musik und von weiblichem Gelächter. Der preisgekrönte Wrestler war ein alter Freund, und obwohl Steve zur wöchentlichen Party eingeladen war, hatte er wieder einmal abgesagt. Im Gegensatz zu seinem prahlerischen Nachbarn, der sich gerne mit Lärm, Musik und schlanken Körpern umgab, blieb Steve Reyes lieber für sich.

“Hey, schöner Mann, wie wärs mit ein bisschen Spaß?”

Als Steve die verlockende, weibliche Stimme hörte, öffnete er erst ein Auge, dann das andere.

Am Bug der Luxusschaluppe stand eine langbeinige Blondine in einem aufreizenden pinkfarbenen Bikini und lächelte ihn verführerisch an, während sie sich so über die Reling beugte, dass er einen Blick auf ihren Brustansatz werfen konnte, der sogar einem Halbblinden nicht entgangen wäre.

“Nächstes Mal”, sagte er, zog seine Kappe tiefer ins Gesicht und schloss wieder die Augen.

Er wäre wohl eingedöst, doch als ein Schatten plötzlich die Sonne verdeckte, öffnete er wieder seine Augen.

Jesus Delgado stand vor ihm, ein kleiner, schmaler Mann mit einer umgänglichen Persönlichkeit und einer Leidenschaft für die See. Von Berufs wegen war er Schauspieler, aber um Geld zu verdienen, arbeitete er als Handwerker. Der gebürtige Kubaner teilte seine Zeit auf in Vorsprechtermine und auf den Hafen von Fort Lauderdale, wo er alle möglichen Gelegenheitsarbeiten erledigte.

Steve war ihm an dem Tag begegnet, als er zur Schiffswerft gekommen war, um nach einem Hausboot zu suchen. Delgado hatte ihm daraufhin eine 17 Meter lange Kingscraft gezeigt, ein Angebot des Handwerkers, das der Eigentümer sprichwörtlich für einen Apfel und ein Ei verkaufen wollte.

“Ich würde dir gerne helfen, sie wieder in Form zu bringen”, hatte Delgado ihm mit diesem ansteckenden Lächeln angeboten. “Und wenn sie fertig ist, kann ich sie für dich bemannen. Mit einem solchen Boot kann man hier eine Menge Geld machen. Du kannst Touristen zu den Keys bringen oder Angelausflüge anbieten oder einfach nur vor der Küste auf und ab fahren.”

Innerhalb weniger Wochen hatten Steve und Delgado aus der “Time Out” ein seetüchtiges, ansehliches Wasserfahrzeug gemacht, in der gleichen Zeit waren die beiden Männer zu guten Freunden geworden.

Steve setzte wieder die Flasche Corona an den Mund und nahm einen Schluck. “Du stehst mir im Licht, Amigo.”

Delgado rührte sich nicht von der Stelle. “Am Kassenhäuschen wartet ein Gringo, der dich sehen will.”

“Sag ihm, dass die morgige Fahrt ausgebucht ist.”

“Er will nicht fischen. Er sagt, sein Name sei Tim Malloy.”

Steve stöhnte auf. Er hatte seinen früheren Verleger seit sieben Jahren nicht mehr gesehen, seit dem Tag, an dem er bei der New York Sun gekündigt hatte und nach Florida gezogen war. Tim rief gelegentlich an, meistens wollte er, dass Steve eine Geschichte übernahm, die angeblich nur er machen konnte. Er lehnte jedes Mal ab.

“Und?” fragte Delgado. “Wer ist der Kerl?”

“Eine Nervensäge.”

Delgado kicherte. “Das glaube ich dir. Er sagt, dass er so lange warten wird, bis er mit dir gesprochen hat.”

“Sturer Hurensohn.” Steve drehte den Kopf um und konnte einen Blick auf Tim erhaschen. Der Verleger saß breitbeinig auf einem Klappstuhl und wischte sich mit einem Taschentuch über Gesicht und Nacken, das mittlerweile schweißgetränkt sein musste.

“Ach, was solls”, murmelte er, der Kerl tat ihm Leid. “Schick ihn her, bevor er wegschmilzt.”

Kurz darauf hörte Steve Schritte auf der schmalen Gangway. Er sah auf und musste leise lachen. Malloy klammerte sich an die dicken Seilen zu beiden Seiten der Gangway und kam auf die “Time Out”, während er darum bemüht war, die Balance zu halten.

Er war ein großer Mann, fast 1,90 Meter, mit breiter Brust und einem Bauch, der dank der Vorliebe seiner Frau für die italienische Küche ein wenig wabbelig geworden war.

“Hey, Kleiner, wie gehts?”

Steve stellte das Corona auf die Armlehne. “Was zum Teufel machst du denn hier?”

“Begrüßt man so einen alten Freund?”

“Freunde rufen üblicherweise an, bevor sie bei einem auf der Matte stehen.”

Mit einem erleichterten Seufzer kam Tim schließlich an Deck und schnappte nach Luft. Trotz der Tatsache, dass die Hitze ihm zu schaffen machte, strahlte der Mann eine zurückgehaltene Begeisterung aus, die Steves sechster Sinn sofort bemerkte. Nachdem er zehn Jahre mit Malloy gearbeitet hatte, war der Mann für ihn wie ein offenes Buch.

“Was gibt es denn?” fragte Steve. “Der Dritte Weltkrieg ist ausgebrochen, als ich geschlafen habe?”

Malloy ließ seinen massigen Körper in einen Sessel fallen und deutete mit seinem Kinn auf die Flasche in Steves Hand. “Warum gibst du mir nicht erst mal so eine, bevor ich verdurste, und wir reden dann?”

Steve griff in die Kühltasche und holte eine Flasche heraus. “Bist du schon im Ruhestand?” fragte er, als er Tim das Bier reichte.

“Gott bewahre.” Malloy drehte den Verschluss auf. “Mein Job ist das Einzige, was mich bei Verstand hält, auch wenn einige anderer Meinung sind.” Er nahm einen tiefen Schluck und seufzte erleichtert. “Das ist verdammt gut. Ich weiß gar nicht, wann ich zum letzten Mal ein Bier getrunken habe.”

“Marie hat dich schon immer an der kurzen Leine gehalten.”

“Marie hat damit nichts zu tun. Mein Arzt hat es mir verboten. Keinen Alkohol, kein Fett, keine Zigarren.” Er klopfte mit dem Zeigefinger auf seine Herzgegend. “Probleme mit der Pumpe.”

“Tut mir Leid.”

“Es hätte schlimmer kommen können. Wenn er auch noch 'keinen Sex' gesagt hätte.”

Steve lachte. “Wie ich sehe, bist du immer noch der gleiche dreckige, alte Kerl.”

“Ein Mann muss seinen Spaß haben.” Er warf einen neidischen Blick auf Steves Oberkörper. “Du hast dich auch nicht verändert. Obwohl ich nicht verstehe, warum. Sieh dich nur an. Du liegst das ganze Jahr hier rum, lässt dich von der Sonne braten, trinkst so viel Bier, wie du nur kannst, und du siehst immer noch aus, als wärst du auf dem College. Wie zum Teufel machst du das bloß?”

“Ich schätze, dass ich einfach Glück habe.”

Malloy lockerte den Knoten seiner Krawatte. Auf seiner Stirn und Oberlippe hatten sich wieder Schweißperlen gebildet. “Wenn ich dich um eine Sache nicht beneide, dann ist es die verdammte Hitze. Ich bin erst seit einer Stunde in Florida und fühle mich jetzt schon, als wäre ich in einem Hochofen.”

“Daran gewöhnt man sich.”

Tim sah sich auf dem Hausboot um, begutachtete das Deck aus Teakholz, das Steve und Delgado immer auf Hochglanz polierten, die Instrumente und das grün gestreifte Kabinendach. “Schönes Boot. Fährst du damit immer noch mit den Leuten zum Fischen?”

“Ay ay.”

“Und davon kannst du gut leben?”

“Ich kann davon leben.” Steve schob seine Sonnenbrille ein Stück nach oben. “Bist du zweieinhalbtausend Kilometer gereist, um mit mir über nichts zu reden? Das hätten wir auch am Telefon machen können.”

Malloys massiger Bauch zitterte vor Lachen. “Immer noch so direkt, wie ich sehe.” Er nickte zustimmend. “Okay, du hast Recht, genug gequatscht.” Sein Ausdruck wurde ernst. “Ich habe einen Auftrag für dich, den du nicht ablehnen kannst.”

Steve schüttelte nur den Kopf.

“Du weißt ja gar nicht, um was es geht.”

“Egal.” Steve nahm einen Schluck aus seiner Flasche. “Die Antwort ist trotzdem nein.”

Tim riss sich die Krawatte vom Hals und steckte sie in die Jackentasche. “Diese Woche ist ein kalifornischer Politiker ermordet worden. Stammte aus einer mächtigen und einflussreichen Familie.”

“Von mir aus kann er auch adlig gewesen sein. Es interessiert mich nicht.”

“Ich verdoppele dein altes Gehalt und zahle dir unbegrenzt Spesen.”

Steve gab ein langes, gequältes Seufzen von sich. Der Mann konnte stur wie ein Esel sein, wenn er sich erst einmal eine Sache in den Kopf gesetzt hatte. “Mich interessiert das Geld nicht, Tim. Das weißt du. Ich mache mir heutzutage meinen eigenen Zeitplan. Ich arbeite, wenn ich Lust dazu habe, und die übrige Zeit hänge ich einfach nur rum. Verrate mir doch mal, warum ich das aufgeben sollte, um wieder in diese Tretmühle zurückzukehren.”

Die Blonde in dem pinkfarbenen Bikini kam wieder in Sichtweite und lächelte beiden Männern verführerisch zu.

“Hörst du keine Nachrichten?” fragte Tim, während seine Blicke am wohlgeformten Po der jungen Frau hafteten.

“Nicht, wenn ich es vermeiden kann.”

Die Blonde verschwand hinter der Kajüte, und Tim richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Steve. “Dann hast du es nicht mitbekommen.”

“Was habe ich nicht mitbekommen?”

Malloy lehnte sich zurück und sah ihn selbstgefällig an. “Das Opfer war Paul Bradshaw, der Sohn von Charles.”

Steve, der gerade einen Schluck Bier trinken wollte, ließ den Arm sinken. Er brauchte ein paar Augenblicke, um die Neuigkeit zu verarbeiten. “Paul?”

Malloy nickte. “Er wurde letzten Freitagabend zu Hause erschossen.”

“Bist du sicher, dass Paul tot ist? Nicht Charles?”

“Absolut sicher.”

“Zu schade. Wenn es Charles gewesen wäre, hätte ich mir dein Angebot noch mal überlegt, allein schon, um den Mörder zu finden und ihm ein Bier auszugeben.”

Malloy hielt Steves desinteressiertem Blick stand. “Das ist noch nicht alles. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich beim Mörder beziehungsweise bei den Mördern um alte Bekannte von dir handelt.”

“Ach ja? Und wer soll das sein?”

“Gleic Éire.”

Diesmal spannte sich Steves ganzer Körper an. Die Teilnahmslosigkeit, die er gerade noch zur Schau gestellt hatte, war verschwunden und durch etwas Eiskaltes ersetzt worden, das sich um seinen Magen legte und ihn zusammenpresste. Ein bitterer Geschmack stieg in seiner Kehle hoch und raubte ihm fast die Luft. Der Anblick des benachbarten Bootes und die von dort kommenden Geräusche verblassten, bis nur noch sein rasender Herzschlag zu hören war.

Er war nicht sicher, wie lange er so dagesessen und gegen die Dämonen angekämpft hatte, während die vertrauten Namen in seinem Kopf umherschwirrten und sich der Hass in ihm wie ein schnell wirkendes Gift ausbreitete.

Als er das Gefühl hatte, dass seine Lungen ihm wieder gehorchten, atmete er tief durch. “Hast du irgendeinen Beweis, dass Gleic Éire in den Mord verwickelt ist?”

“Paul Bradshaws Exfrau Julia hat mit einem alten Mann gesprochen, der behauptet, dass die Gruppe das Ratsmitglied ermordet hat.”

“Wer ist dieser Mann?”

“Er heißt Eli Seavers.”

Steve durchforstete seine Erinnerung auf der Suche nach den vielen Informanten, mit denen er in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte. “Noch nie gehört.”

“Hatte ich auch nicht erwartet. Niemand scheint allzu viel über ihn zu wissen. Eine polizeiliche Untersuchung hat nichts Ungewöhnliches ergeben. Er war früher Professor für Ökonomie gewesen, erst an der University of California in Los Angeles, danach an der American University in Beirut. 1981 kam er zurück in die Staaten und ließ sich in Kalifornien in Salinas nieder. Vor zwei Jahren wurde bei ihm Alzheimer diagnostiziert, letzten Dezember brachte seine einzige Verwandte, eine Nichte, ihn in ein Pflegeheim in Carmel.”

Jemand auf dem Partyboot hatte das Signal gegeben für einen Limbo-Wettbewerb, und die rhythmische Musik begann zu hämmern, was Steve aber kaum wahrnahm. “Warum sollte Seavers eine solche Anschuldigung machen? Hat er Verbindungen zu der Gruppe? Hat er irgendeinen Beweis für seine Behauptung?”

“Wenn ja, dann hat er es niemandem gesagt. Und das wird er auch nie.” Tim machte eine Pause, dann fügte er an: “Eli ist tot.”

Steve hob fragend eine Augenbraue.

Tim lachte zufrieden. “Ich wusste, dass dich das aufhorchen lassen würde.”

“Wie ist er gestorben?”

“Anscheinend ist der alte Mann mitten in der Nacht losmarschiert und praktischerweise von einer Klippe gestürzt.”

Tim war seit jeher genauso skeptisch wie Steve gewesen, mit ein Grund, weshalb sie sich auch so gut verstanden. “Ein Verbrechen?”

“Nicht für die Bullen.” Mit einem Schulterzucken, das erkennen ließ, wie wenig er auf das gab, was die Polizei sagte, fügte Malloy an: “Das Ermittlerteam fand Seavers' Fingerabdrücke an dem Fenster, durch das er gestiegen war, außerdem die der Putzkolonne. Sie haben es zum Unfalltod erklärt.”

“Was quasi bedeutet, dass sie die Gleic-Éire-Theorie nicht glauben.”

“Wichtiger ist noch, dass Charles Bradshaw nicht an die Theorie glaubt.”

Der Name verursachte bei Steve einen üblen Nachgeschmack. “Warum nicht? Die haben seine Tochter umgebracht.”

“Er glaubt, dass Pauls Exfrau seinen Sohn ermordet hat. Und das will er auch beweisen.”

“Gibt es irgendwelche Beweise?”

Tim zuckte mit den Schultern. “Nur Indizienbeweise. Sie gibt zu, dass sie zur Tatzeit vor dem Haus von Bradshaw geparkt hat. Dann hat sie es sich anders überlegt, ist nicht hineingegangen, sondern stattdessen wieder zurückgefahren. Jedenfalls sagt sie das.”

Diese letzte Bemerkung weckte erneut Steves Interesse. “Glaubst du, dass sie es getan haben könnte?”

“Vielleicht.” Tim streifte sein Jackett ab. “Aber ich setze mein Geld auf Gleic Éire.”

Steve dachte an all die Bombenanschläge, für die Gleic Éire verantwortlich war, vor allem an den einen, der sein Leben zerstört hatte. “Jemanden aus nächster Nähe zu erschießen, ist nicht deren übliche Vorgehensweise”, bemerkte er.

“Einen kranken, alten Mann von einer Klippe zu stoßen, passt aber auch nicht zu ihnen. Ich verwette ein Jahresgehalt, dass sie es waren. Bradshaw war nicht nur Ratsmitglied, sondern auch Mitglied der Kommission zur Verbrechensbekämpfung und sollte am nächsten Morgen eine wichtige Pressekonferenz geben, die auch im Fernsehen gesendet worden wäre.”

Wieder verriet Steves Gesicht seine Aufmerksamkeit.

“Einige der Bewohner, mit denen sich mein Reporter unterhalten hat, sagen, dass Bradshaw genügend Beweise gegen einen örtlichen Gangsterboss vorlegen wollte, um Anklage zu erheben. Andere meinen, die Pressekonferenz habe Gleic Éire gegolten. Ein paar Leute behaupten sogar, Paul hätte das Basislager der Gruppe aufgedeckt, aber das sind pure Spekulationen.” Seine Stimme ließ ein Mitgefühl erkennen, das er nur selten an den Tag legte. “Und du kannst mir glauben, dass ich nicht hier wäre, wenn ich dich bei diesem Job nicht für den besten Mann halten würde.”

Der beste Mann für den Job. Steve unterdrückte ein seine eigenen Fähigkeiten abwertendes Lachen. Das hatte er auch von sich gedacht, als er sich vor acht Jahren daran gemacht hatte, diese Bastarde aufzuspüren. Die Spur eines ehemaligen Soldaten der IRA hatte ihn bis nach Kalifornien geführt, war aber dann im Sande verlaufen, sodass er schließlich hatte einsehen müssen, dass er nicht so gut war, wie er dachte.

Die Möglichkeit, dass sie die ganze Zeit dort gewesen waren, weckte in ihm den Wunsch, seine Faust mit aller Macht gegen eine Wand zu schlagen.

“Wenn sie in Kalifornien sind”, sagte Tim, als hätte er seine Gedanken gelesen, “bist du der Einzige, der sie ausfindig machen kann.”

Steve starrte auf seine Finger, die den Hals der Bierflasche umschlossen. Was würde er nicht alles dafür geben, den obersten Boss zu finden, die Hände um seinen Hals zu legen und zuzusehen, wie er sein Leben aushauchte.

Er hatte oft davon geträumt, es waren Albträume, die immer damit endeten, dass er mit wild pochendem Herzen und schweißgebadet aus dem Schlaf hochschreckte.

Und jetzt eröffnete sich tatsächlich eine Gelegenheit, dass er seinen gesichtslosen Feind zu fassen bekam, einen Mann, von dem manche behaupteten, er sei so diabolisch clever, dass nicht einmal das FBI auch nur eine leise Ahnung von seiner Identität und seinem Aufenthaltsort hatte.

“Ist das FBI informiert worden?” fragte Steve.

“Die örtliche Polizei hat es vor ein paar Tagen in Kenntnis gesetzt, aber man erwartet sich von dort keine große Hilfe. Du weißt, wie wortkarg FBI-Agenten sein können, wenn es darum geht, der Presse Informationen zukommen zu lassen.”

Es folgte eine Stille, die mehrere Sekunden lang anhielt und von keinem der Männer gestört wurde.

“Was sagst du, Kleiner?” fragte Tim schließlich. “Willst du noch einen Anlauf wagen?”

Langsam richtete Steve den Blick auf seinen ehemaligen Boss. “Warum bist du auf einmal so versessen darauf, dass ich die Story mache? Nach dem Bombenanschlag hast du alles unternommen, um mich davon abzuhalten, Gleic Éire nachzujagen. Wieso hast du deine Meinung geändert?”

“Acht Jahre sind seitdem vergangen. Du bist ruhiger geworden, du gehst logischer vor. Nach Sheilas Tod warst du wie ein Wahnsinniger. Du hattest keinen Plan, keine Strategie, du wolltest einfach nur Rache. Du hast dich von deiner Wut leiten lassen und bist deshalb gescheitert. Diesmal wird es anders sein.”

Mit der Bierflasche in der Hand stand Steve auf und ging hinüber zur Reling am Bug. Er konnte ein Dutzend Gründe nennen, warum er Malloys Angebot ablehnen sollte. Der wichtigste Grund war, dass er sich hier ein schönes und bequemes Leben aufgebaut hatte. Es gab Tage, an denen er sich fast einreden konnte, dass er glücklich war. Oder zumindest zufrieden.

“Ich bin nicht sicher, ob ich das machen kann, Tim.” Er sah weiter in Richtung Horizont. “Es ist schon eine Weile her, dass ich als investigativer Reporter gearbeitet habe. Ich bin etwas eingerostet.”

“Reporter wie du rosten nie ein, Steve. Das, was du für vergessen hältst, kommt dir sehr schnell wieder in Erinnerung.”

Steve lachte laut und kehlig. “Du bist ziemlich von dir überzeugt, was?”

“Nein”, antwortete Tim ruhig. “Ich bin von dir überzeugt.”

Trotz seiner Vorbehalte konnte Steve bereits fühlen, wie das Adrenalin in seinen Körper gepumpt wurde, so wie in den guten alten Tagen. Delgado würde nur zu gerne für ein paar Tage einspringen, was die Charterfahrten anging. Er würde keine Fragen stellen. Seine Mutter würde schwerer zu überzeugen sein. Sie neigte dazu, sich übermäßig Sorgen um ihre erwachsenen Kinder zu machen, und es würde ihr nicht gefallen, wenn sich Steve wieder an die Spur von Gleic Éire heftete.

Wieder machte sich Stille breit, während er seine Gedanken ordnete und dabei wusste, dass er ohnehin niemals Seelenfrieden finden würde, solange diese Männer nicht gefasst waren.

Schließlich sah Steve seinen Verleger an und grinste schief. “Hast du gesagt, du würdest mein Gehalt verdoppeln?”

Tims dröhnendes Lachen übertönte fast die Musik vom Boot nebenan. “Habe ich. Ich und meine große Klappe.”

“Dann bin ich dabei.”

“Fantastisch.” Als hätte er nie am Erfolg seiner Reise gezweifelt, zog Tim einen dicken Umschlag aus seiner Jackentasche und gab ihn Steve. “In dem Umschlag findest du ein Flugticket, tausend Dollar in bar, eine Kreditkarte und eine Buchung in der 'Hacienda', dem Gasthaus, das Julia Bradshaw gehört und von ihr betrieben wird. Dein wöchentlicher Scheck wird dir mit Federal Express jeden Freitag ins Gasthaus geschickt. Schrei, wenn du sonst noch was brauchst.”

Er warf einen Blick in den Umschlag. Tim war so gründlich gewesen wie immer und hatte einen Bericht und ein Foto von Julia Bradshaw beigelegt. Steve nahm sich einen Augenblick Zeit, um das attraktive Gesicht zu studieren. “Was kannst du mir über Bradshaws Exfrau sagen?” fragte er, fasziniert von diesen unglaublichen Augen.

Tim deutete auf den Umschlag. “Ist alles da drin. Du kannst es im Flugzeug lesen.” Seine Mission war abgeschlossen, und er stand auf. “Deine Maschine geht morgen früh um acht Uhr.”