36. Kapitel
Sosehr Emilia den grauen Himmel und den Nieselregen der ersten Tage verwünscht hatte – beides war bei weitem nicht so unerträglich wie die Hamburger Hitze, die sich im August wie eine dicke Wolke über alles und jeden ausbreitete. Auch in Punta Arenas oder auf der Estancia brannte manchmal die Sonne herab, aber der Wind hatte stets Abkühlung versprochen. Hier hingegen stand die Luft zum Schneiden dick, und in den Straßen hing übler Geruch.
Dass die Stadt hinter der prachtvollen Fassade ungemein dreckig war, wusste sie bereits – jetzt hatte sie oft den Eindruck, in einer riesigen Kloake zu leben. In der Nähe der Droschkenstände und der Pferdeomnibusse lagen große Haufen von Pferdemist auf der Straße, die niemand wegschaffte. Im Hafengebiet stanken Pissoirs zum Himmel, und die Elbe verkam zu einer grünen, dicken Brühe. Viele Gebäude waren nicht an die Kanalisation angeschlossen, und die Plumpsklos wurden von Tausenden Fliegen umsurrt. Arthur hatte irgendwann einmal damit geprahlt, dass die Hamburger Stadtverwaltung regelmäßig Abfuhrwagen durch die Straßen schicken würde, um den Unrat zu beseitigen – anders als in Punta Arenas, wo er auf den Straßen verrottete –, doch in diesen Wochen sah Emilia nur einen einzigen, und der fuhr nur die Hauptstraße entlang. Zu allem Übel hielten sich viele Bewohner der Stadt Tiere in ihrem Hinterhof, Geflügel, Kühe und sogar Schweine. Gewiss war das ein probates Mittel, das Einkommen aufzubessern und den täglichen Speiseplan zu erweitern, doch wenn Emilia durch manche Straßen ging, hatte sie den Eindruck, Ställe zu passieren, keine Wohnhäuser – wobei diese Ställe in einem verdreckten, stinkenden Zustand waren, den sie auf der Estancia niemals geduldet hätte. Und so viele Ratten huschten an ihr vorbei! Ein Glück nur, dass die Nager vor allem von den Warenspeichern und Lagerhäusern angezogen wurden und das Varieté verschonten. Dort hatten sie stattdessen mit jeder Menge Ungeziefer zu kämpfen – Kakerlaken und Feuerwürmer, selbst Wanzen, die sich am liebsten in den Betten verkrochen.
Emilia teilte sich ein Zimmer mit drei der Tänzerinnen, doch nun wurde es ihr zur Gewohnheit, dass sie noch vor der Morgendämmerung daraus floh. Überall im Varieté war es heiß, aber am ehesten ließ es sich noch im Theatersaal aushalten, schlichtweg, weil es der größte Raum war. Die Kühle hatte allerdings ihren Preis. Dick hing hier der Rauch von Zigarren und Pfeifen, denn anders als in den großen Häusern der Innenstadt – dem Stadt- oder Thalia-Theater – durfte in Sanct Pauli während der Vorstellungen geraucht werden.
Wenn es ihr doch gelang, auf einer der Bänke zu schlafen, erwachte sie schon wenig später – meist mit Kopfschmerzen und Übelkeit. Schon in den drei Monaten seit der Ankunft hatte ihr der gute Appetit gefehlt, doch nun nahmen Erschöpfung und Müdigkeit so überhand, dass sie oft würgen musste, wenn ihr bloß der Geruch von Fleisch in die Nase stieg.
»Kein Wunder, dass dir davor graut«, meinte Hella, als sie einmal kopfschüttelnd auf ihren ausgezehrten Leib blickte. »Dieses Hackfleisch hier ist längst nicht mehr frisch. Der Metzger hat es nur mit Cochenillefarbe gefärbt, damit es so aussieht.« Ihrem eigenen Appetit tat dies natürlich keinen Abbruch.
Eines Morgens war es besonders schlimm. Emilia trat vor das Varieté, um die übliche Milchlieferung abzupassen. Von Haus zu Haus wurde diese gebracht – in rotbemalten Holzeimern oder auf Hundekarren. Wenn sie den Eimer in Empfang nahm, trank sie oft gleich einen Schluck zur Stärkung, doch als sie sich heute darüberbeugte, glaubte sie an dem süßlichen Geruch zu ersticken. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, schluckte gegen den Drang, sich zu übergeben, an und brachte die Milch hastig in die Küche, um den übrigen Tag lang einen großen Bogen um sie zu machen. Wahrscheinlich war die Qualität der Milch so schlecht wie die des Fleisches, von dem Hella gesprochen hatte, und es war auch keine reine Milch, sondern mit Kalk oder Gips verdickte.
Immerhin ließ die Übelkeit im Laufe des Vormittags nach, und sie fühlte sich stark genug, um nicht nur wie üblich zu kochen, sondern beim Bühnenbild und den Kostümen zu helfen. An ihrer statt begann Bruno zu kränkeln. Der Bajazzo war schrecklich bleich, hielt sich seinen Magen, der von Krämpfen geplagt wurde, und sah sich außerstande, die tägliche Ansage zu machen. Paolo musste für ihn einspringen, was der allerdings mit solch griesgrämiger Miene tat – wie konnte man ihn auch nur vom Klavierspielen abhalten! –, dass er mehr Gäste vertrieb als anzog.
»Treten Sie ein«, murmelte er beleidigt und lustlos und mit überaus dünnem Stimmchen. »Kommen Sie in die fröhliche Welt des Amüsements bei Licht und Mondschein. Die Kasse ist geöffnet. Kinder, Invalide und Rentner zahlen heute nur die Hälfte! Bald begibt sich die Truppe auf die Bühne, der Vorhang wird sich heben. Dann geht es Schlag auf Schlag mit Attraktionen, Sensationen, Menschlichem aus dem Leben in Sanct Pauli!«
Hella sah ihm eine Weile zu, dann schimpfte sie wie ein Rohrspatz auf ihn ein: »Kannst du noch freudloser bei der Arbeit sein?«
Paolo zuckte nur die Schultern, Schweiß stand auf der Stirn.
»Die Hitze macht uns zu schaffen – na und?«, nörgelte Hella. »Dann gilt es eben, die Zähne zusammenzubeißen!«
Später half Emilia beim Kartenverkauf, der unerwartet gut ausfiel – was allerdings weniger an Paolos Ansage lag als an dem für heute zu erwartenden Spektakel.
Viele Jahrzehnte war es her, dennoch erzählte man sich diese Geschichte immer noch: wie sich nämlich im Jahr 1810 ein wildgewordener Bulle in Altona losgerissen hatte und durch die Vorstadt Sanct Pauli gerannt war. Dort war er in ein Wirtshaus geraten und hatte sämtliches Inventar zerschlagen. Unter der Leitung eines Konstablers hatten schließlich Soldaten das Etablissement gestürmt und das wilde Tier mit Gewehrschüssen und Säbelhieben getötet.
Genau diese Szene sollte heute Abend – begleitet von Gesang und Klavier – nachgespielt werden, wobei ein junger Schauspieler den Bullen mimen sollte.
»In dem warmen Kostüm gehe ich heute zugrunde!«, erklärte der seufzend, aber anders als Bruno entzog er sich nicht seinen Pflichten, sondern tat alles, um Hella nicht zu enttäuschen.
Wie immer vor der Vorstellung ging Emilia mit Getränken und belegten Broten durch die Reihen, um diese als kleine Stärkung und Erfrischung zu verkaufen. Im Publikum saßen außergewöhnlich viele Matrosen – was wohl daran lag, wie Natascha meinte, dass heute jede Menge Schiffe angelegt hatten. Bei ihrem Anblick wurde Emilia kurz wehmütig und dachte an die lange Reise von Punta Arenas nach Hamburg, als noch alles gut gewesen war zwischen ihr und Arthur, und als die Hitze in der Nähe des Äquators, die engen Kojen und die Stürme, kaum dass sie nördlichere Breitengrade erreichten, ihrem Glück nichts hatten anhaben können.
Natascha entging ihr weggetretener Gesichtsausdruck wohl nicht. »Denkst du an Chile?«, fragte sie. »Wirst du wieder dorthin zurückkehren? Obwohl du doch jetzt zu uns gehörst!«
Emilia zuckte die Schultern. Sie sparte eisern den Lohn, den sie von Hella bekam, und sehnte sich nach der Einsamkeit der Steppe, ja selbst nach dem Wind, aber zugleich kam es ihr so aberwitzig vor, dass sie nun lebte wie einst in Punta Arenas – einzig darauf bedacht, möglichst viel Geld zu verdienen: Damals hatte sie unbedingt nach Deutschland gehen wollen – jetzt wollte sie wieder zurück. Konnte ein Scheitern noch schmählicher ausfallen? Würde sich ihr Leben ewig im Kreis drehen und stetig zum Ausgangspunkt zurückkehren? Was war es, was sie wirklich wollte?
Sie drängte sich am Publikum vorbei, sah und hörte es jedoch kaum. Was für eine Närrin sie doch war!, ging es ihr durch den Kopf. Jahrelang hatte sie um Manuel getrauert, bis sich herausgestellt hatte, dass er zwar der Gefährte ihrer Kindheit war, aber nicht der Mann, den sie liebte. Und nicht minder lange hatte sie von Deutschland geträumt, das sich nun als entweder zu verregnet oder zu heiß erwies, in jedem Fall aber schmutzig und eng war. Ihre Liebe zu Arthur hatte sie sich schließlich eingestanden – doch dieser Schuft verdiente sie gar nicht, ließ folglich ins Leere verpuffen, was sie sich so mühsam abgerungen hatte!
Verärgert schüttelte sie den Kopf und verkaufte schnell die restlichen Brote. Noch war der Vorhang geschlossen, und die Zuschauer begannen langsam unruhig zu werden. Keiner hatte mehr Lust auf eine Erfrischung – das Spektakel sollte endlich beginnen! Doch der Vorhang blieb weiterhin geschlossen. Erste Buhrufe ertönten, schwollen an; schließlich wurde unruhig mit den Füßen getrampelt. Emilia kümmerte sich nicht darum und wollte den Saal schon verlassen, als auf der Bühne plötzlich ein Aufschrei erklang, schrill und verzweifelt. Emilia war sich nicht sicher, aus welcher Kehle er stammte – sie traute nicht nur Hella und Natascha zu, so zu schreien, sondern auch einem dürren Männchen wie Paolo. In jedem Fall erschreckte dieser Schrei nicht nur sie, sondern auch das Publikum, das alarmiert aufgesprungen war und zur Bühne drängte. Einige der Matrosen hatten sie als Erste gestürmt und rissen den roten Samtvorhang zur Seite. Emilia war ihnen gefolgt – weniger willentlich als von den Massen mitgerissen – und erkannte, was nun auch im Saal zu entsetzten Schreien führte: Offenbar hatten sich vorhin alle Beteiligten am heutigen Schauspiel auf ihre Position begeben. Doch bevor der Vorhang gelüftet werden konnte, war der junge Schauspieler, der in das Kostüm des wilden Bullen geschlüpft war, zusammengebrochen. Hella hatte es wohl auf die drückende Hitze zurückgeführt und geglaubt, es genüge, ihm die Maske und den dicken Stoff von Gesicht und Leib zu ziehen, doch der junge Mann war darunter alles andere als rot und verschwitzt von der Wärme. Vielmehr klapperten seine Zähne vor Kälte, und kalt war auch der Schweiß, der auf seinem Gesicht stand. Dieses schimmerte irgendwie bläulich, und in dem Augenblick, als Emilia die Bühne erreichte, drehte er seinen Kopf zur Seite und erbrach sich. Nicht nur davon entströmte übler Gestank – obendrein hatte er sich in die Hose gemacht.
Wieder ertönte ein Schrei – diesmal eindeutig aus Hellas Mund. Eben noch hatte sie sich über den jungen Schauspieler gebeugt, nun wich sie entsetzt zurück. Ihre Gesten fielen stets theatralisch und dramatisch aus, aber jetzt stand nackte Furcht in ihren Augen, und diese war keine Übertreibung.
Gleiche Furcht erfasste auch die Zuschauer, die sich nicht länger Richtung Bühne drängen, sondern alle gleichzeitig auf die verschlossenen Türen zurannten, manch einer so schnell, dass er den Vordermann niederstieß und über ihn trampelte. Irgendwer brüllte »keine Panik!«, doch niemand hörte auf ihn – genauso wenig wie auf Paolo, der mit kümmerlichem Stimmchen nach einem Arzt rief. Als einer der wenigen war er beim Unglücklichen hocken geblieben.
»Sieh zu, dass du ihm nicht zu nahe kommst!«, schrie Hella ihn an.
»Was ist denn los?«, fragte Emilia verständnislos. »Was hat der Arme denn?«
Die Panik, die alle anderen ergriffen hatte, war ihr fremd. Gerne wäre sie auf den Mann zugetreten, um ihm den Mund abzuwischen und frisches Wasser zu geben, doch Natascha hielt sie zurück.
»Weißt du es denn nicht? Seit Frühling geht sie in Russland um. Preußen hat längst die Grenzen geschlossen. Und die Russen, die über Hamburg nach Amerika auswandern wollten, wurden in versiegelte Sonderzüge gesperrt!«
»Seit Frühling geht wer um?«, fragte Emilia nach wie vor verständnislos.
Der Unglückliche erbrach sich nicht wieder, schien aber nun an heftigen Leibeskrämpfen zu leiden. Laut klapperten seine Zähne aufeinander.
»Ich habe schon gehört, dass es erste Fälle hier geben sollte«, klagte Hella und schlug ihre Hände über dem Kopf zusammen. »Aber ich habe es nicht ernst genommen. Schließlich haben der Medizinalrat Kraus und Senator Hachmann behauptet, es sei nur ein normales Fieber.«
»Erste Fälle von was?«, fragte Emilia ungeduldig.
»Wir müssen ihn hier fortschaffen«, erklärte Paolo, »sonst steckt er uns alle an.«
»Willst du ihn etwa anfassen?«, herrschte Hella ihn an.
»In jedem Fall müssen wir einen Krankenwagen rufen«, schaltete sich Natascha ein.
»Ich helfe gerne, ihn in ein Krankenhaus zu bringen«, meinte Emilia – das hysterische Stimmengewirr setzte ihr nicht minder zu wie die Hitze, »aber irgendjemand sagt mir jetzt gefälligst, an welcher Krankheit dieser arme Mann leidet.«
Natascha blickte sie nur mit schreckgeweiteten Augen an. Paolo hüstelte hinter vorgehaltener Hand, nur Hella erklärte mit üblicher Dramatik: »Ich bin kein Arzt! Aber ich verwette mein Varieté darauf, dass uns die Cholera heimsucht.«
Erst lange nach Mitternacht kamen sie im Krankenhaus an. Stundenlang hatten sie auf einen Krankenwagen warten müssen – es gab zu wenige davon, lediglich vier Personen fanden darin Platz, und eigentlich war dieses Gefährt, das man »Pocken-Droschke« nannte, nicht für Cholerapatienten gedacht. Dies zumindest behauptete übellaunig der Kutscher, der sich zunächst weigern wollte, den Kranken überhaupt mitzunehmen. Da dieser sich nicht mehr erbrach, ließ er sich schließlich doch erweichen, aber damit begann die eigentliche Irrfahrt erst. Fast zwei Stunden währte die Fahrt zum Allgemeinen Krankenhaus in Eppendorf, und dort angekommen, hieß es, es sei bereits überfüllt – von anderen Kranken mit ähnlichen Symptomen nämlich. Das Wort »Cholera« wollte anders als Hella noch niemand in den Mund nehmen. So machte sich die Krankendroschke wieder auf den Weg, um nach zwei weiteren Stunden im Alten Krankenhaus von Sanct Georg vorzufahren. Die Laune des Kutschers hatte sich, so das denn überhaupt möglich war, noch verschlechtert. Wortlos setzte er den Kranken vor dem Krankenhaus ab, ohne sich zu kümmern, was aus ihm wurde. Emilia, die dem Unglücklichen während der Fahrt immer wieder den kalten Schweiß von der Stirn gewischt hatte, blickte sich ratlos um. Alle Ärzte und Pfleger, die sie zu Hilfe rief, waren beschäftigt, so dass sie nichts anderes tun konnte, als sich hilflos neben den Mann zu hocken, von dem sie nicht einmal den Namen wusste.
Die Cholera hatte nicht den gleichen Schrecken für sie wie für die anderen. Zwar hatte sie schon von ähnlichen Epidemien in Chile gehört, aber Patagonien war stets davon verschont geblieben, und sie hatte selbst noch nie jemanden daran sterben gesehen. Dass es ein qualvoller Tod sein konnte, erfuhr sie nun trotzdem: Der Mann stöhnte in einem fort, begann schließlich, sich wieder zu erbrechen, und seine Hose färbte sich bräunlich vom vielen Durchfall, der zuletzt dünnflüssig wie Reiswasser aussah. Einmal versuchte er, sich zu erheben, doch kaum hatte er sich mit ihrer Hilfe mühsam aufgerappelt, brach er wieder zusammen.
Endlich eilte ein Arzt herbei.
»So tun Sie doch etwas für ihn!«, rief Emilia.
»Das Blut beginnt sich bereits zu verdicken«, erklärte der Arzt und blickte düster auf ihn.
Emilia begriff nicht, was er meinte, sah nur, dass die Haut des Unglückseligen sich noch bläulicher verfärbt hatte und zugleich Wellen warf, als bestünde sie aus Wachs und würde unter einer Flamme schmelzen. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und blickten stumpf auf sie, die Hände und Füße waren eiskalt. Eine Weile lag er so still, als wäre er schon tot, dann erbebte sein Körper unter erneuten Krämpfen. Gemartert schrie der Mann auf.
»Wie kann man ihm helfen?«, fragte Emilia ratlos.
»Cholerakranke trocknen innerlich aus«, erklärte der Arzt, und durch seine Stimme klang kein Mitleid, »wenn sie nicht rechtzeitig Flüssigkeit bekommen, versagen Herz und Nieren. Für diesen hier ist es wahrscheinlich schon zu spät. Die Hälfte können wir retten – die andere Hälfte nicht.«
So schlimm und endgültig dieses Urteil auch klang, keimte in Emilia dennoch Hoffnung auf, als sie hörte, dass die Krankheit nicht für jeden tödlich war.
Der Arzt trat zurück, und an seiner statt machten sich Schwestern an dem Unglückseligen zu schaffen. Emilia beugte sich vor, um zu sehen, was sie taten, und erkannte eine spitze Nadel, die man ihm in die Armbeuge stach – offenbar, um ihm eine Infusion zu verabreichen.
Als man ihn auf eine Trage hievte und in das Krankenhausgebäude schaffte, überlegte Emilia, zurück ins Varieté zu kehren. Doch zum einen kannte sie den Weg nicht, zum anderen wollte sie den Mann – auch wenn er ein Fremder war – nicht alleine sterben lassen. Sie folgte ihm in einen Saal, wo mehrere Dutzend Pritschen dicht nebeneinanderstanden, die meisten von ihnen waren belegt. Der Gestank nahm Emilia schier den Atem, doch sie bemühte sich, durch den Mund zu atmen, nicht durch die Nase, während man den Mann fürs Erste versorgte und auf ein Bett legte. Sie konnte sich nicht überwinden, seine Hand zu nehmen, setzte sich trotzdem zu ihm, um ihm inmitten von Fieber- und Schmerzenspein immer wieder zu vergewissern, dass er nicht alleine war. Der Morgen graute, als er zu trinken verlangte.
Sie machte sich auf die Suche, schritt durch weitere Krankensäle und begann sich in den vielen Gängen und Räumen zu orientieren – nur Wasser fand sie nicht. Die Ärzte und Schwestern liefen an ihr vorbei und antworteten nicht auf ihre Fragen, sondern waren hektisch bemüht, immer mehr Kranke zu versorgen, die gebracht wurden. Erst glaubte Emilia, ihnen am besten zu helfen, wenn sie ihnen aus dem Weg ging – dann erkannte sie, dass manche in Hast und Panik den Überblick verloren hatten, und griff ein.
»Dort sind noch drei Betten frei!«, deutete sie auf einen der Säle, wenn wieder Kranke die Treppe hochgebracht wurden, und nachdem sie erst einmal angefangen hatte, Helfer und Schwestern zu dirigieren, fuhr sie damit fort. Ihre Stimme verhieß den Klang einer, die zu befehlen gewohnt war, und die meisten richteten sich nach ihren Worten, ohne sich zu überlegen, warum sie sich anmaßte, Betten zuzuweisen.
Die Sonne erhob sich längst weit über den Morgendunst, als sie immer noch im Eingangsbereich stand und zu helfen versuchte. Mittlerweile konnte sie die verschiedenen Phasen der Krankheit unterschieden: Mit Übelkeit und dem Gefühl von Taubheit begann sie, und wer dann schon behandelt wurde, war leicht zu retten. Dann gab es solche, die bereits vor Schmerzen schrien und deren Körper auszurinnen schienen wie ein Schlauch Wein. So unerträglich der Gestank war, der von ihnen ausging – wenn man den Betreffenden ausreichend Flüssigkeit einflößte, konnten sie überleben. Verloren hingegen waren die, die schon in Apathie versunken waren.
Emilia begriff zudem, dass diese Phasen oft rasch aufeinander folgten. Dem Gemurmel um sich herum entnahm sie, dass es kaum eine Krankheit gab, die so schnell tötete wie der »Blaue Tod«. Einige schafften es drei, vier Tage – viele aber starben nur wenige Stunden nach Ausbruch.
Eine Frau behauptete laut weinend, ihr Mann wäre von der Arbeit gekommen und hätte sich an den Tisch gesetzt, um sein Abendmahl zu verzehren. Noch vor dem Dessert sei er zusammengebrochen und auf der Fahrt ins Krankenhaus gestorben.
Nachdem sie herausgefunden hatte, wo sich eine Wasserleitung befand, eilte Emilia mehrmals zu Hellas Schauspieler zurück, um ihm zu trinken zu geben. Anfangs konnte er noch die Augen öffnen und schien ihr etwas sagen zu wollen. Gegen Mittag verlor er das Bewusstsein, und als die Sonne sich zu neigen begann, war er tot. Verspätet ergriff sie nun doch seine Hand und bereute, es nicht schon früher getan zu haben. Sie wollte eigentlich ein Gebet murmeln, aber es fiel ihr keines ein, und während sie noch um Worte rang, riefen andere Kranke nach ihrer Hilfe und flehten um Wasser.
Immer wieder lief sie nun mit Krügen und Bechern hin und her – nicht die einzige Angehörige eines Kranken, der das Personal nur allzu gerne kleine Hilfsdienste zuteilte. Ihr Kleid war von Flecken übersät, und eine der Krankenschwestern reichte ihr unvermittelt und wortlos eine weiße Schürze. Sie band sie um, ohne nachzudenken, welche Pflichten sie sich damit aufbürdete, und beeilte sich dann, wieder neues Wasser zu holen, Betten zuzuweisen oder diese frisch zu beziehen. Letzteres unterließ sie alsbald freilich – war es doch schlichtweg unsinnig, weil jedes Laken so schnell neu besudelt wurde.
Immer noch hatte sie keine Zeit nachzudenken, was sie tat und warum, fragte sich nur zwischendurch ängstlich, ob die Übelkeit am Morgen ein Vorzeichen der Cholera gewesen war und sie selbst bald zusammenbrechen würde. Doch sie fühlte sich nur müde und erschöpft, nicht krank, und die Übelkeit kehrte trotz des Gestanks nicht wieder.
Als die Sonne ganz verschwunden war, wollte sie das Krankenhaus verlassen, traf aber schon am Eingang auf Natascha. Sie war leicht bekleidet wie immer, und für gewöhnlich hätten sie mahnende Blicke ob des wenig anständigen Aufzugs getroffen. Doch inmitten von Leid und Tod war man blind für das Mädchen aus Sanct Pauli.
»Er hat es nicht geschafft«, erklärte Emilia traurig, um im nächsten Augenblick zu erkennen, dass es nicht die Sorge um den Schauspieler gewesen war, die Natascha hierhergetrieben hat.
»Bruno!«, stieß sie erstickt aus. »Und Paolo!«
Noch ehe Emilia in die Richtung blickte, in die sie nun aufgeregt deutete, ahnte sie, was ihre Worte verhießen: Also hatte es auch den Bajazzo und den Klavierspieler getroffen.
»Hella hat mich gezwungen, sie hierherzubringen«, klagte Natascha, »sonst dürfte ich nie wieder bei ihr singen, hat sie gesagt. Aber ich bleibe keinen Augenblick länger, Emilia, ich habe viel zu große Angst … Du kümmerst dich doch um sie, ja?«
»Und wo ist Hella selbst?«, fragte Emilia.
»Pah!«, zischte Natascha. »Beklagt, dass wir alle feige wären, und war doch die Erste, die Sanct Pauli verlassen hat. Alle, die sich’s leisten können, tun das. Die Straßen sind völlig verstopft. Die einen wollen hinaus aus der Stadt, die anderen zu den Krankenhäusern. Oh, was für ein Chaos das ist!« Vor Aufregung brach sie in Tränen aus. »Du kümmerst dich um die beiden, ja?«, fragte sie wieder, wartete Emilias Entgegnung nicht ab, sondern lief hastig davon.
Emilia blickte ihr nach und hatte keine Ahnung, wohin dieses Mädchen nun fliehen würde. Und was sollte sie selbst tun? Sich um Paolo und Bruno kümmern oder zurück ins Varieté kehren, das nun sicher menschenleer war?
Eben wurden Bruno und Paolo an ihr vorbeigetragen – beide mit dem bläulichen Gesicht und kläglich stöhnend.
»Nicht so grob!«, fuhr Emilia die Helfer an, die die Bahre trugen. »Und lasst mich erst sehen, wo noch Platz für die beiden ist!«
Wieder gab es keine Zeit, darüber nachzudenken, warum sie tat, was sie tat. Erst später, als sie Paolo und Bruno notdürftig gereinigt hatte, überlegte sie, dass es wohl weniger Pflichtgefühl war als purer Trotz. Eine Emilia Suckow gab nicht auf, zerging nicht in Furcht vor Krankheit und bot selbst dem Tod die Stirn. Und wo es anzupacken galt, dort packte sie an.
Als sich ein neuerlicher Tag dem Ende neigte, war sie zu erschöpft, um die Augen offen zu halten. Sie schlief in irgendeiner Kammer, wo Pipetten und Petrischalen, Glastrichter, Hornlöffel und Bunsenbrenner aufbewahrt wurden. Am nächsten Morgen stärkte sie sich an der Kost, die für die Kranken zubereitet worden war, brachte aber nicht viel hinunter – dann ging es weiter.
Sie hörte das Stöhnen der Leidenden kaum mehr, nahm den grässlichen Gestank nicht mehr wahr, bemerkte nicht, wie viel Zeit verging, ja, ob das Leben überhaupt noch weiterging oder nicht schreckerstarrt irgendwo in dieser Hölle feststeckte. Wenn die Müdigkeit zu drückend wurde, schlief sie, und wenn sie hochschreckte, konnte sie nicht sagen, wie lange sie sich ausgeruht hatte. Mehr und mehr hatte sie das Gefühl, in einer Welt zu leben, wo übliche Gesetzmäßigkeiten nicht galten, sie folglich nicht arbeitete, um Geld zu verdienen, sondern nur, um sich zu beweisen, dass sie sich noch auf zwei Beinen halten konnte und nicht von der Krankheit geschlagen war.
Der unglückliche Bruno starb wenige Stunden nach der Einlieferung, aber Paolo, obwohl ein so dürres Männlein, erholte sich und forderte mit bleichem Gesicht, er wolle wieder Klavier spielen. Nachdem sie ihm Wasser und Brühe eingeflößt hatte, verschwand die graue Verfärbung seiner Haut. Der Puls schlug wieder voll und kräftig, sein Blick wurde wacher, der Atem tiefer und regelmäßiger.
Inmitten aller Not fühlte sich Emilia fast beschwingt. Wenn es gelang, einen schwächlichen Menschen wie Paolo zu retten, dann waren alle Bemühungen, gegen die Krankheit zu kämpfen, nicht vergebens; dann hatte es einen Sinn, dass sie hier war und nirgendwo sonst.
Die Augenblicke des Sieges waren allerdings genauso häufig wie die Augenblicke der Niederlage: Nie hatte sie so viel Elend gesehen wie in den nächsten Tagen und nie so viele Tote.
Alle Säle waren mittlerweile überfüllt, mehr als sechzig Leute lagen in einem Raum, der für die Hälfte gemacht war, und jedes Mal, wenn man dachte, dass das Krankenhaus nun endgültig aus allen Nähten platzte, der Gestank nicht grässlicher, das Geschrei nicht durchdringender werden könnte, kamen noch mehr.
Oft blieben die Toten mehrere Stunden in ihren Betten liegen und wurden schließlich vor dem Krankenhausgebäude ins Gras gelegt. Wieder dauerte es Stunden, bis man sie endlich in einen Sarg legen konnte, doch das Holz wurde knapp, so dass die Särge keine Deckel bekamen und schwarze Fliegen die Leichname umsurrten. Bei den meisten hatte die Verwesung längst eingesetzt, ehe die Toten endlich nach Ohlsdorf zum Hamburger Hauptfriedhof gefahren und dort von Totengräbern in Empfang genommen wurden, die ebenso unermüdlich arbeiteten wie alle Ärzte, Pfleger und die Fahrer der Krankenwagen. Mit der Zeit wurden die Särge immer kleiner, man quetschte die Toten förmlich hinein, und wenn sie doch einen Deckel bekamen, so zerdrückte dieser die Gesichter. Alsbald sprach man nicht mehr von Särgen, sondern von »Nasenquetschern«.
Da die Flut der Kranken nach wie vor nicht nachließ, wurde entschieden, auf dem Gelände des Alten Krankenhauses und des kleinen Seemannskrankenhauses acht Cholerabaracken zu errichten – ein Entschluss, der in Emilias Augen leidlich spät kam. Es würde viel zu lange dauern, bis diese Baracken endlich gebaut waren – wohin aber bis dahin mit den Kranken und Sterbenden?
Auch den Verantwortlichen schien das aufzugehen: Sie ließen Schulen ausräumen und Kranke dorthin verlegen und stellten in Windeseile ein Feldlazarett auf, das an die fünfhundert Patienten aufnehmen konnte, eine Notlösung zwar, aber fürs Erste eine spürbare Erleichterung.
Das befand auch eine der Krankenschwestern, mit denen Emilia manchmal redete und die sie längst als eine der ihren zu betrachten schien. Sämtliche Hierarchien hatten sich aufgelöst, was dazu führte, dass sie mit dieser Schwester nicht an Krankenbetten stand, sondern ausgerechnet in der Küche. Die Krankenhausköche waren längst geflohen, und so gab es niemanden, der die Speisekammer verwaltete. Emilia hatte sich schließlich darauf gestürzt, froh, sich in einer Sache beweisen zu können, von der sie mit am meisten verstand. Sie kochte, rührte, mischte, knetete, schnitt und brachte das Essen zu den Genesenden. Gemahlenes Roggenmehl bekamen diese, dazu Wasser vermischt mit Senfgeist, Terpentin oder Chlor.
So vertraut ihr diese Arbeit auch wurde – Hitze und Enge setzten ihr weiterhin zu. Irgendwann taten ihr sämtliche Glieder so weh, dass sie nicht anders konnte, als sich kurz zu setzen. Sie gestand sich keine lange Pause zu, wollte alsbald wieder aufstehen, doch plötzlich fühlte sie eine dünne Hand auf ihren Schultern, die sie sachte niederdrückte. Jemand beugte sich über sie und sprach leise: »Sie sollten sich ausruhen. Es nützt den Kranken nichts, wenn Sie sich überanstrengen. Trotz allem müssen Sie zuvörderst auf sich selber aufpassen.«
Emilia blickte hoch. Im ersten Augenblick erkannte sie die Frau nicht wieder. Ihre Haare waren dunkel und streng zurückgekämmt wie bei der letzten Begegnung, aber das schwarze Kleid war unter einer einst weißen, nun beschmutzten Schürze verborgen.
»Ihr Name ist Emilia, nicht wahr?«, fuhr die andere fort.
Nur mühsam konnte sie die Stimme einordnen – diese leise, fast samtige Stimme, hinter der sich doch ein scharfer Tonfall verbarg.
Emilia stand langsam auf. »Was machen Sie hier?«
»Das Gleiche wie Sie. Ich helfe«, erklärte Nora Hoffmann, Arthurs Frau.
Sie wirkte erschöpft wie Emilia, aber ebenso bestrebt, es sich nicht anmerken zu lassen.
»Ich habe Sie in den letzten Wochen beobachtet, wie Sie sich um die Kranken kümmern«, fuhr Nora fort. »Sie scheinen zwar nicht viel von Medizin zu verstehen, aber Sie lernen rasch. Es ist … es ist bewundernswert, was Sie tun.«
Emilia straffte den Rücken. »Obwohl ich in Ihren Augen doch eine Hure bin?« Sie konnte nicht verhindern zu zischen.
Nora senkte erstmals ihre dunklen Augen. »Ich dachte damals am Hafen wirklich, Sie seien eines der leichten Mädchen, mit denen sich Arthur zu vergnügen pflegte. Aber das war wohl ein Irrtum. Wer immer Sie auch sind und woher Sie kommen – Sie sind eine, die nicht scheut zuzupacken und die hinterher keine großen Worte macht. Das gefällt mir.«
Sie zögerte kurz. »Es tut mir leid«, fügte sie leise hinzu. »Es tut mir leid, was ich damals am Hafen zu Ihnen gesagt habe. Ich wollte Arthur treffen … nicht Sie.«
Sie hob ihren Blick wieder, der Blick der dunklen Augen schien unendlich tief … und irgendwie traurig.
»Aber warum«, fragte Emilia heiser, »warum wollten Sie ihn kränken? Warum hassen Sie ihn?«
Der Blick verhärtete sich, doch das tat der Ehrlichkeit dieser Frau keinen Abbruch. In einer anderen Situation, da sie nicht von Sterbenden umgeben gewesen wären und seit vielen Tagen gegen den Tod kämpften, hätte sie sich vielleicht in Ausflüchten ergangen, aber im Lichte dieser großen Wahrheit, dass der Mensch sterblich ist und der Tod so quälend und grausam sein kann, erschien ihr wohl jede Lüge als lächerlich und fehl am Platz.
»Ich kann doch sonst niemanden hassen«, murmelte Nora. »Ich liebe meinen Vater, ich mag Gustav Hoffmann – deswegen kann ich nicht auf sie wütend sein, weil sie uns in diese Ehe getrieben haben. Also bleibt nur Arthur – auch wenn es nicht seine Schuld ist.«
Sie senkte ihre Augen wieder, wartete Emilias Entgegnung nicht ab, sondern drehte sich um und ging einfach weiter.
Emilia folgte ihr aus der Ferne. Nora schien sich im Krankenhaus nicht nur gut zurechtzufinden – außerdem richtete sich mancher Blick einer Krankenschwester ehrfurchtsvoll auf sie. Vielleicht lag das an Noras Haltung – sie ging sehr aufrecht, sehr starr, fast königlich. Ohne Zweifel war sie eine Frau, in deren Gegenwart man die Stimme nicht unnötig erhebt oder zu laute Schritte macht.
Emilia war sich rasch sicher – sie musste mehr sein als die Angehörige eines Patienten, die zufällig hier aushalf, und dieser Gedanke erfüllte sie mit Erleichterung. Bei ihrem Anblick hatte sie kurz befürchtet, dass Arthur krank sein könnte und Nora ihn betreuen würde, doch nun sah sie, wie sie sich nur um Fremde kümmerte.
Während Nora sich über einen Kranken beugte, trat Emilia unsicher auf sie zu. Sie fragte sich, ob sie mit ihr reden sollte und falls ja, worüber, doch die Entscheidung wurde ihr ohnehin von einem der Ärzte abgenommen, der in den Saal getreten war, sich nun achtlos an Emilia vorbeidrängte und auf Nora zuschritt.
Emilia kannte sein Gesicht und glaubte auch, einmal seinen Namen gehört zu haben: Dr. Franz Hufnagel. Er wirkte müde und ausgelaugt wie das restliche Personal, aber darüber hinaus sehr verärgert.
»Was tun Sie da?«, fuhr er Nora unwirsch an.
Sie blickte ihn kaum an.
»Ich sterilisiere die Nadel«, gab sie kühl zurück. »Eine Kochsalzinfusion ist oft die letzte Rettung für die Kranken, aber häufig richten sie mehr Schaden als Nutzen an, weil die meisten Nadeln nicht ordnungsgemäß sterilisiert werden – und die Patienten darum Blutvergiftungen erleiden.«
»Unsinn!«, bellte der Arzt, »Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes sagen, dass Sie auch an dieses Märchen glauben! Die vielen Blutvergiftungen sind Folge der Krankheit, nicht von schmutzigen Nadeln.«
Nora zuckte zweifelnd die Schultern. Kurz machte es den Anschein, als versuche sie, sich die Widerrede zu verkneifen, aber dann brach es doch überzeugt aus ihr hervor: »Der gesunde Menschenverstand sagt mir anderes. Man könnte die Blutvergiftungen ebenso verhindern wie die großen Beulen, die so viele Kranke von den Salzeinspritzungen davontragen. Man müsste einfach nur achtsamer …«
»Sind Sie der Arzt oder ich?«, brüllte Dr. Hufnagel.
Wieder zuckte Nora die Schultern, doch so vermeintlich leise und unauffällig sie sich auch gab – sie blieb unbeugsam. »Man muss kein Arzt sein, um zu wissen, dass der beste Schutz vor der Cholera ausreichende Hygiene ist. Die Epidemie hätte längst eingedämmt werden können und hätte nie dieses Ausmaß erreicht, wenn die Gesundheitsbehörden früher anerkannt hätten, dass es sich um Cholera handelt. Man hätte von den Menschen verlangen müssen, dass sie Wasser und Milch abkochen.«
Unwillkürlich erschauderte Emilia. Bis jetzt hatte sie nicht genau gewusst, womit man sich die Cholera holte, und war entsetzt zu hören, wie leicht es geschehen konnte. Sie dachte an die Milch an jenem Morgen, da ihr so übel gewesen war. Hätte sie davon getrunken, läge sie vielleicht selbst danieder.
»Nur wenige Vorbeugemaßnahmen wären schon ausreichend gewesen«, fuhr Nora fort. »Sich die Hände zu waschen. Oder kontaminierte Gegenstände zu reinigen. Die Ärzte hätten die ersten Erkrankten unter strikte Quarantäne stellen müssen. Stattdessen behaupteten sie, sie litten nur an einfachen Magenverstimmungen.«
Das Gesicht von Dr. Hufnagel lief rot an. »Wenn wir zu früh bekanntgegeben hätten, dass es sich bei den ersten Krankheitsfällen um die Cholera handelt, hätten wir Hysterie ausgelöst«, erklärte er streng.
»Hysterie herrscht nun auch an allen Ecken und Enden«, gab Nora mit ihrem kühlen Blick zurück, »und die Zeit, Maßnahmen zu treffen, blieb ungenützt.«
»Wagen Sie es tatsächlich, meiner Zunft die Schuld für die Epidemie zu geben?«
»Gewiss nicht Ihrer Zunft allein, sondern auch den Gesundheitsbehörden. Und gewiss nicht für die Epidemie, jedoch für deren Auswüchse.«
Emilia sah, wie seine Oberlippe erzitterte, und glaubte zu hören, wie der Arzt irgendetwas ausstieß, was wie »Hoffärtiges Weibsbild!« klang. Dann drehte er sich um und ließ sie einfach stehen.
Nora blickte ihm nach. Keinerlei Gefühlsregung war in ihrem Gesicht zu erkennen. So, wie sich keine Strähne aus ihrer strengen Frisur gelöst hatte, hatte sie auch ihre Miene stets unter Kontrolle. Doch Emilia war sich plötzlich sicher, dass es nicht Kälte und Härte waren, die sämtliche Gefühle töteten, sondern lediglich meisterhafte Selbstbeherrschung, unter der es durchaus brodelte.
Diese Beherrschung bekam nun feine Risse. »Was für ein Narr!«, stieß Nora kaum hörbar aus. Als sie sich wieder zum Kranken umdrehen wollte, fiel ihr Blick auf Emilia. Sie ließ nicht erkennen, was sie davon hielt, bei ihrem Streit mit Dr. Hufnagel belauscht worden zu sein.
»Es ist eine Schande, dass so viele Ärzte die ersten Krankheitsfälle geleugnet haben«, erklärte sie unvermittelt. »Die Cholera wütet nicht zum ersten Mal in Europa. Man kennt doch das Krankheitsbild.« Sie machte eine kurze Pause, ehe sie hinzufügte: »Sie kommt aus Asien, wussten Sie das?«
Emilia trat langsam näher. Der Patient, an dessen Arm sich Nora zu schaffen machte, schien zu schlafen. »Vor allem weiß ich nicht, was genau Sie hier tun …«, bekannte sie.
»… und woher ich mir das Recht nehme, mit Herrn Dr. Hufnagel zu streiten?«, führte Nora den Satz mit der Andeutung eines Lächelns fort.
Emilia nickte verlegen.
Nora sah sie nicht an, als sie mit dieser gleichgültig anmutenden Stimme zu erzählen begann – davon, dass ihr Vater Arzt gewesen war und sie gerne selbst diesen Beruf erlernt hätte, doch dass ein Studium unmöglich gewesen war. Und auch davon, dass sie sich vor vielen Jahren einem Frauenverein angeschlossen hatte, dessen Mitglieder ehrenamtlich in Krankenhäusern arbeiten.
»Ich habe schon vor meiner Hochzeit mit Arthur mit dieser Arbeit begonnen«, murmelte sie. »Und nicht immer werden wir von den Ärzten gerne gesehen. Unsere Hilfe nehmen sie an – doch wehe, wir wagen es, einen Ratschlag zu geben! Dann sind wir ihnen einfach nur lästig. Nun, in den letzten Wochen wäre die Versorgung der Kranken nicht möglich gewesen, wenn es nicht die vielen religiösen und wohltätigen Organisationen gebe. ›Weiblicher Verein zur Armen- und Krankenpflege‹ – so heißt der meine. Eine gewisse Amalie Sieveking hat ihn schon vor über sechs Jahrzehnten gegründet.«
Sie seufzte und hob erstmals ihren Blick. »Ich bin keine ausgebildete Ärztin, aber ich verstehe viel von Medizin. Und ich könnte vor Wut schreien, wenn ich auf die tauben Ohren dieser Ärzte stoße! Einfachste Hygienemaßnahmen werden nicht beachtet!«
Emilia konnte sich nur schwer vorstellen, dass Noras Wut so groß werden könnte, um laut zu schreien. Wahrscheinlich hatte sie das ihr Leben lang nicht getan.
»Doch besser, ich echauffiere mich nicht darüber, sondern bin vielmehr dankbar, dass mich mein Verein überhaupt noch hier arbeiten lässt«, fuhr sie mit gemäßigtem Tonfall fort.
Emilia blickte sie erstaunt an. »Warum sollte er nicht?«
Ein Laut drang über Noras Lippen, der wie ein trockenes Lachen klang. »Dr. Hufnagel versäumt keine Möglichkeit, mich loszuwerden. Und eine Bedingung meines Vereins ist, dass alle Mitglieder ein anständiges, sittliches Leben gemäß der christlichen Lehre zu führen haben. Stets wird überprüft, ob wir auch regelmäßig den Gottesdienst besuchen. Dr. Hufnagel hat nun offenbar herausgefunden, dass meine Ehe nicht ganz … gewöhnlich ist, ja, dass Arthur viele Jahre im Ausland verbracht hat und nicht an meiner Seite. Seitdem versucht er, mir einen unsittlichen Lebensstil nachzusagen.«
Emilia war instinktiv zurückgewichen. Eigentlich wollte sie nichts davon hören – weder von Arthur noch von seiner Ehe. Aber als Nora nun schwieg, fielen ihr Arthurs beschwörende Worte wieder ein – dass seine Ehe keine richtige sei.
Sie kämpfte damit, ob sie Nora danach fragen sollte, was genau es mit ihrer sonderlichen Beziehung auf sich hatte, doch bevor sie sich dazu überwinden konnte, wurden Rufe vom Gang her laut. Weitere Kranke waren eingetroffen.
Arthur konnte kaum atmen. Er war sich nicht sicher, ob es an der Hitze lag oder am unerträglichen Gestank. Mehrmals war er heute bereits einer der Desinfektionskolonnen begegnet, die von Haus zu Haus fuhren und alles, was sich in Reichweite befand, mit Karbol einsprühten.
So unvermeidbar diese Maßnahme war – Arthur wusste, dass die von Karbol durchnässten Betten neue Krankheiten auslösten, obendrein manche Diebe den Zeitpunkt nutzten, wenn die Bewohner ihre Häuser verließen, um sämtliches Hab und Gut daraus zu stehlen, und dass es grässlich roch.
Trotz des Gestanks, der von den Häusern ausging, lehnte er sich an eine von deren Wänden und keuchte schwer. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal geschlafen oder zumindest stillgesessen hatte.
Die Apotheke Hoffmann war in den letzten Tagen nahezu belagert und – wie alle anderen – rund um die Uhr geöffnet worden. Es gab so viel Nachfrage nach ihren Produkten, dass sie kaum etwas davon rechtzeitig nachbestellen konnten – weder den Chlorkalk zur Desinfektion noch Choleratropfen aus Kampfer, Schwarzpulver für Infusionen oder Cholerawein. Nicht alle warteten darauf, dass die Desinfektionskolonnen zu ihnen kamen, sondern wollten selber Karbolwasser erstehen und ihre Häuser damit einsprühen, und nachdem eine Verlautbarung veröffentlicht worden war, wonach Leichenkutscher regelmäßig mit diesem angespritzt werden sollten, wollte manch vorsichtiger Bürger diese Schutzmaßnahme auch für sich nutzen.
Besagte Leichenkutscher waren im Übrigen fast alle betrunken. Wenn Arthur in den letzten Tagen die Apotheke verlassen hatte – stets zum Missfallen des Onkels –, war er mehrere Male fast von einem über den Haufen gefahren worden. Alkohol galt als Schutz gegen die Seuche – und insbesondere die, die auch in besseren Zeiten gerne einen über den Durst tranken, ließen sich das nicht zweimal sagen.
»Bleib zu Hause!«, befahl sein Onkel immer wieder. »Draußen bist du nicht sicher! Und ich brauche dich hier!«
Er hörte nicht auf ihn. Wenn sich ihm irgendwie die Gelegenheit bot, lief er durch die Straßen. Auch nach dem Ausbruch der Cholera hatte ihn weiterhin der Wunsch getrieben, endlich herauszufinden, warum Nora so oft nicht nur tagsüber, sondern auch am Abend das Haus verließ und die ganze Nacht über fortblieb. Scheinbar hatte sie es gemerkt, als er sich am ersten Abend an ihre Fersen heftete, und erwies sich nicht nur als ungemein vorsichtig, sondern auch als geschickt, wenn es darum ging, das Labyrinth an Straßen für sich zu nutzen. Jedes Mal war sie ihm entwischt oder rechtzeitig in eine Droschke gestiegen, der er zu Fuß nicht folgen konnte.
Als bekannt geworden war, dass nicht nur in Hamburg, sondern auch in der Vorstadt Sanct Pauli die Cholera wütete, hatte es keine Rolle mehr gespielt, wohin Nora ging und was sie trieb. Arthur war beunruhigt zu Hella von Mummhausens Varieté geeilt und hatte dieses voller Entsetzen nur leer angetroffen. Nachbarn berichteten von mehreren erkrankten Ensemblemitgliedern, konnten aber nicht sagen, ob auch eine junge, blonde Frau, die aus Chile stammte und Emilia hieß, darunter war. Hella selbst hätte mit ein paar ihrer Singmädchen die Stadt fluchtartig verlassen, die Erkrankten wären in die Krankenhäuser eingeliefert worden.
Am nächsten Tag hatte er beide Krankenhäuser – das Alte Krankenhaus von St. Georg und das Allgemeine Krankenhaus in Eppendorf – aufgesucht. Stundenlang war er von einem überfüllten Saal zum nächsten gegangen, doch in dem Chaos und Tumult dort hatte er Emilia nirgendwo finden können. Entmutigt war er zurück in das Haus seines Onkels gekehrt, doch dort fühlte er sich wie in einem Gefängnis. Er wusste, er war hier sicher – schon in der ersten Woche nach Krankheitsausbruch waren sämtliche Räume desinfiziert worden –, aber er konnte unmöglich in Ruhe hier sitzen oder in der Apotheke helfen, während er Emilia dort draußen in der verseuchten Stadt wusste! Immer wieder ging er nun in die Krankenhäuser, immer wieder auch nach Sanct Pauli, um nach ihr zu fragen, und auch heute war er dorthin aufgebrochen, doch nie hatten ihm seine Schritte so viel Anstrengung gekostet.
Er kühlte sein Gesicht an der Hauswand und sah erst jetzt, dass sie über und über mit Plakaten behängt war: Verbote waren darauf zu lesen – nämlich keine Tanzveranstaltungen zu besuchen, öffentliche Bäder zu meiden und rohes Obst nicht mehr auf der Straße zu kaufen.
Arthur löste sich von der Hauswand und ging weiter. Jeder Schritt kam ihm so vor, als würde er Steine auf der Schulter schleppen. Das Bild vor seinen Augen zerrann. Wie unerträglich schwül es war!
»Aus dem Weg!«, bellte ihn jemand an. Er fuhr herum und sah einen Hausierer auf sich zuschreiten, der einen schweren Holzwagen mit sich zog. Viele Döschen, Fläschchen und Ampullen lagen darauf, und alle waren sie mit einem Namen beschriftet, der das Wörtchen »Cholera« beinhaltete. Hätte er sich kräftiger gefühlt, hätte er mit dem Mann einen Streit begonnen. Hausierer wie dieser nutzten die Epidemie gnadenlos aus und verkauften – in Konkurrenz zu Apotheken – sehr teure Allheilmittel, die natürlich nicht wirkten. Doch nun ließ er den Mann passieren, anstatt sich mit ihm anzulegen – ebenso, wie er die Gruppe Menschen ignorierte, die auf den Hausierer folgte und gerade eine Kirche verließ, wo einer der vielen Fürbittgottesdienste stattgefunden hatte. Ansonsten blieb es vergleichsweise ruhig auf den Straßen. Die meisten Bewohner Hamburgs versteckten sich in den Häusern – ganz anders als in den ersten Tagen, da noch Chaos geherrscht hatte: Sobald ein Verdacht auf Cholera bestand, hatte man den Kranken von der Familie fortgeholt und ungerührt Eltern von Kindern und Männer von Frauen getrennt, was nicht nur zu Klagen und Weinen führte, sondern manchmal zu körperlichem Widerstand. Nicht immer war ein Krankenwagen zur Stelle, um die Kranken nach Sanct Georg oder nach Eppendorf zu bringen – stattdessen wurden insbesondere die Ärmeren von Polizisten mit auf die Wache genommen, wo sie in winzigen Zellen auf kalten Steinen liegen und manchmal elendiglich sterben mussten.
Nun, immerhin war die Zahl der Krankenwagen aufgestockt worden – mittlerweile waren es über dreißig, die ständig unterwegs waren –, doch wenn es in Hamburgs Straßen nun ruhiger zuging, waren die Zustände im Hafen chaotisch: Russische Auswanderer, die eigentlich auf dem Weg nach Übersee waren, saßen in Logierhäusern und Hafenbaracken fest. Langsam gingen nun Wasser und Nahrung aus, Randale wurden befürchtet.
Arthur war kaum zehn Schritte gegangen, dann fühlte er sich wieder so erschöpft, dass er sich abermals gegen eine Hauswand lehnen musste. Schweiß tropfte von seiner Stirn, rann schließlich wie Tränen über die Wangen. Er erblickte erneut ein Plakat mit einer Verordnung, doch die Worte verschwammen vor seinen Augen. Er konnte nur lesen, dass sie von Johann Georg Mönckeberg erlassen worden war, dem Stellvertreter des Bürgermeisters, denn der war mittlerweile selbst erkrankt und konnte sein Stadthaus in Övelgönne nicht verlassen.
Arthur schloss die Augen. Was war nur los mit ihm? Unmöglich konnte er es in diesem Zustand bis nach Sanct Pauli schaffen! Am besten, er kehrte wieder um.
Doch als er sich von der Wand löste, zerstob das Bild vor seinen Augen in viele kleine Sternchen. Kurz hatte er keine Ahnung, wo oben und unten war, rechts oder links. Der Schwindel verstärkte sich und mit ihm die Übelkeit. Wie eine dunkle Welle stiegen sie hoch und schlugen über ihm zusammen. Er trat einige Schritte vom Haus weg, glaubte zu fallen, als er noch aufrecht stand, und fiel schließlich, als er sich noch zu stehen wähnte. Plötzlich hörte er etwas krachen – es war der eigene Kopf, der schmerzhaft auf den Pflastersteinen aufgeprallt war, dann wurde es dunkel um ihn.
Als er die Augen wieder öffnete, schaukelte der Himmel. Die Übelkeit hatte etwas nachgelassen, aber im Mund schmeckte es so säuerlich, als hätte er sich übergeben. Obendrein fühlte er, dass er in einer nassen Lache lag – hatte er sich etwa in die Hose gemacht? Er versuchte, sich aufzurichten, schaffte es jedoch nicht. Schwer ließ er seinen Kopf wieder zu Boden fallen, der Himmel schaukelte daraufhin noch stärker. Erst nach einer Weile erkannte er, dass er nicht auf dem Boden lag, sondern auf einer Trage, und dass nicht der Himmel schaukelte, sondern er selbst.
Er versuchte, etwas zu sagen, doch aus seinem Mund kroch nur ein Stöhnen. Eben noch war ihm der säuerliche Geschmack im Mund am unerträglichsten erschienen, nun vermeinte er, man hätte Sand in seine Kehle geschüttet, so ausgetrocknet, wie diese sich anfühlte. Er schloss die Augen, um sie vor der Sonne zu schützen. Vorhin war der Himmel zwar bewölkt gewesen, doch nun brannten ihre Strahlen gnadenlos auf ihn herab. Er schwitzte, seine Haut glühte; jedes Fleckchen Körper schien in Flammen zu stehen.
Abermals wollte er etwas sagen, wieder stöhnte er nur.
Plötzlich erstickte irgendetwas das Feuer – nein, nicht irgendetwas, sondern Hände, kühlende Hände, die mit einem weichen Tuch über sein Gesicht strichen. Der säuerliche Geruch, der sich über ihm ausbreitete, kam diesmal nicht von seinem Erbrochenen, sondern vom Essig, mit dem er eingerieben wurde.
Er schlug die Augen auf, traute aber dem Bild nicht, das er sah. Fieber … er musste sich im Fieberwahn befinden …
Zwei Frauen standen links und recht von der Trage und beugten sich über ihn – Frauen, die Nora und Emilia glichen.
»Mein Gott«, stöhnte die eine, die Emilias Gesicht trug. »Wir müssen unbedingt …«
»Beruhigen Sie sich«, sagte Nora mit ihrer kühlen Stimme. »Er ist doch jetzt hier. Wir können ihn behandeln …«
In seinem Kopf schwirrte es. Warum waren Nora und Emilia an ein und demselben Ort? War er gestorben und sie auch, und sie trafen sich in der Hölle wieder?
Im nächsten Augenblick zweifelte er jedoch entschieden daran, dass er gestorben war. So schlimm sämtliche Höllenqualen auch sein mochten – unmöglich, dass sie an die unerträglichen Krämpfe heranreichten, die nun seinen Leib schüttelten. Nein, noch war er nicht tot, aber wenn er diese Krämpfe noch einen Augenblick länger ertragen müsste, würde er gewiss bald sterben.