DRITTES KAPITEL

»Lalita!« rief Lord Heywood, als er die Halle betrat.

»Ich bin hier!«

Er hörte ihre Stimme aus dem Schreibzimmer, und während er noch dem Klang nachging, kam ihm Lalita schon durch die Tür entgegengelaufen.

»Sie sind wieder da!« rief sie. »Wie war es?«

Lord Heywood ging, ohne etwas zu erwidern, an ihr vorbei in das Zimmer, aus dem sie gerade gekommen war.

Das Schreibzimmer, eine ziemlich nüchterne Bezeichnung für den erlesen ausgestatteten Salon, der sich an die Bibliothek anschloß, war das Zimmer, für das er sich entschieden hatte.

Es gab eine so große Auswahl an Zimmern in dem weitläufigen Gebäude, daß es keine einfache Entscheidung gewesen war, bis Lalita ihn darauf hinwies, daß er einen Schreibtisch brauchen würde, und im Schreibzimmer stand ein sehr hübscher, der vor zwei Jahrhunderten geschreinert worden war.

Mit seinen weißen Stuckornamenten und dem riesigen Kronleuchter, der von der Decke hing, war der Salon im Grunde für eine festliche Gesellschaft geeigneter als für den täglichen Gebrauch.

Aber die Stühle und Sofas waren bequem, und es fanden sich hier auch zahlreiche Bücher, die Lalita gerade abgestaubt hatte. Ein paar davon lagen auf dem Boden herum, und Lalitas Hände und der Staubwedel bewiesen, wie schmutzig sie geworden waren, weil man sie einige Jahre nicht abgestaubt hatte.

Während Lord Heywood durch das Zimmer schritt und mit dem Rücken zum leeren Kamin stehen blieb, fiel Lalita ein, daß sie einen etwas seltsamen Anblick bot. Sie hatte sich über ihr Kleid eine Hausmädchenschürze gebunden und ihren Kopf mit einem kleinen Leinentuch bedeckt, das sie sich jetzt eilends herunterriß.

Der Sonnenschein, der durch das Fenster hereinkam, ließ ihr Haar golden aufleuchten. Als sie es aus der Stirn strich, blieb ein schwärzlicher Schmutzfleck auf ihrer weißen Haut zurück.

Lord Heywood war Lalita jedoch ganz gleichgültig, und sie erkannte an der Falte zwischen seinen Augen und der Schroffheit seines Kinns, daß ihn etwas aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.

Als er nach dem Frühstück aufgebrochen war, hatte er ihr gesagt, er wolle die Pensionäre aufsuchen. Sie hatte geahnt, daß die Besuche alles andere als angenehm werden würden und von einem glücklichen Wiedersehen mit den alten Leuten, die bei seinem Vater gearbeitet hatten, keine Rede sein konnte. »Was haben Sie vorgefunden?« fragte sie leise.

»Von den fünfzehn Häuschen, die ich aufgesucht habe«, erwiderte er, »müssen dreizehn dringend instand gesetzt werden.«

»Das habe ich befürchtet.«

»Die Dächer sind undicht, die Fußbodenbretter haben sich gesenkt, die Kamine ziehen nicht, und Gott weiß, was sonst noch alles reparaturbedürftig ist!«

Es herrschte Schweigen.

Dann fragte Lalita, als spüre sie, daß er ihr nicht die ganze Geschichte erzählt hatte: »Was noch?«

»Sie erwarten ihre Pension Ende der Woche, am Ersten also, und ich habe keine Ahnung, ob meine Anwälte vorhaben, sie zu zahlen und damit die beträchtliche Summe, die ich ihnen bereits jetzt schulde, noch zu vergrößern.«

Lord Heywoods Stimme hatte einen Unterton, der Lalita deutlicher als viele Worte sagte, was er empfand.

»Was wollen Sie unternehmen?« fragte sie.

»Ich muß morgen nach London und meine Anwälte aufsuchen«, erwiderte er. »Ich muß auch die paar Dinge verkaufen, die nicht unter Treuhandverwaltung stehen, und kann nur hoffen, daß es wieder aufwärts geht, wenn dieses Geld ausgegeben ist.«

Wieder war es ganz still, ehe Lalita sagte: »Glauben Sie, daß in London etwas ist, was die Anwälte nicht auf die Liste gesetzt haben?«

»Das habe ich eben vor herauszufinden. Ich bin auch entschlossen, das Haus anzubieten, nicht zum Verkauf – das darf ich nicht –, aber vielleicht will es jemand mieten.«

Noch während er diese Hoffnung aussprach, wußte er, daß sie vergeblich war, und Lalita wußte es ebenfalls.

Jetzt sah sie Lord Heywood bittend an. »Ich habe etwas Schmuck bei mir, der meiner Mutter gehörte. Ich wollte schon vorschlagen, daß Sie ihn für mich verkaufen, aber ich nehme an, Sie wollen nichts davon wissen, den Erlös zu borgen, bis ich ihn brauche.«

Lord Heywood lächelte. »Ich weiß es zu schätzen, daß Sie versuchen, eine Lösung für meine Probleme zu finden«, sagte er, »aber, liebes Mädchen, Sie sollten an Ihre eigenen denken. Glauben Sie mir, Sie werden jeden Penny, den Sie besitzen, brauchen, wenn Sie nicht vorhaben, nach Hause zurückzukehren.«

»Sie wissen, daß ich das nicht kann«, antwortete Lalita, »aber wenn ich nicht von hier weggehe, dann brauche ich das Geld nicht.«

»Jetzt sind wir wieder da, wo wir angefangen haben«, sagte Lord Heywood, »und Sie kennen meine Ansicht zu diesem Thema.«

»Nur zu gut«, erwiderte Lalita. »Aber wenn Sie auch nur ein bißchen gesunden Menschenverstand hätten, wäre Ihnen klar, daß mein Vorschlag sehr brauchbar ist.«

»Er ist sehr unbrauchbar, und Sie dürften gemerkt haben, daß ich zwar arm sein mag, aber immer noch meinen Stolz habe.«

»Hochmut kommt vor dem Fall, früher oder später.«

Lord Heywood schritt durch das Zimmer und blieb vor einem Fenster stehen, um hinauszublicken, und Lalita wußte, daß er sich wieder fragte, was er für die Leute tun konnte, die auf ihn angewiesen waren und die es bei den schnell steigenden Preisen nach dem Krieg kaum schafften, mit ihren mageren Pensionen zu überleben.

Zwar gab es sogenannte Arbeitshäuser in der Grafschaft, sogar mehrere, aber es handelte sich dabei um Häuser, vor denen die Armen zurückschreckten, und die Art, wie die Insassen behandelt wurden, war schon, bevor Lord Heywood das Land verlassen hatte, Gegenstand ständiger Kritik gewesen.

Er sagte sich, daß er es auf keinen Fall zulassen durfte, daß die alten Männer und Frauen, die für seinen Vater und Großvater gearbeitet hatten, ihren Lebensabend unter solchen Umständen zubrachten. »Ich muß unbedingt Geld auftreiben«, murmelte er vor sich hin.

»Angenommen, Sie verkaufen eins der Bilder, die zum unveräußerlichen Erbe gehören«, fragte Lalita, »und vielleicht ein bißchen Porzellan. Was würde geschehen?«

»Sobald man mir auf die Schliche käme, und das würde man früher oder später«, erwiderte Lord Heywood, ohne sich umzudrehen, »würden mich die Treuhandverwalter vor Gericht bringen, und man würde mich mehr oder weniger wie einen Dieb behandeln. Der Skandal wäre außerordentlich unangenehm.«

Lalita stieß einen Seufzer aus. »Sie finden bestimmt etwas, was ein wenig Geld einbringt«, sagte sie verzagt.

»Ein wenig wäre nicht genug«, gab Lord Heywood zurück. »Aber, wie gesagt, ich fahre morgen nach London.« Als könnte er es nicht ertragen, noch länger zu reden, ging er aus dem Zimmer.

Lalita legte die Hand an die Stirn und bemühte sich nachzudenken; dabei vergaß sie ganz, wie schmutzig sie war. Während der drei Tage, die seit der Heimkehr von Lord Heywood vergangen waren, hatte sie das Gefühl gehabt, daß sich das Geldproblem ihrer von Tag zu Tag drohender bemächtigte.

Sie hatte das lange Inventar, das Lord Heywood von dem Rechtsanwalt Crosswaith erhalten hatte, an sich genommen und war durch zahlreiche Räume gegangen, um zu prüfen, ob etwas übersehen worden war; aber sie hatte feststellen müssen, daß es praktisch nichts gab, was nicht auf der Liste stand.

»Wie konnte Ihr Großvater bloß so engherzig sein«, fragte sie, »jede Kleinigkeit zum unveräußerlichen Erbe zu erklären?«

»Mein Großvater und mein Urgroßvater waren bedeutende Sammler«, erwiderte Lord Heywood. »Ich glaube, mein Vater hat ihnen ganz schön Angst eingejagt, als er ein junger Mann war. In Oxford wurde er ein Lebemann und in ihren Augen ein unverbesserlicher Verschwender.«

»Sie fürchteten also, er könnte die Schätze, die sie angesammelt hatten, verkaufen?«

Lord Heywood nickte. »Als man ihn von der Universität verwies, ging er nach London, wo seine Kutschen und seine Pferde den Karikaturisten als Zielscheibe dienten. Er brachte es auch fertig, in zwei Jahren ein beträchtliches Vermögen am Kartentisch zu verlieren.«

»Ich kann verstehen, daß Ihr Großvater der Meinung war, daß man ihm all diese Schätze hier nicht anvertrauen dürfe.«

»Mein Großvater tilgte seine Schulden Dutzende von Malen und hielt ihm tagein, tagaus Strafpredigten, aber er blieb bis zu seinem Tod ein Verschwender.« Lord Heywoods Stimme bekam einen bitteren Ton, als er hinzufügte: »Deshalb befinde ich mich jetzt in der Lage, in der ich bin.«

»Aber Sie leben immerhin in einem Schloß voller Kunstschätze.«

»Und verhungere dabei! Keine sehr angenehme Aussicht.«

»Sie fänden es noch wesentlich unangenehmer, in einem Dienerhaus leben zu müssen oder unter Bäumen zu schlafen.«

Lord Heywood lächelte. »Ich nehme an, es wäre nicht schwer, ein leeres Haus zu finden, das jemand anderem gehört!«

Lalita zwinkerte schelmisch. »Sie müssen zugeben, daß es klug von mir war, hierher zu kommen. Wenn Sie nicht zurückgekehrt wären, hätte mich kein Mensch bemerkt.«

»Sie hätten wohl kaum jahrelang hier bleiben können.«

»Eben darauf hatte ich mich eingestellt, bis Sie unerwartet in meinem Schlafzimmer aufgetaucht sind. Es war ein ganz schöner Schock!«

»Für mich war es auch ein Schock«, meinte Lord Heywood.

Lalita spürte, daß er sich dank ihrer Anwesenheit von seinen Problemen nicht ganz niederdrücken ließ, und Carter bestätigte ihr das.

»Wenn Sie mich fragen«, sagte er, als sich Lalita mit ihm in der Küche unterhielt, »dann ist es bloß gut, daß der Oberst sich bei Ihnen sozusagen ausweinen kann.«

»Das habe ich auch schon gedacht«, erwiderte Lalita.

»Mir kommt das alles ganz schön dumm vor«, fuhr Carter fort. »Da ist das Schloß bis an den Rand voll Gold, und keiner von uns traut sich, es anzurühren.«

»Es ist auch für Seine Lordschaft eine große Enttäuschung. Aber er macht sich nicht um sich selbst Sorgen, sondern um die Leute, die auf ihn angewiesen sind.«

»Das ist ganz typisch für ihn«, gab ihr Carter recht. »So einen Offizier wie ihn hat es im ganzen Regiment nicht noch einmal gegeben. Immer um seine Männer hat er sich gekümmert, nie an sich gedacht, und dafür hat es nichts gegeben, was sie nicht für ihn getan hätten.«

»Du würdest auch alles für ihn tun, nicht wahr, Carter?« fragte Lalita.

Gestern war sie in die Küche gegangen, als Lord Heywood nicht im Haus war, und sah, daß sich Carter gerade aufmachte, zum nächsten Pächter zu gehen, um Eßwaren für sie zu kaufen.

Sie sah ihn das Geld zählen, das er aus einer Schublade in der Küche geholt hatte, und sagte: »Carter, wenn ich dir jetzt etwas vorschlage, versprichst du mir dann, es nicht Seiner Lordschaft zu erzählen?«

»Hängt davon ab, was es ist, Miss«, erwiderte Carter.

»Als ich von zu Hause fort bin«, sagte Lalita, »habe ich ziemlich viel Geld mitgenommen, weil ich nicht so dumm war zu denken, daß ich darauf verzichten könnte.« Sie sah, daß Carter aufmerksam zuhörte, und fuhr fort: »Ich habe Seiner Lordschaft gesagt, daß ich für meinen Unterhalt aufkommen werde, aber er hat natürlich abgelehnt, weil ich eine Frau bin. Doch selbst Frauen müssen essen, und Essen kostet Geld.«

»Da will ich Ihnen nicht widersprechen«, meinte Carter.

»Und deshalb«, fuhr Lalita fort, »beabsichtige ich, mein Essen zu bezahlen, ohne daß es Seine Lordschaft erfährt.«

»Seine Lordschaft zieht mir das Fell bei lebendigem Leib über die Ohren, wenn er es erfährt«, erwiderte Carter.

»Dann müssen wir eben verhindern, daß er es erfährt«, sagte Lalita. Sie legte drei Goldmünzen auf den Küchentisch. »Wenn du die ausgegeben hast, gebe ich dir die nächsten. Ich finde, es ist wichtig, daß Seine Lordschaft richtig ißt, und Fleisch ist teuer.«

Carter betrachtete die Goldstücke, und seine Augen strahlten.

»Bitte sag nichts zu Seiner Lordschaft«, bat Lalita noch einmal. »Er ist ein starker Mann, aber er verlangt sich viel ab. Du weißt ebenso wie ich, daß er wie Waterloo und Conqueror etwas Anständiges zu essen braucht.«

»Ich habe mir schon überlegt, daß ich Hafer für die Pferde stehlen könnte«, sagte Carter, »aber die Bauern sind genauso arm wie wir.«

»Die meisten Bauern im Land leiden Not«, erwiderte Lalita. »Aber Seine Lordschaft sagt, wir müssen sie anständig bezahlen, und genau das habe ich vor, und weil ich Geld habe, ist es auch gar nicht schwer.«

Schnell strich Carter die Goldmünzen ein und ließ sie in seine Tasche gleiten. »Gott steh' mir bei, wenn Seine Lordschaft mir daraufkommt!« sagte er. »Aber dann sage ich ihm, daß mich Eva in Versuchung geführt hat!«

»Seit ewigen Zeiten die Ausrede aller Männer!« lachte Lalita. Gleichzeitig war sie hocherfreut, daß sie ihren Kopf durchgesetzt hatte.

Sie ahnte, daß Lord Heywood, wie die meisten Männer, das, was da war, essen und nicht groß fragen würde, was es gekostet hatte, und sie behielt recht.

Beim gestrigen Abendessen hatte Lord Heywood mehrere Scheiben vom besten Rinderbraten gegessen und danach gesagt: »Das war ausgezeichnet, Carter! Ich habe immer gesagt, daß du der beste Koch im ganzen Regiment bist. Ich fürchtete manchmal, sie würden dich mir wegnehmen, damit du in der Offiziersmesse kochst.«

»Ich wäre schnell wieder zurückversetzt worden, Mylord«, antwortete Carter. »Zwei Mahlzeiten von dem, was ich ihnen vorgesetzt hätte, hätten gereicht!«

Lord Heywood lachte. »Ich kenne deine Tricks! Dennoch wollen Miss Lalita und ich dir dafür danken, daß du so tüchtig bist. Der Rinderbraten war köstlich!«

Carter hatte dabei Lalita zugezwinkert.

Sie wußte, daß das ein Benehmen war, das ihm als Burschen nicht zustand. Gleichzeitig dachte sie aber, daß das gute Essen zusammen mit einer Flasche Wein aus dem Keller Seine Lordschaft in eine heitere Stimmung versetzt hatte.

Er hatte es sich nach dem Essen im Schreibzimmer bequem gemacht und nicht darüber gesprochen, daß sie das Schloß verlassen müsse, sondern statt dessen Pläne gemacht, wie sie das Zimmer mit zusätzlichen Stühlen und Kissen noch gemütlicher machen könnten.

Er war sogar bereit gewesen, eines der Bilder gegen ein anderes auszutauschen, das Lalita besonders gut gefiel und in einem Zimmer hing, das sie nicht vor hatten zu benutzen.

»Morgen werde ich einen anderen Schmuck für den Kaminsims auswählen«, sagte sie, »und aus dem großen Salon die wunderbaren Nippes aus Meißener Porzellan holen und sie auf den vergoldeten Tisch in der Ecke stellen.«

Er brachte keinen Einwand dagegen vor, sondern lächelte sie nur liebevoll an, und sie dachte wieder, daß seine gute Laune der Tatsache zu verdanken war, daß er sich satt und zufrieden fühlte.

»Ich muß Sie etwas fragen«, sagte sie am nächsten Tag beim Frühstück.

»Was?«

Lord Heywood fragte zwar, aber er war in Wirklichkeit in die Zeitung vertieft, während er seine Eier mit Speck aß.

Sie war schon einen Tag alt. Carter hatte sie aus dem Dorf mitgebracht, und Lord Heywood merkte erst jetzt so richtig, wie wenig er vom aktuellen Geschehen, egal ob es politisch oder gesellschaftlich war, wußte.

»Ich habe Ihnen erzählt«, fing Lalita behutsam an, »daß ich nur drei Kleider mitbringen konnte – zwei in dem Koffer, den ich getragen habe, und dasjenige, das ich anhabe.«

»Ja, das haben Sie mir erzählt«, antwortete Lord Heywood unbestimmt.

»Ich habe mich gefragt, ob Sie es für sehr unrecht halten würden, wenn ich Sie bitte, daß ich das Reitkostüm Ihrer Mutter anziehen darf.«

Sie sagte das zögernd, und jetzt hob Lord Heywood den Kopf und sah sie überrascht an. »Das Reitkostüm meiner Mutter?« fragte er.

»In dem Zimmer, in dem ich schlafe, hängen viele Kleider von ihr im Schrank.«

»Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, aber es wird wohl so sein«, sagte Lord Heywood.

»Sie mögen es vielleicht nicht, wenn ich die Kleider Ihrer Mutter trage«, fuhr Lalita fort, »aber es tut meinen nicht gut, wenn ich darin reite.«

»Das sehe ich ein«, bemerkte Lord Heywood. »Und ich denke, daß Ihre Kleider lange Zeit halten müssen.« Er lächelte, bevor er hinzufügte: »Nehmen Sie alles von meiner Mutter, was Sie wollen. Es würde sie wohl amüsieren, wenn sie wüßte, was hier vorgeht.«

Lalitas Augen leuchteten auf. »Danke, vielen Dank!« rief sie. »Es ist merkwürdig, daß Sie das sagen! Wenn ich in ihrem Schlafzimmer liege, habe ich manchmal das Gefühl, als wäre sie da; und sie mißbilligt es nicht im geringsten, daß ich von zu Hause fortgelaufen bin, ganz im Gegensatz zu Ihnen.«

»Das ist etwas, was Sie nicht beweisen können«, sagte Lord Heywood. »Auf jeden Fall schließe ich aus Ihrer Bitte, daß Sie mit mir ausreiten wollen. Wenn das der Fall ist, dann sollten Sie sich jetzt umziehen.«

»Ich werde sofort wieder da sein!« versprach Lalita, und sie eilte aus dem Speisezimmer, als hätte sie Flügel an den Fersen.

Lord Heywood mußte sich eingestehen, daß sie ihn aufheiterte. Es verging während des ganzen Tages keine Minute, in der er nicht feststellte, daß sie etwas Ungewöhnliches und stets Intelligentes zu sagen hatte und ihn vor Mißmut bewahrte.

Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Zimmer, die sie benutzten, zu putzen. Er war davon überzeugt, daß Hausarbeit etwas war, was sie nie zuvor gemacht hatte, aber sie widmete sich ihrer selbstgewählten Aufgabe mit lobenswertem Eifer.

Während Carter den gröbsten Schmutz von den Teppichen kehrte, polierte Lalita die Möbel und wischte den Staub von den Tischen und Spiegeln.

Lord Heywood stellte fest, daß sein Bett mit den besten Laken bezogen war, was seiner Überzeugung nach Lalitas Werk war, und von Tag zu Tag sahen mehr Möbelstücke, sauber und poliert wie sie jetzt waren, wieder so aus wie damals, als er ein Junge war.

Trotzdem konnte Lord Heywood nicht umhin, an die sechs hochgewachsenen Lakaien zurückzudenken, die früher in der grün-gelben Familienlivree in der Halle gestanden hatten. Und es fiel ihm ein, wie eindrucksvoll Merrivale ausgesehen hatte, wenn er ihre Gäste mit geradezu feierlicher Würde empfing.

Sie hatten wohl ein halbes Dutzend Hausmädchen gehabt, die in ihren Morgenhauben geschäftig von Schlafzimmer zu Schlafzimmer eilten, und eine Haushälterin, die in knisterndem schwarzen Taft und mit einer silbernen Uhrkette an der Brust alles mit Adleraugen überwachte.

»Es ist nicht nötig, daß Sie das machen«, sagte er eine Stunde später, als er zurück ins Schreibzimmer kam und Lalita immer noch beim Abstauben der Bücher antraf.

»Wir können uns nicht jedesmal, wenn wir ein Buch aus dem Regal holen, schwarz wie ein Schornsteinfeger machen«, erwiderte sie. »Außerdem schadet es den Büchern, wenn sie nicht gepflegt werden.«

»Darum müssen Sie sich keine Sorgen machen«, erwiderte er, ohne nachzudenken.

Lalita blickte zu ihm auf. »Haben Sie schlechte Laune?« fragte sie. »Ich wollte Ihnen nämlich eine Arbeit im Garten vorschlagen.«

»Im Garten?« fragte Lord Heywood erstaunt.

»Ich weiß, daß Sie noch nicht die Zeit gefunden haben, ihn in Augenschein zu nehmen«, fuhr Lalita fort, »aber die Pfirsiche fangen gerade an zu reifen, und Carter meint, die Nektarinen können wir nächste Woche essen. Wenn Sie sehr brav sind, bekommen Sie auch Erdbeeren.«

Lord Heywood lachte. »Carter hat gesagt, daß das Mittagessen genau in fünf Minuten fertig ist, und Sie wissen, wie pünktlich er ist. Sie werden sich beeilen müssen, wenn Sie Ihre Hände so schnell sauber bekommen wollen.«

»Ob sauber oder nicht, ich habe jedenfalls großen Hunger!« rief Lalita, raffte die Schürze und eilte aus dem Zimmer.

Lord Heywood sah ihr nach und dachte bei sich, daß sie ein amüsantes Kind sei. Obwohl er sich eingestand, daß er sie gern bei sich hatte, wußte er, daß er Pläne für ihre Abreise machen mußte. Sobald ich aus London zurück bin, muß ich etwas in der Sache unternehmen, dachte er.

Er war sicher, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis verschiedene Bekannte von ihm in der Grafschaft merkten, daß er wieder zu Hause war, und ihm aus Neugier, wenn nicht aus anderen Gründen, einen Besuch abstatteten.

Er konnte sich nichts Verhängnisvolleres vorstellen, als wenn sie herausfanden, daß bei ihm eine junge Frau wohnte, von der er nicht einmal den Namen wußte. Sie muß einfach gehen, beschloß er.

Aus ihren Erzählungen schloß er, daß sie irgendwo in der Nähe gelebt haben mußte. Er konnte natürlich Carter bitten, im Dorfwirtshaus oder bei den Pächtern Erkundigungen einzuziehen, ob jemand gehört hatte, daß man in der Nachbarschaft ein junges Mädchen vermißte.

Dann sagte er sich, daß das unfair wäre. Lalita vertraute ihm, und er durfte ihr Vertrauen nicht mißbrauchen, indem er zu Maßnahmen griff, die ihre Freiheit gefährden konnten.

Aber was sollte mit ihr geschehen?

Sie war viel zu jung und zu schön, um allein durch die Welt zu streifen, und es schauderte ihn bei dem Gedanken an die Gefahren, denen sie begegnen würde.

Er dachte immer noch an Lalita, als sie sehr viel sauberer aussehend und ohne die Hausmädchenschürze, mit der sie ihr Kleid geschont hatte, zurückkehrte.

Ihre Haut war weiß und durchscheinend wie eine Perle, und er dachte wieder, wie wunderschön sie war und wie wenig geeignet, in der großen Welt allein zu sein.

Während sie sich in das Speisezimmer begaben, fragte sich Lord Heywood, wie viele seiner männlichen Bekannten sich unter denselben Umständen wohl so wie er verhalten würden oder, umgekehrt, wie viele Frauen jede Anstrengung unternehmen würden, seine Sinne aufzureizen.

Es gab wenige Frauen in derselben Lage, die nicht mit ihm kokettiert und versucht hätten, ihn zu verführen. Lalita jedoch war nur auf eine schelmische und amüsante Weise herausfordernd. Er nahm an, es seien ihre Jugend und ihre Unschuld, die sie daran hinderten, ihn als Mann zu sehen.

Weil sie es ihm gesagt hatte, wußte er, daß sie ihn für gutaussehend hielt. Aber ihre Komplimente unterschieden sich deutlich von den Schmeicheleien und Unbesonnenheiten, denen sich Lord Heywood bisher unfehlbar ausgesetzt gesehen hatte, wenn er allein mit einer Frau war.

Dabei fiel ihm Lady Irene Dawlish ein, und ihm wurde klar, wie ganz anders alles wäre, wenn sie allein mit ihm in Heywood Abbey wäre.

Lady Irene hatte, als er in Paris war, keinen Zweifel daran gelassen, welcher Art ihre Gefühle für ihn waren. Aber obgleich er sie überaus anziehend gefunden hatte und das Intermezzo mit ihr durchaus leidenschaftlich gewesen war, hatte er sich nicht ungern von ihr verabschiedet, als er nach England zurückkehrte.

Ihr Gatte war in Frankreich gefallen und begraben worden; deshalb war sie nach der Beendigung der Feindseligkeiten aus England gekommen, um sein Grab aufzusuchen.

Der Herzog von Wellington selbst hatte sie einander vorgestellt, da Lady Irene eine weitläufige Base der Herzogin war, und Lord Heywood hatte mehr oder weniger den Auftrag bekommen, sich ihrer anzunehmen und sie davor zu bewahren, daß ihr Frankreichaufenthalt allzu kummervoll wurde.

Er hatte schon bald erfahren, daß Lady Irenes Herz in Wirklichkeit durch den Tod ihres Gatten nicht so gebrochen war, wie man das hätte erwarten können.

Sie hatte geheiratet, als sie noch sehr jung war, aber ihr jugendliches Ungestüm bald bereut. Daher hatte sie es auch nicht als Härte empfunden, sich als Witwe zu sehen, zumal sie genug Geld hatte, um im Wohlstand zu leben, und als eine der schönsten Frauen der vornehmen Welt gefeiert wurde.

Der Herzog von Wellington, der immer einen Blick für eine hübsche Frau hatte, hätte sich ohne Zweifel selbst um sie gekümmert, wenn er nicht gerade in eine leidenschaftliche Affäre mit einer anderen bezaubernden Frau, die überaus eifersüchtig und sehr besitzergreifend war, verwickelt gewesen wäre. Er überließ es deshalb Lord Heywood, Lady Irene mit den Freuden von Paris bekanntzumachen, sie ans Grab ihres Gatten zu begleiten und wieder zurück zu den Lustbarkeiten der Hauptstadt.

Lady Irene war mit dem Begleiter, den ihr der Herzog gegeben hatte, sehr zufrieden gewesen. Ohne Zeit zu verlieren, machte sie Lord Heywood klar, daß die einzige Möglichkeit für sie, sich schnell über den Verlust ihres Gatten hinwegzutrösten, in seinen Armen lag.

Lord Heywood wäre kein Mann gewesen, wenn er nicht angenommen hätte, was das Schicksal ihm anbot. Mit der Zeit merkte er jedoch zu seinem Unbehagen, daß er für Lady Irene mehr bedeutete als eine glutvolle Affäre, während er nichts darüber hinaus von ihr wollte.

Obwohl sie in ihren Herzensaffären durchaus nicht wählerisch war und in Gedanken jeden Mann, der auf sie zukam, als möglichen Liebhaber betrachtete, wünschte Lady Irene auch, sich wiederzuverheiraten. Als sie erfuhr, daß der Mann, der ihr als Oberst Wood vorgestellt worden war, in Wirklichkeit Lord Heywood war, beschloß sie, seine Frau zu werden.

Es war ihr klar, daß er wenig Geld hatte, aber das war angesichts der Tatsache, daß er eines der prächtigsten Schlösser in England besaß, nicht von Bedeutung.

Lady Irene sah sich bereits dort und in Heywood House in London, das ebenfalls entschieden größer und imposanter war als das Haus, das ihr Dawlish hinterlassen hatte. »Ich liebe dich, Romney!« hatte sie in der Nacht, bevor Lord Heywood Paris verließ, gesagt. »Sobald ich nach London zurückkomme, müssen wir Pläne für unsere Zukunft schmieden.«

Lord Heywood antwortete jedoch nichts.

»Ich habe noch nie einen Mann so geliebt wie dich!« fuhr Lady Irene fort. Sie schlang ihm die Arme um den Hals, um seinen Kopf zu dem ihren herunterzuziehen. »Wir werden sehr, sehr glücklich miteinander sein. Keine Frau hatte je einen leidenschaftlicheren und anspruchsvolleren Liebhaber!«

Ihre Lippen waren so feurig und verlangend, daß sie jeden Einwand erstickten, den Lord Heywood hätte machen können.

Während es sein Körper unmöglich fand, nicht auf das Feuer, das sie in ihm entzündete, zu reagieren, sagte ihm sein Verstand, daß er nicht die Absicht hatte, Lady Irene oder eine Frau ihresgleichen zu heiraten.

Er wußte nicht, welche Art von Frau er sich wünschte, aber er war ganz sicher, daß er es noch viele Jahre lang vermeiden wollte zu heiraten.

Wenn er jedoch einmal heiraten mußte, dann würde es bestimmt keine Frau sein, von der er den Verdacht hatte, daß sie sich, sobald er Paris den Rücken gekehrt hatte, mit einem seiner Kameraden oder einem der jungen Diplomaten tröstete, die sich nur allzu gern auf eine stürmische, wenn auch kurzlebige Liebesaffäre einließen.

Als er und Lalita das Speisezimmer betraten, sahen sie Carter mit einer dampfenden Schüssel durch die andere Tür, die zur Küche führte, hereineilen, und Lord Heywood sagte sich, daß er, mit oder ohne Geld, viel lieber mit Lalita als mit Lady Irene hier war.

Nach dem Mittagessen ritten sie so lange, bis sie den Eindruck hatten, die Pferde seien genug bewegt worden. Dann kehrten sie zurück, um den Garten zu inspizieren, wie es Lalita vorgeschlagen hatte.

Lord Heywood sah, daß die Pfirsiche wild wuchsen, weil niemand die Bäume beschnitten hatte, und deshalb nicht annähernd so groß waren, wie er sie in Erinnerung hatte. Dennoch trugen die Bäume reiche Ernte.

Auch der Wein reifte im Gewächshaus, und er schnitt eine Traube für Lalita ab, die sie mit Genuß verzehrte, während sie weitergingen.

Die Orchideen hatten unter der mangelnden Pflege gelitten, aber sie blühten immerhin noch. Dagegen veranlaßten die Nelken Lalita zu einem freudigen Aufschrei, und sie pflückte einen großen Strauß, um ihn ins Haus zu bringen. »Es ist entschieden zu viel Obst da, als daß wir es essen könnten«, sagte sie. »Ich sage Ihnen, was ich mit einem Teil der Pfirsiche machen werde: Ich bereite Ihnen daraus den köstlichen Fruchtsaft, den Mama immer für mich machte, als ich ein kleines Mädchen war. Sie hatte die Zubereitung als Kind in Boston gelernt.« Sie merkte, daß Lord Heywood sie aufmerksam betrachtete, und lächelte, während sie sagte: »Das ist ohne Zweifel der heutige Hinweis.«

»Ihre Mutter war also Amerikanerin?«

»Ich glaube, daß es nach diesem Versprecher dumm von mir wäre, es zu leugnen.«

»Sehr dumm«, gab ihr Lord Heywood recht. »Mit der Zeit setze ich das Bild aus den Einzelheiten, die ich von Ihnen erfahre, zusammen. Bald werden Sie mir die ganze Geschichte erzählen müssen.«

»Aber stellen Sie sich vor, wie enttäuscht Sie wären, wenn Sie nichts mehr zum Nachdenken hätten«, erwiderte Lalita. »Ich würde Ihnen gern alles erzählen, aber ich glaube, es wäre nicht richtig.«

»Von Ihrem Standpunkt aus oder von meinem?«

»Ehrlich gesagt, von Ihrem«, antwortete sie. »Sie würden es vielleicht als Ihre Pflicht ansehen, meinen Vormund zu suchen und mich zu ihm zurückzubringen, wenn Sie alles über mich wüßten. So, wie die Dinge jetzt stehen, können Sie sich ein reines Gewissen bewahren und sich damit herausreden, daß ich Sie in Unkenntnis gelassen habe und Sie deshalb nichts tun konnten als handeln wie der gute Samariter.«

Lord Heywood mußte zugeben, daß sie sich damit nicht sehr weit von der Wahrheit entfernte, deshalb stellte er keine Fragen mehr.

Lalita ließ ihre Hand in seine gleiten. »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte sie, »und manchmal denke ich, Mama, die an die Wirkung von Gebeten glaubte, hat mich hierher geleitet und Sie gerade im richtigen Augenblick nach Hause geführt, damit Sie sich meiner annehmen.«

Lord Heywood hätte gern geantwortet, dies sei völlig aus der Luft gegriffen und unmöglich zu beweisen. Aber in der Art und Weise, wie Lalita gesprochen hatte, lag etwas Kindliches und Zutrauliches, und auch ihre Finger in seiner Hand empfand er wie die eines vertrauensvollen Kindes. Deshalb sagte er statt der Worte, die ihm auf den Lippen lagen: »Ich würde den Pfirsichsaft gerne probieren; ich habe nämlich noch nie welchen getrunken.«

An diesem Abend teilte Lord Heywood Carter vor dem Essen mit, er habe vor, am nächsten Tag nach London zu reisen.

»Wie wollen Eure Lordschaft reisen?«

»Ich dachte mir, ich reite auf Waterloo.«

»Im Stall steht ein hübscher Zweispänner, der noch gar nicht sehr alt sein kann, ein recht modernes Modell.«

»Ein Zweispänner?«

»Eure Lordschaft sollten Conqueror nehmen. Waterloo wäre zu schade als Kutschpferd. Der nächste Pächter hat ein junges Pferd, das gut zieht, damit hätten wir ein Paar.«

»Es wäre bestimmt eine bessere Art, nach London zu reisen«, meinte Lord Heywood.

»Ich borge das Pferd für Sie, Mylord. Gönnen Sie den Pferden Ruhe, wenn Sie in London sind, und geben Sie ihnen reichlich Hafer, dann bringen sie Sie am nächsten Tag gesund und munter zurück.«

»Du hast recht, Carter. Es wäre bestimmt bequemer, und ich muß mich nicht umziehen, wenn ich in London ankomme.«

Conqueror und das junge Pferd des Pächters paßten nicht schlecht zusammen.

Die Kutsche war schwarzgelb lackiert, und Lord Heywood fand sie sehr elegant. Die Fahrt wurde bestimmt angenehm, und er freute sich auf die kleine Reise.

Als er seinen Hut aufsetzte, merkte er, daß ihn Lalita bewundernd ansah.

Seine enganliegende champagnerfarbene Kniehose und den Cutaway trug er zusammen mit hohen Reitstiefeln, die spiegelblank poliert waren.

Lord Heywood lächelte ein wenig verlegen, ehe er sagte: »Ich hätte nicht gedacht, daß die Kleidungsstücke, die ich trug, als ich jung und dumm war, so lange in Gebrauch bleiben würden.«

»Sie sitzen perfekt.«

»Zu perfekt«, erwiderte er. »Ich habe beim Militär stärkere Muskeln bekommen, deshalb ist mein Rock unbequem eng, aber das sage ich nur Ihnen im Vertrauen.«

»Trotzdem sehen Sie großartig aus. Wie die Männer, die in den Modezeitschriften abgebildet sind.«

»Danke«, lachte Lord Heywood. »Das ist etwas, was ich nicht gerade anstrebe, aber ich hatte nur die Wahl zwischen diesem Anzug und dem, den Sie mich bis jetzt haben tragen sehen.«

»Sie hätten sich geschämt, so in London aufzutreten?«

»Vielleicht«, sagte er. »Die Banken geben einem, der ärmlich aussieht, kein Darlehen.«

»Wollen Sie Ihre Bank aufsuchen?«

»Ich will versuchen, ein Darlehen zu bekommen, aber ich bin nicht besonders optimistisch, daß meine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden.«

»Ich bin davon überzeugt, daß man Verständnis für Ihre Lage hat«, meinte Lalita, »und während Sie weg sind, will ich ganz fest beten, daß Ihnen die Bank entgegenkommt.«

»Ich bin sicher, daß mir Ihre Gebete helfen werden«, erwiderte Lord Heywood, »aber jetzt mache ich mich lieber auf den Weg.«

Lalita begleitete ihn bis zum Portal und fühlte sich, so lächerlich es war, verlassen, weil sie nicht mit ihm fahren konnte, sondern daheim bleiben mußte. »Ich werde das Schloß hüten, bis Sie zurückkommen«, sagte sie.

»Ich dachte, es hütet Sie«, erwiderte Lord Heywood.

»Das wird Carter tun.«

»Ich werde so schnell wie möglich zurück sein«, fuhr Lord Heywood fort, »aber wenn ich morgen abend noch nicht wieder da bin, machen Sie sich bitte keine Sorgen.«

»Das ist leicht gesagt«, protestierte Lalita. »Versuchen Sie bitte, das köstliche Essen nicht zu verpassen, das auf Sie wartet.«

Lord Heywood lächelte sie an und fragte sich auf einmal, ob er ihr einen Abschiedskuß geben sollte.

Dann aber stieg er schnell in die Kutsche, ergriff die Zügel und fuhr davon.

Als er zurückblickte, fand er, daß Lalita, wie sie da vor dem Schloß stand, zwar verlassen, doch wunderschön aussah.

Es war merkwürdig, aber sie schien dahin zu gehören, als sei das Schloß für sie Stütze und Schutz.