Kapitel Dreizehn

Feder.epsFür die Einleitung im letzten Kapitel muss ich mich entschuldigen. Sie war viel zu entschuldigend. In diesem Buch gibt es viel zu viele Entschuldigungen. Ich will euch schließlich beweisen, dass ich ein Lügner bin und kein Jammerlappen.

Es ist einfach so, dass man ja nie weiß, wer die Bücher lesen wird, die man schreibt. Ich habe versucht, diesen Band für die Bewohner der Länder des Schweigens zu schreiben und gleichzeitig für die Freien Untertanen, und das ist schon schwierig genug. Aber selbst wenn man nur von den Ländern des Schweigens ausgeht, ist die Auswahl an Möglichkeiten, wer dieses Buch in die Finger kriegen könnte, unglaublich groß.

Ihr könntet Jungs sein, die eine Abenteuergeschichte lesen wollen. Ihr könntet Mädchen sein, die der Wahrheit hinter der Verschwörung der Bibliothekare auf der Spur sind. Ihr könntet Mütter sein, die dieses Buch lesen, weil sie gehört haben, dass einige ihrer Kinder es lesen. Oder ihr könntet Serienmörder sein, die sich darauf spezialisiert haben, zunächst Bücher zu lesen, dann die Autoren ausfindig zu machen und sie anschließend auf möglichst grausame Art umzubringen.

(Solltet ihr zufällig der letzten Kategorie angehören, müsst ihr wissen, dass mein Name in Wirklichkeit weder Alcatraz Smedry ist noch Brandon Sanderson. Mein echter Name lautet Garth Nix, und ihr findet mich in Australien. Oh, und ich habe einmal eure Mutter beleidigt. Was wollt ihr jetzt dagegen tun, hä?)

Wie dem auch sei, es ist sehr schwierig, in diesem Buch einen Bezug zu jedem möglichen Leser herzustellen. Also habe ich beschlossen, es gar nicht erst zu versuchen. Stattdessen möchte ich an dieser Stelle etwas sagen, was für keinen der möglichen Leser einen Sinn ergibt: Flagismus dem glücklichen Knirps.

Verwirrung ist schließlich die wahre universelle Sprache.

»Das Gefühl kommt aus dieser Richtung«, sagte ich, während ich weiter darauf deutete. Dummerweise war ›diese Richtung‹ genau hinter einer Wand aus Büchern.

»Also ist … eines dieser Bücher ein Okulator?«, fragte Kaz.

Ich rollte genervt mit den Augen.

Er kicherte. »Ich weiß schon, was du meinst. Führ dich nicht auf wie Bastille. Offenbar müssen wir einen Weg um diese Wand herum finden. Auf der anderen Seite wird wohl noch ein Gang sein.«

Ich nickte. Aber … ich spürte die Linse ganz in der Nähe. Wir waren bereits einige Reihen entlanggegangen, bevor wir an diesen Punkt gekommen waren, und es fühlte sich so an, als sei die Linse genau auf der anderen Seite der Wand.

Ich nahm die Sichtungslinsen ab und setzte stattdessen meine Okulatorenlinsen auf. Eine ihrer wichtigsten Funktionen lag darin, okulatorische Kräfte anzuzeigen, und so ließen sie jetzt die gesamte Wand weiß leuchten. Erschrocken taumelte ich ein paar Schritte zurück.

»Glüht ziemlich, was?«, fragte Bastille und stellte sich neben mich.

Ich nickte.

»Das ist seltsam«, bemerkte sie. »Es dauert eine Weile, bis ein Gebiet sich mit okulatorischer Kraft aufgeladen hat. Diese Linse, die du da spürst, muss also schon eine ganze Weile hier sein, wenn sie dafür sorgt, dass alles in ihrem Umfeld glüht.«

»Was willst du damit sagen?«, fragte ich vorsichtig.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht genau. Als du es das erste Mal erwähnt hast, dachte ich, wir wären in der Nähe von Grandpa Smedry, immerhin ist er der einzige andere Okulator hier unten, von dem wir wissen. Na ja, außer deinem Vater, und der …«

Daran wollte ich jetzt nicht denken. »Es ist aber wahrscheinlich nicht Grandpa. Er ist nicht lange vor uns hier runtergekommen.«

»Was ist es dann?«, fragte Bastille.

Ich vertauschte die Okulatorenlinsen wieder gegen die Sichtungslinsen. Dann ging ich vorsichtig an der von Büchern gesäumten Wand entlang und untersuchte das Mauerwerk.

Und ich musste nicht lange suchen, um zu entdecken, dass ein Teil der Mauer wesentlich älter war als der Rest. »Dahinter ist irgendetwas«, stellte ich fest. »Ich glaube, hier gibt es einen Geheimgang oder so.«

»Und wie können wir ihn öffnen?«, wollte Bastille wissen. »Müssen wir an einem der Bücher ziehen?«

»Vielleicht.«

Einer der stets präsenten Kuratoren kam herangeschwebt. »Ja«, bestärkte er uns. »Zieht an einem der Bücher. Nehmt es euch.«

Ich hatte die Hand schon fast an einem der Regalbretter, zögerte nun aber. »Ich werde es nicht herausnehmen; ich werde es nur ein wenig hin und her bewegen.«

»Versuch es ruhig«, hauchte der Kurator. »Ob du ein Buch bewusst aufnimmst oder ob es durch Zufall herunterfällt, spielt keine Rolle. Sobald du eines der Bücher auch nur wenige Zentimeter von seinem Platz wegbewegst, gehört deine Seele uns.«

Ich zog die Hand zurück. Irgendwie war der Kurator zu erpicht darauf, mir Angst zu machen, damit ich bloß nicht eines der Bücher bewegte. Es hat den Anschein, als wollten sie nicht, dass ich herausfinde, was hinter der Wand ist.

Aufmerksam musterte ich das Regalbrett. Zwischen ihm und dem nächsten Brett darüber war genug Platz, dass ich hindurchgreifen und die Mauer dahinter berühren konnte. Ich holte tief Luft und lehnte mich gegen den Rahmen des Regals, wobei ich sorgfältig darauf achtete, keines der Bücher zu berühren.

»Alcatraz …«, raunte Bastille besorgt.

Ich nickte langsam, während ich meine Hand gegen die Mauer drückte. Wenn ich die Wand zerbreche und das Regal dann umfällt, wird es mich meine Seele kosten.

Aber die Sichtungslinsen verrieten mir, dass dieser Teil der Mauer sogar noch älter war als die anderen Wände und der Fußboden. Was auch immer sich hinter der Mauer befand, es war bereits hier gewesen, als die Kuratoren eingezogen waren.

Ich setzte meine Kraft frei.

Die Mauer begann zu bröckeln, und einzelne Ziegelsteine lösten sich aus ihrem Mörtelbett. Verzweifelt versuchte ich das Bücherregal festzuhalten, während die Wand in sich zusammenbrach. Kaz stürzte nach vorne und packte es von der anderen Seite, während Bastille mit den Händen einzelne Bücher stabilisierte, die zu schwanken begannen. Offenbar reichte nichts davon als Rechtfertigung für die Kuratoren, sich unsere Seelen zu holen, denn sie beobachteten mit sauren Mienen, wie keines der Bücher seinen Platz verließ.

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die gesamte Wand war eingestürzt, und dahinter befand sich tatsächlich noch ein Raum.

»Das war völlig unüberlegt, Alcatraz«, rügte Bastille mich mit vor der Brust verschränkten Armen.

»Er ist eben ein wahrer Smedry!«, rief Kaz lachend.

Plötzlich beschämt, musterte ich die beiden. »Irgendjemand musste doch die Wand einreißen. Es war der einzige Weg, um durchzukommen.«

Bastille zuckte ungnädig mit den Schultern. »Erst beschwerst du dich darüber, dass du Entscheidungen fällen sollst, und dann triffst du sie, ohne uns auch nur zu fragen. Willst du jetzt das Kommando haben, oder nicht?«

»Äh … na ja … ich, also …«

»Phantastisch«, sagte sie trocken und spähte durch den Spalt zwischen den Regalbrettern. »Das ist sehr hilfreich. Was meinst du, Kaz? Kommen wir da durch?«

Kaz war gerade damit beschäftigt, eine der Wandlampen aus ihrer Verankerung zu reißen. »Klar doch. Es könnte allerdings sein, dass wir das Regal verschieben müssen.«

Bastille musterte es kurz und half mir dann seufzend, es ein paar Zentimeter von der Wand abzurücken. Zum Glück verloren wir dabei keine Bücher – und auch keine Seelen. Als wir fertig waren, gelang es Kaz, sich durch den entstandenen Spalt zu zwängen.

»Wow!«

Bastille, die am richtigen Ende des Regals stand, ging als Nächste. Das hieß, dass ich als Letzter gehen musste – was ich ziemlich unfair fand, immerhin hatte ich den geheimnisvollen Raum überhaupt erst entdeckt. Doch meine Verärgerung löste sich in Luft auf, als ich die kleine Kammer betrat. Es war ein Grab.

Ich hatte genügend Filme über neunmalkluge Archäologen gesehen, um zu wissen, wie das Grab eines ägyptischen Pharaos aussah. In der Mitte stand ein massiver Sarkophag, umgeben von schlanken goldenen Säulen. In den Ecken türmten sich wertvolle Grabbeigaben – Münzen, Lampen, Tierstatuen. Der Boden schien aus reinem Gold zu bestehen.

Also tat ich, was jeder tun würde, der ein altägyptisches Grab entdeckt. Ich stieß einen Freudenschrei aus, rannte los, stürzte mich auf den nächsten Goldhaufen und griff mir eine Hand voll Münzen.

»Warte, Alcatraz!«, befahl Bastille und packte mich mit Crystin-Geschwindigkeit am Arm.

»Was denn?«, fragte ich gereizt. »Du willst mir jetzt nicht irgendwelchen Schwachsinn über Grabräuber und Flüche erzählen, oder?«

»Versplittertes Glas, nein«, wehrte Bastille ab. »Aber sieh doch mal genauer hin – auf diesen Münzen sind Wörter.«

Ich sah mich um und stellte fest, dass sie recht hatte. Auf jeder Münze war ein fremdartiges Symbol eingestanzt, dass, so weit ich das sagen konnte, nichts Ägyptisches an sich hatte. »Ja, und?«, fragte ich ungeduldig. »Was macht das schon, wenn …«

Ich verstummte und musterte die drei Kuratoren, die in passend gespenstischer Manier durch die Wand geschwebt kamen.

»Kuratoren«, setzte ich an. »Gelten diese Münzen als Bücher?«

»Sie sind beschriftet«, erwiderte einer. »Ob Papier, Stoff oder Metall, ist nicht von Belang.«

»Du könntest eine ausleihen, wenn du möchtest«, flüsterte ein anderer und näherte sich mir.

Ich schauderte und wandte mich wieder an Bastille. »Du hast mir gerade das Leben gerettet«, sagte ich wie betäubt.

Sie reagierte nur mit einem Achselzucken. »Ich bin eine Crystin. Das ist unser Job.« Trotzdem schien in ihrem Gang wieder ein bisschen mehr Selbstbewusstsein zu liegen, als sie sich Kaz anschloss, der gerade den Sarkophag untersuchte.

Euch hätte klar sein müssen, dass ich die Münzen nicht würde haben können. Das ist in Geschichten wie dieser doch immer so. Die Charaktere in Büchern finden immer und überall riesige Goldmengen oder versteckte Schätze – aber natürlich kommen sie nie dazu, auch nur einen Penny davon auszugeben. Stattdessen werden sie

1. den Schatz durch ein Erdbeben oder eine andere Naturkatastrophe verlieren.

II. den Schatz in einen Rucksack packen, dessen Riemen in einem höchst dramatischen Moment reißen, so dass sie den Schatz auf ihrer Flucht zurücklassen müssen.

c) den Schatz dazu verwenden, ihr ehemaliges Waisenhaus vor der Zwangsschließung zu bewahren.

Blöde Waisenhäuser.

Jedenfalls ist es weitverbreitet, dass Autoren den Leuten in ihren Geschichten so etwas antun. Warum? Nun ja, wir werden behaupten, dass wir euch damit beibringen wollen, dass wahrer Reichtum in Dingen wie Freundschaft, Mitgefühl oder sonst etwas Blödem liegt. In Wahrheit sind wir aber einfach nur gemein. Wir lieben es, unsere Leser zu quälen, und das hat zur Folge, dass wir unsere Charaktere quälen. Schließlich gibt es nur eine Sache, die noch frustrierender ist, als einen Haufen Gold zu finden, der einem sofort wieder weggenommen wird.

Und zwar dann zu hören zu kriegen, dass man aus dieser Erfahrung wenigstens etwas gelernt hätte.

Seufzend ließ ich die Münzen liegen.

»Komm schon, kein Grund, Trübsal zu blasen, Alcatraz«, meinte Bastille und zeigte nonchalant in eine andere Ecke des Raumes. »Nimm dir stattdessen eben ein paar von diesen Goldbarren. Auf denen scheint keinerlei Schrift zu sein.«

Ich drehte mich um und schlug mir mit der Hand an die Stirn, als mir plötzlich bewusst wurde, dass ich ja kein Charakter in irgendeiner Geschichte war. Dies war mein Leben und damit völlig realitätsgetreu – was bedeutete, dass die ›Lektion‹, die ich hier lernen konnte, darin bestand, dass Grabschändung verdammt cool ist.

»Gute Idee!«, rief ich. »Kuratoren, gelten diese Goldbarren als Bücher?«

Die Geister schwebten missmutig hin und her, und einer von ihnen warf Bastille einen giftigen Blick zu. »Nein«, gab er schließlich zu.

Grinsend machte ich mich daran, einige Barren in meine Taschen zu stopfen und dann noch ein paar in Bastilles Rucksack. Falls ihr euch diese Frage gestellt habt, die Antwort ist ja. Gold ist wirklich so schwer, wie immer gesagt wird. Und es ist die Schlepperei auf jeden Fall wert.

»Wollt ihr gar nichts davon haben?«, fragte ich die anderen, während ich mir einen weiteren Barren in die Jackentasche schob.

Kaz zuckte mit den Schultern. »Wir sind Smedrys, Alcatraz. Wir sind Freunde der Könige, Berater der Herrscher, Beschützer der Freien Königreiche. Unsere Familie ist unglaublich wohlhabend, und wir können alles haben, was wir nur wollen. Der silimatische Drache, den wir zu Schrott gefahren haben, war zum Beispiel mehr wert, als die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben ausgeben könnten.«

»Oh.«

»Und ich habe so eine Art Armutsgelübde abgelegt«, erklärte Bastille und zog eine Grimasse.

Das war mir neu. »Wirklich?«

Sie nickte. »Wenn ich etwas von diesem Gold anschleppen würde, hieße das letztendlich nur, dass es auf die Ritter von Crystallia übergeht – und zurzeit hege ich einen gewissen Groll gegen die.«

Ich packte trotzdem ein paar Barren für sie ein.

»Alcatraz, komm und sieh dir das mal an«, bat Kaz plötzlich.

Widerstrebend ließ ich das Gold in Ruhe und ging klimpernd zu den beiden hinüber. Sie standen ein paar Schritte von dem Sarkophag entfernt, ohne sich dem Ding weiter zu nähern. »Was ist los?«

»Sieh genau hin«, meinte Kaz mit einer entsprechenden Geste.

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte im schwachen Licht der Lampe etwas zu erkennen. Es war mühsam, aber schließlich sah ich, was er meinte. Staub. Staub, der bewegungslos in der Luft hing.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich.

»Keine Ahnung«, erwiderte Kaz. »Aber wie du siehst, ist der Boden rund um den Sarkophag sauber, völlig staubfrei.«

Um den Sarg breitete sich ein Kreis aus, in dem der Staub entweder entfernt worden oder nie zu Boden gefallen war. Jetzt, wo ich darauf achtete, bemerkte ich außerdem, dass dieser Raum wesentlich staubiger war als die Gänge der Bibliothek. Er war seit einiger Zeit nicht mehr betreten worden.

»Dieser Ort ist irgendwie seltsam«, erklärte Bastille und stemmte die Hände in die Hüften.

»Ja«, gab ich ihr stirnrunzelnd recht. »Diese Hieroglyphen ähneln auch nicht gerade solchen, die ich bisher gesehen habe.«

»Und du hast schon viele gesehen, ja?«, fragte sie mit skeptisch erhobener Augenbraue.

Ich wurde rot. »Ich meine, sie sehen nicht so aus, wie ägyptische Hieroglyphen aussehen sollten.«

Es war schwer zu erklären. Wie es zu erwarten war, waren die Wände mit kleinen Bildern bedeckt, die so angeordnet waren, als sollten sie Wörter bilden. Doch anstelle von Menschen mit Rinder- oder Adlerköpfen gab es hier Bilder von Drachen und Schlangen. Anstelle von Skarabäen fanden sich seltsame geometrische Muster, die ein wenig an Runen erinnerten. Und an dem Türbogen oberhalb des Lochs, durch das wir eingetreten waren, sah ich …

»Kaz!« Aufgeregt deutete ich auf die Stelle.

Er drehte sich um, und seine Augen weiteten sich. Direkt über der Tür war ein Kreis eingezeichnet, der in vier Quadranten unterteilt war, in denen verschiedene Symbole prangten. Er war genau wie das Diagramm über die verschiedenen Talente, das Kaz für mich auf den Boden gemalt hatte. Das Schöpfungsrad.

Dieses hier hatte allerdings noch einen kleinen Kreis in der Mitte, in dem ein eigenes Symbol stand, und einen zusätzlichen Ring an der Außenseite, der in zwei Hälften unterteilt war, die ebenfalls durch Symbole markiert waren.

»Es könnte reiner Zufall sein«, meinte Kaz bedächtig. »Ich meine, es ist ja nur ein Kreis, der in vier Teile zerlegt ist. Es muss nicht zwingend dasselbe Schaubild sein.«

»Ist es aber«, widersprach ich. »Es fühlt sich so an.«

»Na ja, vielleicht haben die Kuratoren es da platziert«, überlegte Kaz weiter. »Sie haben gesehen, wie ich es auf den Boden gemalt habe, und es kopiert. Vielleicht haben sie es da angebracht, damit wir es finden und es uns verwirrt.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich trage immer noch die Sichtungslinsen. Diese Inschrift ist älter als der Rest des Grabes.«

»Was steht denn da?«, fragte Bastille. »Kann man daraus nicht ablesen, was es ist?«

Warum habe ich daran nicht gedacht?, fragte ich mich, wieder einmal peinlich berührt. Bastille war schon verdammt helle. Oder vielleicht war ich auch einfach nur eine taube Nuss. Lasst uns diese Möglichkeit nicht weiter vertiefen. Vergesst, dass ich das erwähnt habe.

Ich nahm die Sichtungslinsen ab und holte die Übersetzerlinsen hervor. Sie verliehen den fremden Symbolen sofort einen Sinn.

»Die inneren Felder haben die Bedeutung, die du uns beigebracht hast, Kaz«, erklärte ich. »Zeit, Raum, Materie, Wissen.«

Kaz pfiff durch die Zähne. »Walnuss noch mal! Das heißt, wer auch immer diesen Raum gebaut hat, muss eine Menge über die Smedry-Talente und arkane Theorien gewusst haben. Was ist mit dem Symbol in der Mitte des Kreises? Was bedeutet das?«

»Es steht für Zerbrechen«, sagte ich leise.

Mein Talent.

»Interessant«, meinte Kaz. »Sie haben ihm einen eigenen Kreis im Diagramm gegeben. Und was ist mit dem äußeren Kreis?«

Der Ring war in zwei Hälften unterteilt. »Der eine Teil heißt Identität«, erklärte ich, »der andere Möglichkeit.«

Kaz musterte das Diagramm nachdenklich. »Klassische Philosophie«, murmelte er. »Metaphysik. Anscheinend war unser toter Freund hier eine Art Philosoph. Ist logisch, wenn man bedenkt, dass wir uns in der Nähe von Alexandria befinden.«

Ich achtete nicht weiter auf seine Überlegungen. Stattdessen drehte ich mich zögernd um die eigene Achse, um die Worte an den Wänden zu lesen. Die Übersetzerlinsen übertrugen sie ohne Verzögerung in meine Sprache.

Sofort wünschte ich mir, sie nie gelesen zu haben.