18. KAPITEL
Hunter wusste, dass Irene Montgomery zu Hause war. Er hatte nach dem Klingeln etwas gehört, hatte gespürt, dass ihn jemand von jenseits der Tür durch den Spion beäugte. Dennoch musste er zusätzlich mehrmals klopfen, bis sie die Tür endlich öffnete, wenn auch nur ein paar Zentimeter.
“Ja, bitte?” Argwöhnisch spähte sie durch den Spalt.
Hunter rang sich ein gewinnendes Lächeln ab. “Ich bin Hunter Solozano.”
“Ich weiß, wer Sie sind.” Sie musterte ihn von oben bis unten. “Was wollen Sie hier?”
Regen tröpfelte ihm in den Jackenkragen und rann ihm den Rücken hinunter. Am liebsten hätte er unter dem Dachüberstand Schutz gesucht, sah aber davon ab, um Madelines Stiefmutter Irene nicht zu nahe zu rücken. Sie war schon nervös genug. “Ich war gerade in der Nähe.”
“Wo ist Madeline?”
“Bei sich zu Hause. Es gab bei ihr heute Nacht einen kleinen … äh, Zwischenfall.”
“Zwischenfall?”, echote sie misstrauisch.
“So ist es. Teilweise ist das der Grund, warum ich mit Ihnen sprechen möchte. Bei ihr wurde eingebrochen.”
Schlagartig flog die Tür auf. “Was? Ist ihr was passiert?”
“Sie ist natürlich ziemlich durcheinander, hat aber nichts abbekommen.”
“Kommen Sie rein.” Sie trat einen Schritt zurück und winkte Hunter ins Haus.
Hunter musste sich seitwärts durch einen wahren Möbelparcours zwängen. Die Wohnung wirkte zwar gepflegt, war aber mit Nippes, Schnickschnack und Möbelstücken vollgestopft. Neben der üblichen, aus Couch, Sesseln und Tischchen bestehenden Sitzgarnitur sah Hunter noch einen Fernsehapparat, ein Plüschsofa, eine Sammelvitrine, einen fransenbesetzten Hocker, einen antiquierten Teewagen mit mundgeblasenem Glas und feinem Porzellan darauf, etliche Beistelltischchen mit Intarsien sowie zwei viktorianische Tischlampen. Alles in eine kleine Wohnstube gedrängt. Und die Bezüge waren in Altrosa gehalten.
“Hübsch haben Sie’s hier”, bemerkte er vage, denn etwas Bestimmtes gab es nicht zu bewundern. Er hatte nur das Gefühl, er müsse etwas Höfliches sagen, das verlange die Situation. Und angesichts so viel barocker Formen und Farben fiel ihm nichts anderes ein.
Irenes Geschmack ging eindeutig in Richtung dekorativ und fraulich, sogar was ihre eigene Erscheinung anging. Sie trug eine maßgeschneiderte türkisfarbene Bluse und türkisen Schmuck, eine hautenge, vorn mit Pailletten verzierte Jeans sowie zur Bluse passende Pumps. Und machte dabei immer noch eine gute Figur. Wie Grace hatte sie hübsche blaue Augen und dunkles Haar, das sie zu einer Hochfrisur aufgetürmt hatte, sodass sich nur ein paar lockere Strähnchen um ihr Gesicht kräuselten.
Kaum zu glauben, dass jemand wie sie einen biederen Prediger geheiratet hatte, zumal einen, der in Glaubensdingen so streng war wie Barker – vordergründig zumindest. Eigentlich war sie das Sexpüppchen schlechthin.
“Steckt dieser Mike dahinter?”, wollte sie wissen.
Jetzt, da die Tür zu war, bekam er kaum noch Luft, so aufdringlich war ihr Parfüm. Augenscheinlich verfuhr sie mit ihren Düften ebenso verschwenderisch wie mit ihrem Make-up. “Wissen wir nicht. Der Täter ist entkommen.”
“Was ist denn genau passiert?”
“Madeline hörte jemanden im Haus. Als sie ihn zu stellen versuchte, ist er geflüchtet.”
Selbst unter der dicken Puderschicht war zu erkennen, dass Irene die Farbe aus dem Gesicht wich. “Wurde denn irgendetwas gestohlen?”
“Ein Karton aus dem Nachlass Ihres Mannes.”
Sie musste sich mit der Hand auf die Sofalehne stützen. “Aber warum denn bloß?”
“Genau das wollte ich Sie fragen.”
“Wenn es einer von denen ist, die Clay beim Abbau des Arbeitszimmers zusammengestellt hat, dann war da nichts enthalten außer Predigten und persönlichen Gegenständen. Mit denen kann außer Madeline niemand etwas anfangen. Andere Töchter hätten es vermutlich längst weggeworfen. Nicht so Madeline. Die hortet alles.”
“Vielleicht deswegen, weil ihr so viel im Leben entgangen ist.”
“Und ich, ich werde die Vergangenheit auch nicht los”, murmelte sie. “Und wenn ich mich auf den Kopf stelle.”
Ob man nun wollte oder nicht – man musste Irene mögen. Irgendwie hatte sie etwas Sympathisches, Kindliches an sich. “Apropos Vergangenheit: Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen über Ihren Gatten stellen.”
Schlagartig war der argwöhnische Ausdruck zurück. “Ich habe doch schon alle möglichen Fragen beantwortet.”
“Vielleicht habe ich ja ein paar neue.”
“Das wage ich zu bezweifeln.” Sie schaute zum Fenster.
“Erwarten Sie Besuch?”
Ohne auf seine Frage einzugehen, wandte sie sich in Richtung Küche. “Kann ich Ihnen einen Kaffee machen?”
“Nein, danke. Es dauert nicht lange. Ich …”
Sie fiel ihm ins Wort. “Madeline beantwortet meine Anrufe nicht”, klagte sie und blieb stehen.
Erst dachte er, sie wolle ihm ausweichen, aber dann erkannte er, dass die Betroffenheit in ihrem Blick echt war. Um Madelines willen versuchte er, sie zu beruhigen. “Dazu hatte sie auch keine Gelegenheit. Seit meiner Ankunft hier ist sie ja ständig beschäftigt.”
“Zu beschäftigt, um ihre Mutter anzurufen?”
“Sie tut sich schwer damit, dass Sie mich hier nicht haben wollen. Schließlich war sie es, die mich hergeholt hat.”
Seine ehrliche Antwort verlangte geradezu nach einer ebenso unverblümten Reaktion. Und tatsächlich, Irene enttäuschte ihn nicht. “Hat sie etwa erwartet, dass ich in Begeisterungsstürme ausbreche?”
“Nein, keineswegs. Sie hat es halt nicht leicht, ist momentan hin- und hergerissen. Zwischen der Liebe und Loyalität zu Ihnen und der zu ihrem Vater.”
“Leicht hat’s keiner von uns”, betonte Irene. “Und das Leben wird auch nicht einfacher. Glauben Sie’s mir, ich weiß, wovon ich rede.”
Was mochte sie damit meinen? Kummer und Leid, weil ihr Mann sie verlassen hatte? Ständige Angst, das Jugendamt könne ihr die Kinder entziehen? Die wenig herzliche Aufnahme bei ihrem Umzug nach Stillwater? Den mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung? Die Vorurteile und das Misstrauen, denen sie seitdem ausgesetzt war? Oder den Mord an einem Mann, dem sie dahintergekommen war, dass er ihre Tochter missbrauchte?
Sie wollte sich aussprechen, das spürte man regelrecht. Sie wirkte müde, verzweifelt, wie auf der Suche nach einer sicheren Bleibe, die ihr immer verwehrt worden war. Sie tat ihm leid; in vieler Hinsicht erschien sie harmlos. Dennoch bot sie ihm auch eine Chance, die es zu nutzen galt. “Vielleicht ist es an der Zeit, endlich reinen Tisch zu machen”, meinte er.
Sofort straffte sie sich. “Habe ich gar nicht nötig. Und jetzt gehen Sie, bitte. Ich habe die Nase voll von der Vergangenheit. Die ist vorbei, kapiert? Vorbei! Ich habe nur getan, was …”
“Was?”, fasste er nach. “Was haben Sie getan?” Sie wusste mehr über Barkers Verschwinden, als sie zugeben wollte. Genau wie Clay.
“Nichts!”, stieß sie mit angstgeweiteten Augen hervor. “Nichts hab ich getan!”
Sie wurde aufgeregt, panisch. Um sie zu beruhigen, gab er dem Gespräch eine andere Richtung. Konnte man sie weiter in ein Gespräch verwickeln, ließ sich eventuell erfahren, was sie ihm einerseits gern offenbart hätte und gleichzeitig so verzweifelt zu verschweigen suchte. “Hat Ihr Mann mal mit Ihnen über seine erste Frau gesprochen?”
Sie klappte den Mund auf, als sei sie verblüfft über die Frage. Erst sah es so aus, als müsse sie überlegen, als fürchte sie eine Falle. “Gelegentlich schon mal”, murmelte sie zögernd.
“Hatten Sie den Eindruck, dass er sie vermisste?”
“Nein. Er ließ nie ein gutes Haar an ihr, obwohl ich ihn angefleht habe, sie nicht in Madelines Beisein schlechtzumachen. Kein Kind sollte solche Sachen über seine Mutter hören.”
“Was für ‘Sachen?’“, wollte er wissen.
“Er hat Eliza gehasst. Fertig, aus!”
Aufgrund der Einträge in Elizas Tagebüchern hatte Hunter so etwas Ähnliches schon geahnt, auch wegen der Inhalte von Barkers Predigten. Oft ging es darin um Entsagung, Eigenverantwortung und aus Not erwachsener Stärke – alles Tugenden, an denen es seiner ersten Frau nach seiner Meinung mangelte. In einer Predigt ging er sogar so weit zu behaupten, dass Depressive von Gott für die Sünde der Undankbarkeit mit dieser Plage bestraft würden.
Eliza kam einem nicht wie eine sonderlich starke Persönlichkeit vor. Dennoch war es ihr stets gelungen, sich um ihre Tochter zu kümmern – alles andere als selbstverständlich für jemanden, der innerlich so von Verzweiflung verzehrt wurde. Das musste man ihr hoch anrechnen. Außerdem war sie wild entschlossen, Madeline zu beschützen. Wovor, das konnte Hunter sich mittlerweile denken. Um überzeugend zu sein, benötigte er allerdings mehr als nur seine Mutmaßungen.
“Gehasst? Das ist starker Tobak”, bemerkte er.
“Anders kann man es aber nicht beschreiben”, gab sie zurück. “Er meinte, sie hätte ihn aufs Allerschlimmste enttäuscht. Sie wäre dumm und schwach gewesen. Ich habe ihn nur ein einziges Mal fluchen hören, und das war, als ich ihn aufforderte, doch auch mal eine gute Eigenschaft an Eliza zu benennen. Er wusste keine. Stattdessen bezeichnete er sie als …” Sie hob die Hand, an der etliche protzige Ringe funkelten, vermutlich genauso unechte wie die Goldrahmen um ihre Spiegel. “Na, können Sie sich sicher denken.”
“Miststück?”, vermutete er auf gut Glück.
“Schlimmer. Viel schlimmer.”
“Können Sie mir nicht ‘nen Wink geben?”
Sie schauderte, als sei ihr der bloße Gedanke schon zuwider. “Ach, egal. Sie wissen schon.”
Irene mochte das Wort nicht einmal in den Mund nehmen – und dennoch hatte ihr frommer Gatte einen solchen Begriff benutzt, um seine erste Frau zu charakterisieren. Die Mutter seines Kindes.
Wenn es um Menschen ging, war Hunter pragmatisch. Er hob niemanden in den Himmel. Für ihn stand fest, dass Geistliche dieselben Gelüste, Sehnsüchte und Schwächen hatten wie jeder andere auch. Doch seit er Barkers flammende Predigten gelesen hatte und wusste, welche Hölle er darin beschrieb, konnte Hunter sich kaum vorstellen, wie Madelines Vater einen noch vulgäreren Ausdruck als “Miststück” benutzen sollte. Falls er aber in dieser Hinsicht ein solcher Pharisäer war, erschien es nur logisch, dass es auch andere Widersprüchlichkeiten geben musste.
“Hatte er denn keine Angst, dass Sie weitererzählen könnten, was er da gesagt hatte?”
“Wer hätte mir schon geglaubt?”, fragte sie lachend.
“Wie kamen Sie und er denn überhaupt auf seine Exfrau zu sprechen?”, erkundigte Hunter sich.
Irene befingerte ihre Halskette. “Ich habe es natürlich für Madeline getan. Ich wollte ihr etwas Positives vermitteln, mit dem sie sich identifizieren konnte. Das arme Ding konnte ja kaum auseinanderhalten, ob seine Mutter die liebevolle Person aus ihren Erinnerungen war oder dieses Schreckgespenst, als das Barker sie dauernd hinstellte.”
“Ja, sah er denn nicht, dass er Maddys Lage damit nur noch schlimmer machte?”
“Das störte ihn nicht. Je weniger sie ihre Mutter mochte, desto vollständiger konnte er an Elizas Stelle treten und sich die Zuneigung seines kleinen Mädchens sichern.”
Genau wie Antoinette! “Egoismus pur”, brummte er.
“Ich will gar nicht verhehlen, dass Eliza Barker Probleme hatte”, fuhr Irene fort. “Um das zu erkennen, braucht man bloß ihre Gedichte zu lesen. Aber kein Mensch ist nur gut oder nur schlecht. Es gab jede Menge Leute in der Stadt, die hielten große Stücke auf sie. Bestimmt nicht ohne Grund.” Ihre Stimme nahm einen sarkastischen Unterton an. “Ist weiß Gott nicht einfach, bei den Einheimischen hier anzukommen.”
Hunter spürte die tiefe Einsamkeit, die in der Bemerkung lag. “Sie können ein Lied davon singen, hmm?”
“Allerdings”, bestätigte sie traurig.
“Warum war er denn Ihrer Meinung nach so unnachgiebig bezüglich Eliza?”, fragte er. “Aus Kummer über ihren Selbstmord?”
“Kummer?”, spottete sie. “Kummer kannte er nicht. Eher im Gegenteil! Er war heilfroh, dass er sie los war.”
Die Heftigkeit der Antwort versetzte Hunter in Erstaunen. Irene selber wohl auch, gemessen an dem erschrockenen Ausdruck, der sich auf einmal auf ihre hübschen Züge legte. “Aber ihretwegen gestritten haben wir uns nie”, beteuerte sie. “Wir hatten sowieso keine gravierenden Probleme.”
Man hatte sie wegen ihrer vermuteten Mittäterschaft an Barkers mutmaßlichem Tod wohl schon so oft in die Mangel genommen, dass sie negative Bemerkungen bewusst vermied, ganz besonders so drastische wie die soeben gemachten. “Verständlich”, sagte er.
Angesichts dieser Antwort schien sie sich etwas zu beruhigen, sodass er sich noch eine Frage gestattete. “Hat er Fotos von ihr aufbewahrt?”
“Nein. Was er an Fotos fand, hat er vernichtet. Ein paar konnte ich retten und Madeline geben, die sie unter der Matratze versteckte. Sie tat zwar immer so, als sei es ihr egal, ob sie welche hätte oder nicht, aber ich weiß, dass das nicht stimmte. Sie war halt noch zornig und durcheinander, deshalb.”
“Immerhin hatte sie noch ihren Vater”, sagte er, gespannt, wie Irene darauf reagieren würde.
Abermals blickte sie hinüber zum Fenster. “Sie gehen jetzt besser.”
“Ein paar Fragen hätte ich noch …”
“Ich muss punkt Mittag bei meiner Arbeit sein. Außerdem ist das alles lange her. Manchmal lässt man die Vergangenheit besser ruhen.”
“Auch auf die Gefahr hin, dass Barker seine erste Frau umgebracht hat?”
Sie taumelte, als habe die Frage sie mit der Wucht eines Hiebes getroffen. “I…Ich … was?”, stammelte sie.
“Sie haben richtig gehört.”
“Es war doch Selbstmord!”
“Es sah wie einer aus”, korrigierte er. “Ich hingegen glaube nicht, dass Eliza ihre kleine Tochter alleingelassen hätte. Dazu war sie viel zu sehr auf Madelines Schutz bedacht.”
“Sie war depressiv.”
“Sie liebte ihre Tochter über alles und ging in ihrer Erziehung regelrecht auf. Wieso sollte sie die Kleine da plötzlich verlassen?”
Irene fiel offenbar das Schlucken schwer, so krampfhaft zuckte ihr Kehlkopf auf und ab. “Das kann nicht sein! Es … es wurde doch ein Abschiedsbrief gefunden! In ihrer Handschrift, soviel ich weiß.”
Hunter begriff, dass er möglicherweise mit seinen Andeutungen zu weit gegangen war. Jetzt, da es heraus war, würde es bald die Runde machen, und er wollte tunlichst vermeiden, dass irgendwann auch Madeline damit konfrontiert wurde. Andererseits musste er seinen Instinkten folgen, sonst käme er nie über seinen augenblicklichen Kenntnisstand hinaus. Mit seiner Schockbehauptung war er bei Irene ganz zweifellos auf eine Schwachstelle gestoßen.
“War das ein richtiger Brief?”, fragte er. “Oder bloß ein Eintrag in ihrem Tagebuch?”
“Großer Gott!” Die Augen fest zugepresst, fuhr sie sich mit der zitternden Hand zum Mund.
“Irene?” Er fasste sie sanft am Arm.
Mit einem gequälten Blick schaute sie zu ihm auf.
“Trauen Sie ihm einen Mord zu? Hatten Sie Angst vor ihm?”
Sie schüttelte den Kopf, aber er verstärkte seinen Griff. “Sagen Sie mir die Wahrheit!”
“Die Wahrheit?”, wiederholte sie verbittert. “Ich glaube, ich weiß gar nicht mehr, was das ist.”
“Hatten Sie Angst vor ihm?”
Sie starrte ins Leere.
“Hatten Sie Angst vor ihm?”, wiederholte er, lauter und nachdrücklicher.
Diesmal antwortete sie. “Ja. Er war einer der niederträchtigsten Menschen, die mir je begegnet sind.”
Hunter merkte, wie sein Herz bei diesem Geständnis einen Schlag aussetzte. “War er pädophil?”, stieß er nach. “Hat er sich an Grace herangemacht?”
Ehe sie reagieren konnte, wurden sie von Motorengeräusch unterbrochen. Beide wandten sich zum Fenster. Draußen fuhr gerade ein großer, schwarzer Pick-up in die Einfahrt.
Es war Clay. Irene musste ihn gleich angerufen haben, als Hunter schellte. Und er sah nicht besonders fröhlich aus.
“Raus!”, donnerte er, kaum in der Tür angelangt. “Und lassen Sie sich nie wieder blicken! Es sei denn mit der Polizei und einer richterlichen Vorladung!”
Hunter verzichtete darauf, sich mit ihm anzulegen. Clays Verhalten war völlig legitim. Als er dann aber in Madelines Toyota stieg, stand eines für ihn fest. Die Tränen, die lautlos über Irenes Wangen rannen, während sie zitternd neben Clay stand, die würde er nie vergessen.
Als Clay die Haustür aufmachte, stand Pontiff auf seiner Veranda. “Was ist passiert?”, fragte er, schlagartig besorgt. Der Chief strahlte etwas Entschlossenes, Resolutes aus, das bei Clay gleich sämtliche Alarmglocken schrillen ließ.
Pontiff wippte auf den Fußballen, als wären ihm seine ein Meter achtzig Körpergröße peinlich. “Warst du es?”
Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, trat Clay auf die Veranda hinaus, sodass seine Frau das Gespräch nicht mithören konnte. Whitney war zum Glück oben und spielte mit ihren Puppen; um sie brauchte er sich also keine Sorgen zu machen. Von seiner Mutter hatte er erfahren, dass jemand bei Madeline eingebrochen hatte. Bislang hatte er eher dazu geneigt, das Ganze als einen Jux abzutun, ebenso wie er sich bisher eingeredet hatte, das “sie” in dem anonymen Warnbrief, das könne alles Mögliche bedeuten. Seine Stiefschwester oder seine Mutter – vielleicht die Polizei? Stopp sie, sonst mach ich’s? Wer hätte so etwas über Madeline schreiben sollen? Sie war in Stillwater allseits beliebt, wenn man mal von Mike Metzger absah. Klar, sie glaubte, Mike habe ihren Vater auf dem Gewissen, und hatte ihm deswegen ein wenig die Daumenschrauben angelegt. Dabei wusste niemand besser als Clay, dass Mike es nicht war. “Was soll ich gewesen sein?”, fragte er zurück.
“Derjenige, der den Karton geklaut hat.”
“Ich verstehe nur Bahnhof.”
Die Tür hinter ihm schwang auf, und Allie trat aus dem Haus. Sofort bemerkte Clay das trotzige Funkeln in ihren Augen, das ihm verriet, dass sie die Stimmen doch gehört hatte und sich nicht einfach abwimmeln ließ. Sie blieb jedoch stumm, fasste ihren Mann bei der Hand und richtete ihr Augenmerk gespannt auf Pontiff.
“Bei Madeline wurde letzte Nacht eingebrochen”, berichtete der Chief.
“Davon habe ich schon gehört.” Allie verstärkte den Griff um Clays Hand. “Das hat aber mit meinem Mann nichts zu tun. Der ist genauso erschüttert wie jeder andere auch.”
Pontiff enthielt sich einer Antwort. Er funkelte Clay nur herausfordernd an, als sei dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Als hätte er Clay nun endgültig dort, wo er ihn lange schon hatte hinhaben wollen.
Dem allerdings machte Pontiff bei Weitem nicht so viel Angst wie dieser Solozano. Der hatte keineswegs seinen Rat befolgt, die Stadt zu verlassen. Im Gegenteil, er war postwendend in aller Herrgottsfrühe bei Irene aufgetaucht und hatte sie gefragt, ob Barker möglicherweise verantwortlich sei für Elizas Tod. Daran hatte Clay bisher eigentlich gar nicht gedacht – keiner hatte das! –, aber zuzutrauen war es dem Reverend allemal.
Irgendwie wusste der Schnüffler inzwischen schon mehr über diesen Bastard als sonst jemand in Stillwater. Und zur Krönung des Ganzen hatte Irene auch noch zugegeben, Madelines Vater wäre der mieseste Lump gewesen, der ihr je untergekommen sei. Dabei hatten sie sich alle hoch und heilig versprochen, solche Bemerkungen zu unterlassen.
“Das wird sich zeigen.” Pontiff bequemte sich nun doch zu einer Äußerung. “Wer sollte denn sonst ein Interesse an der Kiste haben?”
Es lag Schnee in der Luft. Clay bemerkte es ebenso wie den Druck von Allies schlanken Fingern. Allmählich stellte er sich die Frage, wie lange er wohl noch als freier Mann solch schlichte Freuden genießen durfte. “Ich habe keinen blassen Schimmer, von was für einer Kiste du da redest.”
“Die mit den Sachen vom Reverend. Einen der Kartons, die du selber gepackt hast, als du das Arbeitszimmer in deiner Scheune abgerissen hast.”
Clay schnaubte gereizt. “Toby, das ist doch Quatsch mit Soße. Wieso sollte ich in ein Haus einbrechen, zu dem ich ‘nen Schlüssel besitze? Und mir dann auch noch was klauen, was ich vorher freiwillig abgegeben habe?”
Ein erster Anflug von Zweifel zuckte über Pontiffs Gesicht, aber er warf sich breitbeinig in die Brust und stemmte die Fäuste in die Hüften, rechts in der Nähe seiner Dienstwaffe. “Zeig mir mal deine Hände. Und kremple die Ärmel hoch bis zum Ellenbogen!”
Um ein Haar hätte Clay sich geweigert. So ein Schwachsinn! Eher wäre er gestorben, als Madeline zu bedrohen oder gar zu verletzten. Dann aber drückte Allie ihm nochmals aufmunternd die Hand, als wolle sie ihn stumm anflehen, ausnahmsweise einmal gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
“Ich leg sogar noch einen drauf”, knurrte er und trat auf Pontiff zu. Der wich zurück, während Clay sein Oberhemd auszog und auch noch das Unterhemd über den Kopf streifte. “Und? Siehst du was Verdächtiges?”, grinste er verächtlich, wobei er sich umdrehte. “Noch ‘n paar Fotos gefällig? Allie, hol mal den Fotoapparat. Dann kann Chief Pontiff beruhigt abziehen. Mit ‘nem Haufen Digitalfotos für seine Akte, komplett mit Datumsstempel drauf.”
“Nein, lass mal …” Pontiff schüttelte den Kopf und schaute ziemlich belämmert aus der Wäsche. “Nicht nötig.”
Clay warf sein Hemd auf den Schaukelstuhl. Hier draußen herrschten zwar nur frostige vier Grad, doch das war ihm egal. Wenn schon, dann sollte Pontiff auch alles sehen, was es zu sehen gab. “Was hast du denn hier zu finden gehofft, Toby?”
“Der … der Einbrecher hat sich ‘ne böse Schnittwunde zugezogen. Die ganze Bude ist voller Blut. Zog sich vom zerschlagenen Fenster durch die Küche bis runter in den Keller.”
Bei dem Wort Blut merkte Clay, wie sich ihm vor Angst der Magen zusammenkrampfte. Wer hatte es dermaßen nötig, in Madelines Haus einzubrechen, dass er dann auch noch blieb, obwohl er sich verletzt hatte? Und wen außer Madeline kümmerten schon Barkers Nachlass?
Stopp sie, sonst mache ich’s … Wobei stoppen? Bei der Suche nach der Wahrheit? Sollte die etwa nicht ans Licht?
Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass sich jemand durch Madelines Hartnäckigkeit bedroht fühlte. Clay hatte damals Barkers Leiche im eigenen Keller verscharrt, und deshalb war er gleichsam an seine Farm gefesselt. Es war sein Geheimnis, sein Problem. Niemandes sonst. Was also sollte der Warnbrief?
“Das reicht mir voll und ganz”, brummte Pontiff und trollte sich zu seinem Einsatzwagen.
Die Befragung war vorbei, anscheinend zu Pontiffs Zufriedenheit. Dennoch hatte Clay das Gefühl, als gehe etwas nicht mit rechten Dingen zu. Und dass die städtische Polizei dahinterkommen könnte, das traute Clay ihr nicht zu.
Blieb nur Hunter.
Clay wollte es selber nicht fassen, dass er es überhaupt in Betracht zog, aber er wusste, er kam nicht darum herum. Madeline zuliebe musste er das Schreiben mit der Warnung einem anderen übergeben. Dem Mann, der ihn vernichten konnte.
Es war kalt in dem Wohnwagen. Als hätten Türen und Fenster stundenlang offen gestanden. Eine Frau hockte weinend und mit vor das Gesicht geschlagenen Händen auf der ausgefransten Couch.
Madeline erkannte sie als Bubba Turks Schwester Helen, weil sie die beiden gelegentlich gemeinsam gesehen hatte, zusammen mit Helens halbwüchsiger Tochter. Die saß momentan neben ihr und versuchte, sie zu trösten. In dem ramponierten Wohnraum waren noch Chief Pontiff sowie Norman Jones, ein Neuling bei der Polizei, anwesend – und Ramona Butler von der Gerichtsmedizin. Pontiff und Ramona beugten sich gerade über Bubba Turk, der rücklings auf dem Fußboden lag und mit seinem massigen Körper den gesamten Raum einnahm, sodass der Chief und die Gerichtsmedizinerin kaum Platz zum Arbeiten fanden.
“Hi, Maddy”, grüßte Norman. Kreidebleich und sichtlich grün um die Nasenspitze, hielt er sich so weit wie möglich von dem Toten fern.
“Tag, Norm. Wo bleibt denn der Notarztwagen?”
“Ach, war überflüssig, die Jungs extra den weiten Weg herzubestellen. Schon als wir hier ankamen …” – er räusperte sich – “… war es zu spät.”
Bei dem Wortwechsel guckte Toby, der immer noch neben der Leiche kniete, über seine Schulter. “Wer hat dich denn hergerufen?”, fragte er.
“Deine Frau”, erwiderte Madeline. “Wir sind zufällig Freundinnen, falls du’s vergessen haben solltest.”
Er starrte sie einen Moment an und seufzte. “Hätte ich der das bloß nicht gesagt”, brummte er. “Ist sowieso schon rammelvoll hier drin.”
In den letzten paar Tagen hatte sich ihr Verhältnis spürbar abgekühlt. Als Rachel Simmons Leiche gefunden wurde, da hatte der Chief Madeline noch persönlich in Kenntnis gesetzt; aufgrund seiner Einladung war sie am Baggersee dazugestoßen. Jetzt, ganze zwei Wochen später, war ihm ihre Anwesenheit offenbar lästig.
Ihr Leben veränderte sich. Dass sie sich gegen Menschen wandte, die sie ihr Leben lang kannte, dass sie Hunter hergeholt hatte, all das ging auf Kosten dessen, was ihr einmal sehr viel bedeutet hatte: Familie, Freunde und sogar Kirk. Wer konnte schon sagen, wie oft sie sich versöhnt und wieder verkracht hätten, wäre Hunter nicht aufgetaucht? Trotz ihrer wachsenden Entschlossenheit hätte sie die Trennung nicht lange durchgehalten, jedenfalls nicht angesichts dieses ganzen Drucks. Erst der Vorfall hinter dem Baum hatte Madeline endgültig klargemacht: Es war tatsächlich aus und vorbei mit Kirk.
“Nur zur Erinnerung: Ich habe ein Recht darauf, benachrichtigt zu werden”, belehrte sie ihn, ebenso unwirsch im Ton wie er. “Ich vertrete die Presse.”
“Hier gibt’s nichts zu berichten.”
“Der Tod eines Mitbürgers lässt mich nun mal nicht kalt”, bemerkte sie spitz. Angesichts des Geruchs, der nicht nur von der Leiche ausging, sondern auch vom Wohnwagen selber, musste sie an sich halten, um nicht die Nase zu rümpfen. “Was ist also passiert?”
Ramona Butler vom rechtsmedizinischen Institut von Iuka County war eine kleine, knochendürre Frau, die am Rande der Kreisstadt eine kleine Pferdezucht betrieb. “Ich würde auf einen Herzinfarkt tippen”, stellte sie fest und hockte sich auf die Fersen. “Vermutlich griff er sich an die Brust, geriet ins Stolpern und schlug voll mit dem Kopf gegen die Ecke von dem Schrank dort. Hat ziemlich geblutet, also schlug das Herz beim Aufprall noch. Wahrscheinlich ist das die eigentliche Todesursache.”
Pontiff guckte hinüber zu dem Sideboard, auf das Butler wies. Madeline selbst sparte sich lieber den Anblick. Der blutige Riss, den sie flüchtig auf der Stirn des Toten gesehen hatte, erschütterte sie bis ins Mark. Tote übten auf sie generell eine schockierende Wirkung aus. Der leblose Körper ließ Erinnerungen an ihre Mutter wieder hochkommen – das Öffnen der Schlafzimmertür, die dunkle Gestalt, die, kaum erkennbar, bei dicht geschlossenen Jalousien auf dem Boden lag wie ein achtlos liegen gelassenes Kleidungsstück. Sie wusste noch, wie sie zu ihr stürzte und schrie: “Mama! Mama! Was hast du?” Wie sie ihre Mutter an den Schultern packte und schüttelte, sich tief über sie beugte, weil sie keine Antwort gab. Und wie sie, als ihre Augen sich allmählich an das Dämmerlicht gewöhnten, das Loch in ihrer Schläfe sah.
Auf einmal fühlte sie sich in dem winzigen Zimmer klaustrophobisch eingeengt, sodass sie am liebsten hinausgestürzt wäre, um gierig nach Luft zu schnappen. Angesichts der auf der Couch sitzenden, schluchzenden Schwester des Toten fiel ihr dann aber ein, dass sie hier ja gar nicht die Trauernde war. Also rückte sie etwas näher an den jungen Polizisten heran, dabei peinlichst bemüht, bloß nicht über Gebühr Aufmerksamkeit zu erregen. “Sag bloß, die Schwester hat ihn gefunden!”, raunte sie Norman zu.
Er nickte. “Sie hatten sich wohl zum Einkaufen verabredet. Als er nicht aufmachte, ging sie rein und …” – er wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn – “… und dann hat sie uns alarmiert.”
Die Genannte mischte sich nun in die gedämpft geführte Unterhaltung. “Wenn er zu Hause war, hat er sonst nie abgeschlossen”, schniefte sie tonlos in den Raum hinein. “Also, warum heute? Ich habe ja ‘nen Schlüssel, aber den konnte ich nicht finden. Da stand ich hilflos da!”
Norman schaute zu der aufgedunsenen Leiche hinüber und wurde noch eine Spur bleicher. Der Schweiß trat ihm immer heftiger auf die Stirn. Viel zu durcheinander, um der weinenden Helen zu helfen, ließ er Madeline gewähren, die sich an ihm vorbeizwängte und sich vor der Schluchzenden auf ein Knie niederließ. “Ahnten Sie denn, dass da etwas nicht stimmen konnte, Helen?”
“Ich habe mir Sorgen gemacht, weil ich ihn den ganzen Morgen anrief und er nicht ans Telefon ging. Ich hab’s sogar bei Ray nebenan versucht, aber der hat ihn auch nicht erreicht.”
“Meinen Sie, Ihr Bruder war womöglich noch am Leben, als Sie hier eintrafen?”
“Da machen Sie sich mal keinen Kopf”, warf die Rechtsmedizinerin ein. “Das war mit Sicherheit nicht der Fall.” Madeline hätte es lieber gesehen, wenn diese Butler es etwas schonender gesagt hätte, aber so war sie nun mal. Die Geduldigste oder Einfühlsamste war sie nicht, dafür aber tüchtig. Angesichts ihres grausigen Metiers war ihre kühle, sachliche Art vermutlich nötig für ihr emotionales Gleichgewicht. “Nach der Körpertemperatur zu urteilen trat der Tod vor mindestens acht Stunden ein.”
Während sie das auf ihr Klemmbrett notierte, nahm Madeline die Schwester des Toten bei der Hand. “Alles klar?”, murmelte sie.
“Warum hat er bloß die Tür abgeschlossen?”, jammerte Helen wieder. “Machte er sonst nie, wenn er zu Hause war.”
Madeline konnte da nur den Kopf schütteln.
Pontiff stand auf. “Wie sind Sie denn reingekommen?”
“Mit dem Schlüssel. Den hatte ich dann endlich aufgetrieben. Bubba hat ihn mir vor einiger Zeit gegeben – für alle Fälle, falls er seinen mal verliert. Nur wenn ich ihn abholte, weil wir irgendwohin mussten, dann sperrte er ab. Damit ihm die ganzen Typen hier in der Gegend nicht das Bier klauten. Mehr hatte er ja nicht. Ein paar Flaschen Bier.” Sie brach in Tränen aus. Ihre Tochter legte den Arm um sie und redete beruhigend auf sie ein. “Ist ja gut, Mama, ist ja gut.”
“Ich kann’s nicht fassen, dass er tot ist”, schluchzte sie.
Kratzend fuhr der Kuli von Ramona Butler über den Block, auf dem sie gerade die Kopfwunde skizzierte. “Bei dem Übergewicht war das abzusehen. Das konnte nicht lange gut gehen.”
“Meine Worte!” Helen nickte, immer noch schniefend. “Ich hab ihm noch und noch zugeredet, er müsste abnehmen, mindestens fünfzig Kilo. Aber er wollte ja nicht hören. ‘Bubba’, hab ich gesagt, ‘irgendwann fällst du tot um bei deinem Gewicht!’“
“Und schon war’s passiert”, sagte die Butler. “Lassen Sie ihn hier beerdigen, Helen? Durch das Bestattungsinstitut Cutshall?”
Die Schwester nickte. “Selbstverständlich.”
Butler wandte sich an den Chief. “Dann rufe ich da mal an, damit die den Leichnam abholen.”
Madeline hörte, wie Butler den Leichenwagen anforderte, und daher versuchte sie, Helen abzulenken. “Wir bringen eine schöne Traueranzeige in der Zeitung, ja?”, fragte sie. “Wenn ich etwas Besonderes schreiben soll, sagen Sie’s ruhig.”
Helen löste sich etwas von ihr, um sich über die Augen zu wischen. “Ich … ich verstehe nicht viel davon. Aber er war ein guter Bruder. Schreiben Sie, dass er ein guter Bruder war.”
“So machen wir’s”, versprach Madeline.
“Und Sie meinen, eine Obduktion erübrigt sich?”, fragte Pontiff die Gerichtsmedizinerin, nachdem diese den Anruf beendet hatte.
“Ich sehe keinen Anlass für den zusätzlichen Aufwand, von den Kosten ganz zu schweigen”, erwiderte sie. “Sie etwa? Bei seinem Gewicht”, fuhr sie angesichts seiner Unschlüssigkeit fort, “ist er entweder an einem Herzinfarkt oder durch den Sturz gestorben. Eine unnatürliche Todesursache kann ich nicht erkennen.”
Toby wandte sich an die Schwester. “Was meinen Sie denn? Wollen wir mit der Beerdigung nicht noch ein paar Tage warten? Dann könnten wir den Leichnam nach Corinth in die Pathologie überführen.”
Helen schnäuzte sich in ein frisches Tempo und knüllte es zusammen. “Was soll das bringen?”
“Vielleicht hilft es Ihrem Seelenfrieden, wenn Sie die genaue Todesursache kennen.”
Helen barg wieder das Gesicht in die Hände und schluchzte durch die Finger. “Ach lassen Sie nur. Das macht ihn auch nicht wieder lebendig. Es war bestimmt sein Herz. Es hat nicht mehr mitgemacht – wie ich es ihm immer prophezeit habe.”