KATZE_AL1. Kapitel

Bevor die Katze namens Norton in mein Leben kam

SCHMETTE

Dieses Buch handelt von einer außergewöhnlichen Katze. Wobei das Außergewöhnliche an jeder Katze der Effekt ist, den sie auf ihren Besitzer hat. Eine Katze zu haben, vor allem von klein auf, ist ein bisschen so, als hätte man ein Kind. Man füttert sie, tut sein Bestes, um sie zu erziehen, spricht mit ihr, als würde sie einen verstehen – und als Lohn dafür möchte man, dass sie einen liebt. Sie kann einen mit ihrer Unabhängigkeit in den Wahnsinn treiben. Sie kann, genau wie ein Kind, in ihrem Besitzer das überwältigende Bedürfnis wecken, sie vor allem Bösen zu bewahren. Sie ist klein und verletzlich, und es ist wunderbar, sie im Arm zu halten – wenn sie einen lässt. Und sie muss sich auch ähnlich häufig übergeben.

Wie Kinder existieren Katzen auf einer anderen und vermutlich höheren Ebene als wir, aber wie Kinder werden auch sie teilweise durch ihre Beziehung zu ihren Eltern geformt. Und obwohl kleine Katzen alle möglichen ganz erstaunlichen Dinge tun können, wie sich in einer unfassbar engen Nische verstecken und sich weigern, gefunden zu werden, ganz egal, wie spät man schon dran ist für den Termin, zu dem man sie mitnehmen will, können sie doch keine Autobiografie schreiben. Das bleibt immer noch den Menschen überlassen. Deshalb ist das hier zwangsläufig auch ein Buch über Menschen. Und über Beziehungen. Und über alle möglichen anderen Dinge, mit denen Katzen eigentlich nichts zu tun haben, aber in die sie sich trotzdem gerne einmischen.

Dass ich überhaupt zu einem Katzenbesitzer wurde, war reiner Zufall. Tatsächlich wurde ich einfach dazu gemacht, obwohl ich mich mit Händen und Füßen dagegen wehrte.

Zur Verdeutlichung: Vor etwas mehr als sieben Jahren bat mich jemand, zehn Dinge über mich und mein Leben aufzuschreiben, von denen ich absolut überzeugt war und die ich für unumstößlich wahr hielt. Diese Person, eine Frau, mit der ich damals zusammen war, bat mich vermutlich darum, weil sie mich für einen Menschen ohne Gefühle oder große Leidenschaften hielt. Außerdem hatte sie, wie ich glaube, einfach zu viele Jahre bei teuren Psychiatern in New Yorks Upper East Side auf der Couch gelegen und selbst viel zu viele solcher Listen angefertigt. Tatsächlich bin ich ein Mensch mit vielen Gefühlen und vielen Leidenschaften. Ich habe nur nicht viel für sie empfunden. Die Leute machen diesen Fehler oft in Beziehungen. Sie haben das Gefühl, dass mit jemandem, der nicht das tut, was sie von ihm erwarten, etwas nicht stimmen kann. Es ist wahrscheinlich einfacher, mit einer solchen Einstellung durchs Leben zu gehen, anstatt sich der Tatsache zu stellen, dass vielleicht etwas mit den eigenen Erwartungen oder der eigenen Weltanschauung nicht stimmen könnte. Oder mit dem Leben an sich.

Ich habe schließlich – und obwohl mein Instinkt mir davon abriet – die Dinge über mich und mein Leben aufgelistet, die ich für wahr hielt. Das ist noch ein Fehler, den Leute in Beziehungen machen (und den Katzen niemals machen): Wir tun unglaublich viele dumme Sachen, nur um nicht allein zu sein.

Jedenfalls ist das hier die Liste, die dabei herauskam:

  1. Ich werde niemals die Republikaner wählen.
  2. Die Liebe hält normalerweise keiner näheren Betrachtung stand …
  3. … nur die zu Baseball. Ich liebe Baseball – ich sehe mir die Spiele an, höre die Übertragungen im Radio, rede darüber und lese die Ergebnisse. Ich bin ein Baseball-Junkie.
  4. Das Leben ist ziemlich traurig mit einem noch traurigeren Ende, deshalb ist alles, was es für einen Moment erträglicher macht, okay. Vor allem, wenn es lustig ist.
  5. Ich bin nicht gerne Teil von irgendetwas – einer Religion, einem Softball-Game, einer Firma, einer Regierung, egal was. Sobald aus jemandem etwas wird, ist sie oder er in meinen Augen verloren.
  6. Freundschaft muss man sich verdienen. Sie ist zu wichtig, um sie an jemanden zu verschwenden, der sie nicht will, der sie nicht erwidert oder der sie nicht verdient hat. Soweit ich das beurteilen kann, haben Menschen in der Regel nicht viele innere Werte, Freunde jedoch schon.
  7. Es gibt eigentlich keinen Grund für Grausamkeit.
  8. Andererseits ist mir unterhaltsam und intelligent auf jeden Fall lieber als nett.
  9. Es ist mir egal, was alle anderen sagen: Ich finde, dass Meryl Streep eine lausige Schauspielerin ist.
  10. Ich hasse Katzen.

Im Laufe der Jahre, die seitdem verstrichen sind, blieben einige dieser unumstößlichen Dinge tatsächlich bestehen. Andere veränderten sich ein wenig, einige sogar so weit, dass sie kaum noch wiederzuerkennen sind. Und einer der oben genannten Punkte ist so lächerlich, dass ich nicht mehr verstehe, wie mir so etwas jemals durch den Kopf gegangen, geschweige denn über die Lippen gekommen und schließlich auf dieses Papier gelangt sein kann.

Die Punkte 1, 3, 6 und 7 treffen noch immer hundertprozentig zu.

Nummer 4 im Grunde auch, obwohl ich das Wort »alles« in diesem Zusammenhang sehr viel stärker einschränken würde. Es gibt entsetzliche Dinge, die ich mir nicht vorstellen konnte, als ich damals diese Liste anfertigte: Vollkornmüsli, Crack, Titelgeschichten im People-Magazin über Prominente auf Entziehungskur, Gangbangers, Fortsetzungen und Abe Rosenthals ›On My Mind‹-Kolumne in der New York Times.

Nummer 8 und 9 sind ein bisschen schwierig. 8 hängt jetzt immer stärker davon ab, welche Laune ich gerade habe und wie anstrengend mein Tag war. Und Meryl Streep kann den australischen Akzent wirklich unglaublich gut nachmachen.

Nummer 5 hat sich ein bisschen verändert. Ich habe inzwischen etwas gefunden, von dem ich Teil sein will.

Nummer 2 hat ganz viel mit Nummer 5 zu tun, wie sich im Laufe dieses Buches noch herausstellen wird, und beide haben sich, unfassbar eigentlich, verändert wegen Nummer 10.

Ach ja, Nummer 10 …

Nun, da sind wir bei einem Anflug jugendlichen Leichtsinns angelangt, einer Aussage, die mit einer solchen Unwissenheit getroffen wurde, dass es eigentlich kaum zu fassen ist …

Denn inzwischen habe ich eine Katze. Norton.

Ich behandele diesen Kater so, wie nur wenige Tiere – oder Menschen, was das angeht – jemals behandelt wurden.

Wenn er mitten auf dem Bett liegt und schläft, wenn mein Tag gerade zu Ende geht, dann rolle ich mich auf einer Ecke der Matratze zusammen und nehme gerne einen steifen Nacken und Rückenschmerzen in Kauf, nur um ihn nicht zu stören.

Ich nehme Norton überallhin mit. Er war schon Skilaufen in Vermont, auf einem Autorenkongress in San Diego, in den besten Restaurants von Amsterdam und viele Male in Paris. In einem der besten Hotels der Stadt, dem Tremoille, erkundigt sich die Frau an der Rezeption, wenn meine Assistentin dort anruft, um ein Zimmer für Mr. Gethers zu reservieren, immer gleich: »Avec son chat?«

Ich habe mir ein Haus in Sag Harbor gekauft, einer fast märchenhaft schönen Stadt am Ende von Long Island, und obwohl es auch noch viele andere Gründe gab, dorthin zu ziehen, war der geheime und eigentliche Grund für den Kauf, dass meine Katze es liebt, durch einen Garten zu toben.

Eine meiner Freundinnen hat mit mir Schluss gemacht, weil sie glaubte, ich würde Norton mehr lieben als sie. Was auch der Fall war. Und ich bin einmal mit einer anderen Freundin nicht in mein Lieblingshotel in ganz Amerika in Urlaub gefahren, weil die dort keine kleinen, äußerst wohlerzogenen Katzen aufnehmen wollten.

Ich mache mir Sorgen um Norton, ich rede so viel über ihn (und mit ihm, wie ich zugeben muss), dass es an Idiotie grenzt, und wenn er nicht in halber Armeslänge von meinem Kopfkissen schläft – was er mindestens einmal in der Woche nicht tut –, dann schlafe ich nicht gut. Ich mache mir dann ernsthaft Sorgen, ob er wegen irgendetwas böse auf mich ist.

Manchmal – und es fällt mir besonders schwer, das öffentlich zuzugeben – lasse ich ihn von meinem Löffel essen. Normalerweise Eis oder Joghurt. Schokoladengeschmack mag er am liebsten, und es ist ziemlich lustig, ihn dabei zu beobachten, wenn er beschließt, dass er diesen verdammten Löffel jetzt blitzblank schlecken wird.

Es ist durchaus keine einseitige Liebe. Er tut alle möglichen Dinge für mich, die für eine Katze ziemlich außergewöhnlich sind.

Er geht mit mir spazieren. Ohne Leine. Am Strand, wo ihn keine Autos stören, ist er schon gut drei Kilometer lang in einem Radius von zweieinhalb Meter hinter mir bis einen Meter vor mir gelaufen. Auf belebten Straßen sind drei Blocks sein Rekord. Meistens begleitet er mich sonntagmorgens, wenn ich zu Sean’s Murray Hill Market in Sag Harbour schlendere.

Norton wartet überall auf mich, egal, wo ich ihn zurücklasse. Wenn ich in einem Hotel bin, kann ich ihn draußen am Pool oder im Garten zurücklassen und ihn dort den ganzen Tag oder die ganze Nacht lang spielen lassen. Wenn ich dann zurückkomme, ist er nirgends zu sehen, aber sobald ich ihn rufe oder pfeife, miaut er genau einmal, springt dann aus seinem Versteck und kommt zu mir gelaufen. Ich glaube wirklich, dass ich ihn mitten im afrikanischen Urwald aussetzen und ein Jahr lang dort zurücklassen könnte und er trotzdem, wenn ich zurückkäme und den Busch wiederfände, unter dem er zuletzt gesichtet wurde, dort auf mich warten würde.

Er rauft gerne. Sein Lieblingsspiel ist, sich auf meine Hand zu stürzen, die sich unter einem Laken bewegt, und zu versuchen, sie zu fressen – aber er würde niemals irgendeinen Teil von mir beißen oder kratzen, den er als zu mir gehörig erkennt. Wenn er manchmal in der Hitze des Gefechts über die Stränge schlägt und eine Kralle nicht rechtzeitig eingezogen ist, wenn meine Hand unter dem Laken hervorkommt, dann erstarrt er bei meinem Schmerzensruf, legt die Tatzen über die Augen und drückt beschämt seine Nase ins Kissen, bis ich ihm über den Kopf streichle und ihm versichere, dass es mir gut geht.

Er setzt sich auf den Wannenrand, wenn ich ein Bad nehme.

Wenn ich, was ich manchmal vergesslicherweise tue, eine Tür zu einem Zimmer schließe und Norton noch draußen ist, dann heult und miaut er wie besessen, bis ich die Tür öffne. Er mag es nicht, draußen zu sein, wenn ich drinnen bin.

Er vertraut mir.

Er ist ein echter Trost, wenn ich traurig bin, und sorgt dafür, dass Glücklichsein viel mehr Spaß macht.

Er hat mit mir Liebeskummer und Krankheit und Tod durchlitten.

Ich liebe meinen Kater, falls Sie das bis jetzt noch nicht kapiert haben sollten. Er hat mich gezwungen, meine Liste von unumstößlichen Wahrheiten zu ändern.

Und dadurch hat er mein Leben verändert.

Wenn ein kleines graues Tier so etwas für einen tut, wie kann man es dann nicht mitten auf dem Bett schlafen lassen, wenn es müde ist?