KATZE_AL8. Kapitel

Die Katze, die sich verliebte

SCHMETTE

Meine Katze wurde älter, und mit dem Alter kam eine gewisse Selbstzufriedenheit, eine leicht träge, desinteressierte Haltung. Außerdem fing er an, fett zu werden.

Also tat ich das, was jeder normale Mensch für seine Katze tun würde. Ich kaufte ein Haus.

Während der Sommer auf Fire Island rannte Norton die ganze Zeit überall herum und amüsierte sich, und jede Saison verlor er zwischen dem Memorial Day und dem Labor Day ein Pfund. Wenn die Blätter sich zu verfärben begannen, dann war meine Scottish Fold eine schlanke, durchtrainierte Kampfmaschine. Im Laufe des Herbstes und des Winters verließ er jedoch nie meine Wohnung (abgesehen von dem ein oder anderen Ski-Wochenende), was bedeutete, dass er viel herumsaß, schlief und um Pounce bettelte. Ich wusste, dass das nicht gut für ihn war. Da ich dazu neigte, das Gleiche zu tun – das mit dem Faulenzen, nicht das mit dem Betteln –, hatte ich den Verdacht, dass es auch nicht gut für mich war. Also beschloss ich, mich nach einem Haus umzusehen.

Na ja, ich suchte nicht wirklich nach einem Haus. Ich stolperte wie immer einfach in den Hauskauf hinein.

Nancy und Ziggy besaßen ein Haus in Sag Harbor, und ich besuchte sie an einem Wochenende. Norton sollte eigentlich zu Hause bleiben, weil Zig eine schlimme Katzenallergie hat. In letzter Sekunde kniff meine vertrauenswürdige Katzensitterin jedoch. (Ich habe noch gar nicht erzählt, was passiert, wenn meine reisende Katze tatsächlich mal zu Hause bleiben muss. Zum Glück hat eine Freundin namens Lynn Waggoner beschlossen, dass auf Norton aufzupassen in etwa vergleichbar damit ist, Tom Cruise durch die Stadt zu fahren. Na ja, vielleicht übertreibe ich, aber Lynn passt immer sehr gut auf Norton auf – kauft ihm Spielsachen, geht mit ihm spazieren, all diese guten Dinge, die er schätzen gelernt hat und inzwischen erwartet. Einmal, als Lynn nicht konnte, passte meine Assistentin für ein Wochenende auf ihn auf. Sie nahm ihn mit zum Haus ihrer Schwiegereltern in Montauk. Norton war ungefähr zwei Minuten im Haus gewesen, als jemand die Haustür aufließ – und Norton davonlief. Laura, die jetzt völlig aufgelöste Assistentin, und ihr Mann verbrachten die Nacht im Wald und suchten Norton überall. Irgendwann um zwei Uhr morgens gaben sie auf und kehrten zum Haus zurück – wo Norton geduldig vor der Haustür wartete. Laura erzählte mir später – viel später – die Geschichte und gestand mir auch, wie sie mir beibringen wollte, dass sie meine Katze verloren hatte. Es sollte in Form eines Abschiedsbriefes kurz vor ihrem Selbstmord geschehen.) Jedenfalls … war kein Katzensitter verfügbar. Also überraschte ich meine Wochenend-Gastgeber und brachte Norton doch mit.

Meine Überraschung wurde mit dem Enthusiasmus eines Erdbebens begrüßt. Er würde keine Probleme machen, versicherte ich den beiden. Er würde den ganzen Tag draußen bleiben. Er würde nur nachts reinkommen und dann bei mir schlafen. Ich würde ihn nicht aus meinem Bett lassen. Zig würde nicht mal merken, dass eine Katze im Haus war.

Das stimmte. Er merkte nicht, dass eine Katze im Haus war – bis Norton mitten in der Nacht, als ich schlief, nach oben schlich und beschloss, direkt auf Ziggys Kopf zu schlafen.

Diese Nacht bei den Aldermans war, wie ich mir vorstellen könnte, dem Krakatau-Ausbruch nicht unähnlich. Um drei Uhr morgens ging ich nach oben, holte Norton vom nach Luft ringenden Hausbesitzer herunter und nahm ihn wieder mit in mein Bett. Um halb vier lag er wieder auf Ziggys Kopf. Wir wiederholten die Prozedur. Um vier war Norton erneut auf seinen neuen Lieblingsplatz zurückgekehrt und bedeckte fast Zigs ganzes Gesicht mit seinem gesamten Körper. Um halb fünf gab Ziggy auf. Um fünf wurde ihm klar, dass er nicht mehr nieste. Am Morgen hatte er beschlossen, dass Norton die erste Katze war, auf die er nicht allergisch reagierte. Wut und Verzweiflung verwandelten sich in Freude und Triumpf. Ich gehörte nicht zu den Lieblingshausgästen (tatsächlich gewann ich den Preis des nervigsten Wochenendgastes) – aber irgendwie hatte Norton sich den Weg in ihre Herzen erschlichen.

Am nächsten Tag gingen wir uns Häuser angucken. Meine Suche war eher halbherziger Natur. Ich kann nicht behaupten, dass ich wirklich ein Haus wollte. Zum einen bin ich nicht der handwerklich geschickteste Mann auf der Welt. Ich wache immer noch schreiend mitten in der Nacht auf bei dem Gedanken an die Holzwerkstatt in der Highschool. Die Vorstellung, einen Bohrer zu bedienen oder irgendwelche elektrischen Leitungen zu reparieren, löst bei mir sofort eine gewisse Hysterie aus. Außerdem hasste ich die Vorstellung, zu pendeln, selbst wenn es nur die Wochenenden betraf. Ich hatte keine Lust auf irgendeine Art von Gartenarbeit oder darauf, Laub zu harken oder im Winter die Einfahrt von Schnee freizuschaufeln. Tatsächlich wollte ich nicht mal eine Einfahrt, weil ich gar kein Auto besitze.

Aber Norton brauchte das ganze Jahr lang einen Spielplatz, also …

Die ersten vier Häuser, die wir uns ansahen, waren alle hübsch, alle geräumig und alle falsch. Keines davon besaß Persönlichkeit oder Charme. Die Maklerin, eine Frau namens Peggy Meves, in deren Schuld ich immer stehen werde, bat mich, ihr mein Traumhaus zu beschreiben – mein bezahlbares Traumhaus. Das tat ich: Es sollte mindestens hundert Jahre alt sein, aber in gutem Zustand, damit ich keine Arbeit hineinstecken musste, sollte alte Holzdielen und Dachbalken, ein oder zwei Kamine, ausgefallene Zimmer, zwei Stockwerke und ein Büro haben, das so schön war, dass ich mich dort gerne an die Schreibmaschine setzen wollte. Außerdem sollte es nicht zu groß sein, vielleicht zwei oder drei Schlafzimmer haben – aber nicht zu eng und nicht so riesig, dass mir das Putzen über den Kopf wuchs. Mit anderen Worten ein Haus, das so perfekt war, dass ich es niemals finden würde.

Als ich mit meiner Beschreibung fertig war, meinte Peggy: »Wissen Sie was, ich glaube, wir sollten uns da noch mal ein bestimmtes Haus ansehen. Aber die Besitzer haben schon ein Kaufangebot erhalten. Ich glaube, sie haben akzeptiert, also denke ich nicht, dass Sie es kaufen können – aber es klingt, als wäre es das, wonach sie suchen. Zumindest habe ich dann eine Vorstellung davon, was Ihnen gefällt.«

Ich stimmte einer Besichtigung zu in dem Wissen, dass ich besagtes Haus nicht kaufen konnte. Das war mir recht. Denn ich wollte ja auch eigentlich gar keins kaufen. Eigentlich sah ich mir nur gerne schöne Häuser an.

Ich schaffte es nicht bis in den ersten Stock. Ein Blick ins Wohnzimmer – mit dem original hundertzwanzig Jahre alten Holzboden, dem antiken Kanonenofen, dieser Persönlichkeit –, und ich hörte mich selbst sagen: »Ich nehme es.«

Peggy, die zu der raren Sorte völlig aufrichtiger Menschen gehört, versuchte mir erneut zu erklären, dass ich das Haus nicht kaufen konnte. Sie zeigte es mir nur, um herauszufinden, was mir gefiel.

»Das hier ist mein Traumhaus«, sagte ich. »Ich glaube, ich muss es haben.«

»Dann sehen Sie sich zumindest den ersten Stock an, bevor Sie entscheiden, ob es Ihr Traumhaus ist«, riet sie mir.

Der erste Stock machte es nur schlimmer. Es gab ein kleines, unglaublich bezauberndes Gästezimmer, ein großes Schlafzimmer (im Badezimmer stand eine alte Wanne auf Klauenfüßen!), und, um meinen Traum abzurunden, auch noch ein kleines Arbeitszimmer, das über die Einfahrt gebaut war, mit großen Fenstern, von denen aus man in den wunderschön angelegten Garten blickte. Ich habe die Gestaltung des Grundstücks noch gar nicht erwähnt, das aussah, als hätten Hänsel und Gretel es sich darin gemütlich machen und sich sehr zu Hause fühlen können.

Ich rannte die Treppe hinunter, nach draußen zu meinem Mietwagen und öffnete die Tür. Norton sprang heraus auf den Rasen im Vorgarten. Dann betrat er vorsichtig das Haus, sah sich im Wohnzimmer um und ließ sich schließlich mitten auf den Boden fallen, dort, wo ein Sonnenstrahl durch das Fenster fiel. Er sah zu mir auf und miaute glücklich.

Am nächsten Tag kaufte ich das Haus.

Plötzlich besaß ich ein Landhaus. Ich hatte eine Katze, ich hatte gute Freunde als Nachbarn, mir fehlte eigentlich nur eine kleine Sache.

Trotz meines eher flippigen Äußeren (hinter dem ich, wie viele Leute behaupten würden, ein überraschend dürftiges Innenleben versteckte) machte ich mir inzwischen ein bisschen Sorgen, dass Cindys Abschiedsworte – »du weißt nicht, was Liebe ist« – tatsächlich beängstigend wahr sein könnten. Ich fing an zu glauben, dass ich nach all den Jahren, in denen ich nur Witze gerissen, dänische Models ausgeführt und rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung gearbeitet hatte, nicht mehr zu »etwas anderem« in der Lage war. Natürlich versuchte ich mir jedes Mal, wenn ich das dachte, vorzustellen, was es »anderes« geben könnte als Witze reißen, dänische Models und eine Arbeit, in der ich aufging. Ich habe eine sehr rege Fantasie, aber auf diesem Gebiet fehlte sie mir völlig.

Und doch …

Da gab es Janis.

Meine Affäre mit ihr war ungewöhnlich, denn Janis ist eigentlich überhaupt nicht mein Typ. Sie war zwar sehr attraktiv, hatte jedoch nicht das Aussehen, auf das ich normalerweise abfahre. Sie war klein und eher kurvig gebaut anstatt groß und schlank. Sie war eher der klassische, elegante und weltgewandte Typ Frau, wo ich sonst eher auf leicht billig stand. Sie war die Deborah Kerr in Die große Liebe meines Lebens verglichen mit dem, was ich sonst vorzog – das mit Seifenschaum bedeckte Mädchen, das in Der Unbeugsame vor dem Gefängnis das Auto wäscht. Selbst ihre Persönlichkeit war anders als die meiner vergangenen Liebschaften. Ich stritt mich nur äußerst ungern. Zu behaupten, Janis wäre streitbar, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie war unabhängig, so selbstbewusst wie der englische Adel und in ihrer Sturheit und Eigensinnigkeit fast schon mit Saddam Hussein zu vergleichen. Doch trotz all unserer Differenzen – oder vielleicht gerade wegen ihnen – war sie die intelligenteste, stimulierendste, am wenigsten langweilige Person, die mir seit langer Zeit begegnet war.

Es gab jedoch einen Haken an meiner langjährigen, perfekten, befriedigenden Beziehung zu Janis. Sie wollte keine langjährige, perfekte, befriedigende Beziehung führen. Zumindest nicht mit mir.

Je näher wir uns kamen, desto mehr zog sie sich zurück. Schließlich zog sie sich so weit zurück, dass ich ein Teleskop brauchte, um sie zu finden. Woran ich merkte, dass die Romanze vorbei war.

Unsere Beziehung endete jedoch nicht. Stattdessen wurden Janis und ich Freunde. Ohne die Bedrohung einer romantischen Beziehung kamen wir uns so nah, wie es zwei Menschen überhaupt möglich ist. Wir arbeiteten sogar zusammen. Wir sahen uns während des Tages, wir gingen mehrmals in der Woche abends essen, wir fuhren sogar ein paarmal gemeinsam übers Wochenende weg – aber strikt platonisch. Sie begleitete mich durch ein paar unschöne Romanzen und mehrere professionelle Krisen. Ich tat das Gleiche für sie. Trotz der Sarahs und Karyns und der Sportjournalistinnen und der Dickens’schen Lektorin war es Janis, die immer für mich da war, egal, ob das »da« Spaß, Unterstützung oder sonst etwas war, das einem von uns beiden interessant erschien. Wir wurden so unzertrennlich, dass die meisten Leute glaubten, wir wären immer noch ein Paar. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte keine Beziehung, weil Beziehungen ihrer Erfahrung nach immer auf ein Ende der Beziehung hinausliefen. Mit dem Ende kam Schmerz (und je besser die Beziehung gewesen war, desto schmerzhafter das Ende). Mit dem Schmerz kam die Verbitterung. Mit der Verbitterung kam die Trauer. Den Rest können Sie sich bestimmt denken.

Mit der Zeit akzeptierte ich, dass ich mit dieser Frau niemals irgendeine Art von echter Beziehung haben würde. Das kostete mich einiges – sehr viel Zähneknirschen, jede Menge Bauchgrummeln und viel zu viel Kopf gegen die Wand schlagen –, aber schließlich akzeptierte ich es.

Nur eine Person akzeptierte es nicht.

Und ich schätze, ich muss das Wort »Person« hier in einem weiteren Sinne fassen.

Norton mochte Janis.

Das war besonders auffällig, weil sie ihn nicht besonders mochte. Zu Tieren wollte sie ebenfalls keine Beziehung aufbauen. Sie verstand nicht, welche Freude einem eine solche Beziehung geben konnte. Sie wollte es nicht verstehen. Aber Norton gab nicht auf. Normalerweise ist meine Katze sehr zufrieden, wenn jemand sie ignoriert. Janis war die einzige Person abgesehen von meinem Vater und Ziggy, deren Nähe Norton aktiv gesucht hat. Wenn sie vorbeikam, streichelte sie ihn nie – aber innerhalb von wenigen Augenblicken war er an ihrer Seite, rieb seinen Körper gegen ihr Bein oder versuchte, sein Gesicht in ihre Handfläche zu drücken. Sie reagierte kaum je darauf – aber auch nach Jahren gab Norton niemals auf. Wann immer er sie sah, rollte er sich auf den Rücken und spielte süßeste Katze der Welt. Wenn sie sich weigerte, ihn anzusehen, dann ging er zu ihr, rieb sich an ihr, schmuste mit ihr, schnurrte. Janis blieb hart – sie kannte die Gefahren, die auf einen lauerten, wenn man sich auf jemanden einließ. Aber Norton blieb ebenfalls hart – er kannte die Freuden, die auf einen warteten, wenn man sich auf jemanden einließ.

Größtenteils blieb ich während dieser Periode – Norton vs. Janis – neutral. Dann kam Sag Harbor.

Zu dem Zeitpunkt, als ich das Haus draußen auf Long Island kaufte, hatte ich bereits für den Sommer mit Norm zusammen ein Haus auf Fire Island gemietet. Der Gedanke an eine letzte Saison, in der ich die Sixish-Treffen vermeiden konnte, reizte mich (vor allem, da ich die Miete bereits bezahlt hatte), also fand ich die perfekte Lösung. Ich lud Janis ein, den Sommer über in meinem neuen Haus mietfrei zu wohnen, unter der Bedingung, dass sie es einrichtet – die Küche mit Utensilien ausstattet, Vorhänge kauft und aufhängt, damit anfängt, den Garten zu gestalten. All die Dinge, von denen ich wusste, dass ich nicht die Zeit, den Geschmack oder die Lust dazu haben würde. Es war ein fairer Deal, und sie stimmte zufrieden zu. Am Ende des Sommers fuhren Norm und ich raus nach Sag Harbor, um uns das Haus anzusehen und mit Janis zu essen. Sie bestand darauf zu kochen; das Essen wurde im Kerzenschein auf der Veranda serviert. Als ich das Haus betrat – es war das erste Mal, seit ich den Kaufvertrag drei Monate zuvor unterschrieben hatte –, konnte ich es nicht glauben. Das Haus war nicht länger nur bezaubernd – es war wunderschön. Es hatte nicht länger seine eigene Persönlichkeit – es hatte die von Janis. Mir war klar, dass sie das Haus genauso liebte wie ich. Das war jedem klar, der es betrat und sah, was sie daraus gemacht hatte.

Wir verbrachten einen wunderschönen Abend. Das Essen war köstlich, wir tranken viel Wein und lachten, bis wir zu müde zum Lachen waren und – zum ersten Mal seit mehreren Jahren fühlte es sich nicht richtig an, von Janis wegzufahren. Es fühlte sich an, als gäbe es da noch etwas Unerledigtes zwischen uns.

Als ich mit Norm in die Stadt zurückfuhr, redeten wir darüber. Ihm war aufgefallen, dass Janis weicher gewesen war als sonst, dass sie offensichtlich nicht so auf der Hut war oder zumindest weniger wachsam (normalerweise umgab sie sich mit Stacheldraht und Deutschen Schäferhunden, die ihre Verletzlichkeit bewachten). Wir diskutierten die Frage, ob die Tatsache, dass zwei Menschen sich am gleichen Ort zuhause fühlten, ausreichte, um daraus eine Beziehung entstehen zu lassen.

Norm fand, dass es reichte – wenn die zwei Menschen endlich bereit für eine Beziehung waren. Er bemerkte außerdem, dass Janis etwas für sie völlig Ungewöhnliches getan hatte. Kurz bevor wir ins Auto stiegen, um zurück nach New York zu fahren, hatte sie sich über die Couch gebeugt und Norton gestreichelt. Einmal, ganz sanft.

Auf der Fahrt hatte es angefangen zu regnen, und ich weiß noch, wie ich Norton im Rückspiegel ansah. Er hatte es sich auf der Rückbank bequem gemacht und döste entspannt. Ich fragte mich, ob ich wirklich eine Katze als Gradmesser für eine Beziehung nehmen konnte.

Norton öffnete die Augen nicht, um meinen Blick zu erwidern. Er würde es mir nicht einfach machen.

Mitte September hatte Janis Geburtstag. Und an ihrem Geburtstag beschlossen wir, unsere Beziehung auf eine andere Ebene zu bringen. Oder sie wieder auf die Ebene zu bringen, auf der sie schon einmal gewesen war. Oder sie weiterzuführen, aber anders. Wie Sie sehen, waren wir nicht ganz sicher, was wir da taten.

Ich bin allerdings sehr sicher, dass wir das, was wir taten oder wurden, niemals getan hätten oder geworden wären ohne Norton.

Mein Haus wurde zu unserem Haus – das von mir, Janis und Norton. Es machte Spaß, die Wochenenden mit Norton in Sag Harbor zu verbringen, und er brachte uns beide zum Lachen. Janis kam nicht über die Tatsache hinweg, dass er mich immer zum drei Blocks entfernten Sean’s Murray Hill Market begleitete. Anders als auf Fire Island gab es in Sag Harbor Verkehr, also war es schwierig, ihn zu nachmittäglichen Spaziergängen zu überreden. Aber früh am Morgen, bevor die Autos anfingen, die Straßen zu verstopfen, lief Norton entspannt hinter uns her und miaute laut wie immer. Er wartete geduldig vor dem Supermarkt, während wir einkauften, dann begleitete er uns wieder zurück. Anfangs wurde Janis immer ungeduldig, wenn Norton beschloss, für zwei Minuten (oder zehn Minuten, abhängig von seiner Laune) in die Büsche zu verschwinden. Sie versuchte mich dazu zu überreden, ihn zuhause zu lassen, wenn es Zeit wurde, Lebensmittel einzukaufen. Bald jedoch lockte auch sie ihn mit auf unsere Einkaufsbummel. Und wenn er uns tatsächlich begleitete, drängte sie mich, langsamer zu gehen, wenn ich so schnell lief, dass die Katze nicht mehr mitkam. »Sei nicht so ungeduldig«, schimpfte sie dann. Sie hörte auf, sich zu beschweren, wenn er abgelenkt wurde, und begrüßte ihn glücklich zurück, wenn er wieder zu uns stieß.

Sie liebte es auch, Norton im Garten beim Herumschleichen zuzusehen. Es gab in Sag Harbor keine Blauhäher, die ihn quälen konnten, aber es gab eine Spottdrossel, die schnell zum neuen Angstgegner meiner Katze wurde. Als die Spottdrossel die Situation einschätzen konnte – das Macho-Level des grauhaarigen Tiers im Garten –, fing sie an, von ihrem Baum heruntergeschossen zu kommen und einen Meter von Norton entfernt auf der Wiese zu landen. Dort stand sie dann und schrie die arme Katze an. Norton war völlig eingeschüchtert. Janis versuchte immer, ihn anzutreiben, wollte, dass er den kümmerlichen Vogel fertigmachte, aber natürlich ohne Erfolg. Sie fing an, es als persönlichen Affront zu sehen, und oft erwischte ich sie dabei, wie sie Norton – genau wie ich vor Jahren auf Fire Island – die Gesetze des Dschungels und das Konzept der Nahrungskette erklärte.

Sie pflanzte Katzenminze für ihn im Garten. Die wuchs jedoch nicht hoch genug, als dass wir sie hätten schneiden und trocknen können. Sobald sie welche pflanzte, stürzte Norton sich darauf, buddelte sie wieder aus und verbrachte ein paar fröhliche Stunden damit, sich im Dreck zu wälzen, während Janis in gespieltem Ernst mit ihm schimpfte.

Es war so schön, die Beziehung zwischen diesen beiden sehr unabhängigen Wesen wachsen zu sehen. Ich hatte mich über die Jahre an Nortons beinahe magische Fähigkeiten gewöhnt, deshalb war es sehr erfrischend mitanzusehen, welche Wirkung er auf sie hatte, und ihr dabei zuzusehen, wie sie seine Wirkung auf andere beobachtete.

Janis war bei uns, als wir eines Tages über den Long Island Expressway nach Sag Harbor fuhren. Ich saß am Steuer, Janis auf dem Beifahrersitz, und Norton befand sich auf seinem üblichen Platz auf der Rückbank, wo er durch das hintere Fenster nach draußen starrte. (Wenn nur wir beide fahren, sitzt Norton vorne, aber Janis mag es nicht, wenn er das in ihrem Beisein tut. Einerseits findet sie es gefährlich. Andererseits – und das ist der wahre Grund – fährt Norton gelegentlich die Krallen aus, um das Gleichgewicht zu halten, wenn das Auto schaukelt, und ruiniert damit ihre Strumpfhose oder reißt kleine Löcher in ihre Bluse. Also legt sich Norton geduldig nach hinten und beobachtet zufrieden die vorbeiziehende Landschaft, bis Janis einschläft. Dann schleicht er sich vorsichtig nach vorn und macht es sich dort bequem.) Es war ein wunderschöner Tag, ich war in Gedanken versunken und raste dabei offensichtlich wie ein Geisteskranker. Als der Polizist auf dem Motorrad uns anhielt, hatte er bereits seinen Strafzettelblock gezückt, während er mir mitteilte, dass ich hundertzwanzig Stundenkilometer schnell gefahren war. Bevor er den Strafzettel jedoch schreiben konnte, blickte er auf die Rückbank.

»Ist das eine Scottish Fold?«, fragte er.

Ich nickte. Bei Polizisten bin ich im Nicken viel besser als im Sprechen.

»Die ist aber schön«, meinte der Lederjacken-Cop. »Ich habe auch eine Fold.«

Ich werde Sie nicht mit den rührseligen Details langweilen. Es reicht, dass Norton sich von dem Polizisten, der drauf und dran war, mich zu einer Strafe zu verdonnern, auf den Arm nehmen und streicheln ließ – und dass ich für mein Vergehen nie bestraft wurde. Meine Straßenverkehrsakte blieb sauber, und der Strafzettel wurde zerrissen.

Janis war auch bei einer anderen Auto-Konfrontation mit Norton dabei, diesmal eine ohne Happy End.

Ich war an jenem Tag ins Büro gefahren und hatte beschlossen, den Kater mitzunehmen. Er war der perfekte berufliche Begleiter, verbrachte den ganzen Tag entweder schlafend auf meinem Tisch oder auf der Couch in der Ecke.

Manchmal lief er aus meinem Büro und über die Flure, um bei Leuten vorbeizuschauen, die er mochte. Längst überraschte es die Leute im Verlag nicht mehr – auch den Vorstandsvorsitzenden nicht –, wenn eine Katze in ihr Büro kam, um Hallo zu sagen.

Es war ein brutal heißer Sommertag, und natürlich war die Klimaanlage in meinem Auto kaputt. Während wir fuhren – Janis vorne, Norton hinten in der Hoffnung, dass sie einschlief –, hatten wir alle Fenster heruntergekurbelt. In der Innenstadt, im Village, auf dem Weg zur Tiefgarage, hielten wir an einer roten Ampel an. An der Straßenecke stand eine Pennerin. Sie war dreckig, wirkte ein bisschen verrückt und war eindeutig obdachlos. Es war ein langer Tag im Büro gewesen, es war zu heiß – was auch immer der Grund war, jedenfalls beachteten Janis und ich die Frau nicht, als sie an unser Auto trat und um Geld bat. Es war, als wäre sie gar nicht wirklich da, als würde sie nicht existieren. Vielleicht wohnten wir auch einfach schon zu lange in New York, wo Obdachlosigkeit eine Lebensart ist, etwas, an das man sich zu leicht gewöhnt.

Während der Wagen noch stand, stellte die Frau mir eine Frage.

»Ist das eine besondere Rasse?«, fragte sie und deutete auf Norton, der sie ansah, die Tatzen auf der hinteren Tür, den Kopf durch das offene Fenster gesteckt.

Ohne lange nachzudenken – abgesehen von meinem arroganten Entschluss, Nortons Stammbaum nicht mit einer Obdachlosen zu diskutieren –, sagte ich schlicht: »Nein. Er ist eine ganz gewöhnliche Katze.«

»Oh«, meinte sie. »Er sieht aus wie eine Scottish Fold.«

Die Ampel wurde grün. Bevor ich weiterfahren konnte, fügte sie mit einem sehnsüchtigen Seufzen hinzu: »Ich hatte früher sieben Siamesen.«

Sie steckte die Hand durch das Fenster, strich Norton über den Kopf und ging mit erstaunlicher Würde weiter.

Zu Nortons großer Freude ließ Janis ihn für den Rest der kurzen Fahrt zur Tiefgarage vorne sitzen. Sie umarmte ihn sogar. Ich bin sicher, es freute ihn auch, dass wir beide danach Obdachlose mit anderen Augen sahen. Es war ein heilsamer Schock für unsere hochnäsige Überlegenheit.

Janis war auch bei Nortons einzigem Katzenkampf dabei, eine in jeder Hinsicht traurige Sache.

Ich hatte schon lange vermutet, dass Norton kein geborener Kämpfer war. Im Garten schlich er sich manchmal an den einen oder anderen gefährlichen Schmetterling heran, aber das war das ganze Ausmaß seines aggressiven Potenzials. Leider muss man sich als Besitzer einer draußen herumstreifenden Katze der Tatsache stellen, dass sie dort anderen Katzen begegnen könnte.

Uns war ein großer oranger, pelziger Zeitgenosse aufgefallen, der offenbar gerne am späten Nachmittag durch unseren Garten in Sag Harbor streunte. Wenn Norton bei seinem Auftauchen draußen war, dann miaute er entweder sofort, weil er reingelassen werden wollte, oder er rannte in den Vorgarten, um sich in eines seiner Geheimverstecke zu verziehen. Wenn dieser grobschlächtige Kater kam, während Norton drinnen in Sicherheit war, stand Norton an der Hintertür und fauchte ihn von seinem geschützten Platz hinter der Fliegengittertür laut an. Er machte einen Buckel, fuhr seine Krallen aus und sah sich anschließend beifallheischend nach uns um. Janis und ich versicherten ihm dann stets, was für ein mutiger Bursche er war und wie stolz wir auf ihn waren. Vielleicht wurde Norton deshalb übermütig.

Eines Nachmittags saß ich oben in meinem Arbeitszimmer und schrieb, als ich plötzlich ein entsetzliches Schreien hörte. Es war ein Laut erfüllt mit Schmerzen und Angst, und er schien ewig anzudauern. Dann schrie Janis. Sie brüllte meinen Namen und dass ich sofort runterkommen sollte.

Ich lief, so schnell ich konnte, aber in den wenigen Sekunden, die es dauerte, hörte ich lautes Fauchen und Heulen, hohes Knurren und etwas, das klang, als würden zwei Sumo-Ringer gegeneinanderprallen. Als ich nach draußen kam, lief das orange Monster triumphierend über die Wiese. Ich schrie und winkte mit den Armen. Das schien den Kater zwar nicht zu beeindrucken – er sah mich an, als sei er sicher, es auch mit mir aufnehmen zu können –, aber er verstand, dass er hier nicht willkommen war. Als er über den Zaun in den Nachbargarten gesprungen war, suchte ich nach Norton.

Mein Kater kommt sonst immer, wenn ich ihn rufe. Immer. Aber diesmal nicht. Janis und ich suchten ihn zwanzig Minuten lang überall. Kein Norton. Ich bekam es langsam wirklich mit der Angst zu tun, als ich schließlich ein ganz leises und sehr klägliches Miauen hörte. Ich blieb stehen und lauschte, hörte es wieder. Janis ebenfalls. Es schien unter meinem Auto hervorzukommen, das auf der Einfahrt geparkt war.

Ich ging runter auf alle viere, und tatsächlich, dort kauerte Norton. Ich brauchte mehrere Minuten, um ihn herauszulocken, doch dann kam er endlich zu mir. Als er zwischen den Autoreifen hindurchschlüpfte, keuchte Janis auf. Norton blutete über der Nase und an der rechten Schulter. Sein Fell war matt und verklebt, und er war so verängstigt, dass er nur noch halb so groß wirkte wie sonst, was ohnehin nicht besonders groß war. Als ich ihn auf den Arm nahm, merkte ich, dass er sich vor lauter Angst eingekotet hatte.

Ich beruhigte ihn, so gut ich konnte, dann trug ich ihn nach oben ins Bad. Ich setzte ihn in die Wanne, drehte das Wasser an, sodass es sanft aus dem Hahn floss, und machte ihn sauber. Er wehrte sich nicht. Als er wieder sauber war, konnte ich erkennen, dass seine Verletzungen nicht schlimm waren. Die körperlichen Wunden waren oberflächlich, aber die emotionalen Narben saßen tief. Nachdem ich ihn abgetrocknet hatte, schlich er zaghaft in mein Schlafzimmer, sprang aufs Bett und kroch unter die Decke. Er wühlte sich seinen Weg bis ans Fußende, und dort blieb er für den Rest des Nachmittags. Immer mal wieder versuchte ich, ihn rauszulocken, aber er schämte sich so sehr, dass er mich nicht einmal ansehen wollte. Am Abend hatte er den Kopf immer noch nicht unter dem Quilt hervorgesteckt.

Da beschloss Janis, dass eine Frau die Sache in die Hand nehmen sollte. Ich sah zu, wie sie sich aufs Bett setzte und die Decke vorsichtig zurückzog. Norton rollte sich zu einem Ball zusammen und versteckte sein Gesicht. Aber während er mich bei meinen Aufheiterungsversuchen nicht mal angesehen hatte, fing er bei Janis langsam an, sich zu entspannen, während sie ihn streichelte und ihm Sachen zuflüsterte. Innerhalb von Minuten kam seine kleine Zunge heraus und leckte ihr die Finger. Als sie ihm sagte, dass es jetzt Zeit wurde, mit nach unten zu kommen und sein Abendbrot zu essen, stand er auf, sprang vom Bett herunter und folgte ihr die Treppe hinunter.

Es dauerte ein paar Tage, bevor Norton wieder ganz auf der Höhe war. Er konnte mir für eine Weile nicht in die Augen sehen. Irgendwie schämte er sich vor seinem Dad mehr für seine Auseinandersetzung mit dem orangefarbenen Chuck Norris als vor seiner neuen Mom. Mir fiel auf, dass Norton und Janis sich danach näherstanden. Irgendwie vertraute er ihr mehr als zuvor. Und irgendwie wusste sie das und tat das Gleiche.

Weil Janis sich so gegen eine Beziehung wehrte, war es leicht, ihre Höhen und Tiefen anhand ihrer Reaktionen auf die Katze zu beobachten. Wenn sie von ihrer Angst oder der Klaustrophobie einer Beziehung überwältigt wurde, dann schob sie Norton weg. Wenn sie mir liebevoll gesonnen war, war es einfacher, es der Katze zu zeigen. Es war sicherer.

Unseren größten Streit hatten wir am Anfang über Nortons Schlafplatz. Sie hasste es, dass er bei uns schlief. Ich hatte den Punkt erreicht, wo ich nicht mehr gut schlafen konnte, wenn er nicht bei mir im Bett war. Sie fühlte sich erdrückt von ihm – vor allem, weil er darauf bestand, direkt zu ihrer Linken zu schlafen, neben ihrem Kopf. Da ich direkt zu ihrer Rechten lag, war sie mitten zwischen uns gefangen – für acht Stunden während der Nacht.

Norton ging vor uns beiden ins Bett und legte sich normalerweise auf Janis’ Kissen (er schlief noch immer wie ein Mensch – den Kopf auf dem Kissen, den Körper unter der Decke). Sie ging dann vor mir ins Bett, hob Norton hoch und warf ihn kurzerhand auf den Boden. Dann kam schließlich ich, und wenn ich das Licht ausmachen wollte, rief ich meinen Kumpel, und er kam angelaufen. Zuerst schlief er an meiner Seite, aber sobald es möglich war – was bedeutete, sobald Janis schlief und nicht dagegen protestieren konnte –, zog er auf ihre Seite um. Sie schlief also distanziert und gemütlich ein, nur um mitten in der Nacht umzingelt aufzuwachen.

Die erste Phase der Erweichung kam, als sie aufhörte, Norton aus dem Bett zu werfen. Sie fing an, ihn stattdessen auf mein Kissen hinüberzusetzen. Dann wurde sie wütend, wenn sie sah, wie ich versuchte, mich ins Bett zu legen, ohne ihn zu stören.

»Er ist nur eine Katze!«, sagte Janis dann. »Schmeiß ihn runter vom Bett.«

»Nein, er liegt doch gerade so bequem«, antwortete ich dann, während ich versuchte, meinen müden Körper auf die sechzig Zentimeter Platz zu zwängen, die mir noch blieben.

»Wirf ihn raus!«, sagte sie wütend – aber wir waren uns beide bewusst, dass sie ihn nicht rausgeworfen hatte.

Diese Phase dauerte lange. Über ein Jahr. Es war die Phase in unserer Beziehung, in der keiner von uns wusste, ob wir zusammenbleiben würden, aber in der wir beide dachten, dass es so sein könnte, falls der Mensch zu so etwas wie einer dauerhaften Beziehung überhaupt in der Lage war. Sie warf uns nicht raus – weder mich noch die Katze –, aber sie hieß uns auch nicht mit offenen Armen in ihrem Leben willkommen.

Während dieser Phase wurde unsere Beziehung enger und stärker – wir entspannten uns beide; wir hörten beide auf, ständig über alles nachzudenken, und akzeptierten einfach, was war – und so war es auch mit Janis’ Beziehung zu Norton.

Phase zwei war erreicht, als ich eines Abends nach oben kam und Janis mit Norton neben sich schlief – auf ihrer Seite des Bettes. Er nahm die Hälfte ihres Kopfkissens ein. Sie hatte sich nicht mit dem Platz zufriedengegeben, den er ihr ließ, um ihn nicht zu stören, aber sie hatte ihn auch nicht weggeschoben. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt sagte sie mir zum ersten Mal, dass sie mich liebte.

Phase drei kam Monate danach, kurz nach dem berüchtigten Katzenkampf. Erschöpft war ich früh eingeschlafen, lange bevor Janis ins Bett ging. Norton, überglücklich, dass er mich ganz für sich allein hatte, ließ sich mitten auf ihr Kissen plumpsen und nahm unsere alte Schlafposition wieder ein, die Hälfte des Bettes für mich, die andere Hälfte für ihn.

In dieser Nacht schlief ich nicht sehr tief, deshalb war ich halb wach, als Janis schließlich ins Bett kroch. Ich sah, wie sie vorsichtig über den schlafenden Norton stieg – sehr vorsichtig, als wolle sie ihn nicht stören. Genau wie ich es schon so viele Male vorher getan hatte, zwängte sie sich auf die sechzig Zentimeter Schlafplatz zwischen mir und der Katze. Ich schlief ein, nachdem ich gespürt hatte, wie sie mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn gab – und nachdem ich gesehen hatte, wie sie ihr Ohr an Norton legte, um ihn schnurren zu hören, und wie sie auch ihm einen Gute-Nacht-Kuss gab.

Ungefähr zu dieser Zeit wurde uns klar, dass wir vielleicht einen großen Teil unseres Lebens zusammen verbringen würden.

Phase vier entstand auf komplizierte und umständliche Weise. Eines kann ich jedoch sagen, es war auf jeden Fall ein guter Test für unsere Beziehung. Und es passierte, weil ich zustimmte, meine Katze erneut nach Paris reisen zu lassen.

Es fing an mit einem weiteren Anruf von Roman Polanski, bei dem er mir mitteilte, dass er fand, wir sollten wieder etwas zusammen schreiben. Nicht etwas umschreiben – dieses Mal wollte er es von Anfang an mit mir machen.

Wir beschlossen, ein Buch zu verfilmen. Keiner von uns sprudelte nur so über vor Ideen für wunderbare, originelle Geschichten, und wir fanden, dass eine Adaptierung lustig, einfach und vom technischen Standpunkt aus gesehen sehr interessant war. Schon kurz nachdem ich zugestimmt hatte, dachte ich an ein Buch, zu dem ich gerne ein Drehbuch schreiben wollte. Es war brillant, es war dramatisch, es war unglaublich lustig und auf tragische Weise traurig. Ich holte es aus meinem Bücherregal, starrte es für mehrere Sekunden an und stellte es dann an seinen Platz zurück. Zu abgedreht, beschloss ich. Alle würden mich für verrückt halten. Es handelte sich um Der Meister und Margarita von Michail Bulgakov. Ich habe nie jemandem davon erzählt. Roman nicht und auch dem Studio nicht.

Ich fand kein anderes Buch. Polanski auch nicht. Das Studio schickte uns ständig Thriller. Der Regisseur lehnte sie ständig ab. Dann, ein volles Jahr, nachdem wir unsere Zusammenarbeit beschlossen hatten, rief Roman mich an. »Ich weiß, was ich machen will«, sagte er. »Hast du je von einem Buch namens Der Meister und Margarita gehört?«

Ich hielt das für einen Scherz. Er versicherte mir, dass es keiner war. Mir ging das Herz auf, und zwei Wochen später saßen Norton und ich in Paris und versuchten, aus einem der größten literarischen Werke des 20. Jahrhunderts ein Drehbuch zu machen. Ich weiß nicht, ob der Film jemals tatsächlich gedreht werden wird. Wahrscheinlich nicht, ist meine Vermutung. Zu teuer und zu abgedreht. Keine Chance auf eine Fortsetzung. Das sind die Unwägbarkeiten und Frustrationen, wenn man im Filmgeschäft arbeitet. Aber eines weiß ich genau: Es war nicht einfach.

Die Arbeit war qualvoll. (Oder zumindest so qualvoll, wie Schreiben sein kann. Ich möchte das Schreiben eines guten Dialogs auf keinen Fall gleichsetzen mit der Bekämpfung einer brennenden Ölquelle oder dem Ernten von Reisfeldern.) Roman war wie besessen von der Recherche und hielt sich peinlich genau an das seiner Arbeit zugrundeliegende Original. Er las das Buch auf Englisch. Dann las er es noch einmal auf Amerikanisch (es gibt zwei unterschiedliche Übersetzungen). Dann auf Polnisch, Französisch und schließlich Russisch. Jedes Mal, wenn er eine andere Fassung gelesen hatte, kamen ihm andere Ideen, oder alles lief in eine andere Richtung. Mit jeder neuen Idee arbeitete ich eine weitere Nacht – und ich arbeitete allein; die Nacht war für Roman definitiv nicht zum Arbeiten gedacht – bis zwei oder drei Uhr morgens.

Gott sei Dank hatte ich Norton. Nie habe ich seine Anwesenheit so zu schätzen gewusst wie zu dieser Zeit. Meistens legte ich mich, wenn ich abends von einem Tag bei Polanski nach Hause kam und intellektuell wie emotional völlig ausgelaugt war, für ein oder zwei Stunden aufs Bett, und Norton kuschelte sich an meine Seite. Dann bestellte ich den Zimmerservice oder ging mit Norton irgendwo etwas essen – dann wieder zurück in die Wohnung, wo ich noch mehrere Stunden über die Schreibmaschine gebeugt saß und versuchte, aus den Notizen und Entscheidungen des Tages etwas zu machen. Norton saß dann auf dem Tisch, direkt zu meiner Linken, und sah mir dabei zu, wie ich damit rang, dieses Buch in eine angemessene Filmform zu bringen.

Während ich versuchte, diesem verworrenen Roman einen Sinn zu entlocken, und während ich mit Roman – wieder und wieder – darüber sprach, machte es bei mir irgendwann klick. Aus dem Morast aus politischen und intellektuellen Theorien, die es in dem Buch im Überfluss gibt, rückte eine Sache in den Vordergrund. Während wir schrieben und diskutierten und stritten und uns anschrien und miteinander rangen, ergab diese großartige und dichte Fantasiegeschichte plötzlich auf eine Art einen Sinn wie noch niemals zuvor. Und merkwürdigerweise – sehr merkwürdigerweise, da mein Leben extrem weit entfernt ist von den im Buch dargestellten – erhielten das Buch und das Drehbuch einen Sinn durch meine sich entwickelnde Beziehung zu Janis. Und, ja, durch meine Beziehung zu Norton.

Der Meister und Margarita wurde in den 1930er-Jahren geschrieben und wurde nur deshalb 1939 beendet, weil der Autor in jenem Jahr starb, blind und bettelarm und ein Opfer von Stalins Unterdrückung. Es lässt sich leicht erzählen, was in dem Buch passiert. Aber es ist nicht leicht zu sagen, wovon es handelt. Die Haupthelden sind der Teufel, ein selbstmordgefährdeter Schriftsteller, ein schlechter Dichter, eine zwei Meter große Katze mit Zylinder und Weste, Jesus Christus, Pontius Pilatus und die schönste Frau der Welt. Es gibt brutale Morde, öffentliche Demütigungen, Kreuzigungen und eine Konfrontation mit dem ultimativ Bösen. Es finden sich auch scharfe Satire, zum Schreien komischer Slapstick, politische Parodien, religiöser Revisionismus und erschütternde philosophische Erkenntnisse. Es gibt Geister und Leute, die durch die Luft fliegen, und magische Transformationen. Oh – und es ist auch die größte Liebesgeschichte aller Zeiten. Alles in allem schätze ich, dass es verständlich ist, warum sich die Studios in Hollywood so schwer damit tun, grünes Licht für die Finanzierung zu geben: Wir reden hier nicht wirklich von einer Fortsetzung von Kevin allein zu Haus.

Jedenfalls, nach endlosem Durchsehen, Sortieren, Recherchieren, Kürzen und Verlängern wusste ich schließlich, worum es bei Der Meister und Margarita wirklich geht. Und da wären wir wieder bei Cindy und ihren Abschiedsworten vor vielen Jahren.

Du weißt nicht, was Liebe ist.

Dank dieser Reise nach Paris, dank Janis und unserer wachsenden Beziehung, und vor allem dank einer kleinen grauen Katze mit einem runden Kopf und gefalteten Ohren weiß ich jetzt, was Liebe ist. Ich weiß jetzt nicht nur, was sie ist, ich habe sie gefunden. Ich habe gesehen, wie sie funktioniert, und ich habe gesehen, was sie tun kann.

Einige Tage, bevor ich das Ende des Drehbuchs schrieb, rief Janis mich an. Sie war draußen in Sag Harbor. Es war früh am Morgen nach ihrer Zeit, und früher Nachmittag bei mir.

»Wieso bist du denn schon so früh auf?«, fragte ich.

»Ich konnte nicht schlafen«, erklärte sie mir. »Ich schlafe in letzter Zeit nicht gut.«

»Warum nicht?«, wollte ich wissen.

»Ich vermisse dich«, sagte sie.

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, bin ich süchtig nach solchen Sätzen. »Ooohhh«, sagte ich. »Das ist so schön.«

»Aber das ist es nicht nur«, fügte sie hinzu.

»Was denn noch?«

»Ich schlafe nur noch gut, wenn Norton neben mir liegt.«

Und so war es Janis’ Erreichen von Phase vier, das mir den Mut verlieh zu entscheiden, dass es in unserem Drehbuch zu Der Meister und Margarita vor allem um die Liebe gehen sollte. Um die Liebe in ihrer realsten Bedeutung. Um die Liebe zwischen zwei Menschen. Zwei echten Menschen. Um Liebe, die Politik und Unterdrückung und Kunst und Geschichte und Grausamkeit und sogar den Tod überdauert. Das Drehbuch zum Film endet so, wie Bulgakov sein Buch enden lässt. Der Meister und Margarita fliegen davon, nicht in den Himmel, sondern in eine Welt der Zweisamkeit, wo sie der oft grausamen und stets absurden Welt entkommen können, in der wir leben.

Meine Interpretation dieses großartigen Romans war, dass jeder von uns vor allem versuchen sollte, in einer Welt zu leben, in der die Liebe größere Priorität hat als der Schmerz. Nur dass es in meinem Fall, und jetzt auch in Janis’, keine Welt der Zweisamkeit ist. Norton, der in diesem Moment auf meinem Tisch fünfzehn Zentimeter zu meiner Linken sitzt und mir dabei zusieht, wie ich diese Worte schreibe, erinnert mich daran, dass es definitiv eine Welt der Dreisamkeit ist.