Macht Geld glücklich?

Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muss für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, dass Glück das »Billigste« ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen einer Gesellschaft, die sich für alles bezahlen lässt, noch nicht aufgegangen.

ERICH FROMM

 

Führt größerer Wohlstand automatisch zu einer größeren Zufriedenheit, zu größerem Glück? Wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, dass das Glücksniveau in unserer modernen Welt nicht gestiegen ist, obwohl der Lebensstandard sich dramatisch verbessert hat, so der Psychologe und Nobelpreisträger für Ökonomie Daniel Kahnemann. Reichtum macht uns nicht glücklicher, zumindest nicht in der westlichen Welt. Sofern das Jahreseinkommen der Menschen eines Landes durchschnittlich mindestens 10.000 Dollar beträgt, führt ein höherer Verdienst nicht dazu, die Bewohner glücklicher zu machen.

In sehr armen Ländern sieht die Situation natürlich grundsätzlich anders aus. Hier hat eine gewisse finanzielle Sicherheit eine noch existenziellere Bedeutung für die Menschen und wirkt sich noch stärker auf ihr subjektives Wohlbefinden aus. Zunächst müssen die für das Überleben nötigen Grundbedürfnisse befriedigt werden können. Nur so sind die Menschen überhaupt in der Lage, ein Gefühl der Sicherheit zu entwickeln. Daher sind zusätzliche finanzielle Mittel in armen Ländern ein überaus wichtiger Glücksfaktor.

Das Glück der Millionäre

Der britische Sozialpsychologe Michael Argyle stellte fest, dass amerikanische Multimillionäre im Schnitt nicht glücklicher sind als Normalverdiener (67 Prozent der Millionäre fühlten sich glücklich im Vergleich zu 62 Prozent der zufällig ausgewählten Befragten – ein statistisch kaum relevanter Unterschied). Und eine Studie des Soziologen Paul Schervish und seiner Kollegen vom Center on Wealth and Philantrophy in Boston ergab, dass Millionäre häufig von Ängsten und Sorgen geplagt werden. Manche glauben, angesichts ihres Reichtums gar kein Recht zu haben, sich über irgendetwas zu beklagen. Häufig fühlen sich sehr reiche Menschen auch isoliert und einsam. Andere machen sich Sorgen um ihre Kinder. Sie befürchten, dass diese aufgrund des luxuriösen Lebensstils zu sehr verwöhnt werden oder aber – auch wenn das fast absurd klingt – dass sie ihren Kindern zu wenig vererben können. Genauso absurd klingt es, wenn einige der Befragten befürchten, selbst finanziell nicht genug abgesichert zu sein. Aber offenbar kann sich die Wahrnehmung erheblich verschieben, wenn man über ein großes Vermögen verfügt.

Die Konsumlüge

Die Werbung hält viele Glücksbotschaften für uns bereit. Aber die Wissenschaft zeigt, warum der Konsum uns nicht glücklich machen kann. Das hat der britische BBC-Reporter Mark Easton in seiner gut gemachten Reportage »The Recipe for Happiness« anschaulich dargestellt (zu sehen im Internet unter http://news.bbc.co.uk/​2/​hi/​programmes/​ happiness formula/default.stm). Viele Menschen träumen davon, sich ein teures Luxusauto leisten zu können. Was geschieht nun aber – fragt Easton, während er demonstrativ in einem teuren Rennwagen sitzt –, wenn jemand in der Lage ist, sich diesen Traum tatsächlich zu erfüllen? Bei der ersten Fahrt, so Easton, wird ihn ein erhebendes Gefühl überkommen und er wird sich wahrscheinlich über alle möglichen Details freuen. Über das schnittige Design, die Innenausstattung, den Klang des Motors, das tolle Fahrgefühl. Doch das zweite, dritte oder hundertste Mal wird der Besitzer des Luxuswagens diesen nicht mehr auf die gleiche Weise genießen, sondern sich nach einem noch größeren oder schickeren Modell sehnen. Denn wir gewöhnen uns sehr schnell an die Dinge, die wir besitzen. Glück erleben wir, so der Psychologe Daniel Kahnemann, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf etwas Angenehmes richten. Und auf ein Auto können wir uns nicht lange konzentrieren. Daher bringen uns zahlreiche kleinere Freuden viel mehr als eine teure Anschaffung. Denn neue Wünsche entstehen sehr rasch.

Wenn die Messlatte nach oben rutscht

Der zweite Grund, warum wir durch größere Anschaffungen nicht glücklich werden können, besteht darin, dass wir uns ständig mit anderen vergleichen. Auch das zeigt Mark Easton in seiner Reportage. Sobald wir uns etwas Schönes kaufen, besteht die Gefahr, dass ein anderer uns übertrumpft, etwa ein Arbeitskollege oder Nachbar. Zunächst freuen wir uns über unser neues Auto. Doch sobald ein Nachbar mit einem größeren Modell vor dem Haus parkt, kann sich die Freude schnell relativieren.

Der Wirtschaftsjournalist Harald Willenbrock hat dieses Phänomen treffend beschrieben:

Jedes Mehr-Einkommen versickert im dicken Teppich der Lebensumstände, an die wir uns gewöhnt haben. Um dauerhaft mehr Glück zu erleben, müssten wir also auch fortlaufend mehr Geld beschaffen. Wie kräftig wir uns jedoch auch ins Zeug legen und finanziell verbessern mögen – es ist irgendwie nie genug. Denn wenn wir unseren Lebensstandard beurteilen, orientieren wir uns zwangsläufig an dem, was Nachbarn, Kollegen und Konkurrenten besitzen, wobei wir ernüchtert feststellen, dass es immer andere gibt, die mehr haben als wir.

Von der Relativität des Glücks

Wir Menschen sind Meister darin, uns an neue Situationen anzupassen. Nach großer Freude gleichen sich unsere Gefühle relativ rasch wieder an den Normalzustand an. Lottogewinner sind ein Jahr nach ihrem Gewinn genauso glücklich oder unglücklich wie zuvor. Nach einer Zeit des emotionalen Überschwangs gewöhnen sie sich an den neuen Lebensstandard und ein großer Teil ihres Gewinns ist schnell verbraucht.

Die Anpassungsfähigkeit gilt auch für negative Ereignisse. So lag das Glücksniveau von Querschnittsgelähmten ein Jahr nach ihrem Schicksalsschlag wieder im Normalbereich. Zunächst machten die Betroffenen eine schwierige, extrem unglückliche Zeit durch. Aber dann gelang es ihnen, sich ihrer neuen Situation anzupassen.