20. KAPITEL

Am Nachmittag des nächsten Tages erhielt Sebastian eine dringende Nachricht von Hope.

„Meine Schwester Charity liegt in den Wehen“, empfing sie ihn, sobald er eintraf. „Wir brechen noch heute nach Carradice Abbey auf.“

„Aber ich dachte ...“

„Schon, aber meine Schwester Prudence ist ebenfalls guter Hoffnung, und von den Bewegungen der Kutsche wird ihr furchtbar schlecht. Daher sind Charity und ihr Ehemann Edward vor einigen Monaten nach Carradice Abbey gereist, um auf die Geburt zu warten. Prudence muss bei ihr sein, weißt du.“ „Verstehe.“ Die Brust schnürte sich ihm zusammen. Sie würde ihm gleich wieder entrissen werden, jetzt, da er sie endlich gefunden hatte. „Wann werde ich dich Wiedersehen?“

Sie nahm seine Hände. „Komm mit uns. Bring deine Schwestern mit. Gideon und Prudence wird es nicht stören. Sie werden sie lieben.“ Sie blinzelte eine Träne fort. „Ich möchte dich bei mir haben, Sebastian. Charity ist die Erste von uns, die ein Kind bekommt, und ich habe sie so lange nicht gesehen.“ Sie biss sich auf die Lippe, schaute ihn an.

Sie machte sich Sorgen um ihre Schwester, erkannte er. Frauen starben immer wieder bei der Geburt oder kurz danach. Er dachte an Thea, die alleine gestorben war.

„Wenn du es willst, komme ich selbstverständlich mit“, erklärte er schlicht.

Innerhalb einer Stunde stand eine Reihe Kutschen zur Abfahrt bereit. Zu Sebastians Überraschung war auch Lady Augusta mit von der Partie. „Würde es um nichts in der Welt verpassen wollen, lieber Junge“, rief sie. „Ich werde Großtante. Wussten Sie nicht, dass die Schwestern der Mädchen mit meinen Neffen verheiratet sind?“

Sie kamen hervorragend voran und kehrten in Leicester zur Nacht ein. Der Gasthof war klein, aber sauber und gemütlich, und die Reisegesellschaft belegte alle verfügbaren Zimmer.

Die füllige, mütterliche Gattin des Wirtes brachte alle Damen nach oben, wo heißes Wasser sie erwartete. Sie servierte ihnen Hühnersuppe, frische Brötchen und eine herzhafte Fleischpastete, gefolgt von Apfelkuchen mit Sahne. Innerhalb einer Stunde nach ihrer späten Ankunft lagen alle in ihren Betten.

Sebastian konnte nicht schlafen, ohne nach seinen Schwestern gesehen zu haben. Er spähte zur Tür herein. Zusammen mit Grace lagen sie in einem riesigen Bett, schlummerten tief und fest wie kleine Kätzchen. Das Dienstmädchen Lily schlief auf einer schmalen Liege in der Ecke.

Am liebsten hätte er auch nach Hope gesehen, aber sie teilte sich ein Zimmer mit ihrer Zwillingsschwester. Die Wirtin sah ihn vor der Tür zögern und sagte fest: „Die Damen schlafen alle schon. Gehen Sie auch ins Bett, Sir.“

Sebastian ging. Aber trotz seiner Erschöpfung kam der Schlaf nicht leicht. Es begann zu regnen, und die Tropfen prasselten gegen die Fensterscheiben.

„Schläfst du?“ Es war Hope, nur mit einem Flanellnachthemd bekleidet, ihre Wangen rot und ihre goldenen Locken wirr. Ihr Nachthemd war weit geschnitten und bis zum Kinn zugeknöpft, trotzdem hatte nie eine Frau verführerischer ausgesehen. Sie sah so rein aus, frisch und liebreizend, aber trotzdem zerknautscht und sinnlich. Wie ein köstlich verpacktes Geschenk.

Er setzte sich auf, erinnerte sich, dass er nackt war und zog die Decke hoch. „Was ist?“ Sie sollte nicht hier sein.

„Ich kann nicht schlafen“, sagte sie betrübt und kam zum Bett. „Ich möchte hier bei dir bleiben.“

Er zögerte und wandte schwach ein: „Das solltest du nicht.“ „Stimmt.“ Sie kletterte in ihrem Nachthemd und barfuß zu ihm auf die Matratze und kniete sich neben ihn.

„Ich hasse die tiefe Nacht, wenn ich nicht schlafen kann. Du musst mich halten, Sebastian.“ Ihre Unterlippe zitterte. Es passte so gar nicht zu seiner tapferen kleinen Elfe, dass er es nicht ertrug. Er breitete seine Arme aus, und sie warf sich hinein.

Augenblicklich war er erregt.

Sie schmiegte sich an seine nackte Brust und rieb ihre Hand über die festen, kurzen Härchen. „Das ist schön.“

Trotz seines heftigen Verlangens zwang er sich, sie sachte von sich fortzuschieben, und zog das Laken hoch, um seine Blöße zu bedecken. Sie hatte ihn einmal edelmütig genannt. Edelmütig war nicht, ihr die Jungfräulichkeit in einem kleinen Landgasthof zu rauben, während ihr Großonkel und der Rest der Familie nur ein paar Schritte entfernt schliefen.

Sie erschauerte, und er beugte sich über sie, zog die Bettdecke um sie fest, eine weitere Barriere zwischen ihrer weichen Wärme und sich.

Sie runzelte die Stirn. „Ich möchte doch im Bett mit dir liegen.“

„Das geht nicht“, entgegnete er knapp. „Ich habe kein Nachthemd.“

„Wirklich?“ Aus weit aufgerissenen Augen betrachtete sie seine breiten nackten Schultern. Sie streckte die Hand aus und knetete seine Haut wie eine Katze, ließ ihn ganz vorsichtig ihre Fingernägel spüren.

Seine Erregung wuchs. So wie auch seine Entschlossenheit, sie so zu behandeln, wie eine jungfräuliche Unschuld behandelt werden sollte. Er würde sie züchtig im Arm halten, selbst wenn es ihn umbrachte. Auch wenn es schwerer war, als alles andere in seinem Leben. Es würde ihn nicht umbringen. Wenigstens hoffte er das.

Sie schlüpfte aus den Decken, in die er sie gewickelt hatte, und statt seine Qual zu lindern, erfüllte es ihn mit einem Gefühl des Verlustes. Sie krabbelte über seine Beine und setzte sich auf seine Oberschenkel. Das Nachthemd war hochgerutscht. Er atmete scharf aus.

„Ich bin kein Kind, Sebastian.“

Er stöhnte. „Dessen bin ich mir bewusst.“

Sie rieb ihren Po an seinen Beinen, und er stöhnte wieder. Lächelnd wiederholte sie die Bewegung, dann beugte sie sich vor und begann seine Schultern zu streicheln. Seine Schultern und dann seinen Brustkorb, die Arme. Seine Muskeln zuckten unter ihren Händen.

„Wenn man sich vorstellt, dass ich einmal deswegen nervös war“, murmelte sie. „So schön.“

Mit der Fingerspitze umkreiste sie seine Brustwarzen, kratzte sie ganz leicht mit den Nägeln. „Versuchst du wieder edel zu sein, Sebastian?“, fragte sie leise.

„Ich gebe mir verdammt viel Mühe“, stöhnte er.

„Aber wir werden doch heiraten, oder?“

Er versuchte nicht daran zu denken, was ihre unschuldige Berührung mit ihm anstellte. „Das weißt du doch.“

Sie lehnte sich zurück und lächelte verführerisch. „Warum müssen wir dann warten? Ich begehre dich, Sebastian.“ Ihre Hand glitt tiefer. „Begehrst du mich nicht?“

„Du weißt verdammt gut, dass ich das tue“, knurrte er. „Neulich in der Oper, da hast du mir eine völlig neue Welt gezeigt, und ich meine nicht den Anblick Londons bei Nacht.“ Sie beugte sich vor und knabberte ganz zart an einer seiner Brustwarzen. „Faszinierend“, hauchte sie. „Wie bei mir, nur ganz anders ... und nicht in gelben Rüschen.“

Das Bild, das sie mit ihren Worten malte, entlockte ihm ein gequältes Stöhnen.

„In der Nacht in der Oper, da hast du mir gezeigt, welche Lust ein Mann - der richtige Mann - einer Frau bereiten kann.“ Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. „Und an dem Tag, an dem Dorie wieder zu sprechen begonnen hat, auf der Chaiselongue in deinem Salon, hast du mir eine Kostprobe deiner Hitze, deiner Stärke gegeben. Und du hast mir herrliches Vergessen geschenkt. Ich möchte das wieder. Jetzt. Und ich will mehr.“ Fast sah sie ein bisschen schüchtern aus, als sie erklärte: „Ich möchte geliebt werden, voll und ganz und rückhaltlos. Hier und jetzt und in diesem Bett, während der Regen an die Scheiben klopft und meine Schwester in Wehen liegt. Ich möchte das alles ausschließen und ganz allein mit dir sein, mit meinem wunderbaren, starken Beschützer Sebastian.“

Bei ihren Worten bildete sich ein Klumpen in seiner Kehle. Ehe er etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: „Weißt du, dass du die allerherrlichsten Schultern hast? Allein vom Anschauen werde ich schwach.“ Ihre Augen strahlten, als sie hinzufügte: „Wirst du mich jetzt also bitte lieben?“ Ob er sie bitte jetzt lieben würde?

Als wäre sie es, die hilflos in den Netzen eines verzweifelten Verlangens zappelte, nicht er. Ein Schauer durchlief ihn, und er schluckte, zügelte seine Lust, um seiner Dame zu Gefallen zu sein. Seiner unschuldigen Herzensdame. Heute Nacht gehörte ihr, ihr allein.

Er ließ das Laken auf seine Hüften rutschen und beobachtete hungrig, wie sie ihn mit schüchterner, weiblicher Faszination musterte. Behutsam legte er ihr die Hände auf die Hüften und zog sie zu sich. Dabei rutschte ihr Nachthemd höher, bis es sich um ihre Taille bauschte, sie gerade noch notdürftig bedeckte.

Es würde nur einen Moment dauern, den Stoff zur Seite zu schieben und in sie einzudringen. Sein ganzer Körper pochte vor Verlangen, sie ganz zu besitzen. Sie war bereits erregt, das konnte Sebastian sehen. Seine Frau. Seine Seelengefährtin. Seine Liebste.

Eine Weile regte er sich gar nicht. Dann umfing er ihr Gesicht und zog ihren Mund sachte auf seinen. Sie beugte sich vor, die Hände auf seinen Schultern, die sie herrlich genannt hatte, und küsste ihn zärtlich.

Mit seinen Lippen teilte er ihre, vertiefte allmählich den Kuss. Immer drängender liebkoste er ihre Zunge, bis sie sich an ihn klammerte, mehr verlangte.

Sie streichelte und rieb seine Schultern, fuhr mit den Fingern durch sein kurz geschnittenes Haar, presste sich mit geschlossenen Augen an ihn, während sie sich im Kuss verlor.

Seine Zunge umspielte ihre, und er umfing eine Brust durch den dicken Flanellstoff hindurch, testete ihr Gewicht, spürte wie die Knospe sich unter seiner Berührung verhärtete und fest wurde. Sie machte kleine Laute der Lust, während sie mit den Armen seine Schultern und mit den Beinen seine Hüften umklammerte. Zärtlich fuhr er mit den Fingern über die Brustspitze, genoss ihr Erschauern. Jede ihrer Bewegungen spürte er in seinem ganzen Körper.

Sie brach den Kuss ab und wich zurück, starrte auf die Hand, die ihre Brust liebkoste. Unter ihren Blicken streichelte er die Spitze erneut im selben Takt, mit dem sich seine Zunge in ihrem Mund bewegt hatte. Ihre Augen wurden groß, sie bäumte sich auf und drückte ihre Brust fester in seine Hand, während ihre Hüften zuckten. Ein heiserer kleiner Schrei entrang sich ihrer Kehle.

Sie warf den Kopf nach hinten und schnurrte beinahe vor Lust, als er beide Hände benutzte, sie durch den Flanell hindurch zu streicheln und zu erregen.

Plötzlich fasste sie seine beiden Hände und hielt sie fest, sodass er aufhören musste. Sie starrte auf seinen Oberkörper. „Funktioniert das auch bei dir?“

Er zuckte die Schultern, als wüsste er es nicht. Mit seidenweicher Stimme erklärte sie: „Dann lass es uns herausfinden.“ Sie legte ihm beide Hände auf die Brust und streichelte ihn bewundernd. „So schön hart.“

Sogleich umfing er ihre Brüste. „So schön weich.“

Sie lachte und schob seine Hände weg. „Hör auf. Ich möchte mich konzentrieren, und das geht nicht, wenn du mich so berührst.“ Sie rieb ihre Hände in Kreisen über seine Haut, näherte sich langsam seinen Brustwarzen. Er beobachtete sie, liebte sie für die Konzentration, die sich auf ihrem lieblichen Gesicht zeigte. Schließlich strich sie mit ihren Fingern darüber und kniff ihn zart. Er bäumte sich unter ihr auf, als ein feuriger Blitz ihn durchzuckte, von ihren Finger geradewegs in seine Lenden gesandt.

„Aha!“ Sie berührte eine Brustwarze und kniff versuchsweise hinein. Er bäumte sich wieder auf. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, blickte von seiner nackten Brust zu ihrer flanellbedeckten. Erinnerte sie sich an das letzte Mal, als er ihren Busen entblößt hatte und ihre Brustknospe in den Mund genommen hatte?

„Auf dem Dach des Opernhauses hast du gesagt, du hättest die gelben Rüschen an meinem Kleid beneidet, dass du dir gewünscht habest, deine Hände wären an Stelle der Rüschen. Und auf der Chaiselongue hast du durch das Seidenhemd ... an mir ... gesaugt. Sollte ich das hier nicht besser ausziehen?“ Sie errötete, als sie das sagte. „Ich meine ...“

Er brachte sie mit einem Kuss zum Verstummen. „Nein“, sagte er. „Das solltest du nicht.“

Die Röte wich aus ihren Wangen. „Oh.“ Es war eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung.

Leise erklärte er: „Ich tue das.“

„Oh!“ Die Röte kehrte zurück. Sie saß da und wartete. Zwanzig kleine, polierte Perlmuttknöpfe von ihrem Kinn bis fast zur Taille.

Ein Knopf. Dann der zweite. Ihr schlanker Hals wurde enthüllt. Er bedeckte ihn mit federleichten Küssen.

Der dritte, vierte und fünfte Knopf gaben den Blick frei auf die Kuhle über ihrem Schlüsselbein. Er beugte sich vor und erkundete sie mit seiner Zunge.

Beim siebten und achten Knopf wurde sein Mund trocken, und sein Atem ging schwer. Er schaute sie an. Sie erwiderte den Blick und leckte sich langsam die Lippen. Sein Herz galoppierte.

Beim zehnten Knopf tauchte das sahnige Tal zwischen ihren Brüsten aus den Stofffalten auf, und er presste sein Gesicht dagegen, kostete ihre seidenweiche, warme Haut. Sie umklammerte seinen Kopf, fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar und küsste ihn.

Beim fünfzehnten Knopf waren beide Brüste entblößt, ihre festen, rosigen Spitzen schienen um seine Aufmerksamkeit zu betteln. Seine Hände zitterten. Mit den letzten Knöpfen kämpfte er einen Moment, dann gab er auf. Sein Atem ging inzwischen abgehackt, aber ihr ging es nicht anders - als wären sie um die Wette gelaufen.

Er griff nach dem Saum ihres Nachthemdes, das sich um ihre Hüften bauschte, und begann es langsam, ganz langsam zu heben.

„Oh! “ Sie stöhnte bei der leichten Reibung auf ihrer überreizten Haut.

Er zog es über ihre Hüften. Dies war seine Frau. Über ihre Taille. Es blieb kurz an ihren Brüsten hängen, hob sie an. Er zog erneut, und sie hielt ihre Arme wie ein Kind in die Höhe, damit er ihr das Nachthemd ganz ausziehen konnte. Nur war sie kein Kind. Sie war eine Frau, wunderschön und weiblich.

Er warf das Kleidungsstück zur Seite und bewunderte ihre Nacktheit. Einmal hatte er die Kopie eines berühmten italienischen Gemäldes gesehen, eine goldhaarige Schönheit, die scheu und nachdenklich in einer riesigen Muschel stand. Venus wurde die junge Frau auf dem Gemälde genannt; in ihrer Reinheit wirkte sie madonnenhaft.

Aber die italienische Schöne war nicht schöner oder sinnlicher als seine eigene Venus, die rittlings auf ihm saß, scheu und stolz zugleich.

Sie strahlte Lebendigkeit aus, Wärme, Liebe. Für ihn. Für den einfachen Sebastian Reyne. Er konnte es kaum glauben. Diese herrliche, liebevolle Frau würde seine Frau werden, die Liebe seines Lebens. Nie wieder würde er einsam sein.

Er nahm ihre Hand, küsste sie und legte sie sich aufs Herz. „Meine eigene teure Venus.“

„Venus war eine heidnische Göttin, nicht wahr?“

„Ja. Die Göttin der Liebe“, bestätigte er. Würde der Vergleich sie beleidigen?

Sie lächelte strahlend. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich weiß, wie man eine heidnische Liebesgöttin ist, aber ich möchte es gerne lernen“, erklärte sie. „Zeig es mir.“

Und ehe er sprechen konnte, hob sie sich von ihm und zog das Laken weg. „Oh“, hauchte sie erstaunt. Sie berührte ihn vorsichtig. „Das hier habe ich spüren können, wie es sich gegen mich gedrückt hat, nicht wahr? Es ist so warm und ... “

„Mmpf“, war alles, was er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpressen konnte. Er fasste nach ihrer neugierigen Hand. „Nicht jetzt.“

„Oh.“

„Wenn du weitermachst, ist es gleich vorbei.“

Sie runzelte die Stirn. „Aber ... “

„Ich möchte, dass wir uns beim ersten Mal Zeit nehmen, damit es für dich etwas ganz Besonderes wird.“

„Das ist es doch schon.“ Sie betrachtete ihn nachdenklich und begann ihn zu streicheln. „Ich denke, du versuchst wieder edelmütig zu sein.“

Sebastian blinzelte verwirrt. Er hatte sie gerade nackt ausgezogen. Was war daran edelmütig?

Sie umkreiste mit der Fingerspitze seine Brustwarzen, und er erbebte, wand sich hilflos unter ihren Händen. „Und du, Sebastian Reyne, sollst wissen, dass ich nicht deine heidnische Göttin sein kann, wenn du den Edelmütigen spielst.“ Sie beugte sich vor und küsste die flache Brustwarze, dann biss sie zart hinein. Er bäumte sich auf.

Sie lehnte sich zurück, einen Ausdruck tiefster, weiblicher Zufriedenheit auf dem Gesicht. „Es ist sehr lieb von dir, und ich liebe dich dafür, aber du musst dich wirklich nicht beherrschen, vorsichtig sein und dich zurückhalten. Ich habe lange genug gewartet. Wie gesagt, ich möchte, dass du mich nimmst.“ Sie fuhr mit dem Fingernagel über ihn und sagte leise: „Ich möchte besessen werden, erschütternde Leidenschaft erfahren.“ „Erschütternde Leidenschaft, verstehe“, sagte er unter Aufbietung seiner ganzen Selbstbeherrschung.

Sie drückte ihn zärtlich. „Ich möchte den hungrigen, leidenschaftlichen Mann, der mich beinahe auf dem Dach der Oper verführt hätte. Der Mann, dessen Hände vor Verlangen zitterten, als er mich auf der Chaiselongue liebkoste. Du hast dir beide Male deine Erfüllung versagt. Diesmal will ich, dass du nichts zurückhältst. Ich will nicht, dass du aufhörst. Ich will, dass du mit mir diese herrlichen Empfindungen erlebst.“

In seinen Augen glühte ein machtvolles Gefühl. Frohlocken, vielleicht. Triumph. Leidenschaft.

„Nun gut, meine Göttin. Dein Wunsch ist mir Befehl.“

Er stemmte sich hoch, sodass sie auf dem Rücken landete. Begierig fuhr er mit der Zunge in ihren Mund und küsste sie. Hope spürte, was sie seit dem ersten Mal gefühlt hatte, als er sie anschaute, und wonach sie sich seitdem sehnte.

Seine unermessliche Sehnsucht nach ihr, nach Hope Merridew. Das Wissen wärmte sie, wie nichts anderes es konnte. Es verwandelte ein ungeschicktes Mädchen in ... in die wunderschöne geliebte Liebesgöttin eines Mannes - ihres Mannes.

Sie erwiderte seinen Kuss, so fest sie konnte, verlor sich in seiner sengenden, wirbelnden Leidenschaft, folgte seiner Führung blindlings, freudig. Seine Hände waren überall, streichelten sie, liebkosten, erregten. Sie fuhr mit den Händen über seinen Körper, genoss seine Hitze, seine Kraft und sein Verlangen.

Er zog eine Spur aus Küssen über ihr Kinn, ihre Wangen, ihren Hals, die Kuhle am Halsansatz, bevor er sich ihren Brüsten zuwandte. Die leicht raue Männerhaut auf ihrer zarten Haut erzeugte eine herrliche Reibung, und dann nahm er eine Spitze in den Mund, saugte daran. Beinahe hätte sie aufgeschrien. Nicht Lust, nicht Schmerz; etwas übermächtiges, süchtig machendes anderes.

Sie überließ sich ganz seinen heißen, drängenden Liebkosungen, seine Hand glitt zwischen ihre Schenkel und streichelte sie dort.

Vage merkte sie, dass sie sich unter ihm wand, sich aufbäumte, während er sie berührte, bis ihr Körper zu brennen anfing. Dann plötzlich zerbarst etwas in ihr und sie stand in Flammen.

Erwartete einen Augenblick, ließ sie am Rande des Unbekannten schwanken, bevor er sie mit seinem Körper bedeckte und mit einem machtvollen Stoß in sie eindrang.

Sie keuchte auf und umklammerte ihn in jäher Panik.

Rau flüsterte er: „Es ist in Ordnung, Liebste. Das Schlimmste ist vorüber.“

Das Schlimmste? Es war nicht so übel, was sie fühlte. Es war nur ... anders. Gedehnt bis zum Zerreißen. Aber sie hatte keine Schmerzen. Wie erobert, aber nicht von einem Feind. Und Verbundenheit, herrlich innige Verbundenheit.

Vorüber? „Ich möchte nicht, dass es vorüber ist.“ Sie schlang ihre Arme und Beine um ihn, suchte blindlings die Verbindung zu vertiefen, machte es ihm unmöglich, sie zu verlassen.

Dann fing er an, seine Hüften rhythmisch vor und zurück zu bewegen, riss sie mit sich höher und höher, bis sie zusammen in einem Wirbel unglaublicher Gefühle von der Klippe in den Abgrund stürzten.

Bis sie in seinen Armen erschauerte, alles um sich vergaß - außer ihn.

„Alles in Ordnung, Liebste?“

Hope blinzelte und reckte sich. Mit leiser Verwunderung bemerkte sie, dass der Regen noch gegen die Bleiglasscheiben prasselte, dass Wasser in der Regenrinne gurgelte.

Wie konnte alles noch so sein wie vorher, wenn sie sich so vollkommen verändert fühlte?

„Liebste?“ Seine Stimme war tief, besorgt.

Sie drehte sich in seinen Armen um und schaute ihn an. Ihr Mann. Ihr Geliebter. Er wirkte beunruhigt. Sanft strich er ihr über die Wange. Sie war überrascht zu sehen, dass sein Daumen feucht schimmerte. Hatte sie geweint? Daran konnte sie sich nicht erinnern.

„Wie fühlst du dich?“ Die Frage war ungemein wichtig.

Hope dachte über ihre Antwort nach, suchte nach dem perfekten Vergleich. Es war so wunderbar, etwas so Besonderes, dass sie es richtig anfangen wollte, damit er begriff.

„Als ich ein kleines Mädchen war“, begann sie langsam, „habe ich eine Schlange beobachtet, deren Haut aufplatzte. So wie die Schlange, so fühle ich mich jetzt.“

„O Gott!“, entfuhr es ihm entsetzt.

Er beugte sich zu ihr, um sie zu küssen, aber sie hielt ihn mit einer Hand auf, streichelte zärtlich sein Kinn. „Nein, warte, lass mich ausreden. Ich will es erklären.“

Er schluckte, musterte sie ernst.

„Die Schlange war von einem trüben, gefleckten Grau, und als die Haut langsam aufplatzte, sah es erst schmerzhaft aus, obwohl ich nicht glaubte, dass es das war. Das Tier rieb und schabte sich an den Steinen und plötzlich riss die Haut auf.“

Er stöhnte. Sie legte ihm eine Hand auf den Mund. „Warte. Die Schlange schlängelte sich zwischen zwei Steine und begann sich zu winden, und plötzlich glitt sie aus der alten, grauen Haut heraus, ließ sie zurück. Und Sebastian, die neue Schlange war so frisch und schön, ihre Farben so strahlend und klar.“ Sie blickte ihn an, und er verschwamm vor ihren Augen. „Ich fühle mich wie diese Schlange, ganz neu und anders und wunderschön. Und du bist dafür verantwortlich.“

Ihre Worte rührten ihn, sodass er sein Gesicht in ihrem Haar vergraben musste, um keine unmännlichen Tränen zu vergießen. Schließlich konnte er erwidern: „Aber du bist schön. Eine anerkannte Schönheit des Ton. “

„Ach das!“ Sie schüttelte den Kopf. „Egal, was andere Leute von meinem Aussehen halten, ich habe mich nie schön gefühlt. Ich habe eine Zwillingsschwester, die genauso aussieht wie ich. Meine Schwester Charity ist viel schöner als wir beide, und Grace, denke ich, wird uns eines Tages alle überstrahlen. Prudence, unsere älteste Schwester, ist der wunderbarste Mensch auf der Welt, und doch hielt die gute Gesellschaft sie für unscheinbar.“ Sie lächelte. „Aber Prudence’ Ehemann Gideon findet sie unglaublich schön und ist ehrlich verwundert, wenn andere das nicht sehen.“

Aus leuchtenden Augen schaute sie ihn an und streichelte seine Wange. „Das machst du mit mir. Ich habe mich immer als die unzulängliche, ungeschickte Schwester gesehen, die nichts richtig kann, der nichts gelingt. Ich bin der Wildfang, diejenige, die die Regeln bricht, die handelt, ohne nachzudenken, und immer und überall in Schwierigkeiten gerät. Ich habe Angst im Dunkeln, davor, eingesperrt zu werden. Ich bin streitsüchtig, ungeduldig ...“

Mit einem Kuss brachte er sie zum Schweigen. „Du bist wunderschön, innerlich und äußerlich. Wenn die Leute dich Wildfang nennen, dann ist das ein Kosename, kein Schimpfwort.“ Er küsste sie noch einmal. „Du bist großherzig und liebevoll, und du bringst Freude mit, wo auch immer du hingehst. Du heilst alte Wunden und verhilfst anderen zu der Lebensfreude, die du fühlst.“ Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und sagte leise: „Und heute Nacht hast du mich zum stolzesten und glücklichsten Mann auf der Welt gemacht.“

Ihr Gesicht verzog sich, und sie drückte ihn krampfhaft an sich, murmelte an seinem Hals: „Ich liebe dich, Sebastian Reyne.“

„Und ich liebe dich, meine liebste Elfe.“

„Elfe?“, fragte sie nach.

„Als ich dich das erste Mal tanzen gesehen habe, musste ich an eine Elfe denken“, erläuterte er. „Du warst so leichtfüßig und graziös.“

Sie gähnte ein wenig und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. „Das gefällt mir“, verkündete sie schläfrig. „Ich kann mir aussuchen, ob ich eine Elfe bin oder eine heidnische Liebesgöttin.“

„Oder ein kühner Wildfang“, fügte er hinzu. „Ich liebe alles an dir. “ Jedes Wort unterstrich er mit einem Kuss.

Lächelnd schlief sie in seinen Armen ein. Der Wind pfiff heulend um die Dachbalken, der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, und Sebastian lag im Bett in dem kleinen Landgasthof, glücklicher und zufriedener als je zuvor in seinem Leben. Er war zu Hause.

Im Morgengrauen erwachte sie, und sie liebten sich erneut, ehe sie über den Flur auf Zehenspitzen in ihr Zimmer und in ihr Bett zurückschlich.

Später am Nachmittag bogen die Kutschen durch von Steinpfosten gesäumte Eisentore. Carradice Abbey stand inmitten sanft rollender Hügel in einem weitläufigen Park. Es war ein imposantes, dreistöckiges Gebäude, das trotz der einen oder anderen barocken Verzierung im klassischen Stil gehalten war, mit einem flachen, von einer Balustrade gesäumten Dach.

Etwa zwanzig breite Steinstufen führten zu einem eindrucksvollen Eingang, der von vier griechischen Säulen flankiert wurde. Als die Kutschen vorfuhren, kam ein hoch gewachsener, dunkelhaariger Gentleman leichtfüßig die Stufen hinabgelaufen.

„Gideon!“, ertönte ein Schrei aus der zweiten Kutsche, und noch bevor sie vollständig zum Stehen kam, riss Grace den Schlag auf und sprang heraus. So schnell sie konnte, rannte sie über die ordentlich geharkte Kiesauffahrt und warf sich ihm in die Arme.

Er fing sie auf und wankte lachend rückwärts, während sie ihn heftig auf die Wange küsste. „Sei gegrüßt, Braten. Ich habe dich auch vermisst.“

Hope drückte Sebastians Arm und erklärte: „Das ist mein Schwager Lord Carradice - Prudence’ Ehemann. Grace betet ihn an. Man würde nicht glauben, wenn man sie so sieht, dass sie früher ein verschüchtertes, bedrücktes Kind war, nicht wahr?“ Grace umarmte Lord Carradice, hängte sich an seinen Hals, und er erwiderte ihre Umarmung. „Vorsichtig, Braten. So entzückt ich auch bin, dich zu sehen, bin ich doch älter geworden, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben.“

„Ach Quatsch.“

„Was für eine elegante Ausdrucksweise, Braten - oder sollte ich dich jetzt besser Tante Braten nennen?“

Grace erstarrte. „Tante Braten? Meinst du etwa ...?“

Hope und Faith stürmten die Treppe empor und fassten Gideon am Arm. „Stimmt es? Das Baby ist schon da? Und Charity? Wie geht es ihr? Was ist es? Ein Junge oder ein Mädchen? Ist es gesund? Wann ist es geboren? Wie geht es Charity?“

Lord Carradice stellte Grace auf den Boden, küsste Faith und Hope auf beide Wangen und sagte: „Es ist alles in Ordnung, meine Lieben. Ich beantworte eure Fragen sofort, ihr müsst euch nicht sorgen. Alles ist bestens. Ah, da kommt ja Tante Gussie, die mich mit doppelt so viel Fragen in der halben Zeit bestürmen wird. Tante Gussie! “

Zu Sebastians Verwunderung hob Lord Carradice Lady Augusta hoch und drehte sich einmal mit ihr im Kreis, als wöge sie nicht mehr als eine Feder. Sie kreischte so laut wie Grace und küsste ihren Neffen fröhlich. „Gideon, du schrecklicher Junge, hör sofort damit auf! Du hast gesagt, Charity geht es gut und dem Baby auch? Was ... “

„Halt!“ Er hob theatralisch eine Hand. In der kurzen, überraschten Stille sprach er so schnell er konnte: „Charity geht es ausgezeichnet, sie ist nur müde. Das Baby ist ein Mädchen und vor zwei Tagen geboren. Sie ist winzig, hat ein knallrotes Gesicht und sieht - aber das muss unter uns bleiben - ein bisschen hässlich aus, aber weder Edward noch Charity oder auch meine Prudence können das erkennen, also erwähnt es bitte nicht, da sie alle miteinander sehr gereizt reagieren, wenn das Thema zur Sprache kommt. Edward ist völlig hingerissen, also erwartet kein vernünftiges Gespräch mit ihm. Das Baby ist kräftig und gesund und schreit in regelmäßigen Abständen das Haus zusammen. Sie haben sie Aurora genannt, was hervorragend zu ihr passt, denn sie röhrt wirklich ziemlich laut. Aua!“ Er drehte sich um und starrte die kleine, sehr schwangere Dame vorwurfsvoll an, die unbemerkt hinter ihm die Treppe hinabgekommen war und ihn leicht auf den Kopf geschlagen hatte. Ernster fügte er hinzu: „Und was habe ich dir gesagt über dich und Treppen?“

Sie schenkte ihm keine Beachtung und trat mit tränenfeuchten Augen zu den Merridew-Mädchen. Die älteste Schwester Prudence. Alle vier Schwestern umarmten sich, küssten sich und vergossen ein paar Tränchen.

Gideon beobachtete sie mit einem stolzen Lächeln. Als er sein Taschentuch hervorzog, bemerkte er Sebastian. Er musterte ihn, dann hielt er ihm die Hand hin. „Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bin Carradice.“

Sebastian stellte sich vor, und sie schüttelten sich die Hände. Er nickte zu Hope. „Sie hat sich große Sorgen gemacht.“

„Ja, sie stehen sich alle sehr nahe. Meine Frau vermisst sie sehr. Und hier ist Edward, der stolze Papa.“

Ein Mann mittlerer Größe stieg die Stufen hinab, sein rundliches Gesicht zierte ein breites Lächeln. Lady Augusta eilte zu ihm. „Edward, mein lieber Junge, herzlichen Glückwunsch.“ „Danke, Tante Gussie! Du siehst wunderbar aus. Gideon hat euch die Neuigkeiten schon erzählt, sehe ich. Ist es nicht herrlich? Charity schläft gerade, aber sie wird sich so freuen, euch alle zu sehen.“

Edward begrüßte alle der Reihe nach, bevor er sich zu Sebastian und dessen Schwestern umdrehte. Er hielt ihm die Hand hin, aber sein Lächeln schloss auch die beiden Mädchen ein. „Guten Tag. Ich denke, wir kennen uns noch nicht, oder?“

„O Himmel! Meine Manieren!“, rief Hope und holte das Versäumte rasch nach.

„Kommt doch alle herein“, sagte Prudence. „Der Tee wird in zwanzig Minuten serviert.“

Sie ging zur Freitreppe, als ihr Ehemann zu ihr trat. „Keine Stufen, schon vergessen?“ Damit hob er sie auf die Arme und trug sie nach oben, ohne auf ihre halbherzigen Einwände zu achten. Er stellte sie ab, als sei sie aus Glas gesponnen. Alle anderen folgten ihm ins Haus, lachend, schwätzend und sich immer wieder umarmend.

Dorie und Cassie blieben zurück, beobachteten alles schüchtern. „Sie sind eine echte Familie, nicht wahr?“, bemerkte Cassie verwundert.

„So wie wir“, erklärte Sebastian fest und bot jeder seiner Schwestern einen Arm. Zusammen betraten sie Carradice Abbey.

„Hope, Liebes, du strahlst ja richtig.“ Prudence und Faith saßen auf dem Bett in Hopes Schlafzimmer und sahen ihr beim Auspacken zu. Hope hatte gerade ihr Flanellnachthemd aus der Reisetasche genommen und drückte es an ihre Brust. „Oh, Prudence, ich bin so glücklich. Magst du ihn?“

Prudence nickte. „Er ist sehr ruhig, aber er lässt dich nicht aus den Augen, so wie Edward es bei Charity tut.“

„Und wie Gideon bei dir, Prudence. Es ist wunderbar“, sagte Faith.

„Du musst Mama und Papa die Neuigkeit erzählen“, erwiderte Prudence. „Gideon hat das Steingrabmal hergebracht. Wir besuchen es morgen.“

„Das Grabmal? Mamas und Papas Grabmal?“ Es war nur ein Haufen Steine, den die Schwestern aufgeschichtet hatten, als sie noch frisch verwaiste Kinder waren und ihre Eltern schrecklich vermissten. Mama und Papa waren in der warmen, sonnengeküssten Erde Italiens begraben. Aber ihr Grabmal hier war aus den kalten Steinen auf Großvaters Landsitz in Northumberland errichtet. Sie hatten den Steinen alle ihre Geheimnisse anvertraut, und lange Zeit war es ihr einziger Ort des Trostes gewesen.

Prudence nickte, und ihre Augen leuchteten. „Ja, da er wusste, keine von uns würde je nach Dereham zurückkehren wollen, hat mein liebster Gemahl jeden Stein herbringen lassen. Er hat sogar einen von Grace’ Milchzähnen darin gefunden und auch mitgenommen.“ Sie stand auf. „Jetzt kommt mit nach unten. Der Tee müsste inzwischen fertig sein, und ich bin halb verhungert.“

Gerade waren sie mit dem Tee fertig, als ein Dienstmädchen anklopfte. „Euer Gnaden, Sie hatten gebeten, benachrichtigt zu werden, sobald Ihre Gnaden aufwacht.“

„Ah!“ Edward strahlte. „Charity ist wach. Kommt, ihr wollt sie sicherlich sehen und unsere wunderschöne Aurora auch.“

Lady Gussie, Hope, Faith und Grace eilten sogleich nach oben. Edward blickte Cassie und Dorie an. „Würdet ihr beide auch gern das Baby sehen? Soweit ich weiß, will euer Bruder Hope heiraten, was euch also fast zu angeheirateten Tanten des Babys macht.“

Dorie und Cassie schauten Sebastian um Bestätigung heischend an. Er nickte und erkannte im selben Moment, dass er ihnen schon früher von seinen Heiratsplänen hätte erzählen sollen. Es war alles so schnell gegangen. Er setzte zu einer Erklärung an, aber sie fielen ihm ins Wort.

„Oh, wir wissen, dass du Miss Hope heiraten willst“, sagte Cassie, „aber uns war nicht bewusst, dass wir damit neue Verwandte bekommen. Wenn Hope unsere Schwägerin wird, wäre dann Grace so etwas wie eine Schwester?“

„Und wir sind wirklich Tanten? Von einem echten Baby?“, hauchte Dorie verwundert.

Er nickte, leicht belustigt angesichts ihrer Reaktion.

Edward bot ihnen seine Hände. „Dann kommt und seht euch eure neue kleine Nichte an.“ Ohne Zögern ergriffen die Mädchen seine Hände und stiegen eifrig die Stufen empor.

Ein weiterer Schritt, dachte Sebastian dankbar. Seine Schwestern lernten zu vertrauen.

Edward blieb auf der Hälfte der Treppe stehen und schaute zurück. „Sie auch, Reyne. Wir brauchen die gesamte Familie bei uns.“

Sebastian nickte und folgte schweigend. Er konnte nicht sprechen. In seiner Kehle saß ein Klumpen. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass er auch neue Verwandte erhalten würde. Er war nun Teil der gesamten Familie.

Charity saß aufrecht im Bett, eine goldblonde, strahlende junge Mutter. In ihrem Arm hielt sie ein kleines Bündel. Erst hielt Hope ihre Nichte, wobei sie in Sebastians Augen wie die allerschönste Madonna überhaupt aussah. Dann nahm Faith sie. Grace war als Nächste an der Reihe, gurrte leise. Lady Augusta hielt Aurora sehr vorsichtig und behutsam. Großonkel Oswald tätschelte ihr die Schulter, spähte zwischen die Stofffalten und grinste. Lady Augusta reichte fünf Minuten später Gideon das Baby mit den Worten, dass das schlimme Kind ihre Wimpernfarbe verlaufen ließe. Der gesamte Raum wurde Zeuge, wie Gideon augenblicklich wie Butter in der Sonne dahinschmolz, Faxen für die Kleine machte, leise brabbelte und behauptete, sie habe ihn angelächelt. Das Baby widersprach nicht.

„Würdest du sie gerne auch einmal halten?“

Die Duchess hatte zu Dorie gesprochen. Cassie hatte sich im Hintergrund gehalten, aber Dorie war still immer näher gekommen, bis sie an der Ecke des Bettes stand und fasziniert auf das Bündel schaute.

Dorie blinzelte erstaunt, dann nickte sie.

Charity klopfte neben sich auf das Bett. „Komm her, Dorie -so heißt du, nicht wahr?“

Dorie nickte wieder und kletterte vorsichtig auf die Matratze.

Die Duchess lächelte. „Grace hat uns eine Menge von dir und Cassie in ihren Briefen geschrieben. Willkommen in der Familie.“ Sie legte Dorie das Baby in den Arm. „Aurora, das ist deine Tante Dorie.“

Dorie schaute das Baby an, dann zu Sebastian. „Tante Dorie“, flüsterte sie andächtig, dann beugte sie sich vor und küsste das Baby behutsam auf die Stirn.

Nach einem Blick in Dories Gesicht ging Sebastian zum Fenster. Blindlings schaute er hinaus, kämpfte mit den Tränen.

Dankbar spürte er, wie Hope sich an seinen Rücken schmiegte.

Am nächsten Morgen lud Prudence Sebastian, Hope und die Mädchen ein, sie zum Häuschen des Jagdaufsehers zu begleiten. „Anslow und seine Frau erwarten uns. Ich denke, Mrs. Anslow wird ihren berühmten Pflaumenkuchen gebacken haben.“

„Aber warum?“, fragte Hope.

Prudence grinste. „Das ist eine Überraschung.“ Sie blinzelte Sebastian verschwörerisch zu.

Er nickte. Gideon hatte ihm schon von der Überraschung erzählt.

Das Haus des Jagdaufsehers stand am Rande eines Dickichts und bot einen weiten Blick auf die rollenden Hügel. Im Vorgarten blühten unzählige Blumen.

Mrs. Anslow öffnete ihnen die Tür und führte sie stolz in ihr kleines Besucherzimmer. „Ich hole Anslow und den Tee.“

Ein großer, grauhaariger, vom Wetter gegerbter Mann in Lederkleidern gesellte sich kurz darauf zu ihnen, gefolgt von Mrs. Anslow mit einem Teetablett. Hinter ihr kam ...

„May!“, rief Hope und blinzelte erstaunt. „Das bist du doch, oder?“

Das kleine, dürre Mädchen grinste sie breit an, sodass ihre Zahnlücke zu sehen war. Aufgeregt berichtete sie: „Ja, Miss, ich bin’s. Ich lebe jetzt hier, bei den Anslows.“

Mrs. Anslow legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie. „Und sie ist ein so liebes Mädchen.“ Das Gesicht der kleine May strahlte fröhlich. Sie lief zum Teetisch und begann die Tassen hinzustellen.

„Wir hatten nie Kinder, Anslow und ich, daher haben wir, als Mylady fragte, uns gedacht, es würde nicht schaden. Anslow war sich nicht so sicher, ein Waisenkind aus London aufzunehmen ...“

Der Mann erklärte schroff: „Aye, aber es ist alles gut gegangen. Sie ist ein großartiges Kind, unsere May. Wer hätte denn Interesse, meine Welpen anzusehen?“

„Welpen?“, quietschte Dorie. Sie schaute zu Sebastian, der grinste.

Anslow deutete mit dem Kopf hinter sich. „Draußen im Schuppen. Komm, May, wir zeigen sie den Mädchen.“ Er ging voran, und May hüpfte neben ihm, hielt seine Hand so stolz, dass Hope mit den Tränen rang. Dorie und Cassie, die sich nicht lumpen lassen wollten, nahmen Sebastians Hände und folgten ihnen.

„Das war eine Überraschung“, sagte Mrs. Anslow. „Mylady hat es eingefädelt. Sie wusste, dass ich einsam bin, so ganz ohne eigene Kinder.“

Hope blickte Prudence an. „Du warst das? Aber wie?“ Prudence lächelte froh. „Du hast mir von ihr geschrieben, erinnerst du dich? Von dem kleinen Mädchen, das um eine Puppe zum Liebhaben betete ... und ich musste an die Anslows denken, die um ein Kind beteten. Dann erwähnte Tante Gussie in einem Brief, dass sie nun zum Vorstand der Anstalt gehöre. Daher habe ich ihr von den Anslows berichtet, und sie hat May geschickt.“

„Aye“, stimmte ihr Mrs. Anslow zu. „Und wir könnten nicht glücklicher sein.“

Alle waren im roten Salon versammelt. Es war ein warmer Abend, und die französischen Fenster standen offen. Eine leise, süß duftende Brise bauschte die Vorhänge.

Auf der Terrasse spielten Cassie und Grace mit ihren neuen Welpen. Bellen und Lachen drangen immer wieder nach innen.

Charity war mit Aurora nach unten gekommen. Sie und Edward saßen lächelnd nebeneinander auf dem Sofa. Edward hielt das schlafende Baby, ganz der stolze, vernarrte Papa.

Dorie thronte auf einem Lehnstuhl. Sie hatte ein kleines Bündel im Arm. Große braune Augen schauten sie bewundernd an, eine runde kleine Schnauze tauchte plötzlich auf, und dann leckte ihr eine nasse, warme Zunge übers Gesicht. Dorie kicherte und drückte ihren Welpen an sich.

Sebastian wurde die Brust eng. Alles würde gut werden. Besser als gut. Es würde einfach wundervoll sein.

Prudence und Gideon schlenderten Arm in Arm auf die Terrasse, unterhielten sich. Lady Augusta und Sir Oswald spielten Karten mit den Zwillingen.

Sebastian schaute sich im Zimmer um. Er besaß mehr, als er je für möglich gehalten hätte, und der Gedanke ängstigte ihn auf einmal. Was, wenn das Leben seiner Kontrolle entglitt? Das war ihm auch vorher schon geschehen. Menschen verschwanden. Familien konnten durch eine Laune des Schicksals auseinandergerissen werden, Pläne ins Leere laufen ... wenn sie nicht sofort umgesetzt wurden.

Er ging zu Hope und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Lass uns rasch heiraten.“

Sie Oswald schaute von seinen Karten auf. „Es kann erst in ein paar Monaten sein. Man kann die Dinge in einer so bekannten Kirche wie St. George nicht überstürzen.“

„Und Hope muss sich noch ihre Aussteuer kaufen“, fügte Lady Augusta hinzu.

Hope lehnte sich nach hinten, bis sie mit den Schultern Sebastian berührte, küsste die Hand auf ihrer Schulter und lächelte ihn an. „Wann wollt ihr Aurora taufen lassen?“, fragte sie Charity.

Edward antwortete: „In drei Wochen. Ich habe es heute Morgen arrangiert.“

Zu Sebastian bemerkte Hope: „Dann lass uns doch am nächsten Tag heiraten. Freunde und Verwandte, die zur Taufe kommen, können gleich zur Hochzeit bleiben, und wir müssten uns nicht damit herumplagen, irgendwelche Kirchen zu buchen. Gideon hat nämlich eine ganz reizende Kapelle hier auf seinem Besitz. St. Giles. Und außerdem“, fügte sie leise hinzu, „ist Mamas und Papas Grabmal direkt neben der Kirche. Es ist, als wären sie bei uns.“

Sebastian beugte sich vor und küsste sie. Sie hatte ihm von dem Grabmal erzählt. „Perfekt.“

Großonkel Oswald verfolgte die plötzliche Geschäftigkeit, als Hochzeitspläne geschmiedet wurden, und rief empört: „Wird denn kein Mitglied dieser Familie jemals in St. George am Hannover Square heiraten?“

In der Stille, die darauf folgte, sagte Lady Augusta gedehnt: „Nun, Oswald ... ich könnte es tun, wenn du willst.“

Die Stille hielt an, war aber irgendwie gespannter und erwartungsvoll.

„Du meinst - Gussie! Nach all diesen Jahren, erhörst du mich endlich? Wirst du mich wirklich heiraten?“

Sie nickte und sah mit einem Mal fast wie ein Mädchen aus. „Ja, Oswald.“

Er sprang auf, fasste sie an den Händen, küsste sie, erst auf die Finger, dann auf den Mund. Benommen sagte er: „Ich muss sie bestimmt hundert Mal gefragt haben! “ Sicherheitshalber erkundigte er sich: „In St. George am Hannover Square?“ Ungläubig hob sie eine Augenbraue, als wäre die Frage überflüssig. „Natürlich. Mir würde es nicht im Traum einfallen, irgendwo anders zu heiraten. Wenn ich schon das dritte Mal heirate, dann will ich eine große, aufsehenerregende Hochzeit mit allem Drum und Dran! Ich gehöre nicht zum alten Eisen.“ Voller Inbrunst stimmte Großonkel Oswald ihr zu: „Nein, Gott sei Dank, das tust du nicht.“