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Ich verschwendete keinen Gedanken an die Rolle, die ich in Hamal eigentlich spielen wollte, und bemühte mich, den ersten Angreifer von der Seite zu erledigen und meine Klinge sofort zurückzuziehen, um mich dem nächsten widmen zu können, während Rees mit einem der anderen Männer ähnlich umsprang.
Rees' Klinge traf klirrend auf den Thraxter seines Gegners, und ich spürte, wie mein Rapier automatisch nach oben glitt, um einen wilden Abwärtshieb des Mannes abzulenken, der mich ansprang, eine Gestalt mit langem Haar, glitzernden Augen und schimmernden Zähnen.
»Nein, Hamun, nein!« brüllte Rees und ließ seine Klinge in einer meisterlichen Über-und-Unter-Abwehr herumwirbeln. »Bleib zurück! Die Kerle hauen dich in Stücke!«
Also, das mußte ich ihm lassen – der Trylon vom Goldenen Winde hatte Mut! Nun begann ein Kampf, der typisch war für die Leiden, die ich in meiner Zeit der Verkleidung in Ruathytu durchmachen mußte. Ich stolzierte herum, ließ meine Waffe kreisen und stellte mich Männern in den Weg, die den Trylon niederschlagen wollten. Wie zufällig pfiff mein Rapier hoch und wehrte eine Klinge von der offenen Flanke Rees' ab, »versehentlich« stellte sich meine Main-Gauche einer Klinge entgegen, die auf seinen Hals zufuhr. Er kämpfte!
Oh, er kämpfte großartig, doch ich wußte, daß er auf der Stelle gestorben wäre, hätte ich nicht wie ein Clown um ihn herumgefuchtelt und gebrüllt und dabei zu Rees' freudiger Überraschung einen Mann aufgespießt, der soeben angriff. Rees hatte inzwischen einen weiteren Gegner ausgeschaltet.
»Aus dem Weg, Hamun!«
Ich stolperte über meine eigenen Füße und vermochte mich auf diese Weise vorwärts fallen zu lassen.
»Bei Krun!« brüllte ich, ließ im Fallen mein Rapier nach oben zucken und traf dadurch – rein zufällig – einen Mann, der Rees von hinten angreifen wollte, während sich dieser auf der anderen Seite mit dem letzten Gegner befaßte.
Dieser zögerte nun. Diese Möchtegern-Stikitches{*} waren nicht echt: ich sah auf ihren Mänteln und Hemden die Umrisse von Insignien, die man entfernt hatte. Kein Zweifel – Vad Garnath hatte sechs seiner Leute losgeschickt, um Trylon Rees aufzulauern und zu töten. Sie hatten ihn angefallen, als er die Taverne verließ, um mich zu begrüßen. Sie trugen Tücher um die linken Arme gewickelt, denn kein ehrlicher Mann wandert nachts mit einem Schild über die Straßen; das wäre zu auffällig gewesen, es sei denn, es handelte sich um einen Soldaten oder einen Mann, der eine entsprechende Genehmigung des zuständigen Bezirks-Unterpallans vorweisen konnte.
»Die Rasts reißen aus!« brüllte Rees, obwohl nur noch einer übrig war. Ihm war noch immer nicht zu Bewußtsein gekommen, daß auch ich einige Männer ausgeschaltet hatte. Brüllend stürmte er hinter dem Kerl her, der die Beine unter die Arme nahm und durch die Gasse entwischte. Nach kurzer Zeit kehrte Rees fluchend zurück; sein Opfer war ihm entkommen.
Wir untersuchten die Toten. Einer der Männer lebte noch; doch als Rees ihn packte und hochzerrte, spuckte er schwarzes Blut und starb.
»Abschaum!« brüllte Rees außer sich vor Zorn.
»Ob Vad Garnath dahintersteckt?«
»Wahrscheinlich. Aber es gibt auch andere, die sich meinen Tod wünschen.« Rees begann seine Waffen an der Kleidung der Toten zu reinigen, und ich machte es ihm nach.
»Du mußt dich künftig besser vorsehen, mein Freund. Du hättest vorhin leicht Schaden nehmen können, so wie du zwischen den Schwertern herumgehüpft bist.«
»Jawohl, Rees ...«
Wenn ich je den Drang zum Lachen verspürt hatte, dann jetzt ...
Der Zwischenfall war eine angenehme Abwechslung für mich in meiner verhaßten Rolle als hamalischer Tölpel; es folgten andere Kämpfe, bei denen ich herumstolperte und Gegner abstach, ehe sie wußten, was mit ihnen geschah, während mir Rees zubrüllte, ich solle mich in acht nehmen und endlich verschwinden. Ich hatte zuweilen auch Spaß an meiner Rolle, denn damit vermochte ich Rees einen Gefallen zu tun und etwas von dem Dampf abzulassen, der sich in mir aufgestaut hatte. Außerdem habe ich wenig Nachsicht mit Männern, die sich zum Morden anwerben lassen. Ich sollte später erfahren, daß es in Hamal so etwas wie eine Stikitche-Khand gab. Eine Khand ist nicht gerade eine Zunft, aber eine Vereinigung von Experten – und damit ist der Unterschied vielleicht auch schon am deutlichsten erklärt.
Natürlich gab es keinen Beweis für die Existenz einer solchen Gruppe; welcher Mörder steigt schon in eine Uniform und gibt sich als Angehöriger einer Mörder-Khand zu erkennen? Die Mörder auf Kregen – und auch auf der Erde – arbeiten anders.
Eine Folge dieses ersten nächtlichen Zwischenfalls zeigte sich eine Sennacht später, als es Rees gelang, Vad Garnath eine Herausforderung zukommen zu lassen. Ich will hier nicht im einzelnen auf die Vorbereitungen eingehen, die Chido und ich leiteten – wir mußten den Saal mieten, uns um die Eintrittskarten kümmern und die Konzessionen für die Buchmacher ausgeben. All diese Dinge waren reine Routine.
»Ich werde dich nicht bitten, mein Champion zu sein«, sagte Rees zu mir. »Du kennst den Grund. Ich habe Nath Tolfeyr gebeten.«
Darauf gab es keine Antwort. »Wird der elende Cramph überhaupt zum Kampf antreten?«
»Bei Krun! Wenn nicht, haue ich seinen Champion nieder, versetze ihm einen Schlag ins Gesicht und fordere ihn erneut.«
Der Ablauf der Ereignisse während meiner Zeit als Spion in Ruathytu ist mir nach all den Jahren nicht mehr ganz geläufig – es dürfte etwa zu dieser Zeit gewesen sein, daß ich das Gerücht wahrnahm, Casmas der Deldy habe sich nach angemessenem Bokkertu eine Braut zugelegt. Außerdem fand ich Nulty wieder.
Auf den Mauern der Fabrik Zhyansflügel hatte es einen unangenehmen kleinen Zwischenfall gegeben. Die weißgetünchten Gebäude schimmerten im Mondlicht, tauchten mich in einen rosa Lichtschimmer, während ich eine wütende Patrouille abwehrte, mich beherzt auf einen Balkon hinaufschwang, zum nächsten sprang und über die Dächer entkam. So einfach war der Zugang zu Zhyansflügel also nicht. Die Wächter waren außer sich, hatten sie doch Befehl, den geheimnisvollen und gefährlichen Nachtschwärmer endlich zu fangen ... Inzwischen hatte ich es mir angewöhnt, eine Maske zu tragen, da ich trotz des Bartes vielleicht erkannt wurde. Mit der Zeit ging ich auch immer größere Risiken ein, um mein Ziel zu erreichen, doch ich kam nicht entscheidend weiter, wie ich's auch anstellte.
Die Stadt schien mich zu verhöhnen, als ich zurückeilte, eine dahinhuschende Gestalt im Mondlicht, der Mantel hinter mir wehend. Gewisse Fortschritte hatte ich inzwischen jedoch erzielt; ich hatte die Ohren gespitzt und erfahren, daß es bei der Vollerherstellung auf eine bestimmte Mischung der Mineralien ankam. Offenbar befanden sich in einem Silberkasten fünf verschiedene Mineralien. Worum es sich bei diesen Mineralien handelte, wußten meine Gesprächspartner leider nicht. Während ich über die Dächer Ruathytus eilte, faßte ich den Entschluß, meinen Freundeskreis im heiligen Viertel aufzugeben, um ein Gul zu werden und auf dieser Ebene in Zhyansflügel einzudringen – oder in eine andere Fabrik, in der die Mineralien vermengt wurden.
Aus Gründen, die auf der Hand liegen, war das keine leichte Aufgabe, doch wenn ich nicht bald etwas Entscheidendes erreichte, mochte mein ganzer Plan ins Wasser fallen – dann wären alle Verstellungen und Mühen umsonst gewesen.
Die Fabrik Zhyansflügel liegt nördlich des Havilthytus in einem Gul-Vorort. Auf meinem Rückweg in das heilige Viertel mußte ich die Brücke der Schwerter überqueren. Die Brücke trägt diesen Namen, weil sie den Soldaten, die am Nordufer des Flusses gegenüber dem Palast ihre Kasernen haben, Zugang zum heiligen Viertel am V des Zusammenflusses gewährt. Direkt vor mir sah ich die drei mächtigen Kuppeln des Großen Tempels von Havil dem Grünen. Sie schimmerten grünlich im rosa Licht der Monde. Der gewaltige Tempel erhebt sich unmittelbar an der Spitze der Landzunge und ist flußabwärts durch eine Brücke mit dem hohen Schloß auf einer speerspitzenförmigen Insel verbunden. Das bereits erwähnte interessante Phänomen, daß sich das Wasser des Schwarzen Flusses nicht sofort mit dem braunen Wasser des Havilthytus vermischt, zeichnet sich hier deutlich ab; südlich des Schlosses ist das Wasser tintenschwarz, zum Norden hin ockerfarben. Die deutliche Trennung setzt sich noch ein gutes Stück flußabwärts fort, bis allmählich doch eine Vermengung stattfindet, die ein undurchsichtiges Dunkelbraun ergibt.
Links von mir erhob sich das Schloß – genannt das Schloß Hanitchas des Sorgenbringers oder auch kurz: Hanitchik.
Im Laufe der Jahre habe ich auf Kregen etliche Verliese kennengelernt. Was ich jedoch über die Zellen des Hanitchik wußte, stärkte meine Entschlossenheit, mich in dieser Stadt niemals fangen zu lassen.
Als die Brücke der Schwerter hinter mir lag und ich aus dem Schatten des Großen Tempels trat, konnte ich die Maske absetzen. Eingehüllt in meinen alten grauen Mantel, schritt ich dahin, nach Süden in das heilige Viertel, vorbei an teuren Villen auf großen Grundstücken, über die mit Säulen gesäumten Plätze und die breiten Boulevards. Auf den weiten Flächen waren noch immer viele Menschen unterwegs, doch ich stürzte mich in das Gassengewirr der Tavernen und berüchtigten Vergnügungspaläste; ich passierte Flugtürme und Ställe, in denen schlafende Zorcas schnaubten, und kehrte schließlich in meine Schänke zurück. Mein Entschluß stand fest.
Schon am nächsten Tag begann ich mit meinen Erkundigungen, die mich schließlich zu einem Horter führten – trotz des Titels war er aber kein Gentleman. Dieser Horter stellte Guls ein, lieh sie für gutes Geld aus und behielt gut sechzig Prozent des Lohnes für sich. Die Guls mußten sich auf dieses schändliche System einlassen, wenn sie überhaupt Arbeit bekommen wollten. So etwas konnte allerdings nur in einer großen Stadt funktionieren. Wo es eine öffentliche Arbeitsvermittlung für Clums gab, waren die Arbeitslosen oft noch schlechter dran, denn die Beamten waren ein korruptes und bestechliches Gesindel.
Der bewußte Horter, ein gewisser Larghos ti Frahtur, musterte mich von oben bis unten; ich hatte ein einfaches Gulkostüm angezogen: braunes Hemd und Hosen, voller Flicken und vielfach ausgebessert, aber sauber. Ich konnte nur hoffen, die kleinen Knopfaugen würden nicht durch die kosmetische Maske meines häßlichen alten Gesichtes schauen und den teuflischen Ausdruck darunter ausmachen. Wir standen in einem Vorzimmer seines Hauses. Ringsum befanden sich Tische und Regale voller Akten, in denen er seine üblen Geschäfte aufzeichnete.
»Und du hast Erfahrung mit Vollern, Chaadur?« fragte er.
»Jawohl, Horter Larghos. Ich suche Anstellung in Zhyansflügel.«
»O wirklich? Gewiß, wir brauchen heutzutage mehr Voller, als wir uns vor dem Krieg vorgestellt hätten.« Er knurrte etwas vor sich hin und stopfte sich einen Cham-Brocken in den Mund. »Du siehst kräftig aus. Warum willst du nicht in die Armee?«
»Ich wäre gern in den Luftdienst eingetreten, aber meine Erfahrung hier ...«
»Schon gut, bei Hanitcha dem Sorgenbringer! Weiß Havil, ich habe genug zu tun.« Er schrieb etwas auf ein Stück Papier, faltete es zusammen, versiegelte es mit seinem Ring und einem Brocken Wachs (die Sache war ihm also wichtig genug, daß er kein Papiersiegel verwendete und damit riskierte, daß ich den Brief öffnete). Dann warf er mir das Stück zu. »Setz dich mit Deldar Ramit in Verbindung. Jetzt aber fort mit dir!«
Und er drehte sich um und kehrte in sein luxuriöses Haus zurück, in dem beruhigenden Bewußtsein, daß ich arbeiten und er sechzig Prozent meines Verdienstes einstecken würde.
Deldar Ramit fand ich in dem widerhallenden Korridor, der Zhyansflügel umgab. Die Zwillingssonne warf ihr grünrotes Feuer auf die Kacheln. Der Korridor wurde ständig von Wächtern abgeschritten. Die Swods{*} wirkten durchaus kampferfahren, und ich vermutete, daß sie ihren Dienst hier als eine Art Erholung von der Front versahen. Die Offiziere machten ebenfalls einen überaus tüchtigen Eindruck.
Wichtige, aber langweilige Wachaufgaben können einen Soldaten schnell ermüden lassen. Die Swods in den Himmlischen Bergwerken waren und sind echte Cramphs – doch hier hatte ich es mit gefährlichen Kämpfern zu tun, für die ich eine Art kollegiales Mitgefühl empfand. Dennoch handelte es sich um meine Gegner.
Wie grausam, wie rücksichtslos sind doch die Gesetze des Krieges!
Ich musterte die hamalischen Soldaten, während ich Deldar Ramit folgte, der knurrend vor mir her ging, eine zusammengerollte Liste unter dem Arm, die Schärpe seines Amtes lose über dem dicken Bauch. Ein Deldar ist bekanntlich der niedrigste der vier wichtigen Offiziersränge auf Kregen. In Hamal gibt es noch einige Ränge darunter, etwa den Matoc, eine Art Oberaufseher, der ein grünes Schild erhält und ein bißchen Macht über eine Gruppe einfacher Arbeiter ausübt. Ich wurde Matoc Ganning unterstellt, einem elenden Burschen mit buschigen Augenbrauen, mächtigem Kinn und einem Jucken in den Eingeweiden, das er nicht zu kontrollieren vermochte.
In Hamal erhalten Zivilarbeiter in der von der Regierung gesteuerten Vollerherstellung militärische Rangbezeichnungen.
»Chaadur? Also schön, nimm dir einen Besen und feg die Schweinerei hier zusammen!« brüllte Matoc Ganning und hielt sich den Bauch, der wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch grollte.
Damit begann eine Zeit schmutziger Arbeiten. Wenn ich mir überlegte, daß ich hier tatsächlich die Überreste der Mineralien zusammenkehrte, welche die Voller antrieben, begann mir der Besen in den Fäusten zu zittern.
Einem bloßen Besenschwinger war es nicht gestattet, sich in der Nähe der bewachten Räume aufzuhalten, in denen die Mischung hergestellt wurde. Ich beklagte mich beim Hikdar des Stockwerks und erhielt gegen Matoc Gannings Willen die Aufgabe, den Inhalt der mit Leder ausgekleideten Holzkisten in jene Tröge umzufüllen, die in die inneren Räume führten. Dabei hielt ich die Augen offen. Ich mußte das Mischungsverhältnis herausbekommen!
Ich nahm nicht an, daß meine Heimat Vallia über Männer verfügte, die die Mineralien und ihre Mischung zu analysieren vermochten. Die Guls konnten nachts in ihre heruntergekommenen Reihenhäuser zurückkehren und sich schlafen legen. Wenn sie wollten, durften sie auch in den Fabrikbaracken übernachten. Ich entschied mich für eine Pritsche in den Baracken. Hier legte ich mich einige Nächte lang aufs Ohr, ehe ich mich an meine Nachforschungen machte.
Dabei brauchte ich nur zwei Wächtern eins über den Schädel zu geben. Doch die eisengefaßten Lenkholztüren erwiesen sich als unüberwindlich.
Als ich in die Baracken zurückkehrte, war ich dermaßen schlecht gelaunt, daß ich dem erstbesten an die Gurgel gesprungen wäre, der sich mir in den Weg gestellt hätte.
Als die bewußtlosen Wächter entdeckt wurden, gab es ein gewaltiges Durcheinander. Ich mußte mich zusammenreißen. Die Menschen waren hier damit beschäftigt, Maschinen zu bauen, mit denen sie in mein Land einfallen, mein Volk töten, und alles vernichten wollten, das ich in Vallia und Valka liebte. Noch zweimal wagte ich einen Vorstoß, und beim zweitenmal mußte ich mit einem geliehenen Thraxter wie ein Teufel kämpfen, um den Rückweg in die Baracken zu schaffen. Ich entkam meinem Schicksal so knapp, daß ich so nicht weitermachen konnte.
Wieder einmal hatte ich versagt.
Die Anordnung, einem Gul Arbeit zu übertragen, die normalerweise nur von Sklaven verrichtet wurde, war ein weiteres Indiz für den Fanatismus, mit dem die Hamaler ihre Geheimnisse schützten. Draußen wurden die Sklaven gnadenlos für Schwerarbeiten eingesetzt. Innerhalb der Mauern von Zhyansflügel jedoch durften nur verläßliche Guls arbeiten – und zuweilen auch Clums. Wenn ich den Dingen ihren Lauf ließ, konnte ich erst nach langer Zeit damit rechnen, in der Nähe der Amphoren eingesetzt zu werden.
Von einem Gefühl der Unzulänglichkeit befallen, faßte ich den Beschluß, Zhyansflügel zu verlassen. Ich wollte noch ein neues Eisen ins Feuer legen – und dazu war jetzt der richtige Augenblick, das hoffte ich jedenfalls.
Hätte ich nur geahnt, was geschehen würde, ehe ich das Eisen ganz erhitzen konnte ... Vielleicht wußte Zair, was er tat, als er der schwachen Menschheit die Gabe der Vorahnung verweigerte. Womöglich waren jene, die sich dieser Fähigkeit rühmten, die Zauberer von Loh, nicht gerade die glücklichsten Sterblichen auf der Welt.
Zorn beherrschte mich. Ich konnte die Fabrik nicht verlassen, ohne einen letzten verzweifelten Versuch gemacht zu haben. Diesmal wollte ich mir einen Vorschlaghammer besorgen und die Türen einschlagen. In einem der vier Säle von Zhyansflügel mußte ich das Geheimnis finden!
Dreck und Luft!
Wie verhaßt war mir allein der Gedanke an das Geheimnis, das mir mein Versagen, meine Fehler vor Augen hielt!
Ich, Dray Prescot, Lord von Strombor, Krozair von Zy, wollte mich nicht von einer dummen eisengefaßten Lenkholztür und einem Regiment von Wächtern abhalten lassen!
Unten bei den Sklavenquartieren ließ sich am ehesten ein Vorschlaghammer finden – sicher säuberlich numeriert und für die Nacht aufgehängt. Von den Gulbaracken war es nur ein kurzer Weg, und ich traf in dem Augenblick ein, da die Auspeitschung eines halben Dutzend Sklaven begann. Was sie getan hatten, stand säuberlich vermerkt in den Wachbüchern der Offiziere, die von den Unter-Pallans eingesehen und auf die Befolgung der Gesetze hin überprüft werden konnten. Als ich mich zwischen den Büschen hindurchschob und auf die Werkzeugschuppen zuging, gellte der erste Schrei durch die Nacht.
Fackeln flackerten an einem Pfostenring. Die Frau der Schleier legte ihren vagen rosaroten Schimmer über die Szene. Die Sklaven waren an Holzrahmen aufgehängt worden, wie es den Vorschriften entsprach. Ein muskulöser Deldar hatte mit Nummer eins begonnen. Der Rücken des armen Teufels würde eine rote Masse sein, wenn die vorgesehene Anzahl von Peitschenhieben darauf niedergegangen war. Der Mann wand sich und schrie und ließ zuletzt ohnmächtig den Kopf hängen.
Mit den Blicken suchte ich die Reihe der Rahmen ab.
Nummer vier war Nulty.
Im gleichen Augenblick sah ich, daß seine linke Hand gekrümmt herabhing – soviel zur Wirkung der Knochen von Beng-Salter!
Immerhin, Nulty war Hamaler, Bürger eines Landes, das mit dem meinen verfeindet war. Ich hatte mir eine wichtige Aufgabe gestellt. Wieder zuckte die Peitsche herab – diese Sache ging mich nichts an. Aber da fielen mir Amak Naghan und sein Tod und der blutüberströmte Nulty ein, der sich hinter mir aufgerichtet hatte.
Der Deldar mit der Peitsche hatte sichtlichen Spaß an seiner Aufgabe. Bei jedem Schlag bleckte er die Zähne. Nun, war er nicht weitaus mehr mein Feind, als es der arme Nulty jemals sein konnte?
Nummer zwei begann zu schreien, als ich meinen Vorschlaghammer holen ging. Ich brach die Schuppentür auf und kehrte mit dem Hammer ins Freie zurück. Nein, der Vorfall ging mich nichts an. Der Kopf des Hammers schimmerte im Mondlicht, als ich auf die Rahmen zuging, um mich wieder einmal um etwas zu kümmern, das mich nichts anging.